Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren 18 B 74/25 wird abgelehnt.
Der angegriffene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 1939/23 wird hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Dezember 2024 angeordnet.
Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. aus C. bewilligt.
Die Kosten des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in beiden Instanzen trägt der Antragsgegner. Das Beschwerdeverfahren 18 E 44/25 ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden insoweit nicht erstattet.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren 18 B 74/25 auf 1.250,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen (s. I.). Die zulässigen Beschwerden sind begründet, sowohl bezüglich der Ablehnung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (s. II.) als auch hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz (s. III.).
3I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren hat keinen Erfolg. Dies folgt schon daraus, dass der Antragsteller entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO für diesen Rechtszug seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargelegt hat. Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 119 Satz 1 ZPO für jeden Rechtszug gesondert erfolgt, lässt die erstinstanzlich vorgelegte Erklärung diese Pflicht nicht entfallen. Zwar kann ausnahmsweise die Bezugnahme auf eine im früheren Rechtszug ordnungsgemäß abgegebene Erklärung genügen, wenn die Verhältnisse unverändert sind und dies bei der Bezugnahme deutlich gemacht wird.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2016 – 9 PKH 3.16 –, juris, Rn. 1; OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 9 A 4306/18.A –, juris, Rn. 2 f.
5Eine dahingehende Bezugnahme enthält das Beschwerdevorbringen jedoch nicht.
6II. Dem Antragsteller ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. aus C. zu bewilligen.
7Er kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht – auch nicht zum Teil oder in Raten – aufbringen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114, 117 ZPO). Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Prozesskostenhilfeformular (§ 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ZPO) in der Zusammenschau mit dem als Beleg beigefügten Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Insoweit schadet es nicht, dass die Abschnitte E bis J des Prozesskostenhilfeformulars nicht (vollständig) ausgefüllt worden sind. Zwar sieht das Prozesskostenhilfeformular nur vor, dass die Abschnitte E bis J nicht auszufüllen sind, wenn laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezogen werden (vgl. § 2 Abs. 2 PKHFV). Nach der Rechtsprechung des Senats,
8vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2012 – 18 E 871/11 –, juris, Rn. 8 ff.,
9an der er auch in Ansehung die gegenteilige Auffassung vertretender neuerer obergerichtlicher Rechtsprechung,
10vgl. OVG M.-V., Beschluss vom 8. Januar 2024 – 2 O 559/23 OVG –, juris, Rn. 4, m. w. N.,
11festhält,
12vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2025 – 18 E 203/24 –, n. v.,
13ist das Fehlen weiterer Angaben zu diesen Abschnitten im Prozesskostenhilfeformular aber auch dann unschädlich, wenn dem Gericht ohne diese Angaben ohne Weiteres ein verlässlicher Rückschluss auf die Bedürftigkeit des Antragstellers möglich ist. Dies ist hier mit Blick auf den vorgelegten Bescheid über den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz der Fall. Dieser Bescheid ermöglicht – anders als ein Bescheid über eine Leistungsgewährung nach dem SGB II –,
14vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2023 – 12 E 534/23 –, juris, Rn. 10, vom 10. März 2023 – 18 E 14/23 –, juris, Rn. 11, und vom 25. Mai 2016 – 18 A 2206/12 –, juris, Rn. 17 f.,
15in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid über den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII eine Prüfung der finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat eine Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zur Beurteilung der Frage, wann der Einsatz und die Verwertung des Vermögens zumutbar sind, verweist § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf § 90 SGB XII. Diese Vorschrift ordnet indes keinen weitergehenden Vermögenseinsatz an als die für Bezieher von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geltende Vorschrift des § 7 AsylbLG. Im Gegenteil, die Möglichkeiten, während des Bezuges von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Vermögen zu erhalten oder aufzubauen, sind gegenüber den übrigen Sozialhilfesystemen weitgehender eingeschränkt.
