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Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG kann der Besitzer von Waffen oder Munition nur dann als unzuverlässig angesehen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er in den letzten fünf Jahren Mitglied vor dem maßgeblichen Erlaubniswiderruf in einer Vereinigung gewesen ist oder eine solche unterstützt hat, die ihrerseits in dieser Zeit nachweislich eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG genannten Bestrebungen verfolgt hat.
Das Verfolgen von Bestrebungen im Sinne der Vorschrift muss für die zuständige Behörde und im Streitfall für das Gericht feststehen; es genügt nicht, dass lediglich Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Vereinigung solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat.
Das angegriffene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2023 wird insgesamt aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 6.018,75 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Beklagte erteilte dem Kläger im August 2022 zwei Waffenbesitzkarten als Sportschütze.
4Der Kläger ist seit 2013 Mitglied der politischen Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden: AfD) in Nordrhein-Westfalen. Seit 2014 ist er für diese Partei Mitglied des Stadtrats M. und seit 2020 Mitglied des Kreistages des C.. Zudem ist er stellvertretender Sprecher des Kreisvorstandes der AfD im C..
5Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte die AfD am 25. Februar 2021 als sogenannten Verdachtsfall ein und begründete dies damit, es lägen hinreichend verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Partei gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge. Die unter anderem auf Unterlassung dieser Einstufung durch das Bundesamt gerichtete Klage der AfD wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 326/21 - ab. Die Berufung gegen dieses Urteil wies das Oberverwaltungsgericht mit Urteil 13. Mai 2024 - 5 A 1218/22 - zurück. Mit Beschluss vom 16. September 2024 half es der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht ab und legte diese zur Entscheidung dem Bundesverwaltungsgericht vor.
6Nachdem der Beklagte zwischenzeitlich Kenntnis von den politischen Tätigkeiten des Klägers für die AfD erhalten hatte, gab er dem Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2023 Gelegenheit, zu dem deshalb beabsichtigten Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse Stellung zu nehmen.
7Mit Bescheid vom 15. August 2023 widerrief der Beklagte die beiden Waffenbesitzkarten des Klägers sowie die darin eingetragene Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition (Nr. I des Bescheides). Zugleich ordnete der Beklagte an, die darin eingetragenen beiden Schusswaffen und die im Besitz des Klägers befindliche erlaubnispflichtige Munition innerhalb von zwei Wochen ab Bescheidzustellung nachweislich einer berechtigten Person zu überlassen oder die Waffen ersatzweise unbrauchbar zu machen (Nr. II des Bescheides). Außerdem führte er aus, dass die Erlaubnisdokumente ihm gemäß § 46 Absatz 1 WaffG innerhalb der genannten Frist zurückzugeben seien (ebenfalls Nr. II des Bescheides). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung, die Erlaubnisdokumente zurückzugeben, drohte der Beklagte die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 250,- Euro an (Nr. III des Bescheides). Außerdem ordnete er die sofortige Vollziehung der unter Nr. II des Bescheides getroffenen Regelungen an (Nr. IV des Bescheides). Schließlich setzte der Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 268,75 Euro fest (Nr. V des Bescheides). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Es liege die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG vor. Das folge aus der Mitgliedschaft des Klägers in der AfD. Außerdem sei er Mitglied im Stadtrat B. und im Kreistag. Ferner sei er stellvertretender Sprecher des Vorstandes der AfD C.. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfA) stufe die AfD als Verdachtsfall ein. Atypische Umstände lägen nicht vor.
8Der Kläger hat am 24. August 2023 Klage erhoben. Seinen zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 25. September 2023 - 22 L 2295/23 - ganz überwiegend abgelehnt. Die Beschwerde dagegen hat der beschließende Senat durch Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 1111/23 - zurückgewiesen.
9Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse seien nicht gegeben. Er sei waffenrechtlich nicht unzuverlässig. Zu keinem Zeitpunkt habe er Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung unterstützt. Es dürfe waffenrechtlich nicht zu beanstanden sein, dass er sich seit Jahren zivilgesellschaftlich in der Kommunalpolitik als Ratsherr engagiere. Immer habe er sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekannt. Er lehne alle Bestrebungen entschieden ab, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker richteten. Es gebe keinerlei extremistische Äußerungen von ihm. Aus seiner Mitgliedschaft bei der AfD lasse sich keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit herleiten. Er sei keineswegs Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung und auch kein politischer Extremist. Er sei Mitglied des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der AfD, der vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz nicht als extremistischer Verdachtsfall eingestuft werde. Zwischen diesem Landesverband und dem AfD-Bundesverband müsse differenziert werden. Sein - des Klägers - legitimes und grundgesetzlich geschütztes politisches Engagement stehe in keinem Zusammenhang mit seiner waffenrechtlichen Erlaubnis. Er stehe fest auf den Boden des Grundgesetzes und lehne jede Art von politischem Extremismus entschieden ab. Zu keinem Zeitpunkt habe er seine waffenrechtliche Erlaubnis missbraucht. Auch aufgrund seiner persönlichen Situation - er sei mit einer Ausländerin verheiratet - seien ihm rechtsextremistische Tendenzen fremd.
