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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3I. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise an der Gedankenführung des Gerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2023 –
62 A 2535/21 -, juris Rn. 2 f. m. w. N.
7Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
8Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
9die dem Beigeladenen erteilte 1. Nachtragsbaugenehmigung vom 28. Januar 2021 (geänderte Bauausführung der Garagenanlage und Anbau Balkon im Dachgeschoss (nachträglich)) und die 2. Nachtragsbaugenehmigung vom 17.Januar 2022 (Nachweis der überbauten Flächen/GRZ) auf dem Grundstück Gemarkung Siegen, Flur 37, Flurstück 2267 aufzuheben,
10abgewiesen, weil die Nachtragsbaugenehmigungen Rechte der Kläger nicht verletzten. Durch die Nachtragsgenehmigungen erlaube die Beklagte kein Vorhaben, das von dem durch die Baugenehmigung vom 9. November 2018 genehmigten Vorhaben so erheblich abweiche, das ein sogenanntes „aliud“ genehmigt worden sei. Hinsichtlich des Vortrags, die in dem Wohn-/Werkstattgebäude genehmigte Wohnung sei als Betriebsleiterwohnung nach § 8 Abs. 3 BauNVO unzulässig, hat das Verwaltungsgericht auf den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2022 – 2 A 445/21 – Bezug genommen. Darin hat der Senat insbesondere ausgeführt, dass das Vorhabengrundstück und das Grundstück der Klägerin nicht in demselben faktischen Baugebiet liegen, so dass ein Gebietsgewährleistungsanspruch von vornherein ausscheide. Die durch die Nachtragsbaugenehmigungen genehmigten Änderungen verstießen auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme oder gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
11Die gegen diese Annahmen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch.
12Soweit die Kläger vorgetragen haben, dass die beigezogenen Verwaltungsvorgänge unvollständig seien, weil der Bearbeitungsbogen zur Bauüberwachung vom 16. Juli 2020 gefehlt habe, hat die Beklagte hierzu in ihrer Zulassungserwiderung das Erforderliche ausgeführt, auf die Bezug genommen wird und zu der sich die Kläger im Übrigen insoweit auch nicht weiter verhalten haben.
13Die Auffassung der Kläger, die angefochtenen Nachtragsbaugenehmigungen könnten nicht Bestandteil der ursprünglichen Baugenehmigung sein, weil sich die Rechtslage geändert habe und diese Baugenehmigung erloschen sei, ist unzutreffend.
14Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit der „aliud“-Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts,
15vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. November 1996 - 7 A 4820/95 -, juris Rn. 58 f. und vom 19. Juni 2020 – 2 A 211/17, juris Rn. 27 ff., sowie Beschlüsse vom 22. Mai 2023 - 7 A 3278/21 -, juris Rn. 2 ff., vom 22. April 2013 - 2 A 1891/12 -, juris Rn. 7, und vom 21. Februar 2007 - 10 A 27/07 -, juris Rn. 14,
16darauf abgestellt, dass Gegenstand der Nachtragsbaugenehmigungen kein derart von der ursprünglichen Baugenehmigung abweichendes Vorhaben ist, das sich für das abgewandelte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellte. Damit setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander.
17Ihr pauschales Vorbringen dazu, dass im Verfahren betreffend die Nachtragsbaugenehmigungen nunmehr die Vorschriften der BauO NRW 2018 anstelle der BauO NRW 2000 insbesondere für die Gebäudeteile des Vorhabens in den Abstandsflächen anzuwenden seien, bietet für sich genommen keine Anhaltspunkte für die Annahme eines aliuds. Rechtsänderungen zugunsten des Bauherrn sind nach ständiger Rechtsprechung in einem Baunachbarstreit stets zu berücksichtigen.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2010 – 4 B 43.10 –, juris Rn. 9.
19Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, weshalb, wie die Kläger ebenfalls nur pauschal behaupten, die ursprüngliche Baugenehmigung erloschen sei, da der Beigeladene sie nicht ausgenutzt habe. Das Vorbringen, der Beigeladene habe grob fahrlässig eine vorhandene Garage abgerissen, ohne die entsprechende Beseitigung gegenüber der Beklagten nach § 62 Abs. 3 BauO NRW 2018 anzuzeigen und einen qualifizierten Tragwerkplaner beizuziehen, lässt einen Zusammenhang mit der Frage, ob mit den angefochtenen Nachtragsbaugenehmigungen ein aliud genehmigt worden ist, nicht erkennen.
