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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 78 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 AsylG genannten Zulassungsgründe den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt wird und vorliegt. Daran fehlt es hier. Die Berufung ist nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte und in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen bedarf es neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- oder Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2022 ‑ 1 B 9.22 ‑ juris Rn. 21 ff. (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2022 ‑ 19 A 2155/22.A ‑ juris Rn. 5, vom 19. September 2022 ‑ 19 A 1798/22.A ‑ juris Rn. 5, jeweils m. w. N.
6Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. April 2020 ‑ 19 A 3476/18.A ‑, juris Rn. 7, vom 12. März 2020 ‑ 19 A 4739/19.A ‑, juris Rn. 27, jeweils m. w. N.
8Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. Die formulierte Frage,
9„ob Juristen, gerade auch Anwälte – insbesondere mit Zugehörigkeit der pamirischen Minderheit ‑ durch die Willkür des tadschikischen Staates an Leib und Leben gefährdet sind, weil Ihnen Haft und Folter droht ‑ insbesondere mit Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Kommission 44“,
10ist sowohl in ihrem Wortlaut als auch unter Berücksichtigung der übrigen Zulassungsbegründung unklar und damit nicht klärungsfähig. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zur pamirischen Minderheit ist das Vorbringen widersprüchlich, da im Zulassungsantrag direkt im Anschluss an die Fragestellung ausgeführt wird, dass dem Kläger „nicht die Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur pamirischen Minderheit, sondern aufgrund seiner Stellung und seiner Berufung als Anwalt“ drohe. Ferner bleibt unklar, ob die Fragestellung auf alle Juristen (nicht nur Anwälte) oder nur auf Anwälte mit bestimmten Tätigkeitsfeldern ‑ nämlich im Zusammenhang mit der Kommission 44 - abzielt.
11Die Fragestellung führt aber auch dann nicht zur Zulassung der Berufung, wenn die einzelnen enthaltenen Aspekte getrennt betrachtet werden. Soweit die Frage darauf abzielt, dass Juristen oder Anwälte „willkürlich“ und damit unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit mit Repressionen zu rechnen haben, benennt die Zulassungsbegründung bereits keine Erkenntnisquelle, aus der sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine solche generelle Rückkehrgefährdung für Juristen ableiten ließe. Die vom Kläger hierzu zitierte Webseite beschäftigt sich mit bestimmten Einzelfällen, nämlich der Situation eines auf Menschenrechte spezialisierten Anwalts, der im Rahmen der „Kommission 44“ einen Todesfall in Polizeigewahrsam untersuchte, sowie mit der Verurteilung eines Anwalts, der im September 2015 angekündigt hatte, Mitglieder der größten, inzwischen verbotenen Oppositionspartei PIWT zu verteidigen. Beide Fälle lassen keinen Schluss darauf zu, dass Juristen oder Anwälte in Tadschikistan generell mit Verfolgung zu rechnen hätten. Bei dem weiteren Vorbringen, man könne „als Anwalt nicht unbeobachtet arbeiten“, der Kläger werde „bei seiner Rückkehr sofort im Fokus der Behörden stehen“, handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die die oben genannten Darlegungsanforderungen nicht erfüllen.
12Soweit die Frage dagegen konkret (nur) auf Anwälte abzielt, die im Rahmen der „Kommission 44“ tätig geworden sind, ist sie nicht klärungsbedürftig, da sie für die erstinstanzliche Entscheidung nicht von Bedeutung gewesen ist. Die gestellte Frage geht davon aus oder setzt voraus, dass auch der Kläger eine Tätigkeit im Rahmen der „Kommission 44“ ausgeübt hat. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt (vgl. S. 6 ff. des Urteilsabdrucks), dass der Vortrag des Klägers und damit auch die behauptete Tätigkeit in der „Kommission 44“ angesichts mehrerer erheblicher und unauflöslicher Widersprüche und Steigerungen zwischen seinem Vorbringen bei der Bundesamtsanhörung und demjenigen in der mündlichen Verhandlung insgesamt als unglaubhaft anzusehen sei. Diese Würdigung ist vom Kläger nicht mit Zulassungsrügen angegriffen worden.
13Da es sich bei den Ausführungen zur fehlenden Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags um eine selbständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts handelt, ist die aufgeworfene Frage schließlich auch nicht im Hinblick auf die weiteren hilfsweisen Erwägungen des Verwaltungsgerichts klärungsbedürftig, in denen der Vortrag des Klägers beim Bundesamt als wahr unterstellt wird („Aber selbst wenn man davon ausginge…“, vgl. S. 7 f. des Urteilsabdrucks). Wird nämlich eine angefochtene Entscheidung auf mehrere, den Ausspruch jeweils für sich tragende rechtliche Erwägungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser Begründungselemente ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt.
14Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 196 m. w. N.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).