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Eine Unterbrechung der Arbeitszeit innerhalb eines Tages durch Dienstreisen i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AZV Fassung 2014 liegt nur vor, wenn ein quantitativ und qualitativ ausreichend großer Teil der Arbeitsleistung eines Tages vor und nach der Dienstreise erbracht wird.
Fahrzeiten, die bei Bundesbetriebsprüfern außerhalb ihrer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit für Fahrten von ihrer Wohnung zu dem zu prüfenden Unternehmen oder zurück sowie für „Hotelfahrten“ anfallen, sind keine Arbeitszeit i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG. Die Bundesbetriebsprüfer stehen ihrem Arbeitgeber insoweit nicht zur Verfügung.
Das angefochtene Urteil wird geändert, soweit mit ihm der Klage stattgegeben worden ist.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden unter Einbeziehung der teilweise bereits rechtskräftigen, den Freizeitausgleich für Fahrten des Klägers zwischen der Wohnung und Tagungsorten im Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 betreffenden Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts die Kosten des Verfahrens beider Instanzen auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des Betrages, der aufgrund des Urteils vollstreckbar ist, abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Freizeitausgleich für nicht bzw. nicht vollständig als Arbeitszeit anerkannte Fahrzeiten des Klägers im Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 30. Juni 2016.
2Der Kläger steht als Bundesbeamter im Amt eines Steueroberamtsrats im Dienst der Beklagten und ist für diese seit dem 1. August 2005 als Bundesbetriebsprüfer tätig. In dem genannten Zeitraum war er in der Bundesbetriebsprüfung für das in L. ansässige Bundeszentralamt für Steuern (im Folgenden: BZSt) als Prüfungskraft des gehobenen Dienstes im Außendienst tätig und wurde im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung im Referat Bp II 6 grundsätzlich bundesweit, aber tatsächlich überwiegend im Hamburger Raum eingesetzt, wo er auch wohnt (Z. im Kreis M.). Bundesbetriebsprüfer wirken an Betriebsprüfungen aller Landesfinanzverwaltungen mit. Während der Prüfungen üben sie ihre Tätigkeit überwiegend in den Räumen des jeweils zu prüfenden Unternehmens aus.
3Das BZSt gibt ihnen hinsichtlich der Prüfungstätigkeit lediglich vor, an welchen Prüfungen sie mitzuwirken haben. Dies legt die zuständige Referatsleitung rollierend mit einem regelmäßig mehrmonatigen Vorlauf, nämlich halbjährlich, aber niemals taggenau fest, wobei Änderungen aufgrund von nachgemeldeten oder nachzumeldenden Prüfungen im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Abteilungsleitung des BZSt vorkommen können. Die Festlegung erfolgt u. a. unter Berücksichtigung der Prüfungsgeschäftspläne der Landesfinanzverwaltungen, der laufenden Prüfungen, der Arbeitsauslastung der referatsangehörigen Bundesbetriebsprüfer und besonderer Umstände (z. B. Anforderungen der Landesfinanzverwaltungen, Rotationsvorgaben aus Gründen der Korruptionsbekämpfung).
4Im Rahmen dieser Vorgaben der Referatsleitung entscheiden die Prüfer selbst, welches Unternehmen sie in welcher Woche bzw. an welchem Tag prüfen, und stimmen die Termine mit den Kollegen der Landesfinanzverwaltung ab. Sie bestimmen den jeweiligen Prüfungsablauf auch in zeitlicher Hinsicht und sprechen sich, wenn sie im Rahmen einer mit den Kollegen der Landesfinanzverwaltung begonnenen Prüfung einzelne Prüffelder eigenständig übernehmen, terminlich auch mit den Unternehmen ab. Die Planung der Dienstreisen im Rahmen der Betriebsprüfung einschließlich deren zeitlicher Lage obliegt ihnen eigenverantwortlich. Bei der Wahl der Verkehrsmittel sind die – nicht mit einem Dienstfahrzeug ausgestatteten – Prüfer frei, wobei sie gewöhnlich von ihrer Wohnung direkt zu dem zu prüfenden Unternehmen und nach Arbeitsende von dort wieder zurück zu ihrer Wohnung fahren. Erforderlichenfalls können sie am Prüfungsort in einem Hotel übernachten, das sie grundsätzlich frei wählen können. Zur Durchführung der Prüfungen sind sie insbesondere mit einem Dienstlaptop und einem Diensthandy ausgestattet, mit denen sie ihre Mitwirkung koordinieren können und auch für ihre Referatsleitung erreichbar sind. Ferner erhalten sie einen Trolley.
5Neben den Betriebsprüfungen fallen als dienstliche Tätigkeiten in geringem Umfang die Teilnahme an Referatsbesprechungen in L. sowie an Fortbildungsveranstaltungen an unterschiedlichen Orten an.
6Die geleisteten Arbeitszeiten werden auf der Grundlage der am 10. Februar 2014 in Kraft getretenen Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit zwischen dem BZSt und dem Personalrat beim BZSt (Gleitzeit-DV BZSt) vom 30. Januar 2014 berechnet. Für die Anrechnung von Reisezeiten gilt deren § 8 Abs. 8. Danach werden Reisezeiten grundsätzlich nur insoweit als Arbeitszeit angerechnet, als sie innerhalb der Regelarbeitszeit anfallen. Außerhalb der Regelarbeitszeit liegende Reisezeiten werden nur in einem eingeschränkten Umfang als Arbeitszeiten anerkannt. Die angefallenen Arbeits- und Reisezeiten trugen die Prüfer während der hier betroffenen Jahre (2012 bis 2016) monatlich in Excel-Gleitzeittabellen eines Zeiterfassungsprogramms der Beklagten ein. Der zuständige Referatsleiter zeichnete die monatlichen Meldungen gegen.
7Mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 beantragte der Kläger bei dem BZSt, ihm Fahrzeiten auf seinem Gleitzeitkonto gutzuschreiben, die außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallen, bisher aber nicht (voll) angerechnet worden seien. Nicht berücksichtigt worden seien mit Stand vom 1. Dezember 2015 Fahrzeiten (für Fahrten zwischen Wohn- und Dienstort) i. H. v. 220,60 Stunden sowie Fahrzeiten für Fahrten zwischen Hotel und Dienstort i. H. v. 52,25 Stunden. Weitere 8,32 Stunden Fahrzeit seien nur zu 25 Prozent angerechnet worden. Zur Begründung berief er sich auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden im Fließtext: Gerichtshof) vom 10. September 2015 – C-266/14 –. Danach sei die Fahrzeit von Arbeitnehmern ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, die diese Arbeitnehmer für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwendeten, Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG), weil sie das notwendige Mittel seien, um die eigentliche Tätigkeit auszuüben, und weil der Arbeitnehmer insoweit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe. Diese Erwägungen seien auf die geltend gemachten Fahrzeiten zu Prüfungszwecken übertragbar. Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Juli 2016 bezifferte der Kläger die anzuerkennende „Mehrarbeit“ auf insgesamt 342,53 Stunden. Zum Beleg legte er eine den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich Juni 2016 betreffende, allerdings im Februar 2014 abbrechende und erst im Mai 2014 wiedereinsetzende Aufstellung vor.
8Mit Bescheid vom 14. Juli 2016 lehnte das BZSt den Antrag ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass Reisezeiten nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV keine Arbeitszeiten seien. Innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit anfallende Reisezeiten würden in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 1 Satz 4 AZV als Arbeitszeit berücksichtigt. Für nicht anrechenbare Reisezeiten werde nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AZV ein Freizeitausgleich gewährt. Die hausinternen Bestimmungen zu der Ermittlung der Arbeitszeiten bzw. der Berücksichtigung von Reisezeiten auch innerhalb der Bundesbetriebsprüfung entsprächen diesen Vorgaben. Das Bundesministerium des Innern (BMI) vertrete die Auffassung, dass Anrechnungen über § 11 AZV hinaus nicht möglich seien, und zwar auch nicht in Ansehung des klägerseits angeführten Urteils des Gerichtshofs, das nur für den Einzelfall gelte.
9Hiergegen erhob der Kläger am 26. Juli 2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 der Rahmendienstvereinbarung vom 9. November 2006 und Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG aus, dass alle Zeiten von 6 Uhr bis 19:30 Uhr, die er als Prüfer in den Geschäftsräumen der zu prüfenden Unternehmen verbringe, sowie die mit ihnen untrennbar verbundenen Fahrzeiten als Arbeitszeit anzurechnen seien.
10Mit Bescheid vom 17. Juli 2017 wies das BZSt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es über die Argumentation im Ablehnungsbescheid hinausgehend aus: Die Widerspruchbegründung verkenne, dass erforderliche Arbeitszeiten in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen, die außerhalb der Regelarbeitszeit lägen, in Anwendung des § 8 Abs. 6 Gleitzeit-DV BZSt stets anerkannt worden seien. Die von § 11 AZV vorgesehene grundsätzliche Nichtanerkennung von außerhalb der Regelarbeitszeit gelegenen Reisezeiten als Arbeitszeit entspreche den europarechtlichen Vorgaben. Diese Zeiten seien keine Arbeitszeit i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG. Der Kläger bestimme als Bundesbetriebsprüfer die Planung, die Durchführung und den Ablauf der Prüfungen nämlich in der Regel selbst, verfüge daher weitgehend frei über seine Zeit und unterliege in dieser Zeit in der Regel nicht dem Direktionsrecht seines Dienstherrn. Das stehe einer Kompletterfassung der Reisezeit als Arbeitszeit entgegen. Das herangezogene Urteil des Gerichtshofs sei hier nicht einschlägig, weil ihm ein mit dem hiesigen Sachverhalt nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liege. Die von diesem Urteil betroffenen Arbeitnehmer hätten anders als der Kläger einen Dienstwagen erhalten und seien an die per Mobiltelefon erfolgten Vorgaben ihres Arbeitgebers zu ihrer Fahrtroute, zu den Eintreffzeitpunkten bei den Kunden, zu einer Änderung der Reihenfolge der Kundentermine und zu deren Absage gebunden gewesen. Die ferner geltend gemachten Reisezeiten für Wege zwischen Hotel und Unternehmen (88 Stunden) könnten anerkannt werden, sofern sie innerhalb der Regelarbeitszeit angefallen sein sollten. Ob und in welchem Umfang dies der Fall sei, könne anhand der vorgelegten Aufzeichnungen aber nicht nachvollzogen und geprüft werden.
11Hiergegen hat der Kläger am 11. August 2017 Klage erhoben. Zu Begründung hat er eine nun vollständige Aufstellung über die geltend gemachten Zeiten vorgelegt und ergänzend vorgetragen: Das Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 – betreffe einen vergleichbaren Sachverhalt. Die Referatsleitung schreibe ihm die zu prüfenden Unternehmen „und die damit zur Tätigkeit gehörenden Fahrten“ verbindlich vor. Auch die Prüfgebiete würden vorbehaltlich der Genehmigung der Referatsleitung festgelegt. Dies belege der beigefügte Aktenvermerk vom 11. Oktober 2017. Ferner seien sein Wohnort bzw. sein Privatfahrzeug (reisekostenrechtlich) als Dienstort bzw. als Dienstwagen anerkannt worden. Seine Arbeitszeit beginne nach § 4 Abs. 4 Gleitzeit-DV BZSt und § 11 Abs. 1 AZV zu dem Zeitpunkt, zu dem er in seinem Büro „am Dienstort/Wohnort“ die Arbeitsunterlagen und das von der Beklagten gestellte Equipment zusammenstelle und dann zu seiner Dienstreise zum jeweiligen Prüfungsort aufbreche. Die Rüge, seine Aufzeichnungen seien nicht nachvollziehbar, greife nicht durch. Diese seien mit dem von der Beklagten zu verantwortenden Zeiterfassungssystem erstellt und richtig. Das habe die Beklagte, wie deren E-Mail an ihn vom 18. Dezember 2015 zeige, bisher auch nicht bestritten.
