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Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 23. Mai 2022 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Er ist innerhalb der gesetzlichen Frist nicht formwirksam gestellt worden (1.). Den Klägern ist auf ihren entsprechenden Antrag auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (2.).
31. Nach § 78 Abs. 4 AsylG ist die Zulassung der Berufung bei – wie hier – Rechtstreitigkeiten nach dem AsylG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen (Satz 1). Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen (Satz 2). In dem Antrag sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (Satz 4). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
4Nachdem das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene verwaltungsgerichtliche Urteil der Prozessbevollmächtigten der Kläger ausweislich des darüber ausgestellten Empfangsbekenntnisses am 31. Mai 2022 zugestellt wurde, endete die Frist zur Stellung des Zulassungsantrags am 30. Juni 2022. Das am 30. Juni 2022 bei dem Verwaltungsgericht eingereichte elektronische Dokument, in dem auf Seite 1 die Zulassung der Berufung beantragt wird, wahrte diese Frist nicht. Es wurde nicht formwirksam übermittelt.
5Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gemäß § 55a Abs. 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dabei ist sicherer Übermittlungsweg unter anderem der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern und der elektronischen Poststelle des Gerichts (§ 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-VO) besteht eine einfache elektronische Signatur aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Damit meint die einfache Signatur die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, etwa mittels eines maschinenschriftlichen Namenszuges oder einer eingescannten Unterschrift. Sie soll, wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur, die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Darüber hinaus soll sie sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt. Fehlt es hieran, mangelt es an einer formgerechten Einreichung.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 – 8 C 4.21 –, juris Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2023 – 8 A 813/23 –, a. a. O., Rn. 7.
7Gemessen daran hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger den Schriftsatz vom 30. Juni 2022, der einen Antrag auf Zulassung der Berufung enthält, nicht wirksam eingereicht. Der Schriftsatz wurde zwar aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach als sicherem Übermittlungsweg übermittelt. Jedoch ist er ausweislich des Prüfvermerks vom 30. Juni 2022, 14:47:06 nicht qualifiziert elektronisch signiert. An der daher zusätzlich erforderlichen einfachen Signatur, d. h. einem den Schriftsatz abschließenden Namenszug, einer eingescannten Unterschrift oder Ähnlichem am Ende des Textes, fehlt es. Insoweit hat die Übermittlung nur jeder zweiten Seite des den Berufungszulassungsantrag enthaltenden Schriftsatzes dazu geführt, dass die letzte Seite des Schriftsatzes, die eine Unterschrift ggf. enthielt, nicht an das Gericht übermittelt wurde.
8Die zu Unterschriftsmängeln entwickelten Grundsätze, nach denen das Fehlen einer handschriftlichen Unterschrift unter Umständen unschädlich sein kann, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen der Manipulationsanfälligkeit einer elektronischen Übermittlung nicht auf die Übersendung von Dokumenten gemäß § 55a Abs. 3 VwGO übertragbar.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 – 8 C 4.21 –, NVwZ 2022, 649, juris, Rn. 9; s.a. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 1 LA 72/19 –, juris, Rn. 4; für die Übertragung offen: BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2024 – V ZR 261/23 –, NJW-RR 2025, 83, juris, Rn. 17, BAG, Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 –, NJW 2020, 3476, juris, Rn. 19; diese Frage offen lassend: OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2023, a. a. O., Rn. 14.
10Unabhängig davon lägen auch die Voraussetzungen, unter denen im Falle des Fehlens einer handschriftlichen Unterschrift von einer formgerechten Einreichung auszugehen sein kann, nicht vor.
11Es steht – selbst wenn man die Urheberschaft der Prozessbevollmächtigten der Kläger als Einzelanwältin hier unterstellen würde – jedenfalls nicht, was insoweit erforderlich wäre,
12BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2024, a .a. O., Rn. 18,
13ohne Beweisaufnahme aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei fest, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläger den Willen hatte, das übersandte Dokument in den Rechtsverkehr zu bringen.
14Vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2025 – XII ZB 599/23 – juris, Rn. 10.
15Es sind hier keine Gesichtspunkte vorgetragen oder ersichtlich, die zweifelsfrei ausschließen, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht etwa versehentlich einen Entwurf eines Zulassungsantrags übermittelt hat. Eine solche Feststellung lässt sich hier schon deshalb nicht treffen, weil nur ein unvollständiges Dokument versandt wurde, bei dem jede zweite Seite fehlt.
162. Den Klägern war auf ihren entsprechenden Antrag hin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
17Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist einem Verfahrensbeteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist in Fällen der Versäumung der Frist des Antrags auf Zulassung der Berufung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 2. Hs. VwGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Ferner ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
18Vorliegend haben die Kläger zwar auf den Hinweis des Gerichts vom 7. Juli 2022, dass lediglich die Seiten 1, 3, 5, 7 und 9 übermittelt worden sind und insbesondere die letzte Seite des Schriftsatzes vom 30. Juni 2022 fehlt, am 21. Juli 2022 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und einen vollständigen, den Antrag auf Zulassung der Berufung enthaltenden Schriftsatz einschließlich der Unterschrift der Prozessbevollmächtigten der Kläger formwirksam eingereicht. Dieser Antrag ist, sofern dies für erforderlich gehalten wird,
19vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 12. März 2021 – 1 A 1266/19.A –, juris, Rn. 2 f.,
20jedenfalls auch bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Jedoch waren die Kläger nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist nach § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG einzuhalten. Sie müssen sich das diesbezügliche Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
21Insoweit lässt sich aus dem Vorbringen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht schließen, dass allein ein Fehlverhalten einer Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten der Kläger zur Versäumung der Frist für die Einlegung des Zulassungsantrags geführt hat. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst durch eigenes schuldhaftes Verhalten eine wesentliche Ursache dafür gesetzt hat, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Die Büroangestellte mag zwar auf Weisung der Prozessbevollmächtigten der Kläger den den Berufungszulassungsantrag enthaltenden, im Ausdruck doppelseitigen Schriftsatz versehentlich nur einseitig gescannt und im persönlichen Scan-Ordner der Prozessbevollmächtigten der Kläger abgespeichert haben. Indes war es die Prozessbevollmächtigte der Kläger, die sich im Anschluss in ihr Anwaltspostfach eingeloggt und den Schriftsatz versandt hat. Bei dieser, allein ihr zustehenden und nicht auf einen Dritten delegierbaren Absendung eines einfach signierten Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg,
22vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021, a. a. O. Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2025 – 80 N 1/25 –, juris, Rn. 8 f.,
23hätte es ihr oblegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO für die elektronische Übermittlung eines Dokuments vorliegen. Sie hätte sich im Falle der Wahl des sicheren Übermittlungsweges also vergewissern müssen, dass das Dokument tatsächlich mit einer einfachen Signatur versehen ist. Dies ist offenbar unterblieben.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.