10Der Kläger hat beantragt,
11den Widerrufsbescheid des Beklagten vom 15. August 2023 aufzuheben.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er ist der Klage entgegengetreten und hat sich zur Begründung auf die Gründe seines Bescheides bezogen.
15Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die unter Nr. III des Bescheides vom 15. August 2023 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung aufgehoben, im Übrigen die Klage jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich der "Formulierung", dass der Kläger zur Rückgabe der Erlaubnisdokumente verpflichtet sei (Nr. II des Bescheides), sei die Klage unstatthaft und unzulässig, weil es sich um keine Regelung, sondern um einen bloßen Hinweis auf die gesetzliche Vorlagepflicht handele. Hinsichtlich der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohung (Nr. III des Bescheides) sei die Klage zulässig und mangels vollziehbaren Verwaltungsaktes begründet. Im Übrigen sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Der verfügte Erlaubniswiderruf (Nr. I des Bescheides) sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei könne offenbleiben, ob ein Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG vorzunehmen gewesen sei oder im Wege der Umdeutung von einer Rücknahme dieser Erlaubnisse nach § 45 Abs. 1 WaffG auszugehen sei. Jedenfalls sei der Kläger unzuverlässig, weil die Voraussetzungen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und Buchstabe c WaffG aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers in der AfD und seiner Tätigkeit für diese Partei erfüllt seien, ohne dass Gründe vorlägen, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit zuließen. Ebenso seien die weiteren unter Nrn. II und V des Bescheides getroffenen Maßnahmen rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Wegen des weiteren Inhalts des angegriffenen Urteils wird auf dasselbe Bezug genommen.
16Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Der Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für den Erlaubniswiderruf oder für die Erlaubnisrücknahme seien nicht erfüllt. Seine Mitgliedschaft in der nordrhein-westfälischen AfD und seine Unterstützungsbeiträge für diese Partei erfüllten nicht den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG. Der nordrhein-westfälische Landesverband der AfD sei nachweislich keine Vereinigung, bei der der tatsachenbegründete Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehe. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz trage ein solche bislang nicht einmal vor, sondern erkläre, dass die NRW-AfD für ihn nach wie vor kein Beobachtungsobjekt sei. Die Bundespartei AfD wehre sich rechtlich gegen ihre Einstufung durch die Verfassungsschutzbehörde, dass bei ihr ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehe. Er - der Kläger - engagiere sich ausschließlich im nordrhein-westfälischen Landesverband und sei nicht bundespolitisch tätig. Es lägen deswegen über ihn auch keinerlei Erkenntnisse vor, die eine individuelle verfassungsfeindliche Betätigung auch nur ansatzweise belegten. Er gelte als moderat, äußere sich im Stadtrat weder polemisch noch polarisierend und distanziere sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen innerhalb der Bundes-AfD. Ausdrücklich bekenne er sich zum Wertekanon der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Die reine Mitgliedschaft in der NRW-AfD reiche für die Annahme der mangelnden Zuverlässigkeit nicht aus. In waffenrechtlicher Hinsicht habe er sich durchgängig beanstandungsfrei verhalten. Darüber hinaus stehe fest, dass er sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Vereinigung stets unmissverständlich und beharrlich distanziert habe. Es lägen demzufolge Gründe vor, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit zuließen.
17Der Kläger beantragt sinngemäß,
18das angegriffene Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2023 insgesamt aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt sinngemäß,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen sowie auf die Gründe des angegriffenen Urteils und des Beschlusses des Verwaltungsgerichts im vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
23II.
24Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält.
25Die Berufung hat Erfolg.
26Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO insgesamt zulässig.
27Das gilt auch insoweit, als sie sich gegen die unter Nr. II des Bescheides getroffene Anordnung richtet, die Erlaubnisdokumente binnen bestimmter Frist dem Beklagten zurückzugeben. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um einen bloßen Hinweis auf die Gesetzeslage, sondern um eine außenwirksame Regelung im Einzelfall und damit um einen gemäß § 42 Abs. 1 VwGO mit der Klage anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG NRW. Der Beklagte hat im Hinblick auf die Verpflichtung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG zur unverzüglichen Rückgabe aller Ausfertigungen zurückgenommener oder widerrufener waffengesetzlicher Erlaubnisse in der Entscheidungsformel des Bescheides ersichtlich individuell für den Kläger eine konkretisierende Regelung getroffen, indem er für die Rückgabe der Erlaubnisdokumente eine präzise Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides bestimmt hat. Damit war zudem erkennbar bezweckt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der im Unterschied zur gesetzlichen Rückgabepflicht erforderlichenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchgesetzt werden konnte. Das zeigt sich zweifelsfrei daran, dass der Beklagte zugleich unter Nr. III des Bescheides für den Fall, dass der Kläger der konkretisiert angeordneten Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnisdokumente nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht hat.
28Die Klage ist insgesamt, d. h. auch soweit ihr das Verwaltungsgericht nicht stattgegeben hat, begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2023 ist insgesamt, d. h. über die durch das angegriffene Urteil aufgehobene Zwangsgeldandrohung (Nr. III des Bescheides) hinaus, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Für den verfügten Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers und dessen Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition (Nr. I des Bescheides) fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
30Als mögliche Rechtsgrundlage dafür kommt allein § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG in Betracht. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Erlaubnisversagung hätten führen müssen. Diese Widerrufsvoraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerruferlasses aber nicht erfüllt.
