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Das Vorliegen einer Kreuzung im Rechtssinn des Landeshundegesetzes kann angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung allein mit Blick auf den Phänotyp und damit das bloß äußerliche Erscheinungsbild des Tieres erfolgen.
Für die danach maßgebliche Frage, ob der Phänotyp einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen deutlich hervortritt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung im Einzelfall erforderlich, die das Tier im gesamten Erscheinungsbild in den Blick nimmt. Diese Prüfung führt zu einer zusammenschauenden und wertenden Würdigung, was eine schematische Betrachtung einzelner Merkmale oder ein rein mathematisches „Abzählen“ von Übereinstimmungen ausschließt.
Die im Einzelfall notwendige – normative – Zuordnung der amtstierärztlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu äußerlichen Merkmalen einer Rasse nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW kann auch ohne weitere Differenzierung nach einigen besonders charakterisierenden Merkmalen und Randbereichen nachvollziehbar erfolgen. Der Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest.
Für die Prüfung, ob ein Hund Merkmale bestimmter Rassen aufweist, kann auf die Rassestandards der (privaten) Hundezuchtverbände zurückgegriffen werden.
Die insoweit seitens des Senats bisher angenommenen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Normierung der Merkmale, die vorliegen müssen, damit von einem Hund einer der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen bzw. einer ihrer Kreuzungen auszugehen ist, namentlich der insoweit in Bezug genommenen allgemein anerkannten Rassedefinitionen insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände, werden nicht mehr aufrechterhalten.
Maßgeblich für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der weiteren Haltung eines gefährlichen Hundes gemäß § 4 Abs. 2 LHundG NRW ist eine am Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ausgerichtete Auslegung, welche die betroffenen Schutzgüter umfassend in den Blick nimmt. Dabei kommt dem mit dem Landeshundegesetz verfolgten Zweck der zügigen und wirksamen Eindämmung von Gefahren für die Schutzgüter unbeteiligter Dritter, die von gefährlichen Hunden möglicherweise ausgehen, ein erhebliches Gewicht zu.
Danach kann ein öffentliches Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden und nicht stets allein schon deshalb, um die Abgabe des Hundes vom privaten Halter in ein Tierheim zu vermeiden.
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Zum 1. Juli 2020 meldete die Klägerin die Haltung des im Dezember 2016 geborenen Hundes mit dem Rufnamen „K.“, Chip-Nr. N01, beim Steueramt der Beklagten an. Als Rasse gab sie dabei „Old Englisch Bulldog - Mix“ an. Den Hund hatte die Klägerin von dem Vorbesitzer, dem ehemaligen Lebensgefährten ihrer Schwester übernommen. Am dortigen früheren Haltungsort wurde die Haltung des Hundes als erlaubnispflichtig gemäß § 10 Abs. 1 LHundG NRW eingestuft, eine amtstierärztliche Rassebegutachtung hatte nicht stattgefunden. Dem Vorbesitzer war die Haltung untersagt worden.
3Am 31. August 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erlaubnis für die Haltung von „K.“ und bezeichnete diesen als Kreuzung der Rassen Old English Bulldog und Boxer. Nach entsprechender Aufforderung führte die Klägerin den Hund am 23. September 2020 beim Veterinäramt der Beklagten zwecks Rassefeststellung zur Begutachtung vor. Nach Anhörung der Klägerin untersagte die Beklagte der Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 5. November 2020 die Haltung des Hundes „K.“ (Ziffer 1) und forderte sie unter Entziehung des Hundes auf, diesen unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 23. November 2020, in einer Tierheimeinrichtung oder an eine sonst geeignete Stelle oder Person abzugeben (Ziffer 2). Den Antrag auf Erteilung einer Haltungserlaubnis lehnte die Beklagte ab (Ziffer 3). Für den Fall, dass die Klägerin der Anordnung zu Ziffer 2 nicht fristgerecht nachkommen sollte, drohte die Beklagte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro an (Ziffer 4). Zur Begründung führte sie aus, „K.“ weise phänotypisch hinsichtlich der Kopf- und Ohrenform und auch des Körperbaus signifikante Merkmale der Rasse Pitbull Terrier auf. Die Amtsveterinärin komme zu dem abschließenden Ergebnis, dass es sich bei „K.“ um einen Pitbull Terrier-Mischling und damit um einen gefährlichen Hund im Sinn von § 3 Abs. 2 LHundG NRW handele. Ein öffentliches Interesse an der Haltung des Hundes liege nicht vor, da dazu erforderlich sei, dass keine andere Möglichkeit der tierschutzgerechten Unterbringung oder Haltung bestehe als ein Tierheimaufenthalt. Die Klägerin habe aber nicht geltend gemacht, dass sie sich erfolglos bemüht habe, den Hund an eine andere geeignete Stelle oder Person zu vermitteln, etwa an eine Person mit Wohnsitz in einem Bundesland, in dem die Haltung von Pitbull Terrier-Mischlingen nicht an einen Erlaubnisvorbehalt geknüpft sei oder an eine tierheimähnliche Einrichtung, die den Hund bis zur endgültigen Vermittlung bei einer privaten Pflegestelle unterbringe. Im Übrigen sei ihr Hund bei der Übernahme bereits ausgewachsen gewesen und habe auch für einen Laien erkennbare signifikante Merkmale eines Pitbull Terriers aufgewiesen. Daher sei es die Pflicht der Klägerin gewesen, sich vor der Übernahme aktiv beim Vorbesitzer über die Herkunft und Abstammung des Hundes zu informieren.