16Vgl. Krauß, in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 7 Rn. 42; Korff, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 75. Edition, Stand 1. Dezember 2024, § 7 AsylbLG, Rn. 17 f.; Biedrzynska, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., Stand: 1. Mai 2024, § 7 AsylbLG, Rn. 10 f.; Guido Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 5. EL 2024, § 90 Rn. 19.
17Die nicht mutwillig erscheinende Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
18Hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen.
19Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 175/05 –, juris, Rn. 10, und vom 10. August 2001 – 2 BvR 569/01 –, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2023 – 18 E 339/23 –, juris, Rn. 2 f., und vom 13. April 2018 – 18 E 172/18 –, juris, Rn. 3 f., m. w. N.
20Hiervon ausgehend waren hinreichende Erfolgsaussichten für das erstinstanzliche Verfahren gegeben, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen (s. III.) ergibt. Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers folgt aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 1 ZPO.
21III. Unter Zugrundelegung der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ist die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der unter den Ziffern 2 und 3. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Dezember 2024 verfügten Abschiebungsandrohung anzuordnen.
22Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Ablehnung des Antrags im Wesentlichen ausgeführt, die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus. Sein Aussetzungsinteresse überwiege nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Dezember 2024, denn diese sei rechtmäßig. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 59 Abs. 1 AufenthG, dessen Voraussetzungen vorlägen. Der Antragsteller sei gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, weil er über einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht verfüge. Die gesetzte Ausreisefrist sei angemessen. Der Abschiebung stünden weder zielstaats- noch inlandsbezogene Abschiebungsverbote entgegen. Hinsichtlich des Nichtvorliegens zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote bezüglich Tadschikistan nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sei die Ausländerbehörde gemäß § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) oder des Verwaltungsgerichts gebunden. Zwar werde diese Bindungswirkung durch Art. 4, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) sowie Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG insoweit überlagert, als die Ausländerbehörde vor Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG sich der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu vergewissern habe. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Oktober 2024 – C-156/23 – sei es Betroffenen zu ermöglichen, sich auf jede eingetretene Änderung der Umstände zu berufen, die insbesondere in Anbetracht von Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG erheblichen Einfluss auf die Beurteilung der Situation des Drittstaatsangehörigen haben könne. Ausgehend davon sei der Antragsgegner gemäß § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes in dessen Bescheid vom 1. Oktober 2024 „über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG“ gebunden. Darin habe das Bundesamt das mit Bescheid vom 3. Januar 2018 festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG widerrufen, festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliege, und die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Veränderte Umstände oder neue Gesichtspunkte, die mit Blick auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung auch durch die Ausländerbehörde zu berücksichtigen wären, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Abschiebungsandrohung stünden auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse einschließlich des Kindeswohls, familiärer Bindungen und des Gesundheitszustands des Antragstellers entgegen.
23Über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der unter den Ziffern 2. und 3. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Dezember 2024 verfügten Abschiebungsandrohung entscheidet der Senat aufgrund einer Folgenabwägung.
24Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und das in Art. 47 GrCh enthaltene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verlangen, dass die Gerichte den betroffenen Rechten tatsächliche Wirksamkeit verschaffen. Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als (potentiell) verletzt behaupteten Rechts, hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des Schutzes vor einer gegen Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 GrCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen, da dieser in besonderer Weise der Sicherung grundrechtlicher Freiheit dient. Dabei dürfen Entscheidungen zwar grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden und die vorzunehmende Interessenabwägung darf in erster Linie an der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts orientiert werden. Strengere Anforderungen gelten jedoch, wenn – wie im vorliegenden Fall einer geplanten Abschiebung des Antragstellers nach Tadschikistan, dessen (Strafverfolgungs-)Behörden Kenntnis von seiner (früheren) Mitgliedschaft und Unterstützung des IS haben – ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegebenenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die in solchen Fällen durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 GrCh im Falle einer Orientierung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache gebotene abschließende (und nicht nur summarische) Prüfung der Sach- und Rechtslage,
25vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. Dezember 2024 – 2 BvR 1341/24 –, juris, Rn. 8 bis 12; s. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 –C-181/16 –, juris, Rn. 52 bis 56,
26ist vorliegend schon mit Rücksicht auf die offenen Erfolgsaussichten im Asylklageverfahren 10 K 3075/24.A gegen die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes mit Bescheid vom 1. Oktober 2024 nicht möglich.
