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1. Die Frage, ob ein handwerklicher Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks im Sinne von § 126 Abs. 2 HwO vorliegt, richtet sich nach der Begriffsbestimmung in den §§ 2 und 3 HwO und der hierzu ergangenen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.
2. Handelte es sich bei einem Betrieb eines zulassungsfreien Handwerks nicht um einen Nebenbetrieb in diesem Sinne, war er in das Verzeichnis zulassungsfreier Handwerke einzutragen. Der Gesetzgeber hat für solche Betriebe in § 126 Abs. 1 HwO eine Bestandsschutzregelung geschaffen. Einer weitergehenden Bestandsschutzregelung bedurfte es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 22.2.2023 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Handwerk des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers.
3Am 3.11.2011 meldete die Klägerin das Gewerbe „Hausmeisterservice (Pflege, Wartung, Instandsetzung)“ bei der Stadt T. an. Hierbei gab sie u. a. an: Die Tätigkeit werde (vorerst) im Nebenerwerb betrieben und beginne am 1.11.2011. Als Art des angemeldeten Betriebs gab sie „Sonstiges“ an und kreuzte weder „Industrie“ noch „Handwerk“ oder „Handel“ an. Bei „Zahl der bei Geschäftsaufnahme tätigen Personen (ohne Inhaber)“ gab sie „keine“ an. Eine Eintragung des Betriebs der Klägerin in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis für zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Betriebe erfolgte nicht.
4Anfang des Jahres 2020 wurde das bis dahin zulassungsfreie Handwerk des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers aufgrund einer Änderung der Handwerksordnung wieder zulassungspflichtig. Im Zuge dieser Änderung schuf der Gesetzgeber eine Bestandsschutzregelung für bestimmte Betriebe.
5Unter dem 25.1.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Eintragung in die Handwerksrolle „für den Bestandsschutz“. Anliegend reichte sie eine Kopie der Gewerbeanmeldung aus dem Jahr 2011 und verschiedene Rechnungen aus den Jahren 2014 bis 2019 ein. Gegenstand der Rechnungen waren im Wesentlichen Fliesenlegerarbeiten. Wegen der Einzelheiten der Rechnungen wird auf Bl. 2 – 17 des Verwaltungsvorgangs verwiesen.
6Am 8.2.2021 reichte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Eintragung in die Handwerksrolle unter Verwendung eines von der Beklagten gestellten Vordrucks ein. Darin erklärte die unter dem Namen „W. Dienstleistungen K. W.“ handelnde Klägerin u. a., sie beantrage die Eintragung für das handwerkliche Gewerbe „Fliesen-, Platten-, und Mosaikleger (Bestandsschutz)“. Außerdem übe sie das Gewerbe des Trockenbaus aus, das 50 % ihrer Tätigkeit ausmache. Sie sei Mitglied der Industrie- und Handelskammer in E. mit dem Gewerbe „Hausmeisterservice (Pflege, Wartung, Instandhaltung)“. Den Umsatz erwirtschafte sie zu 99 % aus Handwerk sowie handwerksähnlichem Gewerbe, zu 1 % aus Handel und sonstigen Tätigkeiten. Andere Eintragungsvoraussetzungen seien nicht gegeben, insbesondere habe sie keine Meisterprüfung oder gleichwertige Prüfung abgelegt.
7Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Eintragung aufgrund des begehrten Bestandsschutzes nicht in Betracht komme. Bei der von der Klägerin ausgeübten Fliesenlegertätigkeit handele es sich nicht um einen Nebenbetrieb. Im Anschluss daran kam es darüber zu ausführlicher Korrespondenz zwischen den Beteiligten.
8Nach Anhörung lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Eintragung in die Handwerksrolle mit Bescheid vom 6.7.2021 ab. Die Tätigkeiten des Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-Handwerks würden nicht in einem Nebenbetrieb ausgeübt. Ein Nebenbetrieb setze einen Hauptbetrieb voraus, zu dem ein fachlich-wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen müsse. Es fehle schon an einem Hauptbetrieb. Selbst wenn man den Hausmeisterservice als Hauptbetrieb ansähe, fehlte es an einer inneren Notwendigkeit für die Zusammengehörigkeit beider Betriebsteile.
9Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen geltend gemacht: Der wirtschaftlich prägende Schwerpunkt des Unternehmens sei die Hausmeister- und Trockenbautätigkeit, was sich auch aus der von ihr erstellten Umsatzaufstellung ergebe. Sie biete umfassende Dienste im Bereich Hausmeistertätigkeit (Pflege, Wartung, Instandsetzung) und Trockenbau an. Daneben biete sie als weitere Dienstleistung das Verlegen von Fliesen an. Der von ihr auf den Rechnungen verwendete Briefkopf „Trockenbau – Fliesen – Altbausanierung“ habe demgegenüber keine Aussagekraft. Das Verlegen der Fliesen diene dazu, die Wirtschaftlichkeit ihres Hauptbetriebs zu fördern und zu steigern. Es ergänze das Angebot des Hauptbetriebs. Den Kunden, deren Objekte sie betreue, könne dadurch eine weitere Leistung neben den Tätigkeiten wie Instandhaltung, Gartenpflege etc. angeboten werden. Beispielsweise bei Mieterwechseln seien häufig Badezimmer, Küchen etc. in Stand zu setzen. Der Verbraucher bevorzuge die Vergabe von Projekten mit mehreren handwerklichen Aspekten an ein führendes Unternehmen. So könne sie auch in verstärktem Umfang Stammkunden für ihr Hauptbetriebsprogramm gewinnen. Es sei aber nicht erforderlich, dass der Nebenbetrieb die Tätigkeit aus einem Auftrag des Hauptbetriebs heraus entwickele.