4Am 21. November 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei bei der Übernahme von „K.“ nie die Rede davon gewesen, dass der Hund erlaubnispflichtig sei. Mit den ihr gegenüber durch den Vorbesitzer gemachten Angaben habe sie ihn daher zur Hundesteuer angemeldet; auch im Impfpass und im Überlassungsvertrag sei der Hund als Old English Bulldog (Boxer) bezeichnet worden. Erst nachdem sie über die Akteneinsicht ihres Prozessbevollmächtigten Kenntnis von der bisherigen Einstufung als Hund bestimmter Rassen nach § 10 Abs. 1 LHundG NRW erlangt habe, habe sie unverzüglich eine entsprechende Haltungserlaubnis beantragt. Die Ordnungsverfügung sei insgesamt rechtswidrig, weil schon nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei „K.“ überhaupt um einen gefährlichen Hund im Sinn des Landeshundegesetzes handele. Die Beurteilung des Veterinäramtes genüge nicht den an eine solche Rassebeurteilung zu stellenden Anforderungen. Der Hund habe keinen ausgeprägten Stop, keine ausgeprägte Wangenmuskulatur und eine viel zu schmächtig und gering ausgebildete Körper- und Beinstruktur. Von einem deutlichen Hervortreten von Merkmalen eines Pitbull Terriers könne keine Rede sein. Warum nach der Beurteilung der Beklagten die Kopf- und Ohrenform für einen Pitbull sprächen, obwohl der Hund weder einen markanten Stop noch eine ausgeprägte Wangenmuskulatur aufweise, erschließe sich nicht. Was an dem schmächtigen Körperbau und Beinen für einen Pitbull sprechen solle, der üblicherweise eine mächtige und massige Brust und starke und muskulöse Vorder- und Hinterläufe habe, erschließe sich ebenfalls nicht. Überdies könne sich die Beklagte nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht auf den Rassestandard des „United Kennel Club“ (UKC) berufen, da dieser zu unbestimmt sei und eine Beurteilung, ob ein Pitbull Terrier oder eine Kreuzung mit dieser Rase vorliege, nicht zulasse. Doch selbst wenn es sich bei „K.“ um einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW handeln sollte, habe sie einen Anspruch auf Erteilung der Haltungserlaubnis, da sie sämtliche Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LHundG NRW erfülle und auch ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung im Sinn von § 4 Abs. 2 LHundG NRW bestehe. Das öffentliche Interesse sei nicht nur bei einer Übernahme aus dem Tierheim anzunehmen, sondern könne auch bestehen, wenn ein Tierheimaufenthalt vermieden werde. Die formelle Illegalität der bisherigen Haltung eines dem § 3 Abs. 2 LHundG NRW unterfallenden Hundes führe nicht zwingend zur Ablehnung eines Erlaubnisantrags. Sie habe überdies eindeutig davon ausgehen dürfen, dass es sich bei „K.“ nicht um einen Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW gehandelt habe, sondern – nach Akteneinsicht durch ihren Prozessbevollmächtigten – allenfalls um einen solchen im Sinn des § 10 Abs. 1 LHundG NRW, weil er als solcher am früheren Haltungsort geführt worden sei. Sie selbst müsse nicht kundiger sein als die für Hunde zuständige Ordnungsbehörde am früheren Haltungsort. Jedenfalls nach Kenntnisnahme einer potentiellen Erlaubnispflicht habe sie sich umgehend um die Beibringung aller erforderlichen Unterlagen bemüht.
5Die Klägerin hat beantragt,
6die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 5. November 2020 aufzuheben,
7hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Erlaubnis zur Haltung ihres Hundes „K.“ zu erteilen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung hat sie die Ausführungen des angefochtenen Bescheides wiederholt und unter Bezugnahme auf die Begutachtung durch die amtliche Tierärztin im September 2020 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 5. Januar 2022 vertieft. Die Rassefeststellung der Tierärztin komme unzweifelhaft zu dem Ergebnis, dass bei „K.“ markante und signifikante Merkmale einer bulldoggenartigen Rasse fehlten und vielmehr ein American Pitbull Terrier-Mischling anzunehmen sei. Irrelevant sei, dass der Hund – ohne phänotypische Begutachtung – seitens der Ordnungsbehörde am früheren Haltungsort als Hund bestimmter Rassen im Sinn des § 10 Abs. 1 LHundG NRW geführt worden sei. Der Kreuzungsbegriff des § 3 Abs. 2 LHundG NRW dürfe nicht darauf verengt werden, dass das Erfordernis des „deutlichen Hervortretens“ nur in Fällen bejaht werden könne, in denen die phänotypischen Merkmale einer der dort aufgezählten Hunderassen nahezu vollständig gegeben seien und lediglich leichte Abweichungen bestünden. Bei Kreuzungen sei typischerweise auch die andere beteiligte Hunderasse ausgeprägt. So könnten etwa die Merkmale Größe und Gewicht alleine nicht entscheidend für die Einstufung als Kreuzung sein. Auch könne nicht allein auf Merkmale abgestellt werden, die konstitutionsbedingt zu der Gefährlichkeitsvermutung beitrügen, denn eine Unterscheidung in „gefahrbegründende“ und nicht „gefahrbegründende“ Merkmale lasse sich der gesetzgeberischen Entscheidung und den hierzu angestellten Erwägungen nicht entnehmen. Die Rasse des Pitbull Terriers sei für sich auch bestimmbar. Da diese Tiere eine große Variabilität aufwiesen und in sehr unterschiedlichen Größen und Körperformen existierten, müsse dies auch in den zur Bestimmung der Rasse bzw. der Kreuzungen der Rasse Pitbull Terrier maßgebenden Kriterien Niederschlag finden. Danach träten bei „K.“ bei wertender Gesamtbetrachtung die phänotypischen Merkmale der Rasse Pitbull Terrier nach dem UKC Standard deutlich hervor. Dies gelte insbesondere mit Blick auf Größe und Gewicht, die charakteristische Kopfform einschließlich Form und Ausprägung des Fangs, die Körperform mit der Bemuskelung des Körpers sowie der charakteristischen Halspartie, den Rutenansatz und den charakteristischen Stop. All dies sei in markanter und signifikanter Weise gegeben. Vor diesem Hintergrund sei die Haltungsuntersagung nicht zu beanstanden. Zwar könne auch an einer ununterbrochenen weiteren Haltung eines gefährlichen Hundes zur Vermeidung eines Tierheimaufenthalts ein öffentliches Interesse bestehen; dies erfordere aber die Gewissheit, dass allein die weitere Haltung durch den bisherigen Halter und Erlaubnisantragsteller geeignet sei, dem öffentlichen Interesse, namentlich Tierschutzgesichtspunkten, gerecht zu werden. Dies bedeute im Umkehrschluss die Feststellung, dass keine anderen Möglichkeiten der tierschutzgerechten Unterbringung bzw. Haltung bestünden. Zur Bejahung des öffentlichen Interesses an der weiteren Haltung des Hundes reiche indes nicht aus, dass die Klägerin pauschal darauf hinweise, ein Tierheimaufenthalt solle vermieden werden. Mit einer derartigen Argumentation liefe die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW letztlich ins Leere. Unabhängig davon hätte die Klägerin erkennen können, dass es sich bei „K.“ um einen gefährlichen Hund im Sinn des § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW handele.