31Ernsthaft in Betracht zu ziehen ist insofern allein, dass der Kläger über die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) verfügte. Das lässt sich indes nicht feststellen.
32Insbesondere lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs keine Tatsachen vor, die die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG begründen. Nach dieser Vorschrift besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren entweder Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Buchstabe a), oder Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat (Buchstabe b), oder eine solche Vereinigung unterstützt haben (Buchstabe c). Da weder tragfähige tatsächliche Anhaltspunkte dafür dargetan noch sonst ersichtlich sind, dass der Kläger in den maßgeblichen letzten fünf Jahren vor dem Erlaubniswiderruf einzeln Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt hat, steht seine Unzuverlässigkeit ernsthaft allein gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG aufgrund seiner Mitgliedschaft in der AfD und seiner Unterstützungsbeiträge für diese Partei im Raum. Im Ergebnis scheidet aber auch das aus.
33Unstreitig ist der Kläger zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs in den letzten fünf Jahren im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG Mitglied des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der AfD und damit zugleich auch Mitglied der AfD-Bundespartei gewesen. Ebenso unstreitig ist, dass er in diesen fünf Jahren für diese Partei verschiedene Funktionen bzw. Ämter ausgeübt und diese dadurch im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c WaffG unterstützt hat.
34Es lässt sich indes zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs nicht feststellen, dass die AfD-Bundespartei eine Vereinigung ist, die Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt oder in den letzten fünf Jahren zuvor verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Gleiches gilt für den AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen.
35Dafür genügt es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz am 25. Februar 2021 die AfD-Bundespartei als Verdachtsfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG eingestuft hat.
36Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG kann der Kläger nur dann als unzuverlässig angesehen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er in den letzten fünf Jahren Mitglied vor dem maßgeblichen Erlaubniswiderruf in einer Vereinigung gewesen ist oder eine solche unterstützt hat, die ihrerseits in dieser Zeit nachweislich eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG genannten Bestrebungen verfolgt hat. Das Verfolgen von Bestrebungen im Sinne der Vorschrift muss für die zuständige Behörde und im Streitfall für das Gericht feststehen; es genügt nicht, dass lediglich Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Vereinigung solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat.
37Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris; OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris.
38Der einleitende Halbsatz in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, in dem das für den Rechtsanwender erforderliche Maß an Überzeugung von dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift näher bestimmt ist ("… bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren…"), bezieht sich hinsichtlich der Variante Buchstabe b allein auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung und hinsichtlich der Variante Buchstabe c allein auf die Unterstützungshandlung zugunsten einer Vereinigung, nicht jedoch auf die weitere tatbestandliche Voraussetzung, dass diese Vereinigung Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt oder verfolgt hat.
39Für dieses Verständnis der Vorschrift streitet bereits ihr Wortlaut. Zwar ist - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - der genannte Einleitungshalbsatz der Regelung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift unter den Unterpunkten Buchstabe a bis c von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG insgesamt vorangestellt.
40Vgl. VG Köln, Urteile vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 69, 84 ff., und vom 11. August 2022 - 20 K 2177/21 -, juris, Rn. 47 ff.; VG München, Beschluss vom 30. August 2023 - M 7 S 23.1519 -, juris, Rn. 32 ff., allerdings zweitinstanzlich aufgehoben bzw. abgeändert; VG Ansbach, Urteil vom 25. April 2019 - AN 16 K 17.01038 -, juris, Rn. 30, allerdings zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 gültigen Fassung.
41Das bedeutet jedoch nicht, dass der Einleitungshalbsatz sich auf sämtliche tatbestandlichen Merkmale bezieht, die in diesen Unterpunkten geregelt sind. Den unmittelbaren Bezugspunkt des Einleitungshalbsatzes bildet in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG dem Wortlaut nach allein das Merkmal der Mitgliedschaft in einer Vereinigung. Dieses ist als Voraussetzung des Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit mit den Worten "Mitglied in einer Vereinigung waren" geregelt, die direkt an den Einleitungshalbsatz anschließen. Dagegen knüpft der darauffolgende attributive Relativsatz ("…die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat…") weder an das Merkmal der Mitgliedschaft noch an den Einleitungshalbsatz an, sondern bezieht sich allein auf das vorangestellte Substantiv "Vereinigung".
42Vgl. zu den grammatischen und syntaktischen Zusammenhängen von Einleitungshalbsatz und der Regelung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a und b WaffG: Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris.
43An einer Formulierung, die darauf schließen ließe, dass der im Einleitungshalbsatz von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG mit den Worten "…bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen…" hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Mitgliedschaft vorgegebene Überzeugungsmaßstab des tatsachenbegründeten Verdachts auch für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat", zu gelten hat, fehlt es dem Wortlaut der Regelung.
44Vgl. Nitschke, NVwZ 2023, 2014, wonach sich ausweislich des Wortlauts von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG gerade keine doppelte Berücksichtigung des tatsachenbegründeten Verdachts ergebe.
45Es bedarf keiner Vertiefung, dass eine entsprechende Formulierung des Gesetzestextes unschwer möglich gewesen wäre.