12Der Kläger hat beantragt,
13die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2017 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 30. Juni 2016 einen Freizeitausgleich im Umfang von 401,56 Stunden zu gewähren.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung hat sie über die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hinausgehend vorgetragen: Für die Anrechnung von Arbeitszeiten sei die Rahmendienstvereinbarung unerheblich. Maßgeblich seien – neben den hier einschlägigen gesetzlichen Regelungen und der Arbeitszeitverordnung – allein die auf deren Grundlage geschlossene Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit und die Rahmenintegrationsvereinbarung. Die einschlägigen Regelungen des § 11 AZV bedürften auch im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs keiner Änderung. Dessen Urteil vom 10. September 2015 sei hier nicht relevant, weil die Sachverhalte nicht ansatzweise vergleichbar seien. Vor dem Wegfall der Regionalniederlassungen habe die Arbeitszeit der durch dieses Urteil betroffenen Arbeitnehmer bei ihrem Eintreffen in der Niederlassung begonnen und nach Durchführung der Fahrten mit einem Werkstattwagen mit ihrer Rückkehr in die Regionalniederlassung geendet. Nach dem Wegfall der Regionalniederlassungen hätten diese Arbeitnehmer hingegen einen Werkstattwagen erhalten, mit dem sie die Kundentermine ausgehend von ihrer Wohnung in der – die Fahrtroute bestimmenden – Reihenfolge wahrgenommen hätten, die ihnen am Vortag telefonisch vorgegeben worden sei, wobei es auch möglich gewesen sei, die Reihenfolge am Tage selbst abzuändern. Dabei seien die Zeiten der Fahrten zum ersten und vom letzten Kunden nicht als Arbeitszeit angerechnet worden. Dies habe der Gerichtshof beanstandet, weil die Arbeitnehmer bezüglich dieser konkreten Fahrten bzw. Fahrzeiten vollständig dem Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterlegen hätten und dieser die nicht anzurechnenden Arbeitszeiten durch die Einsatzplanung selbst habe steuern können. Solche verbindlichen Weisungen zur Reihenfolge der Einsatzstellen und zur zeitlichen Lage würden dem Kläger hingegen nicht erteilt; er sei vielmehr in seiner Zeiteinteilung weitestgehend frei und unterliege dem Direktionsrecht insoweit gerade nicht. Zudem hätten die Arbeitnehmer zwingend mit dem dienstlichen Werkstattwagen von der Wohnung zu der vorgegebenen ersten Einsatzstelle fahren müssen, während der Kläger in der Wahl des Verkehrsmittels frei sei und die Fahrzeit zu dem zu prüfenden Unternehmen durch Wahl eines ihm im bestehenden Rahmen finanzierten Hotels minimieren könne. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 2009 (5 AZR 292/08) ermögliche keine abweichende Bewertung, weil ihm ein dem Urteil des Gerichtshofs entsprechender Sachverhalt zugrunde liege. Ebenfalls nicht weiter führten die von dem Kläger außerdem zitierten (alle in juris verfügbaren) Gerichtsentscheidungen des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 16. Dezember 2014– VIII R 52/12 –), des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 11. März 2008 – 5 ME 346/07 –), des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 2008 – 14 B 06.1279 –), des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 23. Februar 2010 – M 21 K 08.4704 –) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18. November 2005 – 10A 10727/05 –), da sie sämtlich nicht einschlägig seien. Nicht zielführend sei auch der Verweis des Klägers auf die Anerkennung seines Wohnortes als Dienstort. Diese Anerkennung sei nämlich nach ausdrücklicher Erlasslage nur im reisekostenrechtlichen Sinne erfolgt und habe daher den dienstlichen Wohnsitz des Klägers, der sich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BBesG in L. befinde, nicht nach § 15 Abs. 2 BBesG abweichend bestimmt. Der von dem Kläger vorgelegte Aktenvermerk bestätige gerade den Vortrag der Beklagten, dass die Referatsleitung dem Kläger über die bloße Bekanntgabe der zu prüfenden Unternehmen hinaus keine Vorgaben mache. Der Vermerk diene nämlich erkennbar nur der Festlegung und Zuordnung eines Prüfungsgebietes oder mehrerer Prüfungsgebiete zu einem Betriebsprüfer und enthalte keine weitergehenden Angaben, wie etwa zu einzelnen Prüfungsterminen oder zu festen Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Der Kläger stehe auch nicht deshalb schon vor der Abfahrt von seiner Wohnung zum Dienst zur Verfügung, weil er vor dieser Abfahrt die Arbeitsunterlagen und das Equipment zusammenstelle. Diese Art der Vorbereitung sei weder vorgegeben noch alternativlos. Es sei ihm nämlich überlassen, die Zusammenstellung bereits am Vortag vor Arbeitsende vorzunehmen. Auch die Anerkennung eines erheblichen dienstlichen Interesses am Einsatz eines privaten Kraftwagens stütze die Ansicht des Klägers nicht, weil sie nur reisekostenrechtlich von Bedeutung sei, die Beklagte keinerlei Kosten des Fahrzeugs trage und der Kläger in der Wahl des Verkehrsmittels frei sei. Mit der E-Mail vom 18. Dezember 2015 habe die Beklagte nur auf die Verjährungseinrede verzichtet, aber nicht, wie der Kläger meine, die behaupteten Fahrzeiten (der Höhe nach) unstreitig gestellt. Die von dem Kläger summenmäßig in einer Excel-Datei und nicht etwa in einem – noch nicht vorhandenen – automatisierten Erfassungssystem festgehaltenen Zeiten ließen nicht ansatzweise erkennen, um welchen Sachverhalt es sich jeweils handele.
17Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 30. Juni 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt: Die Klage sei teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide seien (teilweise) rechtswidrig. Der Kläger habe einen (hinsichtlich der Höhe noch zu bescheidenden) Anspruch auf Bewilligung weiteren Freizeitausgleichs für bislang nicht als Arbeitszeit anerkannte Reisezeiten (nur) im tenorierten zeitlichen Umfang. Dieser Anspruch ergebe sich zwar nicht aus § 88 Satz 1 BBG, da keine Mehrarbeit angeordnet oder genehmigt worden sei. Er folge aber aus dem auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch, nach dem rechtswidrig abgeforderte Zuvielarbeit ab dem auf die erstmalige Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Heranziehung folgenden Monat auszugleichen sei.
18Ein Anspruch auf Freizeitausgleich für vor dem 1. Januar 2016 geleistete rechtswidrige Zuvielarbeit scheide aus, weil der Kläger diese erst unter dem 1. Dezember 2015 gerügt habe. Für den verbleibenden Streitzeitraum (1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016) bestehe der behauptete Anspruch (dem Grunde nach) zunächst insoweit, als Reisezeiten für Fahrten zu den zu prüfenden Unternehmen angefallen, aber nicht als Arbeitszeit anerkannt worden seien. Diese Reisezeiten seien „Arbeitszeit“ i. S. d. Art 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG vom 4. November 2003. Die dem Kläger zugewiesene Prüfungstätigkeit am Ort des jeweils zu prüfenden auswärtigen Unternehmens setze nämlich zwingend dessen Aufsuchen voraus, mit dem daher eine dienstliche Aufgabe erfüllt werde. Die Kammer sehe anders als die Beklagte keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Fall des Klägers und dem Fall, der dem Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 – zugrunde liege. Zwar erteile die Dienststelle dem Kläger während der Fahrten keine Anweisungen und könne dieser bestimmte Modalitäten seiner Fahrten selbst bestimmen. Er müsse aber der Anweisung der Beklagten folgen, die benannten Unternehmen aufzusuchen. Auf den dazu unverzichtbar erforderlichen und keiner Abkürzung zugänglichen Fahrten könne er nicht über seine Zeit verfügen und seinen eigenen Interessen nachgehen und stehe (daher) seinem Arbeitgeber zur Verfügung. Unerheblich sei, dass die Tätigkeit des Fahrens möglicherweise weniger belastend sei als die Wahrnehmung seiner eigentlichen Arbeitsaufgaben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehöre die Intensität der von dem Arbeitnehmer geleisteten Arbeit oder dessen Leistung nicht zu den wesentlichen Merkmalen des Begriffs der Arbeitszeit. Der Einstufung der Fahrzeiten als Arbeitszeiten stehe die Anordnung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV nicht entgegen. Die mit dieser Vorschrift erfolgte Bestimmung der Arbeitszeit, nach derReisezeiten keine Arbeitszeit sind, decke sich nämlich nicht mit dem Begriff der Arbeitszeit nach der vorrangig anzuwendenden unionsrechtlichen Regelung des Art. 2 Abs. 1 RL 2003/88/EG. § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV könne entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht als Bestimmung (auch) des Umfangs der Anrechnung von Reisezeiten als Arbeitszeiten verstanden werden. Zwar stehe das Unionsrecht nicht einer gesonderten mitgliedsstaatlichen Regelung entgegen, die die Vergütung bestimmter Zeiten, die Arbeitszeit i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG seien, ausschließe, und es müsse auch nicht jeder Dienst unabhängig von der Intensität der Inanspruchnahme in voller Höhe als Arbeitszeit anerkannt werden, solange nicht die unionsrechtlich zulässige Arbeitszeit von 48 Wochenstunden überschritten werde. Dem Verständnis der Beklagten stehe aber schon der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV entgegen. Schließe dieser nämlich eine Bewertung von Reisezeiten als Arbeitszeit aus, könne er nicht zugleich den Umfang einer Anrechnung von Reisezeiten als Arbeitszeit regeln. Eine abweichende Bewertung folge nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 4 AZV, nach dem Reisezeiten jedoch als Arbeitszeit berücksichtigt werden, soweit sie innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit anfallen (Nr. 1) oder die Arbeitszeit innerhalb eines Tages durch Dienstreise unterbrochen wird (Nr. 2). Diese Norm begründe einen Anspruch, regele aber nicht die – davon zu trennende – Frage, ob dieser Anspruch im Wege einer nur teilweisen Berücksichtigung von Reisezeiten (ggf. bis „auf Null“) zu kürzen sei. Das ergebe sich auch aus der Verwendung des Wortes „jedoch“, das die Anordnung nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AZV in einen Gegensatz zu der Vorgabe des § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV stelle. Ferner habe der Kläger für den Streitzeitraum ab dem 1. Januar 2016 den behaupteten Anspruch (dem Grunde nach) auch insoweit, als Reisezeiten für Fahrten zu dienstlich angeordneten Fortbildungsmaßnahmen, die nicht am Dienstort L. stattgefunden hätten, angefallen, aber nicht als Arbeitszeit anerkannt worden seien. Auch insoweit habe er seinen Dienst nämlich auf Anordnung der Beklagten an einem bestimmten Ort ausgeübt. Er habe seiner Dienstpflicht insoweit nur nachkommen können, indem er zu den betreffenden Orten gefahren sei. Diesen (dem Grunde nach zu bejahenden) Ausgleichsansprüchen stehe nicht entgegen, dass der Kläger keine konkreten Nachweise für die fraglichen Reisezeiten vorgelegt habe. Die entsprechenden Zeiten könne die Beklagte nämlich anhand der Excel-Tabellen ermitteln. Zwar gelte dies nicht für Zeiten für Fahrten vom Hotel zu dem zu prüfenden Unternehmen. Solche Fahrten seien, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, aber nur in dem Zeitraum vor dem 1. Januar 2016 angefallen, für den ein Anspruch schon dem Grunde nach nicht gegeben sei. Kein Ausgleichsanspruch bestehe für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 hingegen hinsichtlich der Fahrten des Klägers zwischen seinem Wohnort und seinem dienstlichen Wohnsitz in L. zu Referatsbesprechungen. Mit dem eigennützigen Zurücklegen der Wege zwischen der Wohnung und der Arbeitsstelle erbringe der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig keine Arbeit für den Arbeitgeber.
19Hiergegen hat die Beklagte im Umfang ihres Unterliegens die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verwaltungsgericht habe sie zu Unrecht zur Neubescheidung verpflichtet. Dem Kläger stehe der behauptete Anspruch auf Anerkennung außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angefallener Reisezeiten im ersten Halbjahr 2016 unter keinem Gesichtspunkt zu.