11Mit Urteil vom 26. Januar 2022 hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Erlaubnisvoraussetzungen für die Haltung zu bejahen seien. Der Hund der Klägerin sei ein gefährlicher Hund im Sinn des § 3 Abs. 2 LHundG NRW, da bei diesem der Phänotyp eines American Pitbull Terriers gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW deutlich hervortrete. Dem insgesamt bestimmten und anzuwendenden Rassestandard entspräche „K.“ hinsichtlich folgender Merkmale ohne Weiteres: Beschaffenheit des Fells, Farbe des Fells, Farbe der Nase, Farbe der Augen, Beschaffenheit des Gebisses (Scherengebiss), Beschaffenheit des Halses (ohne Wamme) und des Rückens, Beschaffenheit der Lefzen (nicht hängend), Beschaffenheit der Schnauze sowie insbesondere Größe und Körpergewicht. Auch die phänotypische Erscheinung des Kopfes, der nach der Rassebeschreibung ein Schlüsselelement des Rassetyps ist, sei dem Rassestandard eines American Pitbull Terriers zuzuordnen. Die Beschreibung des Standards bezüglich der Kopfform (viewed from the front, the head is shaped like a broad, blunt wedge) sei bei „K.“ erfüllt. Darüber hinaus seien auch hinsichtlich der seitlichen Kopfform die Anforderungen des Standards erfüllt. Die Forderung des Standards nach einem gut definierten, mäßig tiefen Stop (well defined, moderately deep stop) sei ebenfalls gegeben; die Amtsveterinärin habe einen solchen deutlich ausgeprägten und gut definierten Stop beschrieben, nämlich einen deutlichen Abfall der Stirn-Nasenlinie im Bereich des Übergangs vom Schädel zum Nasenrücken. Die Einwendungen der Klägerin stellten diese Bewertungen nicht durchgreifend in Frage. Die Ordnungsverfügung könne jedoch keinen Bestand haben, denn die Klägerin könne ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung des Hundes geltend machen. Das öffentliche Interesse bestehe aus Gründen des Tierschutzes, indem der Klägerin zur Vermeidung eines Tierheimaufenthalts des Hundes dessen weitere Haltung ermöglicht werde. Die formelle Illegalität der bisherigen Haltung führe nicht zwingend zur Ablehnung des Erlaubnisantrags. Die Klägerin habe die Erlaubnisvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 LHundG NRW auch nicht rechtsmissbräuchlich umgangen, indem sie etwa im Zusammenhang mit der Übernahme des Hundes pflichtwidrig unterlassen hätte zu überprüfen, ob dieser unter die Kategorie des gefährlichen Hundes nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW falle. Habe die Klägerin nach alledem einen Anspruch auf Erteilung einer Haltungserlaubnis, seien sowohl die Haltungsuntersagung als auch die weiteren Maßnahmen der Ordnungsverfügung rechtswidrig.
12Die Beklagte hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und wiederholt und vertieft zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen. Die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats führe zu einer in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten verbundenen Aushöhlung des Kreuzungsbegriffs des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW und damit zu dessen fehlender Wirksamkeit unter dem Blickwinkel einer effektiven Gefahrenabwehr. Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil eine überzeugende Rassebeurteilung in Abkehr von der Senatsrechtsprechung vorgenommen und ohne Rechtsfehler den Hund der Klägerin als Kreuzung eines Pitbull Terriers eingestuft. Das Urteil könne jedoch keinen Bestand haben, soweit angenommen werde, die weitere Haltung von „K.“ durch die Klägerin stehe im öffentlichen Interesse. Damit ein öffentliches Interesse namentlich unter Tierschutzgesichtspunkten bejaht werden könne, müsse die positive Feststellung getroffen werden, dass keine anderen Möglichkeiten der tierschutzgerechten Unterbringung bzw. Haltung bestünden; hierzu habe die Klägerin nichts vorgebracht. Es sei nicht ersichtlich, dass sie überhaupt versucht habe, eine geeignete Abgabestelle für den Hund zu finden, um ihm einen Tierheimaufenthalt zu ersparen. Dabei könne der pauschale Verweis, dass ein Tierheimaufenthalt vermieden werden solle, nicht ausreichen, denn dies könne letztlich durch jeden Halter vorgebracht werden. Reichte dies aus, liefe die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW leer, was dem Willen des Gesetzgebers und dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr widerspreche. Außerdem hätte die Klägerin die Gefährlichkeit von „K.“ erkennen können.
13Die Beklagte beantragt,
14das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
15Die Klägerin beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie verteidigt das Urteil mit Ausnahme der Rassebeurteilung und wiederholt und vertieft insoweit ihr bisheriges Vorbringen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 5. November 2020 zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtene Verfügung ist sowohl hinsichtlich der in Ziffer 1 ausgesprochenen Haltungsuntersagung (dazu I.) als auch hinsichtlich der in Ziffer 2 angeordneten Entziehung (dazu II.) und der Zwangsgeldandrohung (Ziffer 4, dazu III.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für ihren Hund „K.“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, dazu IV.).
21I. Die Haltungsuntersagung kann auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützt werden. Hiernach soll das Halten eines gefährlichen Hundes oder eines Hundes im Sinn des § 10 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes getroffener Anordnungen vorliegen, die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind, eine erforderliche Erlaubnis nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt wurde.
221. Bei dem Hund „K.“ handelt es sich um einen gefährlichen Hund im Sinn des § 3 Abs. 2 LHundG NRW.
23a) Nach § 3 Abs. 1 LHundG NRW sind gefährliche Hunde solche, deren Gefährlichkeit nach Absatz 2 vermutet wird oder nach Absatz 3 im Einzelfall festgestellt worden ist. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Absatz 2 der Vorschrift sind gefährliche Hunde solche der Rassen Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW). Dabei sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW Kreuzungen Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt. Der Gesetzgeber geht dabei in generalisierender und typisierender Ausübung seines weitreichenden Einschätzungs- und Prognosespielraums davon aus, dass die besondere Gefährlichkeit von Hunden der gelisteten Rassen auch aus angeborenen – d. h. genetisch bedingten – Verhaltensbereitschaften, insbesondere einer erhöhten Aggressionsbereitschaft, resultiert.
24Vgl. Entwurf des Landeshundegesetzes, LT-Drs. 13/2387, S. 16 f., 19 f., 29; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 5 A 1033/18 –, juris, Rn. 34 m. w. N., auch zu entsprechenden Regelungen in anderen Bundesländern.
25Ein derartiger, an das Vorhandensein bestimmter genetischer Vorgaben anknüpfender – auf einen Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotenzial reagierender – Ansatz ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig.
26Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 –, BVerfGE 110, 141, juris, Rn. 66, 74 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 31. Juli 2019 – 6 B 37.19 –, juris, Rn. 6 ff., und vom 2. August 2013 – 6 BN 1.13 –, LKV 2013, 464, juris, Rn. 16; OVG Sachs.-Anhalt, Beschluss vom 14. August 2020 – 3 L 17/20 –, LKV 2020, 525, juris, Rn. 27 ff.; siehe auch OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 36 ff. m. w. N. aus der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.
27Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die generalisierende und typisierende Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen gefährlich seien, vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimme, dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt seien, schließe sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben könne.
28Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004, a. a. O., Rn. 74 f. mit Nachweisen aus der Fachwissenschaft.
29Das Landeshundegesetz definiert, soweit es in den § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 10 Abs. 1 LHundG NRW einzelne Hunderassen aufzählt, diese nicht selbst, sondern greift auf allgemein anerkannte Rassedefinitionen insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände zurück, in denen eine Rasse anhand phänotypischer, durch Vererbung übertragbarer Merkmale beschrieben und so eine Zuordnung eines einzelnen Hundes zu dieser Rasse ermöglicht wird (sog. Standards).
30OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 23 m. w. N.
31Die Bestimmung der Rassezugehörigkeit eines abstrakt gefährlichen Hundes erfolgt anhand der äußerlich erkennbaren körperlichen Merkmale des jeweiligen Tieres, unabhängig davon, ob eine eindeutige genetische Definition der einzelnen durch Zuchtauswahl entstandenen Hunderassen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft möglich ist.