46Entsprechendes gilt für § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c WaffG. Unmittelbarer Bezugspunkt des Einleitungshalbsatzes ist dem Wortlaut der Vorschrift nach allein die Unterstützungshandlung, die direkt im Anschluss an den Einleitungshalbsatz als Voraussetzung des Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit mit den Worten "die eine solche Vereinigung unterstützt haben" geregelt ist. Das Objekt dieser Unterstützungshandlung ergibt sich erst aus dem ‑ durch das Demonstrativpronomen "solche" gebildeten - Verweis auf Vereinigungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG. Das ist indes nur eine Vereinigung, die bestimmte Bestrebungen - welche wiederum durch den Verweis auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG näher konkretisiert werden - verfolgt oder verfolgt hat.
47Vgl. auch insoweit zu den grammatischen und syntaktischen Zusammenhängen von Einleitungshalbsatz und der Regelung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a und b WaffG: Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris.
48An einer Formulierung, die darauf schließen ließe, dass der im Einleitungshalbsatz in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG mit den Worten "…bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen…" hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Mitgliedschaft vorgegebene Überzeugungsmaßstab des tatsachenbegründeten Verdachts auch für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat", zu gelten hat, fehlt es - wie ausgeführt - dem Wortlaut der Regelung.
49Vgl. Nitschke, a. a. O., wonach sich ausweislich des Wortlauts von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG gerade keine doppelte Berücksichtigung des tatsachenbegründeten Verdachts ergebe.
50Wie ebenfalls ausgeführt, wäre eine entsprechende Gesetzesformulierung unschwer möglich gewesen.
51Spricht damit die am Wortlaut von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG orientierte Auslegung dafür, dass der einleitende Halbsatz allein auf die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG vorausgesetzte Mitgliedschaft bzw. auf die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c WaffG geforderte Unterstützungshandlung bezieht, nicht aber auf das Tatbestandsmerkmal einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als deren Objekt, findet sich dieses Normverständnis durch die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung bestätigt.
52Die vorliegend maßgebliche aktuelle Fassung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist mit Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 165) - 3. WaffRÄndG - zum 1. September 2020 eingeführt worden. Ziel dessen war die Schließung einer angenommenen Regelungslücke.
53Vgl. BT-Drucks. 19/15875, S. 36: "Die Änderung dient der Schließung einer Regelungslücke im geltenden Recht."
54Die bloße Mitgliedschaft in einem Verein oder in einer Partei führte und führt zur Verwirklichung des Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG in der seit dem 1. April 2003 bis heute unverändert geltenden Fassung vom 11. Oktober 2002 nur unter der Voraussetzung, dass der betreffende Verein nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt (Buchstabe a des § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG) bzw. das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Partei festgestellt hat (Buchstabe b des § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG). Die bloße Mitgliedschaft in einer zwar verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Vereinigung genügte und genügt hingegen für die Verwirklichung des Regeltatbestands waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nicht. Ebenso schied der Regeltatbestand waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach dem bisherigen - bis zum 29. Februar 2020 geltenden - § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der Fassung vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) ‑ WaffG 2017 - trotz Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Vereinigung aus, wenn nachweisliche Erkenntnisse zu den Aktivitäten des Betroffenen in dieser Vereinigung fehlten. Allein zur Schließung dieser angenommenen Regelungslücke sollte mit der Einführung des nunmehrigen § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auch der bloße tatsachenbegründete Verdacht der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung der Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit unterworfen werden.
55Vgl. BT-Drucks. 19/15875, S. 36; OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris.
56Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass damit der im Einleitungshalbsatz des nunmehrigen § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG vorgegebene Überzeugungsmaßstab eines tatsachenbegründeten Verdachts ("…wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen…") sich nicht nur auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, sondern auch auf die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung beziehen sollte, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien hingegen nicht. Vielmehr lag diesen ersichtlich ein Verständnis des neugefassten § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zugrunde, das das Feststehen der Verfassungsfeindlichkeit der betreffenden Vereinigung voraussetzt.
57In den Gesetzesmaterialien fehlt in Bezug auf das im neugefassten § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG vorgesehene Tatbestandsmerkmal der "Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat" jeglicher Hinweis darauf, dass hierfür das erforderliche Überzeugungsmaß des Rechtsanwenders niederschwelliger sein sollte. Vielmehr lassen der Wortlaut von Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 11. Dezember 2019 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines 3. WaffRÄndG - (im Folgenden: Beschlussempfehlung) ohne Weiteres darauf schließen, dass hinsichtlich der betreffenden Vereinigung für den Rechtsanwender feststehen muss, dass sie Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a Buchstabe aa bis cc WaffG verfolgt oder verfolgt hat.
58Vgl. OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris.
59Zwar enthält die Beschlussempfehlung an einer Stelle einen Hinweis darauf, dass für die Anwendung des neugefassten § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in bestimmter Hinsicht ein tatsachenbegründeter Verdacht ausreichen soll. So heißt es dort:
60"Auch zu ihrem Nachweis soll daher, wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen, ausreichend sein, dass Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen, d. h. schon der tatsachengegründete Verdacht ist versagungsbegründend (bereits risikovermeidender Ansatz)"
61Vgl. BT-Drucks. 19/15875, S. 36.