20Ein solcher Anspruch folge zunächst nicht aus Normen des nationalen Rechts. § 88 Satz 2 BBG greife mangels Anordnung von Mehrarbeit nicht ein, und § 87 BBG enthalte keine Vorgaben zur Berücksichtigung von Reisezeiten als Arbeitszeit. § 11 AZV (a. F.) sehe eine solche Berücksichtigung nur nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 bzw. (eingeschränkt) nach Abs. 3 Satz 1 vor, die hier– unstreitig – erfolgt sei. Eine Anrechnung der fraglichen Reisezeiten sei auch nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AZV a. F. möglich. Es fehle nämlich an einer Unterbrechung der (regelmäßigen täglichen) Arbeitszeit. Eine solche „Unterbrechung“ liege nach der Verwaltungspraxis der Beklagten nämlich nur vor, wenn ein quantitativ und qualitativ ausreichend großer Teil der Arbeitsleistung eines Tages auf den Teil entfalle, der vor und nach der Dienstreise erbracht werde. Beschäftigte, die vor Antritt der Dienstreise nur kurz in die Dienststelle kämen bzw. das häusliche Arbeitszimmer beträten und nach Rückkehr erneut nur in einem geringen Umfang arbeiteten, hätten danach nicht die Arbeitszeit des Tages für eine Dienstreise „unterbrochen“, sondern nur eine Dienstreise mit einer verhältnismäßig kurzen ergänzenden Arbeitszeit „garniert“. Der Kläger beschränke sich schon nach eigenem Vortrag vor seiner Abfahrt aus der Wohnung und nach seiner Rückkehr dorthin regelhaft auf das Ein- bzw. Auspacken dienstlicher Gegenstände und arbeite daher insoweit gerade nicht in einem hinreichenden Umfang. Zudem ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen auch nicht, dass er eine Unterbrechung seines Dienstes durch Reisen angezeigt und gezeichnet erhalten habe, wie dies in § 8 Abs. 6 Gleitzeit-DV BZSt (gemeint: § 8 Abs. 8 Satz 3 Gleitzeit-DV BZSt) vorgesehen sei. Mit Blick auf das Vorstehende sei die Argumentation des Klägers, seine Privatwohnung stelle seine Dienststelle dar, schon irrelevant. Sie sei aber auch inhaltlich nicht richtig. Der Kläger sei nämlich als Prüfer mit dem Stellenzeichen Bp III 4.13 im Referat Bp III 4 mit dem Dienstsitz L. eingesetzt, so dass sich seine Dienststelle ungeachtet des Fehlens eines festen Büros in L. befinde. Abweichendes ergebe sich nicht aus den von ihm bemühten Unterlagen, d. h. aus dem Schreiben des Bundesamtes für Finanzen vom 10. Februar 1998 (Gestattung von Dienst am Wohnort im Einzelfall), aus dem Schreiben des BMF vom 10. Februar 2017 (keine vollständige Ablösung der Bundesbetriebsprüfung vom Dienstsitz L.) und aus der Anerkennung seines Wohnortes als Dienstort im reisekostenrechtlichen Sinne vom 10. Mai 2011. Letztere sei nach § 15 Abs. 2 (Satz 1) BBesG erfolgt und könne schon mit Blick auf § 1 Abs. 1 BBesG nur eine besoldungs- bzw. reisekostenrechtliche Regelung sein, nicht aber eine des Arbeitszeitrechts. Entsprechendes gelte für die „Information über Änderungen im steuerlichen Reisekostenrecht und deren Auswirkungen“ des BZSt. Danach sei nämlich für die Bundesbetriebsprüfer weder ihr häusliches Arbeitszimmer noch der Hauptsitz in L., dem sie organisatorisch zugeordnet seien, eine „erste Tätigkeitsstätte“; sie hätten vielmehr keine solche, sondern nur mehrere auswärtige Tätigkeitsstätten. Nicht richtig sei auch das sinngemäße Vorbringen des Klägers, die Zeiten der Rahmenarbeitszeit nach §§ 7 Abs. 2 AZV, 5 Abs. 1 Gleitzeit-DV BZSt müssten im Rahmen des § 11 AZV Anwendung finden. Die Rahmenarbeitszeit verdränge die regelmäßige tägliche Arbeitszeit i. S. d. §§ 4 AZV, 4 Abs. 3 Gleitzeit-DV BZSt nämlich schon mangels einer entsprechenden rechtlichen Bestimmung nicht; beide existierten selbständig nebeneinander.
21Der Anspruch ergebe sich ferner nicht aus beamtenrechtlichen, das Dienst- und Treueverhältnis in den Blick nehmenden Grundsätzen oder aus § 242 BGB. Die von dem Kläger geltend gemachten, außerhalb der Regelarbeitszeit angefallenen Reisezeiten könnten bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als Dienstzeit angesehen werden, weil es sich bei dieser dienstlichen Inanspruchnahme weder dem Inhalt noch der Intensität nach um Dienst handele. Es liege keine dienstlich verursachte Inanspruchnahme vor, die entweder zu dem Bereich der von dem Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehöre oder ihn jedenfalls im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nehme, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu achten sei. Die Fahrten fielen nur anlässlich seines Amtes an und beanspruchten ihn auch nicht so intensiv wie seine hauptamtliche Tätigkeit. Insbesondere sei die Reisetätigkeit des Klägers nicht untrennbar mit dem ihm übertragenen Amt verbunden. Es gebe keine Norm, die ihm seine Reisetätigkeit als Kernbereich seines Amtes zuweise. Namentlich nehme § 200 AO eine solche Zuweisung nicht vor. Diese Norm regele vielmehr allein die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung und gebe dem Kläger erkennbar kein subjektives Recht, das den Umfang des ihm nach beamtenrechtlichen Normen übertragenen konkret-funktionellen Amtes vorgebe. Entsprechendes gelte für § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung – Betriebsprüfungsordnung – (BpO 2000) vom 15. März 2000 (im Folgenden: BpO), der Regelungen zu dem Ort der Außenprüfung treffe. Bei dieser Bestimmung handele es sich um eine ermessenslenkende, allein an die jeweilige Behörde gerichtete Verwaltungsvorschrift (vgl. § 1 Abs. 1 BpO), die Außenwirkung allenfalls über Art. 3 Abs. 1 GG entfalten könne. Der Kläger sei als Prüfer bloß als Verpflichteter und nicht als Begünstigter an die BpO gebunden. Er könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2009 – 2 B 29.09 – berufen, weil der dortige Fall nicht mit seinem Fall vergleichbar sei. Der Beschluss betreffe nämlich einen Mautkontrolleur, dem ein büromäßig ausgestattetes Dienstkraftfahrzeug zur Ortsveränderung und zur Büroarbeit während des Kontrolldienstes als notwendiges Arbeitsmittel zur Verfügung gestanden habe, während der Kläger seine Prüftätigkeit gerade nicht in seinem privaten, für eine Prüftätigkeit auch nicht ausgestatteten Pkw vornehme, sondern diesen nur als Fortbewegungsmittel nutze. Die vorstehende Bewertung entspreche auch den Aussagen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2017 – 6 A 523/14 –, das hier herangezogen werden könne, weil es ebenfalls die An- und Abfahrt zu einer auswärtigen Dienstverrichtung und damit einen vergleichbaren Fall betreffe. Danach seien (schon) Reisezeiten, die, wie die An- und Abfahrt zum Ort einer auswärtigen Dienstverrichtung, während der regelmäßigen Arbeitszeit anfielen, wegen des geringen Grades der dienstlichen Inanspruchnahme grundsätzlich nicht als Dienst zu betrachten und daher nicht als Arbeitszeit anzurechnen. Das habe, wie das Gericht selbst bestätige, auch für Reisezeiten bei Dienstreisen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu gelten. Das leuchte ein, weil diese eine weniger enge Bindung an den Dienst aufwiesen als Reisezeiten während der regelmäßigen Arbeitszeiten und hinreichend kompensiert würden, so insbesondere durch die Gewährung von Dienstunfallschutz und einer Reisekostenvergütung.
22Auch Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG gebe dem Kläger keinen Anspruch. Das Verwaltungsgericht habe seine gegenteilige Einschätzung zu Unrecht auf das Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 – gestützt, weil es die dortigen fallbezogenen Besonderheiten außer Acht gelassen habe, obwohl aus dem Urteil selbst hervorgehe, dass eine strenge Einzelfallbetrachtung erfolgt sei. Die fraglichen Reisen dürften entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht zu „Arbeit“ erklärt werden. Das Aufsuchen des zu prüfenden Unternehmens bzw. die Anfahrt dorthin sei nicht Teil der Dienstpflichten, sondern stehe lediglich im Zusammenhang mit der Dienstausübung. Zudem unterscheide sich die Situation des Klägers von der des durch das Urteil des Gerichtshofs betroffenen Arbeitnehmers, weil nur Letzterer zwingend ein Dienstfahrzeug zu nutzen hatte, während dem Kläger keine Vorgaben zu der Art des Beförderungsmittels gemacht worden seien. Stelle man bei der Beurteilung einer Tätigkeit als Arbeit – anders als das Verwaltungsgericht – auf die Intensität der Belastung ab und ordne man diese Belastung hier wegen der Beanspruchung durch den Straßenverkehr als hoch ein, so liege dennoch keine „Arbeit“ des Klägers vor. Die Durchführung der Fahrten mit dem eigenen Pkw sei nämlich nicht dienstlich veranlasst worden. Sie beruhe vielmehr auf dessen privater, übrigens von der Praxis vieler anderer Beschäftigter auch des Betriebsprüfungsaußendienstes abweichender Entscheidung, seine Reisen nicht wie angeboten mit der Bahn zu gestalten und reisekostenrechtlich vergütet zu erhalten. Das Verwaltungsgericht habe ferner zu Unrecht angenommen, dass der Kläger der Beklagten während der Reisezeiten zur Verfügung stehe. Er sei während dieser Zeiten nämlich nicht verpflichtet, den Anweisungen der Beklagten Folge zu leisten und seine Tätigkeit für diese auszuüben. Er könne bestimmte Modalitäten der Dienstreisen wie die Abfahrtszeit, die Fahrtroute und das Beförderungsmittel selbst bestimmen; namentlich sei es ihm unbenommen, die Fahrten in die reguläre Arbeitszeit zu legen und so deren vollständige Berücksichtigung als Arbeitszeit sicherzustellen, was ihn gegenüber den übrigen, an einem Dienstsitz tätigen Beschäftigten der Beklagten sogar begünstige. Zudem habe er es schon vor oder bei Aufnahme seiner Beschäftigung auf dem Dienstposten eines Betriebsprüfers in der Hand gehabt, seinen Wohnort in Bezug auf das Einsatzgebiet so zu wählen, dass seine Fahrzeiten (ungeachtet der mangelnden unionsrechtlichen Relevanz ihrer Länge) für ihn günstiger ausfielen. Wäre der Kläger beispielsweise ein Arbeitsverhältnis mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung eingegangen, seine Arbeitsleistung täglich in unterschiedlichen Filialen seines Arbeitsgebers zu erbringen, stünde außer Frage, dass seine Wegezeiten nicht als Arbeitszeiten gewertet werden könnten. Dies sei hier nicht anders, weil er täglich oder auch in größeren Intervallen unterschiedliche Unternehmen (als Ort der Dienstleistung) aufsuchen müsse. Dem Kläger des Verfahrens vor dem Gerichtshof hingegen sei die Möglichkeit einer (vorherigen) passenden Wahl seines Wohnortes durch die Schließung der Regionalbüros genommen worden. Zudem habe dieser die (an seinem Wohnort beginnenden und endenden) Fahrten mit einem Dienstfahrzeug vorgenommen und insoweit ungleich größeren Einwirkungen seines Arbeitgebers unterlegen als der seine Fahrten selbstbestimmt planende Kläger. Er habe nämlich mit neuen Anweisungen seines Arbeitgebers, wann und bei welchen Kunden er sich einzufinden habe, jedenfalls noch am Vortrag rechnen müssen.
23Sollten die fraglichen Fahrzeiten entgegen dem Vorstehenden doch unionsrechtlich als Arbeitszeit einzuordnen sein, würde dem Kläger der begehrte Freizeitausgleich gleichwohl nicht zustehen. Die maßgebliche Richtlinie regele nämlich nicht die Art und Weise der Vergütung, und bei der im genannten Fall gebotenen geltungserhaltenden Auslegung des § 11 AZV (alter und im Übrigen auch seit dem 1. März 2021 geltender neuer Fassung) als Vergütungsregel ergäbe sich, dass Reisezeiten grundsätzlich nicht zu vergüten seien.
24Der behauptete Ausgleichsanspruch ergebe sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht nach § 78 BBG. Deren Wesenskern werde durch den behaupteten Zeitaufwand für Fahrten außerhalb der Regelarbeitszeit nicht verletzt. Lege man den Klageantrag (401,56 Stunden in einem Zeitraum von 46 Monaten) zugrunde, so ergäben sich ca. 8,7 Stunden im Monat bzw. rund zwei Stunden pro Woche. Diese zeitliche Inanspruchnahme habe den Freizeitanspruch des Klägers im maßgeblichen Zeitraum nicht ausgehöhlt, zumal insoweit Reisekosten erstattet worden seien und § 11 Abs. 3 AZV a. F. bei sonst nicht anrechenbaren Reisezeiten von mehr als 15 Stunden im Monat einen begrenzten Ausgleich ermöglicht habe. Die Behauptung des Klägers, nach der Bp-Verwaltungsregelung (BpVerwR) vom 13. März 2020 werde von den Prüfern verlangt, die Hin- oder Rückfahrt zu den Unternehmen in ihrer Freizeit vorzunehmen, sei, wie sich aus den Regelungen in Ziffer 4.1.1.6.5 der BpVerwR ergebe, haltlos; die Beklagte sei vielmehr sehr darum bemüht, den Prüfern eine möglichst belastungsfreie Prüfung zu ermöglichen, die deren Wünschen weitestgehend entspreche könne. Dem Kläger stehe auch ersichtlich kein Anspruch darauf zu, an der rechtlichen Prüfung des Anwendungsbereichs der AZV durch seinen Dienstherrn beteiligt zu werden, oder darauf, dass sein Dienstherr Vorschriften „wohlwollend“, d. h. zu Gunsten des Klägers, oder gar unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht auslege.
