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Ein Gastwirt hat sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch seinen Betrieb und insbesondere durch Lärm aufgrund des Verhaltens seiner Gäste kommt.
Ein Gaststättenbetrieb einschließlich der zugehörigen Außengastronomie ist als immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage nach § 22 BImSchG grundsätzlich so zu führen, dass die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm – zumindest als Orientierungshilfe – nicht überschritten werden. Die Nachtwerte beziehen sich auf die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Für den in Rede stehenden anlagenbezogenen Lärm, der mithin nach Bundesrecht zu beurteilen ist, folgt nichts anderes aus § 9 LImSchG NRW.
Kommt der Betreiber einer Gaststätte seiner materiell-rechtlichen Betreiberpflicht offensichtlich nicht nach, sicherzustellen, dass seine Betriebsführung nach den einschlägigen Anforderungen der TA Lärm nach Möglichkeit „auf der sicheren Seite“ liegt, kann dies ein behördliches Einschreiten rechtfertigen, ohne dass die Behörde hierbei notwendig eine eigene Lärmberechnung durchführen muss (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 4.2.2022 – 4 B 1642/20 –).
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 10.5.2023 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Die sinngemäß nur von den Antragstellern zu 1. und 2. eingelegte Beschwerde, soweit sie erstinstanzlich unterlegen sind, bleibt ohne Erfolg.
2Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6379/22 (VG Köln) hinsichtlich Ziffer 1 der Bescheide vom 27.10.2022 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffern 5 bis 8 anzuordnen,
4bezogen auf die Antragsteller zu 1. und 2. insoweit abgelehnt, als sich der Antrag gegen die in den an die Antragsteller zu 1. und 2. adressierten Ordnungsverfügungen festgesetzte Sperrzeit zum Betrieb der Außengastronomie von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr [Anordnung 1 a)] und gegen das in den Ordnungsverfügungen enthaltene Gebot, während der Betriebs-/Öffnungszeiten der Gaststätte zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr das Offenhalten der Türen der Gaststätte zu unterlassen und die Türen der Gaststätte nur zum notwendigen Betreten und Verlassen der Gaststätte sowie zu Flucht- und Rettungszwecken im Notfall zu öffnen [Anordnung 1 b)] sowie gegen die darauf bezogenen Zwangsgeldandrohungen [Anordnung 5. und 6. (teilw.)] richtet. Zur Begründung hat es insoweit ausgeführt, der Antrag der Antragsteller zu 1. und 2. sei hinsichtlich der Verlängerung der Sperrzeit auf 22:00 Uhr und der Untersagung des Offenhaltens der Türen während der Sperrzeit unbegründet. Die Sperrzeitverlängerung sei rechtmäßig. Sowohl im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG als auch bei Anwendung des § 18 Abs. 1 GastG i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 1 GewRV NRW sei der Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) von Bedeutung. Bei summarischer Prüfung seien durch den Betrieb der Außengastronomie der Gaststätte nach 22:00 Uhr schädliche Umwelteinwirkungen zu befürchten. Die örtlichen Verhältnisse legten Immissionsrichtwerte nahe, die sich an der Festlegung für Misch- und urbane Gebiete in Nr. 6.1 Buchst. c) und d) TA Lärm orientierten [d. h. 45 dB(A) nachts]. Für die Beurteilung der streitgegenständlichen Gaststättengeräusche durch den Betrieb der Außengastronomie habe die Antragsgegnerin kein Lärmgutachten einholen müssen. Es bestünden tragfähige Anhaltspunkte für das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen. Dieser Eindruck ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin. Bei einer Gesamtschau der Vielzahl von Lärmbeschwerden der Anwohner sowie der einschlägigen Feststellungen des Ordnungsamts der Antragsgegnerin und der Polizei spreche bei summarischer Prüfung Vieles dafür, dass durch den Betrieb der Außengastronomie der Gaststätte der Antragsteller nachts Geräuschimmissionen hervorgerufen würden, die regelmäßig das Maß dessen überschritten, das der in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Wohnbevölkerung zumutbar sei. Die Auflage, mit der das Ende der täglichen Betriebszeit für die Außengastronomie auf 22:00 Uhr festgesetzt werde, sei hinreichend bestimmt. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Die Erteilung der Auflage verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es bestünden auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung, zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr das Offenhalten der Türen der Gaststätte zu unterlassen und die Türen nur zum notwendigen Betreten und Verlassen der Gaststätte sowie zu Flucht- und Rettungszwecken im Notfall zu öffnen. Die Anordnung könne ebenfalls auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG gestützt werden. Es bestünden tragfähige Anhaltspunkte für das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen zur Nachtzeit, die sich nicht nur aus dem Betrieb der Außengastronomie ergäben, sondern auch durch Geräusche aus dem Innenraum der Gaststätte. Ermessensfehler seien auch insoweit nicht ersichtlich. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen betreffend die Sperrzeitverlängerung und die Untersagung des Offenhaltens der Türen.
5Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
6Die Beschwerde der Antragsteller zu 1. und 2. ist unbegründet.
7Die Anordnungen unter 1 a) und b) der Ordnungsverfügung vom 27.10.2022 sind auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG gestützt. Danach können Gewerbetreibenden, die ein Gaststättengewerbe betreiben, jederzeit Auflagen zum Schutze gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden.
8Maßstab für die Beurteilung von Gaststättengeräuschen als schädliche Umwelteinwirkungen sind grundsätzlich die Vorgaben der TA Lärm. Die TA Lärm ist auf Gaststätten als nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne von § 22 BImSchG grundsätzlich anwendbar.
9Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.5.2018 – 4 A 2588/14 –, juris, Rn. 143 ff., m. w. N., und Beschluss vom 24.1.2020 – 4 A 2193/16 –, juris, Rn. 9 f.
10Zu den zu berücksichtigenden Immissionen gehören nicht nur unmittelbar durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb hervorgerufene Geräusche, sondern auch solche durch das Verhalten von Gästen vor der Gaststätte oder auf dem Weg zu und von ihr, sofern noch ein erkennbarer Bezug zu dem Betrieb besteht. Ein Gastwirt hat sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch seinen Betrieb und insbesondere durch Lärm aufgrund des Verhaltens seiner Gäste kommt.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 = juris, Rn. 27 ff., 34 f.; OVG NRW, Beschluss vom 28.9.2017 – 4 B 885/17 –, juris, Rn. 5 ff., jeweils m. w. N.
12Das materielle Recht verlangt dem Gastwirt in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG eine Betriebsführung ab, bei der schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verhindert oder zumindest auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Jedenfalls dann, wenn es sich bereits ohne gutachtliche Ermittlungen aufdrängt, dass vermeidbare verhaltensbedingte Geräuschemissionen des Betriebs das Maß des Zumutbaren überschreiten, besteht die Betreiberpflicht, die Betriebsweise dahingehend anzupassen, dass sie den einschlägigen Anforderungen nach Nr. 4.1, 5.2 und 6 der TA Lärm genügt. Dies gilt umso mehr für einen nach § 2 GastG erlaubnispflichtigen Gaststättenbetrieb, der hier mit Erlaubnissen vom 1.9.2017 gestattet worden ist und für den Nr. 4.2 der TA Lärm eine vereinfachte Regelfallprüfung vorsieht. An die dabei anzustellende schallprognostische Beurteilung, ob die auch im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden, sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie „auf der sicheren Seite“ liegen muss, sofern dies nach dem Stand der Technik möglich ist; unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken (Nr. 4.3 TA Lärm).
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6.9.2019 – 7 A 1174/17 –juris, Rn. 49 ff., sowie Beschluss vom 4.2.2022 – 4 B 1642/20 –, juris, Rn. 13 f., m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 16.5.2001 – 7 C 16.00 –, juris, Rn. 19.
14Kommt der Betreiber einer Gaststätte seiner materiell-rechtlichen Betreiberpflicht offensichtlich nicht nach, sicherzustellen, dass seine Betriebsführung nach den einschlägigen Anforderungen der TA Lärm nach Möglichkeit „auf der sicheren Seite“ liegt, kann dies ein behördliches Einschreiten rechtfertigen, ohne dass die Behörde hierbei notwendig eine eigene Lärmberechnung durchführen muss. Ausreichend, aber auch erforderlich können in einem solchen Fall Feststellungen sein, nach denen eine ordnungsgemäße Betriebsführung unter Einhaltung des rechtlich gebotenen Schutzes vor betriebsbedingtem Lärm durch den Gastwirt ohne ein behördliches Einschreiten nicht gewährleistet ist. Jedenfalls in diesem Zusammenhang können auch wiederholte Nachbarbeschwerden sowie behördliche und polizeiliche Feststellungen eine ausreichende Grundlage einer rechtlich nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Überzeugungsbildung unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten örtlichen Verhältnisse sein.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1991 – 7 B 165/91 –, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 4.2.2022 – 4 B 1642/20 –, juris, Rn. 19 f., m. w. N.