62Dieser Hinweis bezieht sich indes allein auf das Tatbestandsmerkmal der "Mitgliedschaft in einer Vereinigung".
63Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris; OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 - juris; Nitschke, a. a. O.
64Das ergibt sich schon daraus, dass der Satz mit dem betreffenden Hinweis unmittelbar an die im vorangegangenen Satz erörterte "mitgliedschaftliche Einbindung in die Vereinigung" anknüpft. Außerdem befindet sich der Satz mit dem betreffenden Hinweis in einem Absatz der Beschlussempfehlung, der sich ausschließlich zu dem tatbestandlichen Merkmal der Mitgliedschaft in einer Vereinigung verhält.
65Nichts Anderes ergibt sich daraus, dass der betreffende Hinweis in der Beschlussempfehlung auf den bisher für die Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen geltenden Überzeugungsmaßstab mit der Wendung "wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen" verweist. Damit wird ausschließlich darauf Bezug genommen, dass zur Verwirklichung des Regeltatbestands waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach dem bisherigen § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 2017 der tatsachenbegründete Verdacht genügte, dass der Betroffene - einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung - verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat. Das besagt nichts darüber, ob der mit der Neuregelung in Bezug auf die "mitgliedschaftliche Einbindung" ausreichende tatsachenbegründete Verdacht weitergehend auch in Bezug auf das Verfolgen verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch diese Vereinigung gelten soll(te).
66Hingegen ist der Beschlussempfehlung kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass auch für das tatbestandliche Merkmal einer verfassungsfeindlichen Vereinigung ("Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat") der Überzeugungsgrad eines tatsachenbegründeten Verdachts ausreichen soll(te).
67Darin wird das fragliche Tatbestandsmerkmal mit den Worten "einer verfassungsfeindlichen Vereinigung" und den Worten "die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung" umschrieben, ohne dass auf den dafür erforderlichen Überzeugungsmaßstab des Rechtsanwenders eingegangen wird.
68Vgl. BT-Drucks. 19/15875, S. 36.
69Ferner wird in der Beschlussempfehlung auch an anderer Stelle auf die neugefasste Regelung des nunmehrigen § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verwiesen und diese damit wiedergegeben, dass die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit künftig durch die bloße Mitgliedschaft in einer noch nicht verbotenen verfassungsfeindlichen Vereinigung begründet wird.
70Vgl. OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris, unter Verweis auf BT-Drucks. 19/15875, S. 4 und 24.
71Auch dort fehlt es jedoch an Ausführungen, die dahingehend verstanden werden könnten, dass hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit der betreffenden Vereinigung ein tatsachenbegründeter Verdacht ausreichen sollte.
72Ebenso wenig ist in der Beschlussempfehlung von einer lediglich von der Verfassungsschutzbehörde beobachteten oder als Verdachtsfall eingestuften Vereinigung die Rede.
73Vgl. OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris.
74Lässt sich mithin den Gesetzesmaterialien nichts dafür entnehmen, dass der im Einleitungshalbsatz von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG vorgegebene Überzeugungsmaßstab des tatsachenbegründeten Verdachts dem Wortlaut entsprechend nicht nur für die tatbestandliche Voraussetzung der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, sondern darüber hinaus weitergehend auch für das Tatbestandsmerkmal der Verfassungsfeindlichkeit dieser Vereinigung gelten sollte, wären für diesen Fall indes entsprechende Hinweise zu erwarten und erforderlich gewesen. Das gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass mit § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG das tatbestandliche Merkmal einer verfassungsfeindlichen Vereinigung, d. h. einer Vereinigung, die Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt oder verfolgt hat, erstmals als Voraussetzung des betreffenden Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit eingeführt worden ist und demzufolge hinsichtlich des erforderlichen Überzeugungsgrades des Rechtsanwenders von dem Vorliegen einer solchen Vereinigung nicht auf frühere gesetzliche Regelungen und zugehörige Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden kann. Zwar sind bereits mit der Einführung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 2017 die Anforderungen an die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit herabgesetzt worden, indem im Unterschied zur Vorgängerregelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 geltenden Fassung vom 26. März 2008 (BGB l. S. 426) - WaffG 2008 - künftig dafür bereits die auf Tatsachen beruhende Annahme für das Vorliegen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen ausreichen sollte.
75Vgl. BT-Drucks. 18/12397, S. 13.
76Das betraf jedoch allein die aktive individuelle Betätigung des Betroffenen als Einzelperson oder im Kollektiv,
77vgl. OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris,
78nicht jedoch die verfassungsfeindliche Betätigung einer Vereinigung oder deren Verfassungsfeindlichkeit. Weder die verfassungsfeindliche Betätigung einer Vereinigung noch deren Verfassungsfeindlichkeit waren tatbestandliche Voraussetzung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 2017.
79Für das aufgezeigte Verständnis von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, wonach das Vorliegen einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zur Überzeugung des Rechtsanwenders feststehen muss, spricht ferner, dass in der besagten Beschlussempfehlung als einziges Beispiel für Parteien, die unter den neugefassten § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG fallen, nur solche benannt sind, von deren Verfassungsfeindlichkeit ohne weiteres auszugehen ist. Aufgeführt finden sich insofern nämlich nur Parteien, "bei denen das Bundesverfassungsgericht im Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG festgestellt hat, dass sie auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung abzielende Bestrebungen verfolgen, deren Verbot mangels Anhaltspunkten, die die Zielerreichung zumindest möglich erscheinen lassen, jedoch nicht ausgesprochen wurde".