25Die Beklagte beantragt,
26das angefochtene Urteil im Umfang der erfolgten Teilstattgabe zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Ferner beantragt er, nachdem er nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift an ihn am 31. März 2021 am 30. April 2021 Anschlussberufung eingelegt hat,
30das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, ihm auch für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 Freizeitausgleich im Umfang von 342,53 Stunden zu gewähren,
31hilfsweise
32das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, über seinen Antrag
331. auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 und
342. auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Fahrten von seiner Wohnung zu Referatsbesprechungen nach L.
35unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
36Zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten führt er mit seinem Schriftsatz vom 11. Mai 2021, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, im Kern aus: Die Berufung der Beklagten sei zurückzuweisen. Die fraglichen Reisezeiten seien schon nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Arbeitszeit. Die Beklagte stelle insoweit zu Unrecht darauf ab, ob er während der Reisezeiten so erheblich in Anspruch genommen werde, dass die Reisetätigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben gleich zu achten sei. Dieses Erfordernis betreffe nämlich nicht den hier gegebenen Fall, in dem die Inanspruchnahme zu dem Bereich der von dem Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehöre, sondern nur den Fall, in dem die Tätigkeit lediglich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben stehe. Mit der Zuweisung des Amtes eines Bundesbetriebsprüfers würden diesem nämlich auch die Fahrten zu den zu prüfenden Unternehmen übertragen, weil er ohne die Fahrten nicht seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen könne, die Prüfungstätigkeit in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen durchzuführen. Auch wenn man das anders sähe, seien die fraglichen Fahrzeiten nach der AZV a. F. als Arbeitszeit anzuerkennen. Ausgangspunkt der Fahrten zu dem jeweiligen Dienstort sei nämlich die als Dienststelle zu betrachtende Privatwohnung des Klägers. Diese Bewertung folge aus der Hausverfügung vom 18. Februar 1998, nach der an außendienstfreien Tagen die Leistung des Dienstes am Wohnort gestattet werden könne, um Dienstreisen von und nach L. zu vermeiden, wenngleich BMI und BMF nach dem Schreiben des Letzteren an das BZSt vom 10. Februar 2017 auch eine gewöhnliche Tätigkeitsstätte in L. sähen. Zudem habe die Beklagte den Wohnort des Klägers mit Schreiben vom 10. Mai 2011 als Dienstort im reisekostenrechtlichen Sinne anerkannt und damit dessen persönlichen Wohnort als dienstlichen Wohnsitz bestimmt. Des Weiteren habe das BZSt anlässlich der Änderung des steuerlichen Reisekostenrechts ausdrücklich erklärt, dass die organisatorische Zuordnung der Bundesbetriebsprüfer zum Hauptsitz in L. nicht zur Benennung als erste Tätigkeitsstätte führen solle. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs arbeite der Arbeitnehmer, der keinen festen Arbeitsplatz mehr habe, während der Fahrten. Das müsse auch für den Kläger gelten, da dieser seit der Aufnahme seiner Tätigkeit als Bundesbetriebsprüfer keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort und keine erste Tätigkeitsstätte habe, sondern außerhalb der Dienststelle tätig sei. Er sei jährlich nur sechsmal zu Besprechungen nach L. gereist, wobei diese Reisen als Arbeitszeit anzuerkennen seien, und habe dort auch nicht über ein festes Büro verfügt. Im Einzelnen sei dem Berufungsvorbringen entgegenzuhalten: Vor Geltung der BpVerwR seien die Anwesenheit in den Unternehmen und die Durchführung der Fahrten mündlich vorgegeben worden. Zwar könne er das Verkehrsmittel frei wählen. Gegen die Wahl öffentlicher Verkehrsmittel spreche aber, dass neben dem Dienstrechner z. T. auch Aktenordner und – bei mehrtägigen Dienstreisen – auch noch persönliche Gegenstände mitzuführen seien. Zudem stünde bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die in die regelmäßige Arbeitszeit gelegt würden, meist wesentlich weniger Zeit für die Prüfung vor Ort zur Verfügung. Er könne seinen Wohnort auch nicht in die Nähe seiner zu prüfenden Unternehmen verlegen. Im Zeitraum von 2005 bis 2016 habe er durchschnittlich sieben Mitwirkungsfälle pro Jahr betreut. In diesen Jahren habe er neben seiner Hauptwirkungsstätte im Hamburger Raum parallel auch Fälle in Wiesbaden, München, Berlin, Bremen, Flensburg und Kiel zu prüfen gehabt. Auch lägen diverse Verstöße der Beklagten gegen die Fürsorgepflicht vor.
37Zur Begründung seiner Anschlussberufung führt er mit Schriftsatz vom 30. April 2021 im Wesentlichen aus: Entgegen dem angefochtenen Urteil stehe ihm (wegen der fraglichen Fahrzeiten) ein Anspruch auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Zeit vom 1. August 2012 (Zeitpunkt der Einführung der Gleitzeit und Beginn des Folgemonats auf das Schreiben des Klägers an den Präsidenten des BZSt vom 11. Juli 2012, in dem der Kläger die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen sieht) bis zum 31. Dezember 2015 sowie für die Fahrten von seiner Wohnung zu Referatsbesprechungen in L. zu. Seine Arbeitszeit beginne, da sein Wohnort 2011 (reisekostenrechtlich) als Dienstort anerkannt worden sei und er keine erste Tätigkeitsstätte in L. besitze, mit Betreten seines privaten Arbeitszimmers und ende dort auch wieder. Mit der Dienstreise zu den zu prüfenden Unternehmen und zurück zum Wohnort unterbreche er daher seine Arbeitszeit durch eine Dienstreise. Darauf, dass die sowohl vor als auch nach Einführung der Gleitzeit geübte Praxis der Beklagten, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit anfallenden Fahrzeiten nicht als Arbeitszeit anzuerkennen, rechtswidrig sei, habe er schon im Rahmen eines Pilotprojekts (März 2010 bis März 2012) in einem Intranet-Forum hingewiesen. Auf der Jahrestagung 2011 habe er ferner auf die (abweichende) Fahrzeitenanerkennung bei dem Prüfungsdienst des Zoll hingewiesen und nachfolgend dortige Ansprechpartner benannt. Die Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens sei der Beklagten spätestens im Mai 2012 bewusst gewesen. Das werde durch eine Äußerung im Bp-Forum belegt, es sei eine Art Pauschalausgleich für nicht angerechnete Reisezeiten, dass bei Dienstreisen, bei denen die Kernzeit eingehalten werde, mindestens eine Gutschrift der Regelarbeitszeit erfolge. Mit Schreiben von 11. Juli 2012 habe er gegenüber dem Präsidenten des BZSt seine Enttäuschung über den Umgang mit seiner Person während des Pilotprojekts zum Ausdruck gebracht und nochmals auf die fehlerhafte Auslegung der AZV a. F. hingewiesen (und um einen weiteren Austausch gebeten). Mit den monatlichen Gleitzeitmeldungen habe er „die nicht anerkannten Fahrzeiten auch gemeldet, so dass sich die Beklagte ab dem 01.08.2012 auf diese Tatsache hätte einstellen können“. Der Präsident habe ihm unter dem 6. September 2012 geantwortet und u. a eine Überprüfung der Zollregelungen zugesagt. Er habe daher davon ausgehen müssen, „dass er sich in ernsthaften Verhandlungen mit der Beklagten befinde“. Da daraufhin nichts geschehen sein, habe er mit seinem Antrag vom 1. Dezember 2015 lediglich die gemeldeten Stunden zusammengefasst, um die Verjährung für das Jahr 2012 zu hemmen und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlangen.
38Die Beklagte beantragt,
39die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
40Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei, soweit mit ihm die Klage abgewiesen worden sei, im Ergebnis richtig. Zunächst treffe es nicht zu, dass der Kläger seine Dienstreisen von seiner Dienststelle aus antrete. Aus dem Schreiben des BZSt vom 18. September 2007 (dort: S. 2, Nr. 1), auf das sich der Kläger zu Unrecht berufe, gehe vielmehr hervor, dass der (nur) reisekostenrechtlich anerkannte Wohnort zur Dienststätte in Alternative stehe. Falsch sei auch der Vortrag des Klägers, dass unter der Geltung der AZV a. F. und der Gleitzeitregelung Reisezeiten vollständig anerkannt worden seien, wenn die Arbeitszeit innerhalb eines Tages durch Dienstreisen unterbrochen worden sei. Eine Unterbrechung in diesem Sinne liege hier nämlich, wie bereits ausgeführt, nicht vor. Die korrekte Anwendung der AZV hänge auch nicht vom Vorhandensein eines Gleitzeitterminals ab, da die Erfassung der Gleitzeit der Bundesbetriebsprüfer nur technisch anders umgesetzt sei als für die übrigen Beschäftigten. Auch die Rüge, der gewährte „Pauschalausgleich“ sei nicht nachvollziehbar, gehe fehl. Die pauschale Gutschrift von 8,5 Stunden bzw. 7 Stunden (regelmäßige tägliche Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag bzw. am Freitag) auf dem Gleitzeitkonto an Tagen, an denen die Dauer einer ganztägigen Dienstreise diese Zeiten unterschritten und der Kläger auch nicht in seiner Wohnung gearbeitet habe, entspreche vielmehr den Regelungen der AZV a. F. und sei zutreffende Rechtsfolge der Vermutungsregel des § 11 Abs. 1 Satz 2 AZV a. F., nach der die Beweislast den Dienstherrn treffe. Danach seien dem Kläger an Tagen einer Dienstreise, die zu einer Abwesenheit von seiner Wohnung von weniger als der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit geführt habe, und keiner weiteren Arbeit in der Wohnung an diesem Tag auf dem Gleitzeitkonto pauschal 8,5 bzw. 7 Stunden gutzuschreiben. Richtig sei auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein Anspruch auf Freizeitausgleich für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2016 daran scheitere, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit seiner Heranziehung zur Zuvielarbeit erst im Dezember 2015 geltend gemacht habe. Die von dem Kläger angeführten (Hinweise und) Schreiben beinhalteten keine solche Geltendmachung. Der Kläger habe auch nicht von ernsthaften Verhandlungen zur Anrechnung von Reisezeiten zwischen ihm und ihr ausgehen können, weil ihre Bindung an die AZV a. F. jeden Verhandlungen entgegengestanden hätte.
41Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls der öffentlichen Sitzung des Senats vom 31. Januar 2025 verwiesen.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (ein Heft) Bezug genommen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
44Die Berufung der Beklagten hat Erfolg (dazu A.). Die Anschlussberufung des Klägers bleibt hingegen ohne Erfolg (dazu B.).
45A. Die zulässige, im Umfang der eigenen Beschwer eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Klage des Klägers ist (auch) insoweit unbegründet, als das Verwaltungsgericht ihr stattgegeben hat. Bei dieser Bewertung ist entsprechend dem insoweit nicht auslegungsfähigen Tenor des angefochtenen Urteils zwar zugrunde zu legen, dass das Verwaltungsgericht die Beklagte (wohl mit Blick auf von ihm für möglich und nötig gehaltene Ermittlungen der Beklagten zu der Anspruchshöhe) „unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2016 und des Widerspruchsbescheids vom 17.07.2017“ lediglich dazu „verpflichtet hat, über den Antrag des Klägers auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Zeit vom 01.01.2016 bis zu 30.06.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden“, obwohl– durchaus im Widerspruch zu dieser Tenorierung – in den Entscheidungsgründen durchgängig davon gesprochen wird, dass dem Kläger der für diesen Zeitraum behauptete Anspruch zustehe (UA S. 5, letzter Absatz, S. 6, zweiter und vierter Absatz), soweit nicht anerkannte Reisezeiten für Fahrten zu den zu prüfenden Unternehmen und zu dienstlich angeordneten Lehrgängen und Tagungen angefallen seien. Dem Kläger steht der tenorierte Anspruch auf „Neubescheidung“ aber schon deshalb nicht zu, weil bereits die Voraussetzungen aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen in dem jeweils maßgeblichen Zeitpunkt der (dienstlichen) Verrichtung nicht vorgelegen haben.
46Vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 – 2 C 18.20 –, juris, Rn. 16 (für den Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 88 des Bundesbeamtengesetzes– BBG), und Nds. OVG, Urteil vom 16. April 2024 – 5 LC 35/21 –, juris, Rn. 59, m. w. N. (für Ansprüche auf finanziellen Ausgleich nach § 88 BBG, nach dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch und nach dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit).
47I. Der Anspruch folgt zunächst nicht aus der Regelung des § 88 Satz 2 BBG i. d. F. vom 5. Februar 2009, nach welcher Beamtinnen und Beamten, die durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren ist. Über die danach erforderliche Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit hat der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei seiner Entscheidung, die sich auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen muss, hat der Dienstherr insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem oder welchen Beamten sie übertragen werden soll. Die schlichte Festlegung von Arbeitszeiten in Dienst-oder Schichtplänen führt mangels einer Anordnung, die auf § 88 BBG Bezug nimmt, nicht zu Mehrarbeit, sondern lediglich zu regelmäßiger Arbeit oder – bei rechtswidriger Höhe der Arbeitszeit – zu Zuvielarbeit.
48Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. April 2021– 2 C 18.20 –, juris, Rn. 33 bis 35, m. w. N.
49An einer solchen Entscheidung der Beklagten fehlt es hier. Der Kläger, der seine Arbeitszeiten grundsätzlich selbstbestimmt plant, hat schon nicht geltend gemacht und belegt, dass ihm hinsichtlich der in Rede stehenden Verrichtungen konkrete dienstliche (und schriftliche, vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 Gleitzeit-DV BZSt) Anordnungen oder Genehmigungen erteilt worden sind. Unabhängig davon kann die Existenz solcher Anordnungen oder Genehmigungen auch deshalb nicht angenommen werden, weil die Beklagte die in Rede stehenden Zeiten gerade nicht als Dienstzeit betrachtet hat.
50II. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 11 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung – AZV) in der für den hier in Rede stehenden Anspruchszeitraum maßgeblichen, vom 19. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2021 geltenden Fassung vom 11. Dezember 2014 (AZV a. F.).
511. Der Anspruch auf Anerkennung der außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallenen Reisezeiten kann sich zunächst nicht aus § 11 Abs. 1 AZV a. F. ergeben. Die Regelungen dieser Norm sehen eine Berücksichtigung außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallener Reisezeiten grundsätzlich nicht vor. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 AZV a. F. Nach der Grundsatzregelung in Satz 3 der Norm sind Reisezeiten keine Arbeitszeit. Dies gilt auch für Reisezeiten, die außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit anfallen.
52Auch die beiden Ausnahmetatbestände des § 11 Abs. 1 Satz 4 AZV a. F. führen nicht auf den behaupteten Anspruch: § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AZV a. F. betrifft ausweislich seines Wortlauts von vornherein nur die innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit anfallenden (hier von der Beklagten unstreitig bereits berücksichtigten) Reisezeiten. Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AZV a. F. erfasst Reisezeiten zwar unabhängig von ihrer zeitlichen Lage, greift hier aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu dessen Gunsten ein. Nach dieser Vorschrift werden Reisezeiten entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV a. F. als Arbeitszeit berücksichtigt, soweit die Arbeitszeit innerhalb eines Tages durch Dienstreisen unterbrochen wird. Die Voraussetzung einer Unterbrechung der Arbeitszeit durch eine Dienstreise hat hier an keinem Tag des Streitzeitraums vorgelegen. Nach der allgemeinen Bedeutung des Wortes liegt eine Unterbrechung einer Tätigkeit nur vor, wenn diese Tätigkeit vorübergehend, d. h. zeitlich begrenzt, ausgesetzt und sodann wiederaufgenommen wird; als typisches Beispiel mag etwa die Unterbrechung der Tagesarbeit durch eine Mittagspause dienen. Dem entsprechen das Begriffsverständnis und, wie die Beklagte vorgetragen hat, ihre daran ausgerichtete Verwaltungspraxis, nach denen eine Unterbrechung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AZV a. F. nur vorliegt, wenn ein quantitativ und qualitativ ausreichend großer Teil der Arbeitsleistung eines Tages auf den Teil entfällt, der vor und nach der Dienstreise erbracht wird. Beschäftigte, die ihre Dienststelle bzw. ihr häusliches Arbeitszimmer vor Antritt einer Dienstreise nur zu dem Zweck, die für diese Reise notwendigen Arbeitsutensilien und -unterlagen zusammenzustellen und aufzunehmen, aufsuchen und ein entsprechendes Verhalten nach ihrer Rückkehr zeigen, arbeiten insoweit nicht in einem nennenswerten Umfang. Sie umgeben die Dienstreise vielmehr nur mit kurzen Zeiten der Anwesenheit am (möglichen) Ort ihrer Arbeit, vergleichbar mit einem Beschäftigten, der abwechselnd in einer festen Dienststelle und im Homeoffice Dienst leistet und nach einem Tag im Homeoffice seinen Laptop sowie weitere Arbeitsunterlagen zur Mitnahme auf seinen Weg zum Dienst zusammenstellt und aufnimmt oder diese Gegenstände nach einem Arbeitstag in der Dienststelle für den folgenden Heimarbeitstag in seinem häuslichen Arbeitszimmer ablegt. So liegt der Fall hier. Der Kläger beginnt, wie er mit Schriftsatz vom 6. November 2017 (S. 2, dritter Absatz) selbst vorgetragen hat, seine Arbeitszeit, „indem er in seinem Büro am Dienstort/Wohnort die Arbeitsunterlagen und das durch den Dienstherrn gestellte Equipment zusammenstellt und dann die Dienstreise zum jeweiligen Prüfungsort beginnt“. Er arbeitet daher vor Antritt seiner Dienstreisen allenfalls marginal, und er hat (im Übrigen) auch nicht behauptet, dass dies (zumindest) nach seiner Rückkehr anders sein könnte. Gegen die Annahme, es könnten im Streitzeitraum Unterbrechungen i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AZV a. F. vorgelegen haben, spricht im Übrigen auch, dass der Kläger nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten eine Unterbrechung seines Dienstes durch Dienstreisen nicht angezeigt und durch seinen Vorgesetzten auch nicht mitzeichnen lassen hat, obwohl dies nach § 8 Abs. 8 Satz 3 Gleitzeit-DV BZSt geboten gewesen wäre. Mit Blick auf das Vorstehende ist das – im Übrigen angesichts der Verortung seines Dienstpostens in L. nicht überzeugende – Vorbringen des Klägers, seine Privatwohnung müsse als seine Dienststelle betrachtet werden, ohne Relevanz.
532. Ansprüche des Klägers aus § 11 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AZV a. F., die im maßgeblichen Zeitraum entstanden sind, bestehen nicht mehr. Nach diesen Regelungen ist, wenn die nicht anrechenbaren Reisezeiten bei Dienstreisen, die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehen, in einem Kalendermonat insgesamt 15 Stunden überschreiten, auf Antrag ein Viertel der über 15 Stunden hinausgehenden Zeit dem Gleitzeitkonto gutzuschreiben. Diese Ansprüche sind (auch) für den Streitzeitraum bereits erfüllt. Die nach den vorstehenden Vorschriften gebotene Berücksichtigung bzw. Gutschrift ist, wie die Beklagte vorträgt und der Kläger nicht in Abrede stellt, nämlich (auch) in dem hier maßgeblichen Anspruchszeitraum bereits erfolgt.
54III. Der dem Kläger mit „Neubescheidungstenor“ zugesprochene Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich für im Streitzeitraum (1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016) außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angefallene Fahrzeiten folgt ferner nicht aus dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch.
55Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch, der auf den auch im Beamtenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gestützt und auf angemessenen – grundsätzlich vollen – Ausgleich in Freizeit gerichtet ist, hat als Billigkeitsanspruch zur Voraussetzung, dass der Beamte rechtswidrig über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen, ihm also rechtswidrige „Zuvielarbeit“ abverlangt wird. Das ist der Fall, wenn der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heranzieht oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 2022– 2 C 24.21 –, juris, Rn. 15, vom 17. Februar 2022 – 2 C 5.21 –, juris, Rn. 22 ff. (Voraussetzungen) und 31 (Rechtsfolge), und vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 –, juris, Rn. 19 f. (Voraussetzungen) und 21 (Rechtsfolge); ferner etwa OVG NRW, Urteil vom 30. September 2024– 6 A 856/23 –, juris, Rn. 56 f. (Voraussetzungen) und 134 f. (Rechtsfolge), und Nds. OVG, Urteil vom 16. April 2024 – 5 LC 35/21 –, juris, Rn. 135, jeweils m. w. N.
57Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind hier nicht erfüllt.
581. Soweit es um Reisezeiten für Fahrten zu dienstlich angeordneten Lehrgängen oder Tagungen geht, folgt dies schon daraus, dass der Kläger solche Zeiten nach seiner Stundenabrechnung für den hier zu behandelnden Zeitraum (1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016) bereits nicht geltend gemacht hat (vgl. die beiden letzten Seiten der Anlage K 1 zu der Klageschrift, Gerichtsakte Bl. 22 f.). Die zusprechende Entscheidung geht insoweit ins Leere.
592. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen dieses Ausgleichsanspruchs nicht vor. Während der insoweit streitigen, außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallenen Reisezeiten für Fahrten vom Wohnort zu dem zu prüfenden Unternehmen und von diesem zurück zum Wohnort sowie für „Hotelfahrten“ wird der Kläger schon deshalb nicht über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen, weil die während dieser Reisezeiten ausgeübte Tätigkeit nach dem durch die (bisherige) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geprägten Arbeitszeitbegriff nicht als Arbeitszeit bzw. Dienst einzustufen ist.
60Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Annahme einer (rechtswidrigen) dienstlichen Inanspruchnahme voraus, dass es sich bei der Tätigkeit dem Inhalt und der Intensität nach um Dienst handelt. Ob dies der Fall ist, richtet sich – vom Inhalt der Tätigkeit gesehen – danach, welches funktionelle Amt dem Beamten übertragen ist und welche Tätigkeit dieser im zu beurteilenden Zeitraum konkret zu erbringen hat. Nur eine solche dienstlich verursachte Inanspruchnahme, die zum Bereich der vom Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehört oder ihn jedenfalls im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nimmt, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu erachten ist, kommt als Dienst im arbeitszeitrechtlichen Sinne in Betracht.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1982– 2 C 49.80 –, juris, Rn. 10, und Beschluss vom 11. September 2009 – 2 B 29.09 –, juris, Rn. 5 f; ferner OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2013– 1 A 1434/11 –, juris, Rn. 16, und Urteil vom 1. Juni 2017 – 6 A 523/14 –, juris, Rn. 51 bis 54, m. w. N.
62Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Rechtsprechung Fahrzeiten des Beamten für verschiedene Fallgruppen nicht als Arbeitszeit bewertet. So sind zunächst die Zeiten, die der Beamte dafür benötigt, von seiner Wohnung zu seiner Dienststelle und zurück zu gelangen (sog. Wegezeiten), grundsätzlich nicht als Arbeitszeit einzustufen. Die damit verbundene Tätigkeit der Fortbewegung gehört nicht zu den Aufgaben des ihm übertragenen Amtes und nimmt ihn in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit auch nicht in vergleichbarer Weise in Anspruch. Das gilt auch dann, wenn sich die Wegstrecke oder Fahrtdauer etwa durch eine Verlegung der Dienststelle oder durch eine Abordnung oder Versetzung des Beamten aus dienstlichen Gründen verlängert hat. Diese Bewertung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es auch im Interesse des Dienstherrn liegt, dass der Beamte den Weg zu der Dienststelle zurücklegt, um dort seinen Dienst zu verrichten. Das Interesse des Dienstherrn wird nämlich grundsätzlich dadurch abgegolten, dass er Dienstunfallschutz und ggf. Trennungsentschädigung gewährt.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2017– 6 A 523/14 –, juris, Rn. 57 f., und Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Januar 2025, BBG 2009 § 87 Rn. 33, jeweils m. w. N.
64Dass während Wegezeiten kein Dienst ausgeübt wird, gilt wegen des geringen Grades der dienstlichen Inanspruchnahme ebenso für Wege zu und von einer Dienstverrichtung außerhalb der Dienststelle, also im Grundsatz auch allgemein für Reisezeiten bei Dienstreisen (vgl. die entsprechende Normierung in § 11 Abs. 1 Satz 3 AZV).
65Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2017– 6 A 523/14 –, juris, Rn. 55 f., und Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Januar 2025, BBG 2009 § 87 Rn. 34 bis 36, jeweils m. w. N.