16Insbesondere gehört die Nachtruhe von Personen, die in der Nachbarschaft von Gaststätten wohnen, zu den Interessen, die bei Entscheidungen nach § 5 GastG zu berücksichtigen sind.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 = juris, Rn. 27, 29.
18Die Würdigung des Verwaltungsgerichts wird durch die Beschwerdebegründung nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Betrieb der Antragsteller als immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage nach § 22 BImSchG so zu führen ist, dass der Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel für Mischgebiete und urbane Gebiete von 45 dB(A) nachts nach Nr. 6.1 TA Lärm nach Maßgabe der Nr. 4.2 und 4.3 TA Lärm – zumindest als Orientierungshilfe – nicht überschritten wird. Dieser Wert bezieht sich gemäß Nr. 6.4 TA Lärm auf die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.5.2018 – 4 A 2588/14 –, juris, Rn. 143 ff., m. w. N.
20Für den hier in Rede stehenden anlagenbezogenen Lärm, der mithin nach Bundesrecht zu beurteilen ist, folgt nichts anderes aus § 9 LImSchG NRW.
21Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26.11.1999 – 21 A 891/98 –, juris, Rn. 11 ff., und vom 28.9.2023 – 8 A 2519/18 –, juris, Rn. 205, sowie Beschluss vom 26.7.2013 – 4 B 193/13 –, juris, Rn. 22 ff.
22Davon ausgehend war es unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Sperrzeit für die Außengastronomie auf 22:00 Uhr festgesetzt hat. Mit Blick auf die Erlaubnislage sowie auf zahlreiche Beschwerden von Nachbarn (allein im Jahr 2022 waren dies vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen über 70 von mehr als zehn verschiedenen Beschwerdeführern) wegen nächtlicher Ruhestörungen durch unangemessen lautes Verhalten der Gäste sowie letztlich erfolglose polizei- bzw. ordnungsbehördliche Ermahnungen zur Einhaltung der Nachtruhe konnte dies auch ohne vorherige eigene Lärmberechnung der Antragsgegnerin erfolgen. Der Gaststättenbetrieb entspricht zumindest für die Nachtzeit ab 22:00 Uhr schon nicht der im Interesse des Nachbarschutzes bestehenden Erlaubnislage (dazu unter 1.). Auch im Übrigen stellen die Antragsteller ihre wirtschaftlichen Interessen ungerechtfertigt über die Interessen der Nachbarschaft an der Einhaltung der Nachtruhe (dazu unter 2.).
231. Schon in den bis heute maßgeblichen Gaststättenerlaubnissen vom 1.9.2017 ist den Antragstellern aufgegeben worden, eine Außenbeschallung, z. B. mit Musik, zu unterlassen und ab 22:00 Uhr jeglichen Lärm, der über die gaststättentypischen Geräusche des Bewirtens hinausgeht, zum Schutz der Anwohner zu unterbinden und ggf. auf die Gäste einzuwirken. Dies war weiter mit dem Hinweis verbunden worden, dass regelmäßige Livemusik- und Tanzveranstaltungen sowie ein Diskotheken- oder diskothekenähnlicher Betrieb nicht Gegenstand dieser Gaststättenerlaubnis sind. Auch gestatten diese gaststättenrechtlichen Erlaubnisse eine Außenbewirtung nur auf einer in der Anlage zu den Erlaubnissen bezeichneten Fläche von 3,64 m² und nur in dem Zeitraum, für den eine separate Erlaubnis für die Nutzung des öffentlichen Straßenraums Gültigkeit besitzt. Zuletzt mit ordnungsbehördlicher Erlaubnis vom 19.5.2022 wurde den Antragstellern für die Zeit bis zum 31.12.2022 die straßenrechtliche Sondernutzung dieser Fläche gestattet. Mit ordnungsbehördlichen Erlaubnissen vom 4.7.2022 wurde die außengastronomische Nutzung um 36 Außensitzplätze auf eine Fläche von insgesamt 41,34 m² erweitert. Die Nutzung der 36 Außensitzplätze war straßenrechtlich ebenfalls bis zum 31.12.2022 befristet und gaststättenrechtlich nur für die Gültigkeitsdauer der separaten Erlaubnis zur Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes gestattet.