80Vgl. OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris, unter Verweis auf BT-Drucks. 19/15875, S. 36.
81Dabei muss vorliegend nicht entschieden werden, ob dieser Hinweis darauf hindeutet, dass entsprechende Feststellungen mit Rücksicht auf die durch Art. 21 Abs. 2 und 4 GG geschützte Mitgliedschaft in einer politischen Partei allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten sein sollten. Jedenfalls ergibt sich aus ihm ein gewichtiger Anhalt dafür, dass das Maß der erforderlichen Überzeugung des Rechtsanwenders von der Verfassungsfeindlichkeit der betreffenden Vereinigung in keiner Weise herabgesetzt werden sollte. Das gilt erst recht, weil auch an dieser Stelle der Beschlussempfehlung von einem niedrigeren Überzeugungsmaßstab im Sinne eines tatsachenbegründeten Verdachts keine Rede ist.
82Dieses Ergebnis findet sich ferner in dem weiteren Hinweis bestätigt, den die Beschlussempfehlung zu möglichen Erkenntnisgrundlagen für die von der zuständigen Waffenbehörde vorzunehmende Beurteilung enthält, ob der neugefasste Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG im Hinblick auf die Mitgliedschaft des Betroffenen in einem Verein im Sinne des Vereinsgesetzes erfüllt ist. Jedenfalls an dieser Stelle hätte, so denn dies nach der Neuregelung hätte der Fall sein sollen, Veranlassung für einen Hinweis darauf bestanden, dass es lediglich der Feststellung von Tatsachen bedürfte, die die Annahme rechtfertigten, der Verein verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen oder habe solche verfolgt. Davon ist hier jedoch ebenfalls keine Rede, obwohl hinsichtlich des tatbestandlichen Merkmals der Mitgliedschaft in einer Vereinigung in der Beschlussempfehlung - wie ausgeführt - deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass insofern ein "bereits risikovermeidender Ansatz" gilt und deshalb "schon der tatsachengegründete Verdacht" der Mitgliedschaft ausreicht. Stattdessen wird in der Beschlussempfehlung zu der Verfassungsfeindlichkeit eines Vereins darauf hingewiesen, dass die zuständige Behörde bei "der Beurteilung der Frage, ob ein (noch) nicht nach dem Vereinsgesetz verbotener oder mit einem Betätigungsverbot belegter Verein verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nummer 3 verfolgt", die Einschätzung der Fachbehörden (Verfassungsschutzämter) einholen kann. Als erforderlich wird damit gerade nicht lediglich die Beurteilung bzw. die Feststellung dargestellt, ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigten, der Verein verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen oder habe solche verfolgt. Vielmehr wird ohne jedwede Einschränkung hinsichtlich des für den Rechtsanwender erforderlichen Überzeugungsgrades aufgezeigt, dass die zuständige Waffenbehörde zu beurteilen bzw. festzustellen hat, ob der Verein verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne der Vorschrift verfolgt. Ersichtlich wird hier davon ausgegangen, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht in dieser Hinsicht gerade nicht genügt.
83Sprechen nach alledem sowohl der Wortlaut als auch die Gesetzeshistorie dafür, dass zur Verwirklichung des Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG die tatbestandliche Voraussetzung einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zur Überzeugung des Rechtsanwenders feststehen muss, stehen diesem Verständnis auch gesetzessystematische Gesichtspunkte nicht entgegen. Der alleinige Bezug der Nachweiserleichterung auf die Mitgliedschaft im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG bzw. auf die Unterstützungshandlung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c WaffG führt zu keinem Wertungswiderspruch innerhalb von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Insbesondere legt das aufgezeigte Normverständnis hinsichtlich der Verfolgung der in der Vorschrift aufgeführten Bestrebungen keine unterschiedlichen Maßstäbe an, je nachdem ob diese einzeln oder innerhalb einer Vereinigung verfolgt werden. Vielmehr wird sichergestellt, dass das eigene Verhalten des Betroffenen (Verfolgung eigener Bestrebungen, Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlung) diesem nicht im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen werden muss, eine Zurechnung verfassungsfeindlichen Verhaltens Dritter jedoch nur erfolgt, wenn dieses feststeht.
84Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris; OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 - juris.
85Auch mit dem übrigen Gefüge der Regelungen in § 5 WaffG steht das dargelegte Normverständnis von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG im Einklang.
86Ebenso ist es sowohl mit Sinn und Zweck dieser neugefassten Regelung als auch mit dem Sinn und Zweck des Waffengesetzes insgesamt vereinbar. Mit der Einführung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG mit dem 3. WaffRÄndG sollte der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren, die mit dem Umgang mit Waffen und Munition verbunden sind, erhöht werden, indem - wie aufgezeigt - eine angenommene Regelungslücke geschlossen werden sollte. Dem wird der neugefasste § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in dem aufgezeigten Verständnis gerecht. Daran ändert es nichts, dass demgegenüber eine Nachweiserleichterung auch hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung in diesem Zusammenhang noch größeren Schutz vor den Gefahren des Umgangs mit Waffen und Munition bieten könnte. Hinzu tritt, dass die am Sinn und Zweck einer Vorschrift orientierte Auslegung durch deren Wortlaut und Systematik begrenzt wird, die - wie ausgeführt - zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung erwiesenermaßen vorliegen muss.
87Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris; OVG S.‑A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 - juris.
88In Anbetracht dessen gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes nichts Anderes, dass der Zweck des Waffengesetzes insgesamt ist, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Auch dem wird das aufgezeigte Verständnis von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nach dem Vorstehenden ohne weiteres gerecht.
89Nach alledem kann im Weiteren dahinstehen, ob das dargelegte Normverständnis zudem dadurch gestützt wird, dass als Vereinigungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b und c WaffG auch politische Parteien in Betracht kommen könnten, über deren Verfassungswidrigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG oder deren Ausschluss von staatlicher Finanzierung wegen Verfassungsfeindlichkeit nach Art. 21 Abs. 3 GG das Bundesverfassungsgericht (noch) nicht entschieden hat.
90Vgl. so aber Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 ‑ 24 CS 23.1695 -, juris.
91Setzt nach dem Vorstehenden die Verwirklichung des Regeltatbestandes waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG neben einem tatsachenbegründeten Verdacht der Mitgliedschaft des Betroffenen in einer Vereinigung oder der Unterstützungshandlung des Betroffenen für eine Vereinigung voraus, dass diese Vereinigung erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Bestrebungen, d. h. solche im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG, verfolgt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt hat, lässt darauf die Einstufung der AfD-Bundespartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall nicht mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit schließen.
92Bei einer solchen Einstufung handelt es sich um die vom Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt gegebene Einordnung, mit der das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c, Satz 5 BVerfSchG beschrieben wird. Bestrebungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG erfordern als "politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen" ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives oder illegales Vorgehen zur Realisierung eines bestimmten Ziels. Die Aktivitäten müssen über eine bloße Meinungsäußerung hinausgehen, auf die Durchsetzung eines politischen Ziels ausgerichtet sein und dabei auf die Beeinträchtigung eines der Elemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung abzielen.
93Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2024 ‑ 5 A 1218/22 -, juris, m. w. N.
94Liegen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vor, besteht ein Verdacht solcher Bestrebungen. Das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 5 BVerfSchG ist die zentrale befugnisrechtliche Kategorie des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die das Bundesamt für Verfassungsschutz zur nachrichtendienstlichen Sammlung und Auswertung von Informationen nach Maßgabe der §§ 8 ff. BVerfSchG berechtigt. Dazu gehört insbesondere die aus § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG abgeleitete Befugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz den Betroffenen wegen des Verdachts gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteter Bestrebungen zu beobachten.
95Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2024 ‑ 5 A 1218/22 -, juris, m. w. N.
96Das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 5 BVerfSchG setzt indes nicht voraus, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen tatsächlich bestehen, und verlangt auch keine Gefahrenlage im Sinne des Polizeirechts. Allerdings sind bloße Vermutungen, Spekulationen oder Hypothesen, die sich nicht auf beobachtbare Fakten stützen können, unzureichend. Die Anhaltspunkte müssen vielmehr in Form konkreter und hinreichend verdichteter Umstände als Tatsachenbasis geeignet sein, den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu begründen. Liegen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vor, besteht ein Verdacht solcher Bestrebungen. Die dann einsetzende Beobachtung dient der Klärung dieses Verdachts.
97Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2024 ‑ 5 A 1218/22 -, juris, m. w. N.
98Dagegen erfordert die Einstufung eines Personenzusammenschlusses als gesichert rechtsextrem und damit verfassungsfeindlich auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 5, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG, dass sich die Verdachtsmomente zur Gewissheit verdichtet haben. Tatsächliche Anhaltspunkte, die einen Verdachtsfall auslösen, reichen also nicht aus. Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen sich vielmehr dergestalt verdichtet haben, dass die Überzeugung besteht, dass es sich tatsächlich um extremistische Bestrebungen handelt.
99Vgl. VG Köln, Urteile vom 8. März 2022 - 13 K 326/21 -, juris, und - 13 K 207/20 ‑, juris.
100Lässt die vom Bundesamt für Verfassungsschutz am 25. Februar 2021 vorgenommenen Einstufung der AfD-Bundespartei als Verdachtsfall mithin allenfalls auf tatsächliche Anhaltspunkte schließen, dass diese Partei Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verfolgt, gilt Entsprechendes im Hinblick darauf, ob diese Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt. Die verfassungsschutzrechtliche Einstufung der AfD-Bundespartei als Verdachtsfall lässt daher ebenso wenig mit der ‑ wie ausgeführt - für eine Verwirklichung des Regeltatbestands waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG erforderlichen Überzeugungsgewissheit darauf schließen, dass diese Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG tatsächlich verfolgt oder verfolgt hat.