66Von dem Vorstehenden ausgehend sind die streitgegenständlichen, nach dem Vortrag des Klägers außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallenen Fahrzeiten mangels Dienstausübung nicht als Arbeitszeiten zu bewerten. Bei dieser Reisetätigkeit handelt es sich weder dem Inhalt noch der Intensität nach um Dienst.
67Zunächst ist diese Reisetätigkeit nicht untrennbar mit dem funktionellen Amteines Bundesbetriebsprüfers verbunden, das dem Kläger nach den beamtenrechtlichen Regelungen übertragen worden ist. Sie fällt lediglich anlässlich der zugewiesenen, grundsätzlich im Wege der Außenprüfung zu erfüllenden Prüfungstätigkeit an, gehört aber nicht zum Kernbereich seines Amtes. Eine entsprechende normative Zuweisung ist nicht ersichtlich. Sie folgt, wie die Beklagte überzeugend dargelegt hat, namentlich weder aus § 200 AO noch aus der den Ort der Außenprüfungen betreffenden Regelung des § 6 BpO; hierauf wird Bezug genommen. Auch in der Sache ist nicht erkennbar, dass die Tätigkeit, die übrigens (auch) an die Stelle sonst erforderlicher Wegezeiten für die Fahrten zwischen der Wohnung und einer festen Dienststelle tritt, zu dem Kernbereich des dem Kläger zugewiesenen Funktionsamtes gehört. Die Fahrten des Klägers vom Wohnort zu dem zu prüfenden Unternehmen und zurück sowie die „Hotelfahrten“, für die der Kläger aufgrund freier Entscheidung seinen privaten Pkw und keine anderen Verkehrsmittel wählt, dienen nämlich ausschließlich seiner Fortbewegung zu der jeweiligen auswärtigen (nicht an seiner Dienststelle in L. befindlichen) Tätigkeitsstätte. Dienstliche Verrichtungen finden in dem Privat-Kfz, das hierfür nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten auch nicht ausgerüstet ist, unstreitig nicht statt. Eine abweichende Bewertung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger seinen dienstlichen Laptop, Prüfungsunterlagen und – bei Prüfungen, die eine auswärtige Übernachtung erfordern – auch persönliche Gegenstände mitführen muss. Das ergibt sich schon aus der Kontrollüberlegung, dass die Wegezeiten eines Beschäftigten, der Dienst in einer festen Dienststelle tut, aber zeitweise auch im Home-Office arbeitet, nicht deshalb zu dessen Arbeitszeit werden, weil der Beschäftigte seinen dienstlichen Laptop und Arbeitsunterlagen wie etwa Akten hin- und hertransportiert. Hinzu tritt der Umstand, dass die Lage der Fahrzeiten außerhalb der regulären täglichen Arbeitszeit der Sphäre des Klägers und nicht der der Beklagten zuzuordnen ist. Der Kläger hat es nämlich auch in Ansehung der (mit ihm abgestimmten) Festlegung des Prüfungsbeginns durch die Landesprüfer und unterstellter mündlicher Sollvorgaben zu Mindestanwesenheitszeiten im zu prüfenden Unternehmen grundsätzlich selbst in der Hand, seine Fahrten innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit (Montag bis Donnerstag: 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr; Freitag: 7:30 Uhr bis 15:00 Uhr, vgl. § 4 Abs. 3 Gleitzeit-DV BZSt) stattfinden zu lassen. Da er unstreitig selbst entscheidet, welches Unternehmen er in welcher Woche bzw. an welchem Tag prüft, und den Prüfungsablauf auch in zeitlicher Hinsicht bestimmt, kann er namentlich erkennen, in welchen Fällen ein rechtzeitiger Abschluss der (ggf. am Folgetag fortzusetzenden) Prüfungstätigkeit und/oder Hotelaufenthalt am Ort der Prüfung anstelle einer Rückkehr zum Wohnort und erneutem Aufbruch von dort geeignet ist, Fahrzeiten außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit zu vermeiden, und sein Verhalten, wenn von ihm gewünscht, entsprechend steuern.
68Angesichts des Vorstehenden ist ferner nicht erkennbar, dass die Tätigkeit bloßer Fortbewegung, die nicht nur mittels des Privat-Kfz, sondern auch mittels öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen könnte, den Kläger zumindest im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Prüfungstätigkeit nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nimmt, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleich zu erachten ist. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst entscheiden kann, ob er die Fahrten mit dem eigenen Pkw unternimmt oder hierfür – ihn von der Fahrtätigkeit entlastend – öffentliche Verkehrsmittel nutzt.
69IV. Die Regelungen des § 11 AZV a. F., nach denen die in Rede stehenden Fahrzeiten keine Arbeitszeit sind, und die entsprechende Bewertung im Rahmen des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs stehen nicht im Widerspruch zu der unionsrechtlich allein einschlägigen Regelung des Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG und der hierzu in Bezug auf solche Fahrzeiten ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Zwar sind die nationalen, teilweise noch aus den 1980er Jahren herrührenden Vorgaben nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben deckungsgleich; aber auch nach Letzteren können die hier fraglichen Zeiten nicht als Arbeitszeit eingestuft werden.
701. Der Begriff der Arbeitszeit wird in Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG bestimmt. Danach ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit wird nach Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG als Ruhezeit definiert. Aus diesen Regelungen folgt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zunächst, dass die genannten beiden Begriffe einander ausschließen und die Richtlinie auch keine Zwischenkategorie vorsieht. Für die Zwecke der Anwendung der RL 2003/88/EG sind daher nicht nur Bereitschaftszeiten eines Arbeitnehmers, sondern auch alle sonstigen im Streit stehenden Zeiten entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzustufen.
71Vgl. EuGH, Urteile vom 9. März 2021– C-344/19 – (Radiotelevizija Slovenija), juris, Rn. 29, sowie – C-580/19 – (Stadt Offenbach am Main), juris, Rn. 30, und vom 10. September 2015 – C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 25 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2024 – 2 C 19.23 –, juris, Rn. 10 und 16.
72Ob eine Zeit „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ ist, ist anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der RL 2003/88/EG zu bestimmen. Nur eine solche autonome Auslegung vermag nämlich die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung dieser Begriffe in sämtlichen Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Daher dürfen diese trotz der Bezugnahme auf die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ in Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG den Inhalt dieser Begriffe nicht unilateral festlegen, indem sie den Anspruch auf ordnungsgemäße Berücksichtigung der Arbeitszeiten und dementsprechend der Ruhezeiten, der den Arbeitnehmern durch diese Richtlinien unmittelbar zuerkannt wird, irgendwelchen Bedingungen oder Beschränkungen unterwerfen.
73Vgl. EuGH, Urteile vom 9. März 2021– C-344/19 – (Radiotelevizija Slovenija), juris, Rn. 30 f., sowie – C-580/19 – (Stadt Offenbach am Main), juris, Rn. 31 f., und vom 10. September 2015 – C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 27.
742. Nach Maßgabe dieser Grundsätze und unter Beachtung des insoweit maßgeblichen, zu Fahrzeiten „Wohnort-Kunden“ ergangenen Urteils des Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 – erweisen sich die streitigen Fahrzeiten nicht als Arbeitszeit. Die drei Bestandteile (Tatbestandmerkmale) des unionsrechtlichen Arbeitszeitbegriffs müssen schon ausweislich des Wortlauts der Norm („und“) kumulativ gegeben sein. Ihr Vorliegen ist in drei Schritten zu prüfen. Vorliegend ist jedenfalls der zweite der drei Bestandteile nicht erfüllt.
75Zur Prüfung in drei Schritten vgl. Stiebert, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 10. September 2015 – C-266/14 –, EuZW 2015, 794; dazu, dass die drei Bestandteile kumulativ vorliegen müssen, vgl. Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2024, RL 2003/88/EG Art. 2 Rn. 4, und Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 11. Juni 2015 – C-266/14 –, juris, Rn. 31.
76a) Die Ausführungen in dem o. g. Urteil, mit denen der Gerichtshof das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale des Arbeitszeitbegriffs bejaht hat, beziehen sich– dem Wesen des Vorabentscheidungsverfahrens entsprechend – ausdrücklich allein auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens.
77Zu dieser ausdrücklichen Beschränkung vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2015– C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 29 et passim; vgl. insoweit auch Stiebert, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 10. September 2015 – C-266/14 –, EuZW 2015, 795, wonach sich dem Urteil (leider) keine weitergehenden, einer Verallgemeinerung zugänglichen Vorgaben für die Abgrenzung von Arbeitszeit und Ruhezeit entnehmen lassen, weil das Gericht schlicht den konkreten Fall entschieden habe.
78Diese Situation war durch die folgenden Umstände geprägt: Die betroffenen Arbeitnehmer hatten arbeitstäglich die Aufgabe, nach einer ihnen ggf. auch erst am Vortag von der Arbeitgeberin per dienstlichem Mobiltelefon übermittelten Kundenliste nebst „Fahrplan“ die vorgegebenen Kunden zu den vorgegebenen Uhrzeiten der Reihe nach aufzusuchen, um dort jeweils Sicherheitssysteme zu installieren oder zu warten. Ihre Fahrten, für die ihnen ein Firmenfahrzeug zur Verfügung stand, begannen und endeten an ihrem Wohnort, ohne dass es zu einer Anfahrt des Zentralbüros der Arbeitgeberin in Madrid kam. Sie hatten mithin keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, sondern täglich wechselnde Tätigkeitsorte und arbeiteten daher in einer Art Außendienst im Home-Office-Modell.
79So treffend: Schlottfeldt, Anmerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 –, ZESAR 2016, 173 (unter „II. Sachverhalt“).
80Ein oder mehrmals pro Woche mussten sie sich außerdem zu einer Transportlogistikagentur in der Nähe ihres Wohnorts begeben, um für ihren Einsatz benötigte Materialien, Apparate und Ersatzteile abzuholen. Die Arbeitgeberin bewertete dabei die – bisweilen beträchtlich lange – Fahrzeit vom Wohnort zum ersten Kunden des Tages und vom letzten Kunden des Tages zum Wohnort (Fahrzeit Wohnort-Kunden) nicht als Arbeitszeit, sondern nur die Zeit vom Eintreffen bei dem ersten Kunden bis zum Verlassen des letzten Kunden. Sie begründete dies damit, dass die Arbeitnehmer während der nicht anerkannten Zeiten weder ihre Aufgabe als Techniker ausübten noch sonst Aufgaben wahrnähmen. Zuvor, nämlich bis 2011, hatte sie Regionalbüros unterhalten, die Ausgangs- und Endpunkt der entsprechenden Kundenfahrten der Arbeitnehmer gewesen waren. Dabei hatte sie die Zeit vom morgendlichen Eintreffen im Regionalbüro bis zum Verlassen dieses Büros nach Beendigung der Tour und damit auch die für die erste und die letzte Teilstrecke der Tour aufgewendete Zeit als Arbeitszeit bewertet. Ihre Entscheidung, die Regionalbüros zu schließen und den Außendienst in der geschilderten Weise neu zu organisieren, hatte zur Folge, dass die Arbeitnehmer nicht mehr die Wahl hatten, ihr Privatleben und ihren Wohnort auf die Nähe zum Arbeitsort auszurichten, weil sich dieser nun täglich änderte (Kundenstandorte statt Regionalbüro).
81b) Der „erste Bestandteil des Begriffs 'Arbeitszeit'“ i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG, wonach der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auszuüben oder seine Aufgaben wahrzunehmen hat, ist im Falle des Klägers allerdings gegeben.
82Der Gerichtshof hat dieses Tatbestandsmerkmal in seinem o. a. Urteil mit der Begründung als erfüllt angesehen, dass die Fahrten von Arbeitnehmern, die eine Beschäftigung wie im Ausgangsverfahren ausübten, zu den von ihrer Arbeitgeberin bestimmten Kunden das notwendige Mittel seien, damit diese Arbeitnehmer bei den Kunden technische Leistungen erbringen könnten. Diese Fahrten nicht zu berücksichtigen, liefe darauf hinaus, dass ein Arbeitgeber wie die vorliegende Arbeitgeberin geltend machen könnte, dass nur die für die Installation und Wartung aufgewandte Zeit Arbeitszeit sei, was diesen Begriff verfälschen würde. Im Übrigen zeige der Umstand, dass die Arbeitgeberin den Zeitaufwand für die erste und letzte Teilstrecke der jeweiligen Tagestour vor Schließung der Regionalbüros als Arbeitszeit bewertet habe, dass die dabei wahrgenommene Aufgabe zuvor zur Tätigkeit der Arbeitnehmer gehört habe. An dem Wesen dieser Fahrten habe sich aber seit der Schließung der Regionalbüros nichts geändert; nur der Ausgangspunkt der Fahrten sei geändert worden.
83Vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2015– C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 30 bis 34, m. w. N.
84Diese Argumentation zugrunde gelegt,
85kritisch (nur) zu dieser Begründung Schlottfeldt, Anmerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 –, ZESAR 2016, 174 f., der der Argumentation des Gerichtshofs entgegenhält, dass mit ihr auch Fahrten von der Wohnung zu einer festen Betriebsstätte, also reine Wegezeiten, als „notwendiges Mittel“ zur Arbeitsleistung qualifiziert werden könnten, dass die Begründung, Fahrzeiten müssten begrifflich Arbeitszeit sein, weil die Nichtbewertung als Arbeitszeit eine Begriffsverfälschung wäre, tautologisch sei und dass es schließlich auch nicht überzeuge, den Aspekt auszublenden, dass für die betroffenen Arbeitnehmer nach der Rationalisierungsmaßnahme die täglichen Fahrzeiten zwischen Wohnung und Regionalbüro entfallen seien,
86stellen sich auch die Fahrten des Klägers zu dem zu prüfenden Unternehmen und von diesem zurück ungeachtet ihrer zeitlichen Lage inner- oder außerhalb der regulären täglichen Arbeitszeit vollständig als Ausübung der Tätigkeit bzw. Aufgabenwahrnehmung dar, weil sie „das notwendige Mittel“ dafür sind, dass der Kläger seine Prüfungstätigkeit erbringen kann. Ob die ferner aufgestellte Behauptung des Gerichtshofs, die Rationalisierungsmaßnahme habe das Wesen der Fahrten nicht verändert, im Falle des Klägers dazu führen könnte, das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals dennoch zu verneinen, kann hier offenbleiben, weil insoweit ersichtlich lediglich ein die tragende Argumentation bestätigendes und verstärkendes Begründungselement vorliegt („im Übrigen“, juris, Rn. 33).
87c) Der „zweite Bestandteil des Begriffs 'Arbeitszeit'“ i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG, wonach der Arbeitnehmer während dieser Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss, liegt hier hingegen nicht vor.
88Ein Arbeitnehmer steht seinem Arbeitgeber nur dann zur Verfügung, wenn er sich in einer Lage befindet, in der er rechtlich verpflichtet ist, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben. Entscheidend ist der Umstand, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistung erbringen zu können. Kann der Arbeitnehmer hingegen ohne größere Zwänge über seine Zeit verfügen und seinen eigenen Interessen nachgehen, so spricht dies dafür, dass der betrachtete Zeitraum keine Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88/EG ist.
89Vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2015 – C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 35 bis 37.
90Gemessen an diesen Vorgaben, die das Anlegen eines wertenden Gesamtmaßstabs verlangen und nach denen es entscheidend auf den Grad und die Art der rechtlichen Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber in der konkreten Situation ankommt,
91vgl. Stiebert, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 10. September 2015 – C-266/14 –, EuZW 2015, 794 f.; ferner Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 11. Juni 2015 – C-266/14 –, juris, Rn. 43 f., der darauf abstellt, dass die Wegstrecken und Entfernungen, die zurückgelegt werden müssten, ausschließlich vom Willen des Arbeitgebers abhingen und die Arbeitnehmer, wenn sie diese Strecken zurücklegten, der Weisungsgewalt ihres Arbeitgebers unterworfen seien,
92steht der Kläger während der hier in Rede stehenden Fahrzeiten der Beklagten als seiner Arbeitgeberin nicht zur Verfügung.
93Festzuhalten ist insoweit zunächst, dass der Kläger während dieser Fahrten nicht in der Weise den Anweisungen seines Dienstherrn unterlag wie dies für die Arbeitnehmer des von dem Gerichtshof entschiedenen Falls während der Fahrten „Wohnort/Kunden“ gegeben war. Der Gerichtshof hat insoweit darauf abgestellt, dass die Arbeitgeberin die Kundenreihenfolge, also die Reihenfolge der an einem Tag anzufahrenden – mehreren – Orte, ändern oder einen Termin streichen oder hinzufügen konnte. Auch nur annähernd vergleichbaren Einschränkungen unterlag der Kläger nicht. Die Referatsleitung gab ihm lediglich mit einem regelmäßig mehrmonatigen Vorlauf, aber niemals taggenau vor, an welchen Prüfungen er mitzuwirken hatte. Im Rahmen dieser Vorgaben konnte er – jeweils in Abstimmung mit den Kollegen der Landesfinanzverwaltung und im Falle eigenständiger Übernahme einzelner Prüffelder auch in Absprache mit den Unternehmen (vgl. die Angaben des Klägers in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2020, S. 3 des Protokolls, dritter und fünfter Absatz) – selbst bestimmen, welches Unternehmen er in welcher Woche bzw. an welchem Tag prüfen wollte und wie sich die jeweilige Prüfung in zeitlicher Hinsicht gestalten sollte. Die wegen der Mitwirkungsfälle (nach Angaben des Klägers im Jahresdurchschnitt sieben) veranlassten Dienstreisen plante er, auch wasderen zeitliche Lage anging, eigenverantwortlich. Zudem konnte er selbst entscheiden, welcher Verkehrsmittel er sich hierfür bediente. Er konnte also insbesondere frei zwischen der Nutzung des eigenen Kfz und der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel wählen. Dass eine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der mitzuführenden Gegenstände dem Kläger auch unter Verwendung des dienstlich gestellten Trolleys und/oder eines Rollkoffers nicht möglich gewesen sein könnte, ist nicht erkennbar. Einer entsprechenden Annahme steht bereits der unwidersprochene Vortrag der Beklagten entgegen, dass viele andere Kollegen des Klägers, auch solche des Bundesbetriebsprüfungsdienstes, öffentliche Verkehrsmittel nutzten, um die auswärtigen Tätigkeitsstätten zu erreichen.
94Der Kläger hatte während der Fahrzeiten auch die Möglichkeit, ohne größere Zwänge bzw. frei
95– vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2015 – C-266/14 – (Federación de Servicios Privados des sindicato Comisiones obreras), juris, Rn. 37 bzw. Rn. 39, letzter Satz –
96über seine Zeit zu verfügen und seinen eigenen Interessen nachzugehen. Das ergibt sich schon aus dem bereits dargelegten Umstand, dass der Kläger die entsprechenden Fahrten, die er (ggf. zur Vermeidung von Hotelübernachtungen) außerhalb der regulären täglichen Arbeitszeit gelegt hat, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – namentlich mit der Bahn – hätte zurücklegen können. Während solcher Fahrten wird ein Arbeitnehmer aber nicht, jedenfalls nicht nennenswert, beansprucht.
97Vgl. Schlottfeldt, Anmerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 –, ZESAR 2016, 173 ff. (175).
98Er kann vielmehr ungestört eigenen Interessen nachgehen, insbesondere ausruhen, privat kommunizieren, lesen oder Musik hören. Dies galt auch für den Kläger. Unabhängig davon konnte dieser auch dann, wenn man auf die von ihm tatsächlich unternommenen, mit dem privaten Kfz bewältigten Fahrten abstellt, ohne größere Zwänge über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Zwar war er insoweit durch die – autonom gewählte, nicht zwingende – Fahrtätigkeit gefordert. Er konnte aber ebenfalls – mittels Freisprechanlage – privat kommunizieren oder Radio bzw. Musik oder Hörbücher hören und hatte zudem, anders als die Arbeitnehmer in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall, jederzeit die Möglichkeit, die Fahrt auch für eigene Zwecke zu nutzen, z. B. für Besorgungen oder Besuche.
99d) Mit Blick darauf, dass der „zweite Bestandteil des Begriffs 'Arbeitszeit'“ i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG hier nicht gegeben ist, die drei Bestandteile aber sämtlich vorliegen müssen, damit das Vorliegen von Arbeitszeit bejaht werden kann, muss der Senat nicht mehr entscheiden, ob die Voraussetzungen nach dem „dritten Bestandteil des Begriffs 'Arbeitszeit'“ i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG, vorliegen, wonach der Arbeitnehmer während der betrachteten Zeitspanne arbeiten muss.
100V. Der Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich folgt auch nicht aus demunionsrechtlichen Haftungsanspruch für Schäden, die dem Einzelnen durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entstanden sind.
101Zu diesem Haftungsanspruch und seinen Voraussetzungen allgemein vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 – C-429/09 – (Fuß), juris, Rn. 45 ff., und BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 – 2 C 40.17 –, juris, Rn. 30, m. w. N.
102Danach besteht ein Entschädigungsanspruch, wenn ein Verstoß gegen eineunionsrechtliche Norm vorliegt, diese Norm die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
103Vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010– C-429/09 – (Fuß), juris, Rn. 47, m. w. N.
104Hier fehlt es bereits an einem Verstoß gegen eine unionsrechtliche Norm. Die lediglich begrenzte Anerkennung der außerhalb der regulären täglichen Arbeitszeit angefallenen Fahrzeiten des Klägers nach Maßgabe des § 11 AZV a. F. hat Art. 2 RL 2003/88/EG nämlich nicht verletzt. Zur Begründung verweist der Senat zur Meidung unnötiger Wiederholungen auf seine Ausführungen unter IV., namentlich unter IV. 2. c).
105VI. Ein Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich für die das Jahr 2016 betreffend geltend gemachten Fahrzeiten lässt sich schließlich auch nicht aus der Pflicht des Dienstherrn zur Fürsorge für seine Beamten nach § 78 Satz 1 BBG ableiten.
106Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Er hat den Beamten im Hinblick auf dessen amtliche Tätigkeit und in Bezug auf seine Stellung und seinen Status als Beamter zu schützen. Ein unmittelbarer Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Besonderheiten des Einzelfalles es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen und eine Nichtgewährung der begehrten Maßnahme ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechen würde bzw. mit anderen Worten, wenn die Fürsorgepflicht ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern können nur (andauernde) unzumutbare Belastungen des Beamten verletzen.
107Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003– 2 C 28.02 –, juris, Rn. 16, m. w. N., sowie OVG NRW, Urteil vom 27. April 2017 – 1 A 2064/14 –, juris, Rn. 56 f., und Beschluss vom 7. April 2022 – 1 A 392/18 –, juris, Rn. 15 f., jeweils m. w. N.
108Eine solche Verletzung kann u. a. auch dann vorliegen, wenn der Dienstherr den Beamten durch nicht als Dienstzeit angerechnete Reisezeiten so (wiederholt) zeitlich in Anspruch nimmt, dass die Grenze des ohne Ausgleich Hinzunehmenden unzumutbar überschritten wird, also ein aus Fürsorgegründen ausgleichsbedürftiges Missverhältnis zwischen Dienstzeit und Freizeit vorliegt. Die Frage, ob dies der Fall ist, darf – entgegen der Ansicht der Beklagten – allerdings nicht schon anhand eines Durchschnittswertes einer zeitlichen Belastung beurteilt werden, der auf der Grundlage eines längeren Zeitraums berechnet wird. Mit der – letztlich beliebigen – Festlegung eines längeren Zeitraums können nämlich erhebliche Belastungsspitzen rechnerisch gleichsam zum Verschwinden gebracht werden. Maßgeblich wird ausgehend von § 88 BBG daher vielmehr das Ausmaß der Reisezeiten während eines Monats zu sein haben. Die Bewertung der in einem Monat zu konstatierenden zeitlichen Inanspruchnahme des Beamten darf dabei an der Wertung des § 88 BBG orientiert werden und unter Berücksichtigung der Regelungen des § 11 AZV erfolgen. Zunächst darf daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein voller Ausgleich aller nicht als Dienstzeit angerechneten Reisezeiten naturgemäß nicht in Betracht kommt und Beamte gemäß § 88 Satz 2 BBG sogar bis zu fünf Stunden (echte) Mehrarbeit im Monat ohne Anspruch auf Ausgleich leisten müssen, wobei eine Beanspruchung durch die Reisezeiten in aller Regel geringer wiegt als die Beanspruchung im Falle voller Dienstleistung. Ferner darf grundsätzlich berücksichtigt werden, dass Reisezeiten, die innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit anfallen, nach § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AZV a. F. als Arbeitszeit berücksichtigt – also voll angerechnet – werden, obwohl der Beamte während dieser Zeit nicht der vollen Beanspruchung durch den vorgeschriebenen Dienst ausgesetzt ist, und dass § 11 Abs. 3 AZV a. F. einen gewissen Ausgleich solcher Reisezeiten ermöglicht, die nach den übrigen Regelungen des § 11 AZV a. F. nicht anrechenbar sind.