24Schon in der Zeit von September bis Dezember 2017 stellten die Außendienstkräfte der Antragsgegnerin in fünf Fällen in den Nachtstunden fest, dass abweichend von der Erlaubnis in der Gaststätte überlaut Tonträger teils mit lauten Bässen abgespielt wurden und sich im hinteren Gaststättenbereich eine Tanzfläche, eine Discokugel, eine Lichtanlage sowie ein DJ-Pult befanden. An mehreren Tagen legte ein DJ zum Zeitpunkt der Kontrolle auf. Es fanden vielfach ausdrücklich gaststättenrechtlich nicht erlaubte Live-Musikveranstaltungen statt. Am 7.11.2021 um 0:34 Uhr stellten Außendienstkräfte fest, dass Musik auch bei geschlossenen Türen und Fenstern der Gaststätte in 50 m Entfernung überdurchschnittlich laut war. Am 20.3.2022 um 1:10 Uhr nahmen Außendienstkräfte der Antragsgegnerin Musik aus der Gaststätte gar in 100 m Entfernung wahr und auch am 14.10.2023, also nach dem Einbau eines Schallbegrenzers im Sommer 2022, haben Außendienstkräfte der Antragsgegnerin gegen kurz vor 3:00 Uhr in der Nacht bei ständig geöffneten Türen deutlich laute Musik außerhalb der Gaststätte festgestellt. Überdies wurden medial zahlreiche Musikveranstaltungen beworben, insbesondere auch mit dem Slogan „Montag ist Tontag“. Diese Feststellungen decken sich zudem mit den Nachbarbeschwerden seit dem Jahr 2017, die aufgrund ihres Detailreichtums sowie der darin teils auch entlastend vorgetragenen Tatsachen im Wesentlichen glaubhaft erscheinen und in denen vielfach ein lauter, teils basshaltiger Musikbetrieb geschildert wird. Das belegt deutlich, dass auch der im Sommer 2022 eingebaute und für eine Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeiten äußerst ungewöhnliche Schallpegelbegrenzer die Lautstärke bisher nicht auf ein im Regelfall erforderliches Maß, nämlich Hintergrundlautstärke, reduziert.
25Abgesehen davon wurden statt der genehmigten 36 Außensitzplätze zuzüglich der Außensitzplätze, die auf der Fläche von 3,64 m² Platz fanden, deutlich mehr Flächen und Sitzplätze außengastronomisch in Anspruch genommen, nach Aktenlage sogar über die auch gaststättenrechtlich maßgebliche Gültigkeitsdauer der Sondernutzungserlaubnis hinaus. Dies bestätigen eindrucksvoll die im Rahmen der zahlreichen Nachbarbeschwerden vorgelegten und die vom Außendienst der Antragsgegnerin gefertigten Lichtbilder, aus denen ersichtlich ist, dass sich Gäste vor oder in unmittelbarer Nähe der Gaststätte auch jenseits der genehmigten Außengastronomieflächen und Sitzplätze zum Zweck der Inanspruchnahme des Gastronomiebetriebs aufhalten und Tische sowie Sitzgelegenheiten auch über den genehmigten Umfang hinaus bereitgestellt werden. Wegen zu großen Aufbaus der Außengastronomie hat der Außendienst am 27.7.2022 bereits ein Verwarngeld verhängt. Am 10.9.2022 stellte der Außendienst der Antragsgegnerin sogar fest, dass sich nach 22:00 Uhr vor der Gaststätte und auf den anliegenden Bürgersteigen 200 – 250 Personen aufhielten und Bierverzehr außerhalb der genehmigten Außengastronomiefläche erfolgte, wobei das Bier in Kölschgläsern zweifelsfrei der streitgegenständlichen Gaststätte zugeordnet werden konnte. Dass die Nachtruhe der unmittelbar benachbarten stark verdichteten Wohnbebauung auf diese Weise nicht sicher eingehalten werden kann, drängt sich bereits auf der Grundlage von Erfahrungswerten auf.
26Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 28.9.2023 – 8 A 2519/18 –, juris, Rn. 11, 35, 101 und 137 ff., zu den konkreten Feststellungen am Brüsseler Platz in Köln sowie unter Hinweis auf den „Leitfaden zum Lärmschutz bei Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW vom 14.6.2021, https://www.umwelt.nrw.de/system/files/media/document/file/20210614_Endfassung_Leitfaden_L%25C3%25A4rmschutz_Volksfeste_Trad.VA.pdf.
272. Aus den aktenkundigen Feststellungen und der umfangreichen durchaus detaillierten Beschwerdelage ist ersichtlich, dass die Antragsteller dem Schutz der Nachtruhe und damit dem schutzwürdigen Interesse an einem zumindest weitgehend störungsfreien Nachtschlaf,
28vgl. näher zur Bedeutung für die menschliche Gesundheit: BVerwG, Urteil vom 9.11.2006 – 4 A 2001.06 –, BVerwGE 127, 95 = juris, Rn. 86,
29im Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Interesse am Betrieb ihrer Gaststätte nicht das für eine ordnungsgemäße Betriebsführung erforderliche Gewicht beimessen.
30Schon nach Aktenlage ist ohne die streitgegenständlichen Anordnungen offensichtlich nicht sichergestellt, dass die von dem außengastronomischen Gaststättenbetrieb hervorgerufenen nächtlichen Geräusche die Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für die in unmittelbarer Nachbarschaft lebende Wohnbevölkerung einhalten. Die Antragsteller haben, obwohl ihnen die lärmtechnisch schwierige örtliche Situation der Gaststätte, insbesondere auch durch Gespräche zwischen ihnen und der Antragsgegnerin, die schon in den Jahren 2017 und 2018 sowie am 25.8.2021 stattgefunden haben, bekannt war, unter Verstoß gegen ihre gesetzliche und ihnen gegenüber durch Auflagen konkretisierte Pflicht zur Rücksichtnahme im nachbarlichen Austauschverhältnis bei ihrer Betriebsführung zweifelsfrei nicht ausreichend dafür Sorge getragen, dass vom Musikbetrieb und von den Gästen keine für die Nachbarschaft unzumutbaren nächtlichen Geräusche ausgehen. Die mit Nachbarbeschwerden vorgelegten zahlreichen Lichtbilder und Videos zeigen ebenso wie die vom Außendienst der Antragsgegnerin gefertigten Aufnahmen im Wesentlichen übereinstimmend das Geschehen im und um den Eingangsbereich der Gaststätte der Antragsteller. Die Aufnahmen stimmen darin überein, dass gerade an den Wochenenden regelmäßig größere Personengruppen (von teils zehn oder mehr Personen) – häufig stehend – selbst nach 22:00 Uhr auch den eindeutig noch nie konzessionierten gesamten Gehweg vor der Gaststätte und häufig sogar die Fahrbahn oder die gegenüber der Gaststätte liegenden Gehwege in Anspruch nehmen. Insbesondere die auch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens entstanden Lichtbilder und Videos aus den Jahren 2023 und 2024 zeichnen insoweit ein kontinuierliches und immer wiederkehrendes Bild. Auch nach mehrmaligen Ermahnungen durch den Außendienst der Antragsgegnerin haben die Antragsteller noch immer kein wirksames Konzept zur Vermeidung schädlicher Gaststättengeräusche erarbeitet und konsequent umgesetzt. Es genügte erkennbar nicht, dass sich die Antragsteller mit der Antragsgegnerin in der Besprechung vom 25.8.2021 darauf verständigt haben, dass sie einen Türsteher einstellen würden, der die Gäste zur Einhaltung der Ruhe auffordern würde sowie kontrolliere, dass die Außengastronomie pünktlich geschlossen werde. Auch wenn in der Folgezeit ein Türsteher eingestellt wurde, war dieser – wie aus den auch über die erstinstanzliche Entscheidung hinaus fortdauernden Lärmbeschwerden und Ermahnungen des Außendienstes, einschließlich der Verhängung von Verwarngeldern unter anderem am 7.11.2021, also schon kurz nach den Absprachen mit der Antragsgegnerin, ersichtlich – entweder nicht zugegen oder nicht willens oder in der Lage, für die notwendige Ruhe zu sorgen. Außendienstkräften der Antragsgegnerin versperrte der Türsteher gar am 4.12.2021 den Zutritt zur Gaststätte. Sein Widerstand konnte erst durch die Androhung unmittelbaren Zwangs gebrochen werden. Auf die durch Freibierausschank provozierte extreme Auslastung der Außengastronomie und umliegender Bürgersteige mit 200 – 250 Personen am 10.9.2022 nach 22:00 Uhr gab die sich als Inhaber ausgebende Kontaktperson gegenüber den Außendienstmitarbeitern an, dies nicht ändern zu können. Am 14.10.2023 gegen kurz vor 3:00 Uhr morgens war die Außengastronomie noch in Betrieb und Musik deutlich auf der Straße zu hören, weil die Tür ständig auf und zu ging. Der Türsteher rechtfertigte sich Außendienstkräften gegenüber dafür, die Nutzung der Außengastronomieplätze nicht unterbunden zu haben, unzureichend damit, dass sich die Personen einfach dort niedergelassen hätten und er vergessen habe, die Tische und Stühle zusammenzubinden.