10Die Klägerin hat beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6.7.2021 zu verpflichten, die Klägerin mit dem Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk in die Handwerksrolle einzutragen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vorgetragen: Die Fliesenlegertätigkeit der Klägerin sei kein Nebenbetrieb zu ihrer Hausmeistertätigkeit. Der Hausmeisterservice müsse das Unternehmen prägen. Prägend, jedenfalls aber nicht untergeordnet, erschienen aber die Tätigkeiten „Trockenbau, Fliesen und Altbausanierung“. Im Übrigen liege keine fachliche Verbundenheit vor, weil ein Verbraucher, der Hausmeistertätigkeiten beauftrage, nicht davon ausgehe, dass dieser Betrieb gleichzeitig ganze Badezimmer oder Küchen fliesen könne. Zwischen einer Hausmeistertätigkeit und dem Fliesen ganzer Badezimmer oder Küchen bestehe keine Verbindung.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Eintragung in die Handwerksrolle. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 126 Abs. 2 HwO müsse es sich bei dem einzutragenden Betrieb um einen handwerklichen Nebenbetrieb handeln. Dies sei bei der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin nicht der Fall. Die auf die Sanierung ganzer Räume angelegte Fliesenlegertätigkeit – wie sie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen ergebe – stehe in keinem Zusammenhang mit dem typischen, verkehrsüblichen Tätigkeitsbild eines Hausmeisters. Dieses sei – wie auch die Klägerin in ihrer Gewerbeanmeldung angeben habe – von der Wartung, Pflege und Instandhaltung von Immobilien geprägt. Ein Hausmeister übernehme in diesem Sinne eine Vielzahl kleiner Tätigkeiten und entscheide, ob ggf. ein Fachbetrieb beauftragt werden müsse. Hierüber gingen die von der Klägerin im Bereich des Fliesenlegerhandwerks ausgeübten Tätigkeiten angesichts der von ihr vorgelegten Rechnungen deutlich hinaus. Auch ihrem Umfang nach handele es sich um Arbeiten eines selbständigen faktischen Handwerksbetriebs. Unabhängig davon habe sie nicht dargelegt, dass sie die Fliesenlegerarbeiten im Zusammenhang mit der Wartung und Pflege von durch ihren Hausmeisterservice betreuten Immobilien erbracht habe. Die Fliesenlegertätigkeit könne auch nicht als Nebenbetrieb des von der Klägerin betriebenen Trockenbaus angesehen werden. Der Trockenbau, der nur vereinzelt in den Rechnungen als ausgeführte Tätigkeit aufgeführt worden sei, sei von der ursprünglichen Gewerbeanmeldung für den Hausmeisterservice nicht erfasst gewesen, was indiziere, dass diese Tätigkeit von ihrem Hausmeisterservice nicht erfasst gewesen sei.
16Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Auf die bisher zur Bestimmung des Nebenbetriebs herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es im Rahmen des § 126 Abs. 2 HwO nicht an. Sie beziehe sich nämlich nur auf zulassungspflichtige handwerkliche Nebenbetriebe. Aus Gründen des Bestandsschutzes und wegen der für sie existentiellen Bedeutung könne sie aber nicht auf ihren zulassungsfreien Betrieb angewendet werden, der bislang im Nebenbetrieb nicht eintragungsfähig gewesen sei. Unabhängig davon handele es sich bei ihrer Fliesenlegertätigkeit aber auch um einen Nebenbetrieb im Sinne dieser Rechtsprechung. Sie biete ein ganzes Bündel an zulassungsfreien und handwerksähnlichen Dienstleistungen an, die verschiedene Arbeiten hinsichtlich der Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäuden und im Außenbereich umfassten. Es liege im Interesse eines verständigen Verbrauchers, beispielsweise bei Trockenbauarbeiten auch Fliesenlegerarbeiten durch denselben Betrieb durchführen zu lassen. Von Januar 2019 bis zum 13.2.2020 habe sie insgesamt 24 Rechnungen erstellt, 17 davon seien auf den Hauptbetrieb entfallen. Im Hauptbetrieb seien verschiedene Dienstleistungen im Bereich Haus, Garten und Trockenbau erbracht worden. Sieben Rechnungen seien dem Bereich Fliesenlegerarbeiten zuzuordnen. Teilweise seien die Fliesenlegerarbeiten für Stammkunden erbracht worden, hätten Stammkunden generiert oder seien auf Empfehlung von Stammkunden beauftragt worden. Wegen der Einzelheiten der Rechnungen und der zugehörigen Umsatzaufstellung wird auf Bl. 100 bis 152 des elektronischen Rechtsmittelbandes verwiesen. Schließlich komme es für die Eintragung in die Handwerksrolle gemäß § 126 Abs. 2 HwO nicht darauf an, ob ihre Fliesenlegertätigkeit einen erheblichen oder nur einen unerheblichen Nebenbetrieb im Sinne von § 3 HwO darstelle. Weder Wortlaut noch Gesetzsystematik oder Sinn und Zweck der Regelung geböten eine derartig einschränkende Auslegung. Dem Gesetzgeber sei es – auch mit Blick auf die Berufsfreiheit der jeweiligen Betriebsinhaber – darum gegangen, dass der Inhaber des gesetzlich nicht geregelten zulassungsfreien Nebenbetriebs die Existenz des Nebenbetriebs nur durch Vorlage entsprechender Nachweise, dass das zulassungsfreie Handwerk am Stichtag bereits