109Zum Ganzen vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1987 – 2 C 14.85 –, juris, Rn. 26 f.
110Gemessen an diesen Vorgaben ist nicht erkennbar, dass der Kläger durch den in Rede stehenden Zeitaufwand für Fahrten außerhalb der Regelarbeitszeit in dem das Jahr 2016 betreffenden Streitzeitraum unzumutbaren Belastungen ausgesetzt gewesen wäre. Nach seiner Auflistung hat die monatliche „Summe nicht anerkannter Stunden“, die sich augenscheinlich aus der jeweiligen Summe der Beträge „nicht anerkannte Arbeitszeit“ und „Fahrzeiten Hotel – Firma“ zusammensetzt, in den Monaten Januar bis Juni 2016 8,82 Stunden, 15,97 Stunden, 2,63 Stunden, 10,47 Stunden, 3,85 Stunden bzw. 5,72 Stunden betragen. In der Hälfte dieser Monate lag die behauptete monatliche Belastung daher schon unter bzw. nur geringfügig über dem sich aus § 88 Satz 2 BBG ergebenden Parameter. Auch die angegebene Belastung in den verbleibenden Monaten Januar (8,82 Stunden), Februar 2016 (15,79 Stunden) und April 2016 (10,47 Stunden) erlaubt noch nicht die Annahme einer fürsorgepflichtwidrigen, den Freizeitanspruch des Klägers aushöhlenden zeitlichen Inanspruchnahme. Diese Bewertung wird schon von der Überlegung getragen, dass der Kläger durch die fraglichen, weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht überhaupt als Arbeitszeit zu qualifizierenden (s. o.) Reisezeiten bei weitem nicht so in Anspruch genommen worden ist wie durch seine Prüfertätigkeit. Weitere Gesichtspunkte treten, ohne dass es hier noch darauf ankäme, hinzu. So sind dem Kläger insoweit zunächst die Reisekosten erstattet worden und ist in den Reisezeiten auch ein fiktiver, für den Kläger nicht anfallender Anteil an Wegezeiten enthalten. Außerdem hat die Anwendung weiterer Regelungen des § 11 AZV a. F. zu einem gewissen Ausgleich der geklagten Belastungen geführt. So sind innerhalb der Regelarbeitszeit anfallende Reisezeiten des Klägers nach § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AZV a. F. bereits – vollständig – als Arbeitszeit berücksichtigt worden, obgleich insoweit kein (ihn stärker belastender) Volldienst erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Kläger von der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AZV a. F. profitiert, nach der bei ganz- oder mehrtägigen Dienstreisen die regelmäßige Arbeitszeit des jeweiligen Tages als geleistet gilt. In Anwendung dieser Vorschrift hat die Beklagte ihm nämlich – unstreitig und, entgegen der Ansicht des Klägers, auch frei von Rechtsfehlern – an Tagen einer Dienstreise auf dem Gleitzeitkonto pauschal 8,5 Stunden (Montag bis Donnerstag) bzw. 7 Stunden (Freitag) gutgeschrieben und dies damit auch dann getan, wenn der Kläger tatsächlich nur eine hinter diesen Beträgen zurückbleibende Zeitspanne von seiner Wohnung abwesend war und keinen weiteren Dienst in der Wohnung geleistet hat. Schließlich ist in die Bewertung, ob eine fürsorgepflichtwidrige Inanspruchnahme vorliegt, noch einzustellen, dass § 11 Abs. 3 AZV a. F. bei sonst nicht anrechenbaren Reisezeiten von mehr als 15 Stunden im Monat einen begrenzten Ausgleich ermöglicht hat, auch wenn dieser mögliche Ausgleich sich hier aus tatsächlichen Gründen auf den Monat Februar 2016 beschränkte und sich dabei nur auf 0,1975 Stunden (11,85 Minuten) belaufen konnte.
111B. Die zulässige, innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht eingelegte und unter Beifügung eines bestimmten Antrags begründete Anschlussberufung des Klägers (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO) ist insgesamt unbegründet. Dem Kläger stehen die behaupteten, im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machenden
112– vgl. Nds. OVG, Urteil vom 16. April 2024– 5 LC 35/21 –, juris, Rn. 51 –
113Ansprüche nicht zu. Er hat zunächst keinen Anspruch auf „Verpflichtung“ der Beklagten zur Gewährung von Freizeitausgleich für die geltend gemachten Fahrzeiten im Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 (Hauptantrag) oder auch nur zu einer „Neubescheidung“ seines entsprechenden – und damit nur den vorgenannten Zeitraum betreffenden – Antrags zu (Nr. 1 des Hilfsantrags), dazu nachfolgend I. Ferner kann er auch nicht mit Erfolg beanspruchen, dass die Beklagte „verpflichtet“ wird, über seinen Antrag auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Fahrten von seiner Wohnung zu Referatsbesprechungen in L. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Nr. 2 des „Hilfsantrags“; dazu II.).
114I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 begehrten Freizeitausgleich für die nach dem Hauptantrag in Rede stehenden Fahrzeiten im Umfang von 342,53 Stunden, die sich nach der mit der Klageschrift eingereichten Tabelle allein aus den Posten „nicht anerkannte Arbeitszeit“ und „Fahrzeiten Hotel – Firma“ zusammensetzen, aber nicht auch die grau unterlegten Zeiten für Tagungen, Referatsbesprechungen und „Krankheit“ erfassen, oder auch nur auf entsprechende „Neubescheidung“. Diesem Anspruch steht entgegen, dass die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt sind. Die Fahrzeiten sind unionsrechtlich und nach Bundesrecht schon keine Arbeitszeit und haben bundesrechtlich, nämlich nach der danach allein zu beachtenden Maßgabe des § 11 AZV a. F., unstreitig bereits Berücksichtigung gefunden. Zur Begründung nimmt der Senat insoweit auf die obigen Ausführungen unter dem Gliederungspunkt A. Bezug. Auch folgt der Anspruch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, weil dessen Wesenskern durch die behauptete zeitliche Inanspruchnahme im Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nicht verletzt ist. In diesen 41 Monaten ist es, das Zahlenwerk des Klägers als richtig unterstellt, überhaupt nur in sechs Monaten zu einer Überschreitung des einen Ausgleich nach § 11 Abs. 3 AZV a. F. ermöglichenden Stundenwerts gekommen (August 2012: 17,80 Stunden; Oktober 2012: 23,52 Stunden; Januar 2014: 20,45 Stunden; Oktober 2014: 17,75 Stunden; November 2015: 16,05 Stunden; Dezember 2015: 17,31 Stunden). Im Übrigen lag die geklagte Belastung nur einmal bei 14,04 Stunden (Dezember 2013), fünfmal geringfügig über zehn Stunden (Februar 2013, Juni 2014 sowie März, Mai und Oktober 2015) und im Übrigen– bei zwei Minusbeträgen (August und Dezember 2014) – klar im einstelligen Bereich, dabei elfmal unter oder um fünf Stunden. Diese Belastungen erweisen sich bei einer Gesamtbetrachtung, in die alle oben genannten Aspekte eingestellt werden, weder für sich genommen noch in ihrer Summe als eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht.
115Vor diesem Hintergrund muss der Senat nicht entscheiden, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, der behauptete Anspruch scheitere insoweit daran, dass der Kläger eine rechtswidrige Zuvielarbeit gegenüber der Beklagten erst mit seinem Antrag vom 1. Dezember 2015 gerügt habe. Es kann daher offenbleiben, ob eine solche Rüge, wie der Kläger meint, bereits in seinem an den damaligen Präsidenten des BZSt gerichteten Schreiben vom 11. Juli 2012 liegt, mit dem er zwar im wesentlichen seine Enttäuschung über den bisherigen Austausch mit der Behördenleitung während der Gleitzeit-Pilotphase zum Ausdruck bringen und einen (aus seiner Sicht: besseren) Austausch anregen wollte (vgl. den ersten und den letzten Absatz des Schreibens), aber zumindest auch die mangelnde Anerkennung seiner Fahrzeiten außerhalb der Regelarbeitszeit kritisiert hat (S. 2, drittletzter und letzter Absatz, und S. 3, dritt- und zweitletzter Absatz).
116Zu der Erforderlichkeit einer schriftlichen zeitnahen Geltendmachung und den insoweit geltenden – geringen – Anforderungen (Äußerung in jeder beliebigen Textform, aus der sich ergibt, dass der Beamte mit der jeweiligen Situation– hier dem Umfang der Arbeitszeit – nicht einverstanden ist) allgemein: BVerwG, Urteile vom 20. Juli 2017 – 2 C 31.16 –, juris, Rn. 46 f., vom 17. Februar 2022 – 2 C 5.21 –, juris, Rn. 24 f., und vom 13. Oktober 2022 – 2 C 24.21 –, juris, Rn. 30 f.
117II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf „Verpflichtung“ der Beklagten, über seinen Antrag auf Gewährung weiteren Freizeitausgleichs für die Fahrten von seiner Wohnung zu Referatsbesprechungen in L. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Nr. 2 des „Hilfsantrags“), der sich ausweislich der der Klageschrift beigefügten Tabelle für den hier wohl maßgeblichen Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 30. Juni 2016 auf 7,80 Stunden beläuft (Summe der von dem Kläger wegen der Termine vom 30. Oktober 2013, vom 11. Februar 2014 bis zum 13. Februar 2014, vom 16. September 2014 bis zum 18. September 2014, vom 10./11. Dezember 2014, vom 6./7. Oktober 2015 und vom 1. März 2016 angesetzten Stundenwerte). Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sind hier nämlich nicht erfüllt.
1181. Das gilt zunächst, wie sich schon aus den entsprechenden, hier in Bezug genommenen Ausführungen des Senats unter A. I., II., III. und VI. ergibt, für die hier zu bedenkenden Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts, d. h. für § 88 Satz 2 BBG, für § 11 AZV a. F., für den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch und für den Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Namentlich hat der Senat bereits unter A. III. 2. näher ausgeführt, dass Zeiten der Fahrten von der Privatwohnung zum Dienst an der Dienststelle und zurück klassische Wegezeiten sind, bei denen es sich nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weder dem Inhalt noch der Intensität nach um Dienst handelt; hierauf wird Bezug genommen.
1192. Die nach dem Klägervortrag außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit angefallenen Zeiten für Fahrten des Klägers zu Referatsbesprechungen, also für dessen Fahrten zwischen seinem Wohnsitz Z.in und seiner Dienststelle in L., können auch nicht auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs ausgeglichen werden, weil dessen Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind. Diese Fahrzeiten sind nämlich schon keine Arbeitszeit i. S. v. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG. Der Kläger steht der Beklagten während dieser Fahrten ersichtlich nicht in Sinne dieser Norm zur Verfügung, weil er insoweit keinen Weisungen der Beklagten unterliegt, sondern die Fahrten selbstbestimmt gestalten kann.
120Dazu, dass reine Wegezeiten zwischen dem Wohnsitz und einer festen Dienststelle auch in Ansehung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 – keine Arbeitszeit darstellt, vgl. Stiebert, Anmerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 – C-266/14 –, EuZW 2015, 795.
121Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Nicht zu entscheiden war aufgrund insoweit bereits eingetretener Rechtskraft über die Kosten des Klagebegehrens, das auf die Gewährung von Freizeitausgleich für Fahrzeiten in Bezug auf Lehrgänge und Tagungen 2012 bis 2015 gerichtet gewesen ist (9,06 Stunden). Der Kläger hat insoweit nämlich ausweislich seiner formulierten Anträge keine Anschlussberufung eingelegt.
122Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
123Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Der fallübergreifenden Rechtsfrage, ob Reisezeiten, wie sie hier in Rede stehen, bundesrechtlich bzw. unionsrechtlich als Arbeitszeit zu qualifizieren und daher durch die Gewährung von Freizeit auszugleichen sind, kommt – auch nach Änderung des § 11 AZV a. F. – mit Blick auf den entsprechenden Vortrag der Beklagten Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen zu. Diese hat nämlich mit Schriftsatz vom 11. September 2017 zwar (noch) nicht durch Zahlen untermauert, aber bereits ohne weiteres nachvollziehbar vorgetragen, dass sie nach der Veröffentlichung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 10. September 2015 „zahlreiche Anträge auf Arbeitszeitanrechnung, vorwiegend von Beschäftigten des Betriebsprüfungsaußendienstes, erreicht“ hätten. Diesen Vortrag hat sie zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch die Angabe konkretisiert, dass noch Anträge von 511 Bundesbetriebsprüfern (davon 138 im Ruhestand befindlich) auf Freizeitausgleich für vergleichbare Fälle mit einem Umfang von (insgesamt) 270.000 Stunden bei ihr anhängig seien.