20Ohne Erfolg rügen die Kläger weiterhin, dass die Nachtragsbaugenehmigung vom 28. Januar 2021 gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße, weil ein weiterer Balkon im 2. Obergeschoss beziehungsweise im Dachgeschoss des Vorhabens genehmigt worden sei, von dem der Beigeladene auf ihr Grundstück einschließlich ihrer Außenterrasse schauen könne, und weil das Vorhaben des Beigeladenen zu einer Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl führe. Auch insoweit fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts.
21Hinsichtlich der genehmigten Lagerung von 1500 l Markierungsfarbe in dem Garagen-/Lagergebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht ausgehend von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass der Beigeladene insoweit wirksam auf die Ausübung der Baugenehmigung verzichtet habe. Ein Verzicht auf die Ausnutzung von Teilen der Baugenehmigung ist danach entgegen der Auffassung der Kläger auch nach Klageerhebung möglich. Der Einwand, der Verzicht sei nicht glaubhaft erklärt worden, ist nicht geeignet, die Wirksamkeit des diesbezüglichen Verzichts auf die Baugenehmigung in Frage zu stellen. Im Übrigen wird auch dieser Vortrag nicht weiter konkretisiert.
22Schließlich führt auch die pauschale Kritik der Kläger, es lägen verschiedene Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen zum Brandschutz beziehungsweise gegen die Gefahrstoffverordnung und das Chemikaliengesetz vor, nicht zur Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Kläger machen auch insoweit nur unsubstantiiert geltend, Brandschutzvorschriften und Brandschutzkonzepte seien nachbarschützend, da sie die Nachbarn vor dem Übergreifen eines Feuers schützen sollten; einen über diese allgemeinen Aussagen hinausgehenden Bezug zu ihrer konkreten Grundstückssituation und den angefochtenen Nachtragsbaugenehmigungen stellen sie nicht her. Ähnliches gilt für das Vorbringen, die genehmigten Änderungen der Lagerhalle führten zu einem aliud, sodass eine erneute Prüfung des Brandschutzes vorzunehmen sei.
23Die Zulassungsbegründung lässt auch insoweit jegliche Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu dem bereits angesprochenen Teilverzicht des Beigeladenen auf die Lagerung von Farbe beziehungsweise darauf, dass es sich bei der Lagerhalle nicht um einen Sonderbau im Sinne des § 50 Abs. 2 Nr. 17 BauO NRW 2018 handele, sodass insoweit keine Pflicht zu Erstellung eines Brandschutzkonzepts bestehe, vermissen. Entsprechendes gilt auch, soweit das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, dass brandschutzrechtliche Bestimmungen nicht generell nachbarschützend seien.
24II. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
25Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind dann geltend gemacht, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das erstinstanzliche Urteil schlüssig entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Fragen von solcher Schwierigkeit aufwerfen, dass sie sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2022
27– 4 A 267/22 –, juris, Rn. 23 f., m. w. N.
28Das ist hier nicht der Fall. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass sich die von den Klägern aufgeworfenen Fragen bereits im Zulassungsverfahren klären lassen.
29III. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
30Die von den Klägern formulierten Fragen,
31ob der Brandschutz und Brandschutzkonzepte bei Baugenehmigungen nachbarschützend sind,
32inwieweit der Verzicht auf bestimmte Bestandteile einer Baugenehmigung zulässig ist und eine rechtswidrige Baugenehmigung zulässig werden lässt,
33wann eine Nachtragsbaugenehmigung von dem Ursprungsvorhaben soweit abweicht, dass es sich um ein „aliud“ handelt,
34zeigen einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.
35Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2021 – 4 A 1726/19 –, juris, Rn. 14 f., m. w. N.
37Daran fehlt es hier. Die Kläger haben keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen klärungsbedürftigen Fragen aufgeworfen, die sich in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen würden. Das Zulassungsvorbringen zeigt keinen Klärungsbedarf auf, sondern belässt es bei bloßen Behauptungen. Abgesehen davon sind die Fragen in dieser Form nicht verallgemeinerungsfähig, sie lassen jeweils nur im konkreten Einzelfall beantworten. Die Kläger legen zudem nicht hinreichend dar, warum sich die Fragen in einem Berufungsverfahren überhaupt so stellen würden.
38Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
39Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
40Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.