32Vgl. noch zu früheren Erkenntnissen OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 25, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 5 B 1802/20 u. a. –, juris, Rn. 8, jeweils m. w. N.
33§ 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW sieht für die Beurteilung, ob eine Kreuzung nach Satz 1 vorliegt, eine genetische Untersuchung nicht vor. Zwar dürfte im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, die DNA eines Mischlingshundes mit der DNA einer hinreichend großen Menge an anderen Hunden, die zweifelsfrei einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen zugeordnet sind, zu vergleichen, mit der möglichen Folge einer solchen Untersuchung, dass zwischen den verglichenen Proben eine signifikante Übereinstimmung besteht.
34Vgl. zu andere Landesregelungen VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. August 2020 – 1 S 1263/20 –, NVwZ-RR 2021, 203, juris, Rn. 31; eingehend OVG Sachs.-Anhalt, Urteil vom 4. Juni 2014 – 3 L 230/13 –, juris, Rn. 69; siehe auch Bay. VGH, Beschlüsse vom 25. April 2023 – 10 CS 23.506 –, juris, Rn. 10, 17 („Baustein der Rassezuordnung“), und vom 8. März 2023 – 10 CS 22.2549 u. a. –, juris, Rn. 12 (für ein absicherndes Gutachten).
35Für die Beurteilung des Vorliegens einer Kreuzung im Rechtssinn des Landeshundegesetzes kommt eine derartige genetische Prüfung aber mit Blick auf die gesetzliche Regelung, die allein auf den Phänotyp und damit das bloß äußerliche Erscheinungsbild des Tieres abstellt, nicht in Betracht.
36Ob es sich bei „K.“ um einen reinrassigen Hund einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen handelt, kann offen bleiben. Jedenfalls ist der Hund der Klägerin eine Kreuzung im Sinn des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW, konkret eine Kreuzung eines im Gesetz als Pittbull Terrier bezeichneten American Pitbull Terriers mit einem anderen Hund.
37Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW sind Kreuzungen nach Satz 1 Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt. Ein deutliches Hervortreten in diesem Sinn kann (nur) dann angenommen werden, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer oder mehrerer der in der Vorschrift genannten Rassen zeigt. Die Frage, wann bei einem Hund ein so verstandenes Hervortreten gegeben ist, ist einer rein schematischen Beantwortung nicht zugänglich.
38Vgl. Entwurf des Landeshundegesetzes, LT-Drs. 13/2387, S. 20; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 28 m. w. N.
39Um eine hinreichend verlässliche Einschätzung vorzunehmen, ob der Phänotyp einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen deutlich hervortritt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung im Einzelfall erforderlich, die das Tier in seinen körperlichen Erscheinungsformen in den Blick nimmt. Das deutliche Hervortreten eines der Phänotypen der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen ist mit Blick auf das gesamte Erscheinungsbild zu überprüfen. Diese Prüfung führt zu einer zusammenschauenden und wertenden Würdigung, was eine schematische Betrachtung einzelner Merkmale oder ein rein mathematisches „Abzählen“ von Übereinstimmungen ausschließt.
40Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7. November 2023 – 2 S 572/23 –, juris, Rn. 29.
41Bei einem Kreuzungshund ist dabei nicht zu fordern, dass dieser alle Rassemerkmale erfüllen muss.
42Vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 9. Februar 2023 – 7 B 11142/22.OVG –, juris, Rn. 9; VG Bremen, Urteil vom 9. Januar 2025 – 5 K 2195/23 –, juris, Rn. 43.
43Auch ist eine Differenzierung zwischen die Gefährlichkeit „besonders charakterisierenden Merkmalen“ und „Randbereichen“ von Erscheinungsformen nicht geboten. Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung einen anderen Ansatz befürwortet hat,
44vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 28 ff., im Anschluss daran auch Urteil vom 23. Januar 2023 – 14 A 516/21 –, juris, Rn. 50; VG Köln, Urteil vom 4. Juli 2022 – 20 K 1241/21 –, juris, Rn. 25; hierzu auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 9. Februar 2023, a. a. O., Rn. 7; VG Berlin, Urteil vom 10. November 2022 – 37 K 517/20 –, juris, Rn. 20, 26 (zu „wesentlichen Merkmalen des Phänotyps einer Hunderasse“),
45hält der erkennende Senat daran nicht mehr fest.
46Vgl. bereits VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022 – 18 K 4119/20 –, juris, Rn. 33 ff., für eine umfassendere Berücksichtigung von äußeren Merkmalen. Kritisch auch VG Köln, Urteil vom 4. Juli 2022, a. a. O., Rn. 31.
47Dem allgemeinen normativen Zweck des Landeshundegesetzes als spezielles Gefahrenabwehrgesetz, bezogen auf die potentiell mit der Unberechenbarkeit des Verhaltens von Hunden verbundene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter,
48OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2023 – 5 A 3146/21 –, NWVBl 2024, 154, juris, Rn. 33, 79,
49und speziell von § 3 Abs. 2 LHundG NRW, die Verbreitung der genannten Rassen und ihrer Kreuzungen weiter einzudämmen und für die Zukunft weitestgehend zu unterbinden, muss nach dem Willen des Gesetzgebers und im Sinn einer effektiven Gefahrenabwehr wirksam Rechnung getragen werden. So hat der Gesetzgeber auch bei seiner Einschätzung der abstrakten Gefährlichkeit der genannten Hunderassen nicht ausschließlich an derartige konstitutionsbedingte „gefahrerhöhende“ Elemente des Phänotyps angeknüpft. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind es vielmehr mehrere rassespezifische Aspekte, die die abstrakte Gefährlichkeit begründen. Insoweit wird zwar unter anderem die körperliche Konstitution der Rasse, etwa Größe, Gewicht, Beißkraft, Muskelkraft und Sprungkraft, genannt. Daneben zählt zu den rassespezifischen Merkmalen aber auch das Auffälligwerden dieser Rassen in der Vergangenheit durch Beißvorfälle sowie eine Zuchtauswahl, die Aggressionsmerkmale begründet, wie etwa eine niedrige Beißhemmung, einen Beschädigungswillen oder eine herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe.
50VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022, a. a. O., Rn. 37; vgl. eingehend OVG Sachs.-Anhalt, Urteil vom 23. Juni 2021 – 3 L 107/19 –, juris, Rn. 90 ff.; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019, a. a. O., Rn. 6 ff.