betrieben worden sei, nachweisen müsse. Jedenfalls könne es nicht zu ihren Lasten gehen, dass sie nach inzwischen fünf Jahren keine Nachweise über die mit der Fliesenlegertätigkeit zusammenhängenden Arbeitsstunden mehr vorlegen könne. In ihrem Betrieb sei neben ihr auch ihr Ehemann tätig. Sie habe naturgemäß nicht die Stunden protokolliert, die am Stichtag, dem 13.2.2020, im Nebenbetrieb für Arbeitsausführung, Arbeitsvorbereitung, Angebote, Rechnungen, Kundenbesuche, Steuererklärungen, Einkauf, Werbemaßnahmen, Akquise etc. angefallen seien. Für das Jahr 2019 hätte sich ein prozentualer Anteil der Fliesenlegerarbeiten von 28 % im Verhältnis zum Hauptbetrieb des Hausmeisterservices mit Trockenbau ergeben. Insbesondere dürfe nicht auf ihre Angabe im Antrag auf Eintragung vom 8.2.2021 zur Umsatzaufteilung abgestellt werden, weil sie damals fälschlich Hausmeisterservice und Trockenbau dem Handwerk zugeschlagen habe. Es verbleibe bei der sich aus der Umsatzaufstellung ergebenden Verteilung von 78 % nicht handwerklichen Tätigkeiten und 22 % handwerklichen Tätigkeiten für das Jahr 2020. Ihr Ehemann sei seit 2022 als Angestellter im Betrieb tätig. Zuvor sei er im Rahmen der Familienhilfe eingebunden gewesen. Daneben hätte es Minijobber gegeben.
17Die Klägerin beantragt,
18das auf die mündliche Verhandlung vom 22.2.2023 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.7.2021 zu verpflichten, die Klägerin mit dem Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk in die Handwerksrolle einzutragen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Die Rechtsprechung zur Bestimmung des Nebenbetriebs sei auch für die Frage maßgeblich, ob ein Nebenbetrieb im Sinne des § 126 Abs. 2 HwO vorliege. Aber selbst wenn es sich bei der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin um einen Nebenbetrieb gehandelt habe, sei ihre Eintragung in die Handwerksrolle nicht möglich. Die Eintragung erfolge nämlich nur, wenn es sich auch um einen erheblichen Nebenbetrieb handele. Dies sei bei der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin ausgehend von dem sich aus ihren Aufstellungen ergebenden Umfang der Fliesenlegertätigkeit im Verhältnis zu ihrem Gesamtumsatz nicht der Fall.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen elektronisch geführten Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (ein Hefter) verwiesen.
23Entscheidungsründe:
24Die Berufung hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
25Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 6.7.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin, die keine Meisterprüfung abgelegt hat, hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Eintragung in die Handwerksrolle nach der für sie allein in Betracht kommenden Übergangsvorschrift in § 126 Abs. 2 HwO.
26Die für den geltend gemachten Anspruch auf Eintragung nach dieser Vorschrift im vorliegenden Fall streitentscheidende Frage, ob ein handwerklicher Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks im Sinne von § 126 Abs. 2 HwO vorliegt, richtet sich nach der Begriffsbestimmung in den §§ 2 und 3 HwO und der hierzu ergangenen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (unten I.). Danach handelte es sich bei der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin zum Stichtag am 13.2.2020 nicht um einen handwerklichen Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks (unten II.).
27I. Gemäß § 126 Abs. 1 HwO ist, wer am 13.2.2020 einen Betrieb eines zulassungsfreien Handwerks innehat, das unter anderem in Anlage B Abschnitt 1 Nummer 1 in der am 13.2.2020 geltenden Fassung aufgeführt ist (Fliesen-, Platten- und Mosaikleger), abweichend von § 7 Abs. 1a HwO auch ohne eine bestandene Meisterprüfung des Betriebsleiters mit dem ausgeübten Handwerk von Amts wegen in die Handwerksrolle umzutragen. Diese Vorschrift setzt allerdings voraus, dass der Betrieb des bis zum Stichtag am 13.2.2020 zulassungsfreien Handwerks in das Verzeichnis nach § 19 HwO eingetragen war, weil nur dann eine Umtragung von Amts wegen in die Handwerksrolle möglich ist.
28Vgl. BT-Drs. 19/15873 S. 22.
29Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 HwO ist abweichend von § 7 Abs. 1a HwO auch ohne eine bestandene Meisterprüfung des Betriebsleiters mit dem ausgeübten Handwerk auf Antrag in die Handwerksrolle einzutragen, wer am 13.2.2020 einen handwerklichen Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks innehat, das unter anderem in Anlage B Abschnitt 1 Nummer 1 (Fliesen-, Platten- und Mosaikleger) in der am 13.2.2020 geltenden Fassung aufgeführt ist, und – wie die Klägerin – nicht in das Verzeichnis nach § 19 Satz 1 HwO eingetragen ist. Der Antrag ist nach Satz 2 der Vorschrift innerhalb eines Jahres nach dem 14.2.2020 bei der zuständigen Handwerkskammer unter Beifügen oder Vorlegen geeigneter Nachweise für das Innehaben eines handwerklichen Nebenbetriebs zu stellen.