101Mit Blick auf das Vorstehende kann im Übrigen dahingestellt bleiben, ob sich aus der Einstufung der AfD-Bundespartei als verfassungsschutzrechtlicher Verdachtsfall mangels dafür erforderlicher Feststellungen hinsichtlich einer kämpferisch-aggressiven Haltung der Partei schon keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG ergeben können.
102Vgl. so aber Thür. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/23 -, juris.
103Anderweitige Erkenntnisse, die mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit darauf schließen lassen, dass die AfD-Bundespartei oder aber ihr Landesverband Nordrhein-Westfalen verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt oder verfolgt hat, sind weder dargetan noch sonst mit für das vorliegende Verfahren hinreichender Sicherheit ersichtlich.
104Der Beklagte ist insgesamt nähere Feststellungen dazu ebenso schuldig geblieben wie entsprechende Darlegungen. Unabhängig davon, ob sich daraus überhaupt Folgerungen für den hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs ergeben könnten, ist jedenfalls auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz inzwischen die AfD-Bundespartei als gesichert oder erwiesen (rechts‑)extrem bzw. (rechts‑)extremistisch eingestuft hat.
105Nicht weiter führt es in dieser Hinsicht, dass die Landesverbände der AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von den dortigen Landesverfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch und damit als verfassungsfeindlich eingestuft worden sind.
106Vgl. Staatsministerium des Inneren des Freistaats Sachsen, Sächsischer Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023, S. 52, abrufbar unter www.verfassungsschutz.sachsen.de; Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt, Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2023, S. 30, 33, abrufbar unter https://mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz/ verfassungsschutzberichte-zum-downloaden/; Ministerium für Inneres und Kommunales des Freistaats Thüringen, Verfassungsschutzbericht 2023 Freistaat Thüringen, abrufbar unter https://innen-thueringen.de.
107Diese Einstufungen beziehen sich ausschließlich auf die genannten Landesverbände der AfD. Deren Mitglied ist der Kläger jedoch nicht. Er ist allein Mitglied des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der AfD und damit - wie ausgeführt - zugleich Mitglied der AfD-Bundespartei. Die jeweiligen Einstufungen der Landesverbände der AfD durch die zuständigen Landesverfassungsschutzämter können weder der AfD-Bundespartei noch dem Landesverband Nordrhein-Westfalen der AfD ohne weiteres zugerechnet werden. Wie ausgeführt, ist die AfD-Bundespartei bislang vom Bundesamt für Verfassungsschutz lediglich als Verdachtsfall eingestuft worden. Hinsichtlich des AfD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen ist dies bislang nicht der Fall. Im aktuellen nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht wird allein von rechtsextremistischen Zusammenschlüssen in und für die AfD berichtet, ohne den AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen als solchen entsprechend einzuordnen.
108Vgl. Ministerium des Innern für das Land Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2024, S. 98 ff., abrufbar unter www.im.nrw.de.
109Der Beklagte hat ebenso wenig andere tragfähige Erkenntnisse dargetan, die mit der - wie ausgeführt - erforderlichen Gewissheit den Schluss darauf zulassen, dass die AfD-Bundespartei oder ihr Landesverband Nordrhein-Westfalen Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG verfolgt oder in den letzten fünf Jahren vor dem hier verfügten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers verfolgt hat. In dieser Hinsicht sind auch keine anderweitigen tragfähigen Tatsachen bekannt.
110Hat der Kläger nach dem Vorstehenden im maßgeblichen Zeitpunkt des verfügten Erlaubniswiderrufs den Regeltatbestand waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b oder c WaffG schon nicht verwirklicht, ist auch im Übrigen nichts dargetan oder sonst ersichtlich, was seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit infrage stellt.
111Ist der verfügte Erlaubniswiderruf nach alledem rechtswidrig und verletzt er den Kläger in seinen Rechten, gilt nichts Anderes, wenn diese Maßnahme gemäß § 47 VwVfG NRW in eine Erlaubnisrücknahme nach § 45 Abs. 1 WaffG umgedeutet wird. Nach dieser Vorschrift ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass sie hätte versagt werden müssen. Die Voraussetzungen für eine solche Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers liegen ebenfalls nicht vor. Als Versagungsgrund kommt ernsthaft allein in Betracht, dass der Kläger über die erforderliche Zuverlässigkeit nicht verfügte. Wie ausgeführt, ist weder etwas Tragfähiges dafür dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Zeitpunkt des verfügten Erlaubniswiderrufs über die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) verfügte. Gleiches gilt im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlaubniserteilung.
112Aus der Rechtswidrigkeit von Erlaubniswiderruf bzw. -rücknahme folgt ohne weiteres, dass auch die die daran anknüpfenden Folgeanordnungen, näher bezeichnete Waffen und Munition nachweislich einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen (Nr. II des Bescheides) sowie die Erlaubnisdokumente zurückzugeben (Nr. II des Bescheides), rechtswidrig sind. Auch diese verletzen den Kläger in seinen Rechten. Vor diesem Hintergrund können neben der bereits vom Verwaltungsgericht aufgehobenen Zwangsgeldandrohung (Nr. III des Bescheides) auch die im Bescheid getroffene Feststellung der Kostenpflicht und die Gebührenfestsetzung zulasten des Klägers (Nr. V des Bescheides) keinen Bestand haben.
113Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
114Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
115Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 bis 3 GKG.