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Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
3Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
41. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
5Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine bisher obergerichtlich nicht geklärte tatsächliche Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer entsprechenden Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf deren Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2024 – 4 A 2646/21.A –, juris, Rn. 4 f. m. w. N.
7Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
8ob bekennende Ahmadis, für die es nicht identitätsbestimmend ist, ihren Glauben missionarisch in die Öffentlichkeit zu tragen, in Pakistan einer an ihren Glauben anknüpfenden Gruppenverfolgung ausgesetzt sind,
9rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.
10Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf, der über die vom Verwaltungsgericht herangezogenen höchstrichterlich geklärten Grundsätze hinausgeht,
11vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 ‒ 10 C 23.12 ‒, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 28 ff.,
12ist nicht dargelegt. Danach kommt es für die Beurteilung der erforderlichen Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit, in der eine relevante Verfolgung liegen kann, auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an. Dem Umstand, dass die konkrete Form der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, der der Schutzsuchende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, kann dabei eine indizielle Wirkung zukommen. Maßgeblich ist aber, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist. Einen weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt der Kläger nicht auf. Nach den angeführten höchstrichterlich geklärten Rechtssätzen besteht insbesondere, auch angesichts der allgemeinen Situation der Ahmadis zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung,
13vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 28.1.2025 – 4 A 870/16.A –, juris, Rn. 80 ff.,
14kein Raum für allgemeingültige Aussagen zur Verfolgungsgefahr für bekennende Ahmadis, für die die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis im Einzelfall gerade nicht als unverzichtbar angesehen wird, etwa weil sie – wie der Kläger geltend macht – weder missionarisch tätig sind noch ihren Glauben in sonstiger Weise öffentlichkeitswirksam praktizieren. Vielmehr bedarf es einer individuellen Prüfung der Verfolgungswahrscheinlichkeit, wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.1.2025 – 4 A 870/16.A –, juris, Rn. 212 ff., sowie Beschlüsse vom 10.1.2025 – 4 A 550/22.A –, juris, Rn. 9 ff., und vom 28.8.2024 – 4 A 2646/21.A –, juris, Rn. 13 ff., m. w. N.
16Abgesehen davon lässt sich keine auch nur schätzungsweise gesicherte Zahl von bekennenden Ahmadis ermitteln, der sich eine belegbare Zahl von Verfolgungshandlungen gegen Angehörige dieser Gruppe aus religiösen Gründen gegenüberstellen lässt.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.1.2025 – 4 A 870/16.A –, juris, Rn. 215 f., m. w. N.
18Die Umstände, unter denen das Gericht die Überzeugung davon gewinnt, ob der Schutzsuchende eine verfolgungsträchtige religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, sind grundsätzlich einer abstrakt-generellen Verallgemeinerung nicht zugänglich. Es handelt sich stets um eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2024 – 4 A 2646/21.A –, juris, Rn. 17 f., m. w. N.
202. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht verletzt.
21Das in Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verankerte Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das jeweilige Gericht im Rahmen seiner Rechtsprechung diesen Anforderungen genügt. Das Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu behandeln. Deshalb müssen, soll ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs festgestellt werden, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.8.2024 – 4 A 2646/21.A –, juris, Rn. 27 ff., m. w. N.
23Gemessen daran ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör.
24Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe die geltend gemachte Verschlechterung der Situation für Ahmadis in Pakistan nicht zur Kenntnis genommen, greift nicht durch. Im Gegenteil hat das Verwaltungsgericht eine eigenständige Bewertung der Verfolgungsgefahr des Klägers nach dezidierter Auseinandersetzung mit den ihm vorliegenden aktuellen Erkenntnismitteln hinsichtlich der Situation der Ahmadis in Pakistan vorgenommen und dabei sowohl die verschlechterte Situation der Ahmadis (Urteilsabdruck, Seite 11, 13 ff.) als auch die Angaben des Klägers zur Verfolgungssituation von Ahmadis berücksichtigt. Dass es – insbesondere mit Blick auf seinen Rechtsstandpunkt – zu einer anderen Bewertung als der Kläger gelangt ist, führt nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Insoweit erhebt der Kläger letztlich Einwände gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem sachlichen Recht zuzuordnen ist. Solche rechtfertigen, sofern sie – wie hier – nicht von Willkür geprägt sind, von vornherein nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.8.2020 – 4 A 3491/19.A –, Rn. 7 f., m. w. N.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.
27Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.