30Hintergrund dieser Vorschriften ist, dass die am 1.1.2004 eingeführte Zulassungsfreiheit mit Blick auf die zunehmende Gefahrneigung einiger Handwerke, wie derjenigen des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers,
31vgl. hierzu: BT-Drs. 19/14335, S. 24 f.,
32wieder zurückgenommen und die erfolgreich bestandene Meisterprüfung oder eine erteilte Ausübungsberechtigung wieder zur Voraussetzung für den selbständigen Betrieb des Handwerks erklärt worden ist. Dies galt jedoch nicht für Handwerksbetriebe, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes selbständig den Betrieb eines zulassungsfreien Handwerks ausgeübt haben. Diese erhielten insoweit Bestandsschutz.
33Vgl. BT-Drs. 19/15873, S. 10, unter Verweis auf BT-Drs. 19/14335 (S. 15 und 20 f.), sowie BT-Drs. 19/14974 (S. 2).
34Die Wiedereinführung der Zulassungspflicht für Handwerke, die seit 2004 zulassungsfrei waren, betraf vor allem die zahlreichen seit 2004 neu gegründeten (nicht meistergeführten) Betriebe. Diese Betriebsinhaber konnten bislang bis zu 16 Jahre lang ihren Betrieb selbständig ohne Nachweis einer bestandenen Meisterprüfung führen. Diese Handwerker und ihre Betriebe waren daher von einer Wiedereinführung qualitativ anders betroffen als künftige Betriebsinhaber. Mit Rücksicht auf mögliche Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG hat der Gesetzgeber Bestandsschutzregelungen für notwendig gehalten, um die Wiedereinführung der Zulassungspflicht auch insoweit verfassungsgemäß auszugestalten.
35Vgl. BT-Drs. 19/14335, S. 20 f.
36Den Unternehmen, die ausschließlich Pflichtmitglied einer Industrie- und Handelskammer (IHK) waren und zum Stichtag einen Nebenbetrieb eines seinerzeit zulassungsfreien, künftig aber zulassungspflichtigen Handwerks betrieben (vgl. § 2 Nr. 3 HwO), sollte ebenso Bestandsschutz gewährt werden wie den bisher im Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerksbetriebe eingetragenen Betrieben. Mangels Registrierung bei der Handwerkskammer konnte die Eintragung der IHK-Betriebe in die Handwerksrolle aber nur auf Antrag erfolgen und nur bei Vorlage entsprechender Nachweise, dass das zulassungsfreie Handwerk am Stichtag bereits als Nebenbetrieb betrieben wurde. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Maßstäbe der §§ 2 und 3 HwO nicht nur zur Bestimmung eines Nebenbetriebs im zulassungspflichtigen Handwerk anwendbar sind, sondern auch zur Bestimmung, ob ein handwerklicher Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks im Sinne des § 126 Abs. 2 HwO vorliegt. Dies hat er dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er mit § 126 Abs. 2 HwO die Nebenbetriebe erfassen wollte, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 22.2.1994 – 1 C 2.92 – nicht in das Verzeichnis nach § 19 HwO eingetragen werden konnten.
37Vgl. BT-Drs. 19/15873, S. 22 f.
38Handwerksähnliche Nebenbetriebe und solche des zulassungsfreien Handwerks zu einem der Industrie- und Handelskammer angehörigen Betrieb sind nach dieser schon damals maßgeblichen Rechtsprechung nicht in das Verzeichnis nach § 19 HwO einzutragen. Zwar gelten die Vorschriften der §§ 2 und 3 HwO über handwerkliche Nebenbetriebe nach § 20 HwO nicht für Betriebe des zulassungsfreien Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes. Das Gesetz unterscheidet für sie ausdrücklich nicht zwischen Haupt- und Nebenbetrieben, weil eine solche Aufspaltung hier wegen des Fehlens subjektiver Zulassungsbeschränkungen wenig sinnvoll erscheint.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.1994 – 1 C 2.92 –, juris, Rn. 13 ff., 21 ff.
40Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Eintragungspflicht nach § 19 HwO auch für handwerksähnliche oder zulassungsfreie Nebenbetriebe gilt. Die Eintragung eines zu einem IHK-Hauptbetrieb gehörenden Nebenbetriebs in das von der Handwerkskammer geführte Verzeichnis nach § 19 HwO ist für sie nicht erforderlich und auch nicht vorgesehen, weil in diesem Fall eine Betreuung des Gewerbetreibenden auch mit dem Nebenbetrieb durch die Industrie- und Handelskammer ausreichend ist. Dass der Gesetzgeber von der Anwendung der §§ 2 und 3 HwO auf die handwerksähnlichen und zulassungsfreien Betriebe abgesehen hat, schließt nicht aus, insoweit den Begriff "Nebenbetrieb" zu verwenden und die zur Abgrenzung von handwerksrechtlichen Haupt- und Nebenbetrieben entwickelten Grundsätze für die Frage der Eintragungspflicht heranzuziehen. Dem Gesetzgeber ging es nicht darum, diese Prüfung entbehrlich zu machen, sondern die für handwerksähnliche und zulassungsfreie Betriebe geltenden Anforderungen nicht auf entsprechende Nebenbetriebe zu erstrecken, unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um eine unerhebliche Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 HwO handelt. Dementsprechend entfällt die Eintragungspflicht nicht, soweit sich ein Betriebsteil des zulassungsfreien Handwerks oder handwerksähnlichen Gewerbes nach § 18 Abs. 2 HwO nicht als Nebenbetrieb darstellt.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.1994 – 1 C 2.92 –, juris, Rn. 13 ff., 23 f.