51Die gesetzgeberische Anknüpfung an die äußere Erscheinungsform der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW aufgezählten Rassen und deren Kreuzungstypen zwingt damit nicht zu einer Differenzierung zwischen die Gefährlichkeit „besonders charakterisierenden Merkmalen“ und „Randbereichen“ von Erscheinungsformen. Dessen ungeachtet sind die genannten physischen Merkmale – wie etwa Größe, Gewicht, Beißkraft, Muskulatur – zweifellos maßgeblich dafür, dass körperliche Übergriffe dieser Hunde ein erhebliches Risiko für Menschen und andere Tiere mit sich bringen und sind nicht zuletzt Grundlage der gerechtfertigten gesetzgeberischen Entscheidung, diese Hunde typisierend und generalisierend als gefährlich einzustufen und einer strengen Regulierung (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) zu unterwerfen. Die im Einzelfall notwendige – normative – Zuordnung der amtstierärztlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu äußerlichen Merkmalen einer Rasse nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW kann auch ohne weitere Differenzierung nach einigen besonders charakterisierenden Merkmalen und Randbereichen, wie sie der bisherigen Senatsrechtsprechung zugrunde lag, nachvollziehbar erfolgen. Die Erkennbarkeit und praktikable Handhabung für Behörden wie auch Gerichte wird hierdurch nicht in Frage gestellt, sondern lediglich auf einen breiteren Referenzrahmen verwiesen. Es bleibt bei dem methodischen Ansatz, die Zuordnung des Hundes zu einer Rasse durch eine Betrachtung seines Äußeren und einen Vergleich mit phänotypischen Merkmalen der Rasse vorzunehmen.
52Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7. November 2023, a. a. O., Rn. 29; Bay. VGH, Beschluss vom 25. April 2023, a. a. O., Rn. 14 f.
53Der Verzicht auf die genannte Differenzierung ist dabei zweifellos mit einer gewissen Einbuße an Griffigkeit verbunden, unterscheidet sich aber nicht von anderen ähnlichen Prüfungen, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe von Behörden und Gerichten eigenständig auszulegen und auszufüllen sind, obwohl die zu dieser Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen regelmäßig durch ärztliche oder sachverständige Dritte erfolgen.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 2 C 37.13 –, NVwZ-RR 2015, 625, juris, Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020 – 19 A 3028/15 –, juris, Rn. 46.
55Die Annahme einer Kreuzung im Sinn des Landeshundegesetzes ist dabei nach dem gesetzgeberischen Willen auch in dem Fall möglich, in dem die Phänotypen mehrerer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen bei dem jeweiligen Tier deutlich hervortreten. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei von einer Kreuzung auszugehen, wenn „ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung (Phänotyp) trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer oder mehrerer der genannten oder bestimmten Rassen zeigt.“
56Vgl. Entwurf des Landeshundegesetzes, LT-Drs. 13/2387, S. 20; in diese Richtung auch VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022, a. a. O., Rn. 56; noch offen gelassen von OVG NRW, Beschluss vom 4. November 2020 – 5 B 838/20 –, n. v., S. 4 des Beschlusses.
57b) Für die Frage, ob ein Hund Merkmale bestimmter Rassen aufweist, kann auf die Rassestandards der (privaten) Hundezuchtverbände zurückgegriffen werden. Insbesondere kann auf der Grundlage des „American Pit Bull Terrier Official UKC Breed Standard“ des UKC [Stand 1. Mai 2017],
58vgl. https://www.ukcdogs.com/american-pit-bull-terrier (zuletzt abgerufen: Mai 2025),
59das Vorliegen einer Kreuzung eines Pitbull Terriers hinreichend verlässlich bejaht werden. Dies gilt auch, soweit die in diesem Standard enthaltenen Größenangaben „a general and approximate guideline only“ (S. 3 des Standards), d. h. „nur eine allgemeine und ungefähre Richtlinie“ sein sollen, und dem Standard insoweit keine verbindlichen Maßgaben entnommen werden können.
60Zunächst darf nicht außer Betracht bleiben, dass selbst reinrassige Hunde nicht alle dasselbe Erscheinungsbild aufweisen und nicht immer in allen Punkten dem Rassestandard entsprechen. Dementsprechend beschreiben die in Rede stehenden Rassestandards etwa nach der Selbstbeschreibung der Fédération Cynologique Internationale (FCI) jeweils den Idealtyp einer Rasse und weisen teilweise eine große Varianz auf. Ihrer Funktion nach stellen die Standards auf Rasseschauen die Bewertungsgrundlage für die dort tätigen Richter dar. Weiterhin sollen sie als Basis für die Züchter dieser Rassen genutzt werden, um erstklassige Hunde zu züchten.
61Vgl. die Selbstdarstellung der FCI: https://www.fci.be/de/Prasentation-unserer-Organisation-4.html (zuletzt abgerufen: Mai 2025); eingehend hierzu VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022, a. a. O., Rn. 43 ff. zu weiteren Zuchtbestimmungen; ähnlich auch die Ziele des UKC-Standards selbst.
62Aus den Anforderungen der Fachverbände lässt sich schließen, dass selbst reinrassige Hunde den Rassestandards der FCI nicht in jeglicher Hinsicht entsprechen müssen. Vielmehr existiert auch bei ihnen eine Varianz im Erscheinungsbild, was sich beispielsweise an den unterschiedlichen Ausstellungsnoten ablesen lässt, die der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) als Dachverband der deutschen Zuchtverbände in seiner Ausstellungsordnung als Beurteilungsgrundlage für Ausstellungen von Rassehunden festlegt.
63Vgl. § 15 der VDH-Ausstellungs-Ordnung (Stand August 2021), abrufbar unter: https://www.vdh.de/ueber-den-vdh/satzung-ordnungen (zuletzt abgerufen: Mai 2025).
64Werden Hunde nach diesem Maßstab danach bewertet, dass die Zuchttiere dem Idealstandard der Rasse möglichst nahekommen, führen Abstriche, Mängel oder sogar Nichterfüllen einiger Rassemerkmale – mit Ausnahme disqualifizierender Fehler – nicht dazu, dass diese Hunde von der Zucht ausgeschlossen werden oder gar nicht mehr als Rassehunde gelten. So werden selbst Hunde, die ihrem Rassetyp nur „genügend entsprechen“, nach der Zuchtordnung des VDH als rassetypische Hunde zur Zucht zugelassen.
65Vgl. § 5 der VDH-Zucht-Ordnung (Stand August 2021), abrufbar unter: https://www.vdh.de/ueber-den-vdh/satzung-ordnungen (zuletzt abgerufen: Mai 2025).
66Die insoweit seitens des Senats bisher angenommenen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Normierung der Merkmale, die vorliegen müssen, damit von einem Hund einer der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen bzw. einer ihrer Kreuzungen auszugehen ist, namentlich der insoweit in Bezug genommenen allgemein anerkannten Rassedefinitionen insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände,
67vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 50 ff.,
68werden nicht mehr aufrechterhalten. Der Rückgriff auf Standards von Fachverbänden ist zulässig, solange diese selbst rechtsstaatlichen Anforderungen, namentlich dem Bestimmtheitsgrundsatz, genügen.
69Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 345/83 –, BVerfGE 88, 366, juris, Rn. 50, und vom 30. Dezember 1993 – 1 BvR 1368/90 –, NJW-RR 1994, 663, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 56.
70Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel daran, dass sich auf Grundlage der von privaten Zuchtverbänden zur Verfügung stehenden Rassestandards hinreichend sicher bestimmen lässt, ob ein Hund zur Rasse der Pitbull Terrier gehört bzw. die Kreuzung eines Pitbull Terriers ist. Dem liegt nicht zuletzt die Annahme zugrunde, dass das Äußere der Pitbull Terrier eine große Vielfalt aufweist und – soweit ein Rassestandard auch bei einem reinrassigen Hund Einkreuzungen anderer Rassen erlaubt – der American Pitbull Terrier eine gemeinsame Abstammungsgeschichte mit dem American Staffordshire Terrier hat, was das Vorliegen übereinstimmender Merkmale der genannten Rassen ohne Weiteres erklärt und zulässt.
71Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022, a. a. O., Rn. 27 f.; hierzu noch abweichend OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 60, 63.
72Die Annahme einer objektiv nachvollziehbaren Beurteilungsgrundlage stellt das nicht in Frage und führt auch nicht dazu, dass im Ergebnis nach den einschlägigen Standards letztlich jede Abweichung damit gerechtfertigt werden könnte, dass der Phänotyp des Pitbull Terriers auch Merkmale anderer Rassen zulässt. Von einer Beliebigkeit der rassemäßigen Einordnung von Hunden kann keine Rede sein. Die große Varianz der Rasse des American Pitbull Terrier ergibt sich ohne Weiteres aus dem UKC-Standard und spiegelt in hinreichend objektiv greifbarer Beschreibung schlicht die Realität wider. Mathematische Genauigkeit wird vom Gesetz insoweit nicht verlangt. Dieser Umstand mag im Einzelfall die Zuordnung eines Hundes zur Rasse erschweren, führt aber nicht dazu, dass in nicht überprüfbarer oder objektivierbarer Weise auch Hunde erfasst würden, „die mit einem Pitbull schlichtweg nichts mehr zu tun“ hätten (S. 10 der Berufungserwiderung der Klägerin vom 26. Juli 2022). So kann nicht jegliche Übereinstimmung und phänotypische Ähnlichkeit mit beschriebenen Merkmalen eines American Pitbull Terriers zu einer Bejahung einer Kreuzung im Sinn von § 3 Abs. 2 LHundG NRW führen. Die normative Schwelle, ab der dies gegeben ist, ist mit der tatbestandlichen Voraussetzung des deutlichen Hervortretens (Satz 2) in im Einzelfall bestimmbarer Weise umschrieben. Insofern genügt ein „einfaches“ Hervortreten – wie auch die Klägerin zutreffend unterstreicht – nicht. Auf ein auf tatsächlichen Feststellungen basierendes Evidenzmoment kann nicht verzichtet werden.
73c) Bei „K.“ handelt es sich danach um einen gefährlichen Hund im Sinn des § 3 Abs. 2 LHundG NRW, nämlich (jedenfalls) um eine Kreuzung eines American Pitbull Terriers mit einem anderen Hund, bei dem der Phänotyp eines American Pitbull Terriers deutlich hervortritt. Diese Bewertung kann der Senat ohne Weiteres auf der Grundlage der Feststellungen der amtlichen Tierärztin in ihrem Gutachten vom 24. September 2020 und ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 3. Dezember 2020 und 5. Januar 2022 treffen.
74Diese Feststellungen sind zu unterscheiden von der rechtlichen Bewertung, die der Senat auf der Grundlage der vorliegenden amtstierärztlichen Ermittlungen selbst vorzunehmen hat. Bei dem Begriff des deutlichen Hervortretens (Kreuzungsbegriff) handelt es sich um einen Rechtsbegriff, dessen Definition bzw. Auslegung (auch) Aufgabe der Gerichte ist. Der Amtstierarzt hat die äußerlich-physischen Merkmale zu ermitteln, die rechtlichen Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung, ob der Hund eine Kreuzung im Sinn des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW ist, obliegen in eigener Verantwortung der Behörde bzw. im Streitfall den Verwaltungsgerichten.
75OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2024 – 5 B 6/24 u. a. –, n. v., S. 3 des Beschlusses; vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 19. März 2015, a. a. O., Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020, a. a. O., Rn. 46 m. w. N.
76Die zuständige Behörde – und in der Folge das Verwaltungsgericht – kann sich aufgrund der fachlichen Kompetenz von amtlichen Veterinären und ihrer Neutralität regelmäßig auf deren Stellungnahmen stützen. Der Begutachtung durch amtliche Tierärzte, wie auch § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW zeigt, kommt aufgrund von deren Objektivität und Sachverstand zugleich regelmäßig ein höherer Stellenwert zu, als dies bei privattierärztlichen Gutachten der Fall ist.
77Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Januar 2023 – 5 B 252/22 –, juris, Rn. 5, vom 4. November 2020, a. a. O., S. 3 des Beschlusses (unter Verweis auf den in anderem Zusammenhang ergangenen Beschluss des BVerwG vom 27. April 2016 – 2 B 23.15 –, juris, Rn. 18), und vom 26. Februar 2019 – 5 A 1400/18 –, n. v., S. 3 des Beschlusses; ebenso VG Köln, Urteil vom 4. Juli 2022, a. a. O., Rn. 47.
78Bei der gerichtlichen Prüfung von auf der Grundlage des Landeshundegesetzes getroffenen Anordnungen kommt der fachlichen Feststellung der äußeren Physiologie und des Verhaltens von Hunden durch amtliche Tierärzte aufgrund dieser vom Gesetzgeber eingeräumten vorrangigen Beurteilungskompetenz im Allgemeinen ganz erhebliches Gewicht zu. Ein bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist regelmäßig nicht ausreichend, um die amtstierärztlichen Feststellungen in Frage zu stellen. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich, wenn das Gutachten nicht offensichtlich von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unauflösbare Widersprüche aufweist, Zweifel an der Sachkunde und Unparteilichkeit aufwirft oder im Hinblick auf die gutachterlich zu treffenden Feststellungen und deren Herleitung und Begründung unvollständig ist. Dementsprechend kann ein Verwaltungsgericht die in gutachterlichen Stellungnahmen oder in einem Bescheid getroffenen Einschätzungen von amtlichen Veterinären heranziehen und auf der Grundlage ihrer Erkenntnis etwaige Einwendungen der von den Anordnungen Betroffenen zurückweisen.
79Vgl. zum TierSchG OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2024 – 20 B 396/24 –, juris, Rn. 26 m. w. N.; ferner – ebenfalls zum TierSchG – BVerwG, Beschluss vom 2. April 2014 – 3 B 62.13 –, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2016 – 20 B 1408/15 –, juris, Rn. 21; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 25. Januar 2023 – 6 B 318/22 –, juris, Rn. 6, und vom 11. Juni 2020 – 3 B 124/20 –, juris, Rn. 6; Thür. OVG, Beschluss vom 15. Mai 2023 – 3 EO 148/23 –, juris, Rn. 40.
80Dass bei dem Hund „K.“ die phänotypischen Merkmale eines American Pitbull Terriers deutlich hervortreten, steht zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat sieht insoweit in entsprechender Anwendung von § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt den – insoweit tragenden – Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. S. 14 bis 16 des Urteils).