31Schon angesichts der zahlreichen von unterschiedlichen Personen stammenden und im Kern übereinstimmenden Nachbarbeschwerden sowie der bestätigenden Feststellungen und mehrfachen Ermahnungen durch die Ordnungskräfte wegen nächtlicher Ruhestörungen kommt es auch nicht entscheidend darauf an, dass Polizei und Mitarbeiter des Städtischen Außendienstes trotz entsprechender Beschwerden bei zahlreichen Kontrollen zwar häufig auch nach 22:00 Uhr noch Personen vor dem Eingang der Gaststätte, aber nicht stets auch eine Ruhestörung feststellen konnten. Die Richtigkeit der Nachbarbeschwerden wird hierdurch nicht durchgreifend in Frage gestellt, sondern hinsichtlich des vom Gaststättenbetrieb ausgehenden Störungspotentials für die um 22:00 Uhr beginnende Nachtruhe durch regelmäßig vor dem Eingang rauchende und sich unterhaltende Gäste der Antragsteller im Ansatz sogar bestätigt. Die Nachbarbeschwerden enthalten detailreiche Schilderungen, die ihre Bestätigung in den beigefügten Bild- und Videomaterialien finden. Zudem geben die Nachbarn an, dass die Gäste der Außengastronomie um 24:00 Uhr in den Innenraum gebeten oder aufgefordert werden, sich in der angrenzenden Umgebung aufzuhalten, sich alsbald dann aber wieder Gäste in und um die Außengastronomie aufhalten. Die Antragsteller stellen die durch Nachbarbeschwerden mittels Bild- und Videomaterial dokumentierten, teilweise durch die Außendienstkräfte amtlich festgestellten Lärm- und Störungsereignisse als solche nicht substantiiert in Abrede. Ein Herunterspielen objektiv unzumutbarer Lärmimmissionen, insbesondere in Form einer zahlenmäßigen Gegenüberstellung von durchgeführten ordnungsbehördlichen Kontrollen mit und ohne Befund oder von Ergebnissen der Anwohnerbefragung, genügt angesichts der unter Angabe von Datum und Uhrzeit im Einzelnen auch fotografisch dokumentierten Vorfälle und der immer wieder erforderlich werdenden ordnungsbehördlichen Ermahnungen nicht, um den musik- und verhaltenslärmbezogenen Betreiberpflichten in der Nachtzeit nachzukommen. Vielfältige Gründe können dafür maßgeblich sein, warum eine (teilweise auch nur schweigende) Mehrheit sich nicht über objektiv unzumutbare Lärmimmissionen beschwert. Der bei objektiver Lärmbeeinträchtigung bestehende Schutzanspruch eines jeden hängt ebenso wenig wie die Pflicht eines Gastwirts, die Vorgaben seiner Gaststättenerlaubnis zum Schutz der Nachbarschaft einzuhalten, davon ab, ob sich eine Mehrheit der Anwohner dagegen wendet.
32Auch die geltend gemachten Zweifel, ob die Lärmbeeinträchtigungen von der Gaststätte der Antragsteller ausgehen und nicht von den in der näheren Umgebung befindlichen Gastronomie- und Diskothekenbetrieben, sind angesichts der aufgrund ordnungsbehördlicher Feststellungen sowie des Bild- und Videomaterials möglichen, klaren Zuordnung zum streitgegenständlichen Betrieb der Antragsteller unbegründet.
33Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragsteller, die Verlängerung der Sperrzeit sei unverhältnismäßig.