42Gemäß § 2 Nr. 3 HwO gelten die Vorschriften der Handwerksordnung für den selbständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks auch für handwerkliche Nebenbetriebe, die mit einem Unternehmen eines zulassungspflichtigen Handwerks, der Industrie, des Handels, der Landwirtschaft oder sonstiger Wirtschafts- und Berufszweige verbunden sind. Gemäß § 3 Abs. 1 HwO liegt ein handwerklicher Nebenbetrieb im Sinne des § 2 Nr. 2 und 3 HwO vor, wenn in ihm Waren zum Absatz an Dritte handwerksmäßig hergestellt oder Leistungen für Dritte handwerksmäßig bewirkt werden, es sei denn, dass eine solche Tätigkeit nur in unerheblichem Umfang ausgeübt wird, oder dass es sich um einen Hilfsbetrieb handelt. Gemäß § 3 Abs. 2 HwO ist eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 unerheblich, wenn sie während eines Jahres die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebs des betreffenden Handwerkszweigs nicht übersteigt. Eine Eintragung eines in diesem Sinne unerheblichen handwerklichen Nebenbetriebs in die Handwerksrolle kommt nicht in Betracht.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1983 – 5 C 37.81 –, BVerwGE 67, 273 = juris, Rn. 15.
44Kennzeichnend für einen handwerklichen Nebenbetrieb ist nach § 2 Nr. 2 und 3 HwO die Verbindung mit einem anderen Betrieb, dem Hauptbetrieb, wobei der zu fordernde wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenbetrieb dann vorliegt, wenn der Nebenbetrieb den wirtschaftlich-unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmens dient und seine Erzeugnisse oder Leistungen dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit und den Gewinn des Hauptbetriebs zu steigern.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1983 – 5 C 37.81 –, BVerwGE 67, 273 = juris, Rn. 13, und Beschluss vom 6.8.1996 – 1 B 38.96 –, juris, Rn. 5; siehe schon OVG NRW, Urteil vom 10.5.1977 – 4 A 834/75 –, GewArch 1978, 95.
46Ein handwerklicher Nebenbetrieb im Sinne des § 3 Abs. 1 HwO erfordert neben einer wirtschaftlichen und fachlichen Verbundenheit mit dem Hauptbetrieb, dass die handwerkliche Tätigkeit diesem gegenüber wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist, dabei aber eine gewisse Eigenständigkeit aufweist. Die handwerkliche Tätigkeit muss vom Hauptbetrieb in einer Weise unterschieden werden können, die es ermöglicht, den Gewerbebetrieb, was seine rechtliche Beurteilung anbelangt, in zwei Betriebe aufzuspalten.
47Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.2.1994 – 1 C 2.92 –, juris, Rn. 26, vom 25.2.1992 – 1 C 27.89 –, juris, Rn. 20, und vom 23.6.1983 – 5 C 37.81 –, BVerwGE 67, 273 = juris, Rn. 13 f.
48Die erforderliche fachliche Verbundenheit ist gegeben, wenn die für Dritte bewirkten Leistungen des Nebenbetriebs vom wirtschaftlichen Standpunkt und vom Interesse des Kunden her gesehen eine sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des Leistungsangebots des Hauptbetriebs darstellen. Eine Ergänzung ist sinnvoll, wenn ein wechselseitiger Zusammenhang bei Inanspruchnahme der Leistungen der beiden Betriebe besteht. Für eine sinnvolle Ergänzung in fachlicher Hinsicht kann auch sprechen, dass die Erweiterung des Betriebsprogramms durch den Nebenbetrieb – bedingt durch deren konkrete Lage und Konkurrenzsituation – erleichtert, in verstärktem Umfang Stammkunden für das eigentliche Betriebsprogramm zu gewinnen. Wenn die Inanspruchnahme der Leistungen des einen Betriebs wirtschaftlich keine erheblichen Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Leistungen des anderen Betriebs hat, mögen zwar die Leistungen dieser Betriebe in bestimmter Hinsicht (etwa Branchenähnlichkeit oder Befriedigung ähnlicher oder gleichartiger Kundenwünsche) in fachlichem Zusammenhang miteinander stehen, damit liegt aber die erforderliche Verbundenheit der Betriebe noch nicht vor.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.8.1986 – 1 C 2.84 –, juris, Rn. 16 ff., und Beschluss vom 6.8.1996 – 1 B 38.96 –, juris, Rn. 5.
50Dabei ist auf das objektive Interesse der Kunden abzustellen, nicht darauf, ob die Ergänzung bzw. Erweiterung aus der Sicht der Kunden „subjektiv“ wünschenswert ist.
51Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.8.1986 – 1 C 2.84 –, juris, Rn. 16 ff., und Beschluss vom 4.11.1993 – 1 B 90.93 –, juris, Rn. 8.
52Das gesetzgeberische Ziel der Bestimmungen über Nebenbetriebe, die Gleichbehandlung aller handwerklichen Betriebe – auch soweit sie z. B. zu einem Hauptbetrieb des Handels oder der Industrie gehören – sicherzustellen, lässt sich aber nicht auf die handwerksähnlichen oder zulassungsfreien handwerklichen Nebenbetriebe und ihr Verhältnis zu entsprechenden Hauptbetrieben übertragen. Durch die Gleichbehandlung der Handwerksbetriebe, sofern es sich nicht lediglich um handwerksähnliche oder zulassungsfreie Nebenbetriebe handelt, sollen vor allem alle handwerklich tätigen Bereiche der Wirtschaft einheitlichen Anforderungen hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation unterworfen werden. Dieser Gedanke passt wegen des Fehlens subjektiver Zulassungsbeschränkungen aber nicht für in das Verzeichnis nach § 19 HwO einzutragende Betriebe des zulassungsfreien Handwerks und handwerksähnlichen Gewerbes.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.1994 – 1 C 2.92 –, juris, Rn. 21 f.
