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Zur Frage, ob für den klägerischen Prozessbevollmächtigten eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG anfällt, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zugelassen und der Kläger vollständig obsiegt hat (offengelassen)
Da sich die Bemessung des Streitwerts im Rahmen des § 52 Abs. 1 GKG nach der Bedeutung der Sache für den Kläger richtet, besteht für die Berücksichtigung weiterer Umstände wie etwa der Schwierigkeit des Falls kein Raum.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
2Über die Beschwerde entscheidet die Berichterstatterin als Einzelrichterin, weil auch die angefochtene Streitwertentscheidung durch den Einzelrichter getroffen worden ist (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG).
3Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (sinngemäß) im eigenen Namen eingelegte Beschwerde (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) hat keinen Erfolg.
4Dabei kann offenbleiben, ob sie mit Blick auf § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG bereits unzulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zugelassen. Damit findet die Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG (nur) statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
5Der Wert des Beschwerdegegenstands bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das für den jeweiligen Beschwerdeführer mit der verlangten Änderung des Streitwerts verbunden ist. Dieses Interesse ist konkret und einzelfallbezogen zu ermitteln. Hier ergibt sich dieses Interesse aus dem Zuwachs an erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bei Anhebung des Streitwerts zufließen würden.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2011 – 1 E 684/11 –, juris, Rn. 4; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Januar 2020 – 10 CE 20.60 –, juris, Rn. 12, m. w. N.
7Das Verwaltungsgericht hat für das auf die Aufhebung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. November 2023 gerichtete Klageverfahren einen Streitwert von 2.500 Euro angesetzt. Mit der Streitwertbeschwerdeschrift vom 25. August 2024 macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, es hätte einen Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) zugrunde legen müssen.
8Die streitwertabhängige 1,3-fache Verfahrensgebühr beläuft sich bei einem Streitwert von 2.500 Euro auf 288,60 Euro (vgl. § 13 Abs. 1 RVG i. V. m. Anlage 2 und § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 3100 der Anlage 1). Bei einem Streitwert von 5.000 Euro beträgt sie 434,20 Euro; der Differenzbetrag beläuft sich damit lediglich auf 145,60 Euro. Auch wenn die Umsatzsteuer von 19 % (vgl. § 12 Abs. 1 UStG) in die Berechnung einbezogen würde,
9so etwa Bay. VGH, Beschluss vom 21. Januar 2020 – 10 CE 20.60 –, juris, Rn. 12; anders OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2011 – 1 E 684/11 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.,
10ergäbe sich keine Überschreitung der Wertgrenze von 200 Euro. Bei einem Streitwert von 2.500 Euro ergäbe sich dann ein Betrag von 343,43 Euro und bei einem Streitwert von 5.000 Euro ein Betrag von 516,70 Euro; die Differenz betrüge damit lediglich 173,27 Euro.
11Die für die Beschwerde erforderliche Wertgrenze wäre vorliegend nur dann überschritten, wenn zusätzlich die 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG anfiele. Dies würde (auch bei Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuer) zu einer Gesamt-Gebührendifferenz von über 200 Euro führen (Gebühren in Höhe von 555 Euro bei einem Streitwert von 2.500 Euro und in Höhe von 835 Euro bei einem Streitwert von 5.000 Euro). Wird in einem Verfahren – wie hier – durch Gerichtsbescheid entschieden, fällt die (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG allerdings nur an, wenn eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Da das Verwaltungsgericht vorliegend die Berufung zugelassen hat, stellt sich zum einen die Frage, ob über den Wortlaut des § 84 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hinaus neben der Einlegung der Berufung auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung (nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO analog) hätte gestellt werden können.
12Dies ablehnend etwa Clausing, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 45. EL Januar 2024, § 84 VwGO Rn. 34; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 84 Rn. 19a; a. A. Bamberger, in: Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 84 Rn. 21; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 84 Rn. 33a.
13Zum anderen ist fraglich, ob die gebührenrechtliche Privilegierung nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch dann einschlägig ist, wenn der durch den Anwalt vertretene Beteiligte – wie hier – vollständig obsiegt und ihm mangels Beschwer das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf mündliche Verhandlung fehlen würde.
14Gegen die Anwendbarkeit der Gebührenprivilegierung in diesem Fall: OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 24. Juni 2020 – OVG 3 K 135.19 –, juris, Rn. 3 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 16. August 2018 – 2 OA 1541/17 –, juris, Rn. 10 ff.; a. A. Bay. VGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 – 8 C 18.1889 –, juris, Rn. 15 ff.
15Auf diese Fragen kommt es indes nicht entscheidungserheblich an, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass in Hauptsacheverfahren gegen eine selbständige Abschiebungsandrohung der Streitwert mit der Hälfte des Auffangstreitwerts anzusetzen ist.
16Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2020 – 18 A 1021/19 –, juris, Rn. 7 f.
17Dies entspricht der Empfehlung in Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
18Abrufbar unter https://www.bverwg.de/medien/pdf/streitwertkatalog.pdf, zuletzt abgerufen am 5. Februar 2025.
19Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass, von der Rechtsprechung des Senats abzuweichen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die „existentielle Bedeutung“ für den Kläger bzw. den Grundrechtsbezug des Verfahrens verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass Verfahren, deren Gegenstand eine (selbständige) Abschiebungsandrohung ist, regelmäßig einen Grundrechtsbezug aufweisen. Auch der Einwand, dem Erlass der Abschiebungsandrohung habe ein noch laufendes Asylverfahren bzw. ein Anspruch des Klägers auf eine asylrechtliche Aufenthaltsgestattung entgegengestanden, weshalb auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beizuladen gewesen sei, verfängt nicht. Ob ein Aufenthaltsrecht dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegensteht, ist vielmehr stets zu prüfen.
20Der Prozessbevollmächtigte des Klägers dringt schließlich auch nicht mit dem Vorbringen durch, es hätten sich schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfragen gestellt, die einen überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand nach sich gezogen hätten. Da sich die Wertbemessung allein an der Bedeutung der Sache für den Kläger orientiert (vgl. § 52 Abs. 1 GKG), besteht für die Berücksichtigung weiterer Umstände wie etwa der Schwierigkeit des Falls kein Raum.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. November 2002 – 12 E 864/01 –, juris, Rn. 5, m. w. N.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).