81Entgegen den schon im Klageverfahren geltend gemachten und im Berufungsverfahren wiederholten Einwendungen der Klägerin erlaubt das veterinärmedizinische Gutachten der Beklagten die Einschätzung, dass bei „K.“ der Phänotyp der Rasse American Pitbull Terrier deutlich hervortritt. Die einzelnen Merkmale eines Pitbull Terriers werden detailliert dargestellt und jeweils in Beziehung zum beurteilten Hund gesetzt. Inwiefern die Zuordnung der einzelnen Anforderungsstandards in dem Gutachten „nicht wirklich erkennbar“ sein soll, erschließt sich nicht. So hat die Klägerin etwa bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Frage gestellt, dass „K.“ über einen ausgeprägten Stop (d. h. Übergang von der Nasenwurzel zur Schädelkalotte) verfüge. Dem ist das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Anforderung des Standards, der einen gut definierten, mäßig tiefen Stop fordere („well defined, moderately deep stop“), unter Auswertung der vorliegenden veterinärmedizinischen Stellungnahmen vom 24. September und 3. Dezember 2020 sowie vom 5. Januar 2022 überzeugend entgegengetreten. Anhand der bei der amtstierärztlichen Untersuchung gefertigten Lichtbilder ist das auch für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar. Gleiches gilt letztlich für die seitens der Klägerin gerügten Feststellungen zur Ausprägung der Wangenmuskulatur und zu Muskulatur und Körperbau des Hundes. Auf der Grundlage der schon vom Verwaltungsgericht hierzu getroffenen Bewertungen (vgl. S. 15 f. des Urteils) sowie der verwerteten Gutachten und Fotos liegt vielmehr fern, „K.“ in seiner Bemuskelung als „mickrig“ zu charakterisieren und insgesamt von einer „Karikatur eines Pitbulls“ zu sprechen.
82Angesichts der schon vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen, dem Rassestandard eines American Pitbull Terriers zweifelsfrei entsprechenden Merkmale wie etwa Beschaffenheit und Farbe des Fells, Farbe der Nase und der Augen, Beschaffenheit von Gebiss (Scherengebiss), Hals (ohne Wamme), Rücken, Lefzen (nicht hängend) und Schnauze sowie insbesondere Größe, Körpergewicht und Erscheinungsbild des Kopfes, kann die Zuordnung zum Rassestandard eines American Pitbull Terriers hier nicht ernsthaft bestritten werden.
832. Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützten Haltungsuntersagung sind gegeben. Konkret sind die – im Rahmen von § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW als Ausschlussgrund zu prüfenden – Erlaubnisvoraussetzungen für das Halten eines gefährlichen Hundes nicht erfüllt.
84Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW wird die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes im Sinn des § 3 Abs. 2 LHundG NRW oder des § 3 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 LHundG NRW nur erteilt, wenn ein besonderes privates Interesse nachgewiesen wird oder ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung besteht. Ein besonderes privates Interesse der Klägerin, an das nach der gesetzgeberischen Intention (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW) von vornherein strenge Anforderungen zu stellen sind, ist weder nachgewiesen noch sind hierfür sonst Anhaltspunkte ersichtlich. Unmaßgeblich sind hier im Übrigen allgemeine Halterinteressen wie etwa die emotionale Bindung an den Hund oder Kostenfolgen einer Unterbringung im Tierheim oder in einer sonstigen Einrichtung. Aber auch ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung des Hundes „K.“ durch die Klägerin besteht – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil – nicht. Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses ist die Gesamtheit der schutzwürdigen Belange der Allgemeinheit und damit des Gemeinwohls bezeichnet, die den Individualinteressen gegenüberstehen; die Inhalte des öffentlichen Interesses im Einzelfall lassen sich nur aus einer Gesamtschau von Sinn und Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung gewinnen.
85Vgl. Weber, Rechtswörterbuch, Öffentliches Interesse, 33. Ed. 2024; Krawietz, Der Staat 11 (1972), 349, 356, 358; zum Institut des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt Häberle, AöR 95 (1970), 86, 109 ff.
86Der Gesetzgeber hat die Kategorie des öffentlichen Interesses, anders als die des besonderen privaten Interesses, nicht selbst näher konkretisiert. Soweit sich in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens sowie den Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz die Formulierung findet, dass ein öffentliches Interesse im Sinn von § 4 Abs. 2 LHundG NRW auch aus Gründen des Tierschutzes bestehen kann, wenn ein Hund aus einem Tierheim an eine Privatperson vermittelt werden soll,
87vgl. den Entwurf des Landeshundegesetzes, LT-Drs. 13/2387, S. 22, und Nr. 4.2 VV LHundG NRW; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2023 – 5 B 44/23 –, NWVBl. 2024, 199, juris, Rn. 12 m. w. N.,
88ist dies lediglich ein Beispiel, das der weiteren Differenzierung bedarf und nicht, wie die Verwaltungsvorschriften suggerieren („in der Regel“), ein Regeltatbestand, der die behördliche Anwendung determiniert. Maßgeblich für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der weiteren Haltung eines gefährlichen Hundes nach § 3 Abs. 2 oder § 3 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 LHundG NRW ist vielmehr eine am Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ausgerichtete Auslegung, welche die betroffenen Schutzgüter umfassend in den Blick nimmt. Zunächst kommt Gesichtspunkten des Tierschutzes, die das Wohlbefinden des Hundes und dessen art- und bedürfnisangemessene Unterbringung (vgl. §§ 1 f. TierSchG) in den Blick nehmen, ein öffentliches Interesse zu. Dies hat etwa Niederschlag gefunden in der zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Landeshundegesetzes vorherrschenden – negativen – Beurteilung der Situation in Tierheimen.
89Vgl. LT-Plenarprotokoll 13/56 vom 22. März 2002, S. 5784, 5797.
90Demgegenüber steht der allgemeine normative Zweck des Landeshundegesetzes als spezielles Gefahrenabwehrgesetz, potentiell mit der Unberechenbarkeit des Verhaltens von Hunden verbundene Gefährdungen von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter zu verhindern.
91OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2023, a. a. O., Rn. 33, 79, und Beschluss vom 23. Mai 2024 – 5 A 355/23 –, NWVBl. 2024, 428, juris, Rn. 16.
92Diese Zweckrichtung hat für die Frage des öffentlichen Interesses an der Haltung eines unter die Kategorien von § 3 Abs. 2 oder § 3 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 LHundG NRW fallenden Hundes maßgebliche Bedeutung. Dem mit dem Landeshundegesetz verfolgten öffentlichen Interesse an der zügigen und wirksamen Eindämmung von Gefahren für die Schutzgüter unbeteiligter Dritter, die von gefährlichen Hunden möglicherweise ausgehen, kommt ein erhebliches Gewicht zu. Dies wird u. a. daran deutlich, dass der Landesgesetzgeber für die Haltung gefährlicher Hunde ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgestellt hat,
93vgl. Entwurf des Landeshundegesetzes, LT-Drs. 13/2387, S. 21; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. November 2023, a. a. O., Rn. 19, und vom 30. Oktober 2023 – 5 B 927/22 –, juris, Rn. 18,
94und auch der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz – HundVerbrEinfG) die Einfuhr und Verbringung gefährlicher, abstrakt über die Rasse und deren Kreuzungen definierte Hunde streng reglementiert und sogar strafbewehrt hat. An der Legitimität dieser einheitlich zu betrachtenden restriktiven Zwecksetzung bestehen keine Zweifel.
95Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004, a. a. O., Rn. 60 ff., 71 ff.
96Dass der betroffene Halter den Hund tatsächlich beanstandungsfrei gehalten hat, kann ein öffentliches Interesse nicht begründen.
97Ausgehend von diesen Grundsätzen kann ein öffentliches Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes der genannten Kategorien nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden und nicht stets allein schon deshalb, um die Abgabe eines Hundes vom privaten Halter in ein Tierheim zu vermeiden. Der Umstand, dass die Vermeidung eines künftigen Tierheimaufenthalts ein öffentliches Interesse begründen kann, bedeutet nicht automatisch die Annahme, dass in jedem Fall der weiteren Haltung eines bisher illegal gehaltenen gefährlichen Hundes ein öffentliches Interesse auch tatsächlich besteht. Insoweit ist das Vorliegen eines öffentlichen Interesses positiv festzustellen. Eine solche Feststellung erfordert die Gewissheit, dass allein die weitere Haltung durch den bisherigen Halter und Erlaubnisantragsteller geeignet ist, dem öffentlichen Interesse, namentlich Tierschutzgesichtspunkten, gerecht zu werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss die Feststellung, dass keine anderen Möglichkeiten der tierschutzgerechten Unterbringung bzw. Haltung bestehen. Solche Möglichkeiten sind insbesondere in der Haltung durch andere (private) Personen zu sehen, die ihrerseits die Voraussetzungen für die Haltung eines gefährlichen Hundes erfüllen. In Betracht kommen aber auch längerfristige Unterbringungen in Einrichtungen, in denen den betreffenden Hunden ein tierschutzgerechtes Leben möglich ist, was grundsätzlich auch bei Tierheimen der Fall ist.
98Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 18 L 483/20 –, juris, Rn. 51.
99Dieser engen Auslegung des öffentlichen (Haltungs-)Interesses liegt maßgeblich das vordringliche – der wirksamen Entfaltung grundrechtlicher Schutzpflichten im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dienende – öffentliche Interesse des Staats zugrunde, Menschen und (andere) Tiere vor etwaigen Angriffen durch einen Hund zu bewahren. Der Gesetzgeber hatte mithin nicht die Konstellation im Blick, dass ein formell illegal gehaltener gefährlicher Hund vom bisherigen Halter weiter gehalten werden darf, um einen Aufenthalt im Tierheim künftig zu vermeiden.
100VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Januar 2022, a. a. O., Rn. 95.
101Dies entspricht der neueren Senatsrechtsprechung, nach der § 4 Abs. 2 LHundG NRW nicht dazu dient, die Haltung eines privat erworbenen Hundes nachträglich zu legalisieren, nachdem der Hund wegen Fehlens der Erlaubnisvoraussetzungen weggenommen und in einem Tierheim untergebracht worden ist. Andernfalls könnte der Hundehalter, der mit der nicht erlaubten Haltung eines gefährlichen Hundes selbst die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Hund in ein Tierheim verbracht wird, nach seinem Belieben ein öffentliches Interesse begründen. Auf diese Weise würde § 4 Abs. 2 LHundG NRW letztlich bedeutungslos.
102Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2023, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.
103Dies zugrunde gelegt, besteht aufgrund der allein im Raum stehenden Vermeidung eines Tierheimaufenthalts kein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung von „K.“. Es ist nicht erkennbar, dass dem öffentlichen Interesse allein durch die weitere Haltung des Hundes durch die Klägerin Rechnung getragen werden kann. Insoweit ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass eine tierschutzgerechte Unterbringung des Hundes, sei es bei einem berechtigten Dritten, in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung nicht möglich ist. Mit Blick darauf bedarf keiner Entscheidung, ob ein derartiges öffentliches Interesse (auch) deshalb ausscheidet, weil die Vorgaben des § 4 Abs. 2 LHundG NRW seitens der Klägerin bewusst umgangen wurden. Mit dieser Fallgestaltung ist es unter Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten gleichzusetzen, wenn ein Betroffener einen gefährlichen Hund ohne die erforderliche Erlaubnis in Obhut nimmt und behält, obwohl er dessen Eigenschaft als gefährlich kennt oder kennen muss.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2023, a. a. O., Rn. 14 m. w. N.
105Das Verwaltungsgericht hat eine solche rechtsmissbräuchliche Umgehung der Vorgaben des § 4 Abs. 2 LHundG NRW im Einzelfall verneint, obwohl hierbei – vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt – wegen der von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren grundsätzlich hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind, wobei jeweils die Besonderheiten des zugrundeliegenden Falles zu beachten sind.
106Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Oktober 2019 – 5 B 761/19 –, juris, Rn. 8, und vom 12. Dezember 2017 – 5 A 2152/16 –, juris, Rn. 20.
107Ebenfalls bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, die weiteren Erlaubnisvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 LHundG NRW erfüllt.
1083. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haltungsuntersagung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW vor, ist die in der Ordnungsverfügung vom 5. November 2020 angeordnete Rechtsfolge der Haltungsuntersagung, die das Gesetz als regelmäßige Folge vorsieht („soll“), nicht zu beanstanden.
109II. Die in Ziffer 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 5. November 2020 verfügte Entziehung des Hundes sowie die Aufforderung zur Abgabe des Hundes erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW. Danach kann im Falle der Untersagung angeordnet werden, dass der Hund der Halterin oder dem Halter entzogen wird und an eine geeignete Person oder Stelle abzugeben ist. Dabei dienen Entziehungsanordnung und Abgabeaufforderung der Durchsetzung der Haltungsuntersagung; sie sollen sicherstellen, dass derjenige, dem die Haltung seines Hundes untersagt wurde und der nicht über eine entsprechende Erlaubnis zum Halten des Tieres verfügt, mit dem Tier nicht mehr umgehen soll.
110Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2017, a. a. O., Rn. 24 ff.
111III. Schließlich ist auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der angefochtenen Ordnungsverfügung rechtlich nicht zu beanstanden. Grundlage hierfür sind § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 2, §§ 60, 63 VwVG NRW. Der Höhe nach ist das angedrohte Zwangsgeld von 500,00 Euro am unteren Ende des möglichen Rahmens (von zehn bis hunderttausend Euro) anzusiedeln. Die Höhe des Zwangsgeldes berücksichtigt darüber hinaus das Interesse der Klägerin an der Nichtbefolgung der Anordnung.
112IV. Der hilfsweise Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für ihren Hund „K.“ hat aus den unter I. ausgeführten Gründen keinen Erfolg.
113Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
114Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
115Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.