54II. Davon ausgehend handelte es sich bei der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin am 13.2.2020 nicht um einen Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks. Es fehlt sowohl an der erforderlichen gewissen Eigenständigkeit (unten 1.) wie an der fachlichen Verbundenheit der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin mit dem von ihr so bezeichneten Hauptbetrieb „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ (unten 2.). Schließlich wäre die Fliesenlegertätigkeit selbst als eigenständiger und fachlich mit einem etwaigen Hauptbetrieb verbundener Betrieb kein Nebenbetrieb im Sinne der §§ 2 Nr. 3, 3 Abs. 1 und 2, 126 Abs. 2 HwO gewesen, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Tätigkeit in erheblichem Umfang ausgeübt worden ist (unten 3.).
551. Die Fliesenlegertätigkeit der Klägerin weist gegenüber dem von ihr so bezeichneten Hauptbetrieb „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ keine gewisse Eigenständigkeit auf, die es rechtfertigt, insoweit überhaupt von einem Nebenbetrieb zu sprechen. Auch anhand der näheren Darlegungen der Klägerin im Berufungsverfahren stellt sich die Fliesenlegertätigkeit nicht als eine in sich abgrenzbare Einheit dar, die in ihrem Programm und ihren Einrichtungen eine gewisse Eigenständigkeit aufweist. Vielmehr erscheint die im Unternehmen der Klägerin ausgeübte Fliesenlegertätigkeit lediglich als unselbständige Abteilung eines einheitlichen Unternehmens. Im Rechtsverkehr trat die Klägerin in dem hier auch aus ihrer Sicht relevanten Zeitraum vor dem 13.2.2020 in ihren Rechnungen mit dem Briefkopf: „W. – Dienstleistungen rund um Haus und Garten, Trockenbau – Fliesen – Altbausanierung“ auf. Unter dieser Außendarstellung finden sich gleichermaßen Abrechnungen aus allen angeführten Bereichen. Soweit etwa neben anderen Sanierungsarbeiten, die sich selbst schon nicht auf den Bereich Hausmeisterservice mit Trockenbau beschränken, auch Fliesenlegertätigkeiten vorgenommen wurden, waren diese in einer einheitlichen Rechnung ohne Unterscheidung zwischen den einzelnen Tätigkeitsbereichen insbesondere hinsichtlich des Arbeitsaufwands abgerechnet worden. Auf ihrer Grundlage konnte der Bereich Hausmeisterservice mit Trockenbau von umfangreichen Sanierungsarbeiten und von der Fliesenlegertätigkeit nicht in einer Weise unterschieden werden, die es ermöglicht, den Betrieb der Klägerin rechtlich als zwei Betriebe „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ und „Fliesenarbeiten“ anzusehen. Wenn die von der Klägerin vorgelegte Umsatzaufstellung auf den ersten Blick einen anderen Eindruck vermittelt, so ergibt sich schon aus dieser selbst, welche Rechnungen Arbeiten aus beiden Bereichen betreffen, die dennoch ohne aus den Aufträgen und Rechnungen ersichtliche Trennung sozusagen „aus einer Hand“ erbracht worden sind. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin bestätigt, dass die in der Umsatzaufstellung aufgeführten Einzelbeträge aus Aufträgen, die Arbeiten in den Bereichen „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ und „Fliesenlegerarbeiten“ betrafen, sich nicht aus den hierzu erstellten Rechnungen selbst entnehmen lassen, sondern von ihr nachträglich grob abgeschätzt worden waren. Auch der von ihr zu Rate gezogene Ehemann, der für die Ausführung der Arbeiten seinerzeit im Rahmen der Familienhilfe tätig war, konnte auf Nachfrage keine weiterführenden Angaben zum Nachweis der Einzelbeträge machen. Die im Antrag vom 8.2.2021 aufgeführte Verteilung des Umsatzes hat die Klägerin mit ihrer seinerzeit fehlerhaften Einschätzung erklärt, nach der sie Hausmeisterservice und Trockenbau fälschlich dem Handwerk zugeschlagen habe. Damit ermöglichte die seinerzeitige Betriebsführung keine konkret zutreffende Angabe zur Umsatzaufteilung, die über die vorgelegte, teilweise geschätzte Umsatzaufstellung hinausginge. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass die nunmehr von der Klägerin geltend gemachte Trennung zwischen Hausmeisterservice mit Trockenbau und ihrer Fliesenlegertätigkeit in Haupt- und Nebenbetrieb vor dem Stichtag (13.2.2020) für ihr Unternehmen keine Bedeutung hatte und nicht den tatsächlichen Abläufen entsprach. Dies wird dadurch bestätigt, dass sie sich im Berufungsverfahren nicht mehr in der Lage sah, die für ihre Fliesenlegertätigkeit angefallenen Stunden für Arbeitsausführung, Arbeitsvorbereitung, Kundenbesuche, Einkauf, Werbemaßnahmen, Akquise sowie Erstellung von Angeboten, Rechnungen und Steuererklärungen anzugeben, weil sie die Stunden „naturgemäß“ nicht protokolliert habe. Damit im Einklang stehend stellt sie ihr Leistungsangebot selbst so dar, dass sie ein ganzes Bündel an zulassungsfreien und handwerksähnlichen Dienstleistungen im Bereich ihres Hausmeisterservices anbiete, die verschiedene Arbeiten hinsichtlich der Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäuden und im Außenbereich umfassten. Sie sei insbesondere auch im Bereich Trockenbau tätig und biete