34Angesichts der festgestellten erheblichen nächtlichen Ruhestörungen, die von Gästen der Außengastronomie der Antragsteller oder von der Musikanlage des Lokals ausgehen und dem Betrieb zuzurechnen sind, und des Umstands, dass die Antragsteller ihren eigenen Betreiberpflichten zur Wahrung der Nachtruhe bei laufendem Betrieb bisher offenkundig nicht ausreichend nachgekommen sind, können sie sich nicht mit Erfolg auf eine Existenzgefährdung ihres Betriebs berufen, die sie bei einer Schließung der Außengastronomie bereits ab 22:00 Uhr befürchten. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, nur ihnen als Betreibern mögliche organisatorische Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu ergreifen, die ohne die streitgegenständliche Sperrzeitverlängerung den Schutz der Nachtruhe während des Betriebs sicher gewährleisten. Da die Antragsteller bisher kein solches lärmverträgliches Betriebskonzept entwickelt und zuverlässig befolgt haben, musste sich der Antragsgegnerin objektiv kein milderes und ebenso geeignetes Mittel zum Schutz der Nachtruhe aufdrängen. Zudem war den Antragstellern nicht die Möglichkeit genommen, ein anderes Betriebskonzept zu entwickeln, seine Vereinbarkeit mit den Vorgaben der TA Lärm gutachtlich nachzuweisen und dieses nach § 21 OBG NRW der Behörde als ein Austauschmittel anzubieten.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.2.2017 – 4 B 609/16 –, juris, Rn. 17 f., m. w. N.
36Solange es daran trotz wiederholt festgestellter unzumutbarer Lärmimmissionen in der Wohnnachbarschaft fehlte, war die Antragsgegnerin nicht gehindert, dem Missstand durch die angegriffene und angesichts der stetigen Überschreitung des Genehmigungsumfangs sehr zurückhaltend gewählte Sperrzeitverlängerung Rechnung zu tragen. Dabei ist der damit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleibt.
37Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24.2.2011 – 8 B 105.10 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 28.9.2017 – 4 B 885/17 –, juris, Rn. 30 f., m. w. N.
38So liegt es hier. Die streitige Sperrzeitverlängerung dient insbesondere dem Schutz der Nachtruhe und damit der Gesundheit der Anwohner, mithin einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut.
39Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u. a. –, BVerfGE 121, 317 = juris, Rn. 121 f.; BVerwG, Urteil vom 5.11.1985 – 1 C 14.84 –, juris, Rn. 19.
40Die Möglichkeit, eine Gaststätte gewinnbringend zu betreiben, ist bei Vorliegen entgegenstehender höherwertiger Belange – wie hier – verfassungsrechtlich nicht garantiert.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1985 – 1 C 14.84 –, juris, Rn. 19.
42Schließlich ist gegen die unter I. 1. b) der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene Anordnung, zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr das Offenhalten der Türen der Gaststätte zu unterlassen, nichts zu erinnern. Die Auflage, die den Antragstellern auch aus Ihrer Sicht Selbstverständliches aufgibt, ist schon angesichts der zuvor geschilderten nachweislichen Ruhestörungen, die insbesondere wegen ständig offen gehaltener oder sich fortlaufend neu öffnender Türen auch von dem in der Gaststätte stattfindenden Betrieb ausgehen, gerechtfertigt. Die dokumentierten amtlichen Feststellungen sowie die glaubhaften Nachbarbeschwerden einschließlich des Bild- und Tonmaterials belegen dabei eindrücklich, dass weder der Einbau eines Schallbegrenzers an der Musikanlage noch die Anstellung des Türstehers bisher genügt hat, um die Nachbarn in der Nachtzeit gegenüber unzumutbaren Lärmbelästigungen aus dem Inneren der Gaststätte ausreichend zu schützen.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
44Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Grundsätzlich legt der Senat in Verfahren betreffend Sperrzeitverlängerungen in Orientierung an Nr. 54.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten zusätzlichen Gewinns, mindestens aber 7.500,00 Euro zugrunde. Wird – wie hier – geltend gemacht, eine Sperrzeitverlängerung habe existenzbedrohende Folgen, ist das wirtschaftliche Interesse in Anlehnung an Nr. 54.1 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens aber mit 15.000,00 Euro, zu bemessen. Dieser Betrag ist wegen der Vorläufigkeit des Eilverfahrens zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.2.2022 – 4 B 1642/20 –, juris, Rn. 42 f., m. w. N.
46Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.