als weitere Dienstleistung das Verlegen von Fliesen an. Dabei betont sie, es liege im Interesse eines verständigen Verbrauchers, beispielsweise bei Trockenbauarbeiten auch Fliesenlegearbeiten durch „denselben Betrieb“ durchführen zu lassen. Eine Einzelbeauftragung mehrerer Betriebe für sachlich eng verknüpfte Arbeiten sei umständlich und werde vermieden, weil derartige Dienstleistungen von nur einem Unternehmen durchgeführt würden. Deshalb spricht die Klägerin selbst von einer sinnvollen Ergänzung ihres weitreichenden Betriebsprogramms um Fliesenlegerarbeiten. Die Erweiterung ihres weitreichenden Tätigkeitsbereichs ist jedoch etwas anderes als die Führung eines in gewisser Weise vom Hauptbetrieb eigenständigen Nebenbetriebs. Das erstmalige Herausgreifen ausgerechnet der Fliesenlegertätigkeit als Nebenbetrieb im Rahmen der Antragstellung zur Eintragung in die Handwerksrolle entspricht nach alldem nicht der aktenkundigen und der in der mündlichen Verhandlung erkennbar gewordenen Struktur des Betriebs der Klägerin zum maßgeblichen Stichtag, sondern ist lediglich durch das Interesse die Klägerin motiviert, nach der Rückvermeisterung des Fliesenlegerhandwerks diesbezüglich von der nur auf Nebenbetriebe bezogenen Übergangsregelung in § 126 Abs. 2 HwO zu profitieren.
562. Unabhängig davon, dass schon keine Führung eines eigenständigen Nebenbetriebs festzustellen ist, ist nach den unter I. angeführten Maßstäben auch keine fachliche Verbundenheit der Fliesenlegertätigkeit der Klägerin mit dem von ihr so bezeichneten Hauptbetrieb „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ ersichtlich. Weder ist deutlich geworden, dass sich die Fliesenlegertätigkeiten zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit aus oder anlässlich einer für den jeweiligen Kunden ausgeübten Hausmeister- oder Trockenbauertätigkeit entwickelt hätten, noch dass die Klägerin mit dieser Tätigkeit erkennbar in nennenswertem Umfang Stammkunden für ihre Hausmeister- oder Trockenbauertätigkeiten generiert haben könnte. Insbesondere kann kein wechselseitiger Zusammenhang bei Inanspruchnahme der Leistungen der beiden Tätigkeitsbereiche festgestellt werden, etwa in dem Sinne, dass im Zuge von Arbeiten im Hausmeisterservice oder im Trockenbau zum maßgeblichen Stichtag regelmäßig auch Fliesenlegearbeiten angefallen wären, die sinnvoll im Zusammenhang damit erledigt wurden. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Erweiterung des Betriebsprogramms durch die Fliesenlegertätigkeit es der Klägerin erleichtert hätte, in verstärktem Umfang und nicht lediglich vereinzelt Stammkunden für das eigentliche Betriebsprogramm „Hausmeisterservice mit Trockenbau“ zu gewinnen.
57Aus ihrem gesamten Vorbringen sowie aus den von ihr zuletzt vorgelegten Rechnungen aus dem Jahr 2019 bis zum Stichtag im Jahr 2020 ergibt sich bei zusammenfassender Betrachtung schon nicht, dass die abgerechneten Fliesenlegearbeiten in einem nennenswerten Umfang im Zusammenhang mit Tätigkeiten der Objektbetreuung im Rahmen des Hausmeisterservice mit Trockenbau standen. Es handelte sich vielmehr lediglich um Einzelaufträge für konkrete Renovierungs-, Sanierungs- oder sonstige Arbeiten im Zusammenhang mit Immobilien. In der mündlichen Verhandlung wurde zumindest sinngemäß bestätigt, dass die Übernahme einer auf gewisse Dauer angelegten Objektbetreuung bis zum Stichtag (13.2.2020) allenfalls vereinzelt vorgekommen ist. Unabhängig davon stand die Fliesenlegertätigkeit zumindest ganz überwiegend auch nicht im Zusammenhang mit einer Tätigkeit aus dem von der Klägerin so bezeichneten Bereich Hausmeisterservice mit Trockenbau, die sinnvoll in einem Zuge erledigt werden sollte. Vielmehr waren Fliesenlegerarbeiten meist isoliert beauftragt worden. Anhand der vergleichsweise wenigen Rechnungen, in denen die von der Klägerin so bezeichnete Hausmeistertätigkeit mit Trockenbau und Fliesenlegertätigkeiten gemeinsam abgerechnet worden sind, lässt sich ein betriebsprägender wechselseitiger Zusammenhang der jeweils abgerechneten Fliesenlegertätigkeit mit einer Hausmeistertätigkeit mit Trockenbau nicht erkennen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Klägerin mehrfach jeweils aufgrund eigenständiger Beauftragung in verschiedenen Tätigkeitsbereichen für die gleichen Personen, auch Stammkunden, tätig geworden ist. Hieraus allein kann ein wechselseitiger prägender Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten im Hausmeisterservice mit Trockenbau und der Fliesenlegertätigkeit nicht abgeleitet werden. Aus den vorgelegten Unterlagen und dem Vortrag der Klägerin lässt sich auch nicht erkennen, dass sich die Fliesenlegertätigkeiten zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit aus oder anlässlich einer für den jeweiligen Kunden ausgeübten Hausmeister- oder Trockenbautätigkeit entwickelt haben, oder mit dieser Tätigkeit erkennbar in nennenswertem Umfang Stammkunden für ihre Hausmeister- oder Trockenbauertätigkeiten generiert worden sein könnten.
583. Schließlich wäre die Fliesenlegertätigkeit selbst als eigenständiger und fachlich verbundener Betrieb kein eintragungsfähiger Nebenbetrieb im Sinne der §§ 2 Nr. 3, 3 Abs. 1 und 2, 126 Abs. 2 HwO gewesen, weil nicht nachgewiesen ist, dass die Tätigkeit am Stichtag in erheblichem Umfang im Sinne des § 3 Abs. 2 HwO ausgeübt worden ist.
59Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Fliesenlegertätigkeit im Betrieb der Klägerin die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebs des betreffenden Handwerks übersteigt. Aus den von ihr für das Jahr 2019 bis zum Stichtag am 13.2.2020 vorgelegten Rechnungen ergibt sich eine auf die reine Ausübung der Fliesenlegertätigkeit entfallende Arbeitszeit von deutlich unter 200 Stunden. Selbst wenn man Arbeitszeiten für die in einem Handwerksbetrieb dieser Art normalerweise anfallenden kaufmännisch-geschäftlichen Tätigkeiten (z. B. Akquise, Einkauf, Absatz, Buchführung, Kalkulation, Rechnungsstellung usw.) zugunsten der Klägerin, die insoweit keine Nachweise vorlegen konnte, großzügig hinzurechnet,
60vgl. dazu OLG Braunschweig, Beschluss vom 4.7.2024 – 2 U 56/24 –, juris, Rn. 24; Tillmanns, in: Honig/Knörr/Thiel, Handwerksordnung, 5. Aufl. 2017, § 3 Rn. 19; Leisner, in: BeckOK HwO, 27. Edition, Stand: 1.12.2024, § 3 Rn. 14; Schwannecke/Heck, GewArch 2004, 129, 135.
61kann nicht ansatzweise nachvollzogen werden, wie die Tätigkeit des Betriebs, den die Klägerin nach eigenen Angaben seinerzeit allein mit Unterstützung ihres Ehemanns im Rahmen der Familienhilfe und von Minijobbern geführt haben will, im Fliesenlegerbereich über der Erheblichkeitsschwelle, die bei ca. 1.664 Stunden im Jahr angesetzt wird, gelegen haben soll, zumal sie den Umsatzanteil von Fliesenlegearbeiten am Gesamtumsatz ihres Betriebs in ihren letzten Umsatzaufstellungen für die Jahre 2019 und 2020 auf nur 28 % bzw. 22 % geschätzt hat.
62Einer weitergehenden Bestandsschutzregelung, wie von der Klägerin gefordert, bedarf es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Ihre geltend gemachte nach alldem jedenfalls nicht in einem Nebenbetrieb ausgeübte Fliesenlegertätigkeit hätte bereits während der Zeit, in der das Fliesenlegerhandwerk zulassungsfrei ausgeübt werden konnte, auch wenn der Tätigkeitsumfang die Erheblichkeitsschwelle nach § 3 Abs. 2 HwO nicht erreichte, auf die Möglichkeit einer Eintragung gemäß § 18 Abs. 1 und 2 HwO in das Verzeichnis nach § 19 HwO geprüft werden müssen. Das wäre auch dann nicht anders gewesen, wenn der Betrieb der Klägerin entsprechend ihren in der mündlichen Verhandlung korrigierten Antragsangaben sowie ihrem Vorbringen in der Berufungsbegründung durch Erbringung zulassungsfreier und handwerksähnlicher Dienstleistungen überwiegend handwerklich tätig gewesen wäre. Dies ergab sich schon damals aus der oben angeführten langjährigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Daher konnte sich die Klägerin hierüber bei der Handwerkskammer oder durch Einholung anderweitigen kundigen Rechtsrats verlässlich informieren. Spätestens nachdem der Gesetzentwurf, der die beabsichtigte Rückvermeisterung auch des Fliesenlegerhandwerks zum Gegenstand hatte, am 22.10.2019 in den Bundestag eingebracht worden war (vgl. BT-Drs. 19/14335), was seinerzeit auch Gegenstand der Medienberichterstattung war, bestand für die Klägerin Anlass und noch ausreichende Gelegenheit, Informationen darüber einzuholen, ob und gegebenenfalls wie sie ihr damaliges Geschäftsmodell, das sich im Rückblick zumal aufgrund widersprüchlicher Angaben hierzu nur teilweise und ungenau rekonstruieren lässt, auch ohne Meisterprüfung würde fortführen können. Für nach früherer Rechtslage ordnungsgemäß in das Verzeichnis nach § 19 HwO eingetragene Fliesenlegerbetriebe hat der Gesetzgeber in § 126 Abs. 1 HwO eine Bestandsschutzregelung geschaffen, deren Voraussetzungen die Klägerin jedenfalls mangels früherer Eintragung nicht erfüllt hat. Derartigen Versäumnissen und hierdurch in der Folgezeit veranlassten rechtlichen Unklarheiten hinsichtlich der Art der bisherigen Führung von Bestandsbetrieben musste der Gesetzgeber bei der Schaffung von Übergangsvorschriften nicht Rechnung tragen.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
64Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
65Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.