27Ob dem Antragsteller bei einem Vollzug der angefochtenen Abschiebungsandrohung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Art. 19 Abs. 2 GrCh, Art. 3 EMRK) droht und damit ein zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führendes Abschiebungsverbot i. S. d. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, erscheint offen bzw. ist nicht hinreichend sicher auszuschließen.
28Wie die Beschwerdebegründung vorbringt, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den (Widerrufs-)Bescheid des Bundesamts vom 1. Oktober 2024 mit Beschluss vom 13. November 2024 – 10 L 938/24.A – zwar den Antrag im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung mit der Begründung abgelehnt, dass zu diesem Zeitpunkt eine Abschiebungsandrohung noch nicht existierte. Es hat jedoch zugleich die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen den Widerruf der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG als offen beurteilt. Der Antragsgegnerin jenes Verfahrens lägen zwar nunmehr Erkenntnisse vor, die es nahelegten, dass die Voraussetzungen dieses Abschiebungsverbots nicht mehr vorlägen. So habe das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Tadschikistan dem Auswärtigen Amt per Verbalnote eine Zusicherung der dortigen Generalstaatsanwaltschaft vom 1. August 2024 in Bezug auf die Behandlung des Antragstellers übersandt. Ebenso liege mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 19. September 2024 eine Bewertung dieser Zusicherung vor. Gleichwohl erscheine es nicht zweifelsfrei, ob die Faktoren, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots führten, nun als dauerhaft beseitigt angesehen werden könnten. Diese Zweifel resultierten daraus, dass die Zusammenarbeit der tadschikischen Regierung mit Deutschland im Sicherheitsbereich noch auf keine Bewährung in der Praxis verweisen könne. Ebenso wenig gebe es Erkenntnisse darüber, ob und wie die Zusicherung auch durch den tadschikischen Geheimdienst, der an einer intensiven Befragung des Antragstellers interessiert sein dürfte, eingehalten werde. Referenzfälle, die insoweit eine Sicherheit vermitteln könnten, seien offenbar (noch) nicht bekannt. Zudem liege bislang keine verbindliche Zusicherung des Inhalts vor, dass Mitarbeitern der Deutschen Botschaft, Anwälten des Antragstellers oder bspw. Vertretern von Menschenrechtsorganisationen auch während einer zu erwartenden Haftzeit uneingeschränkt Zugang zum Antragsteller gewährt werde. Auch wenn sich die tadschikische Regierung bei Wünschen der deutschen Botschaft in Duschanbe nach Haftbesuchen bislang kooperativ gezeigt und diese gewährt habe, könnten weitere aktuelle Zusicherungen für eine bessere Absicherung sorgen und daher noch ergänzend vorgesehen werden.
29Hält der insoweit zur Entscheidung über den Widerruf der mit Bescheid des Bundesamtes vom 3. Januar 2018 getroffenen Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG berufene Asylspruchkörper des Verwaltungsgerichts die Erfolgsaussichten der diesbezüglichen Klage im Verfahren 10 K 3075/24.A für offen, weil nicht zweifelsfrei sei, ob dem Antragsteller in Tadschikistan im Strafvollzug eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 GrCh, Art. 3 EMRK) droht, geht im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die allgemeine Interessenabwägung in der vorliegenden speziellen Fallkonstellation, in der beim Verwaltungsgericht parallel sowohl das genannte asylrechtliche als auch das ausländerrechtliche Klageverfahren 8 K 3786/24 gegen die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung vom 12. Dezember 2024 mit der rechtlich relevanten Frage des Vorliegens eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG anhängig sind, zu Gunsten des Antragstellers aus. Sollte nämlich die asylrechtliche Klage 10 K 3075/24.A Erfolg haben und zur Aufhebung des im Bescheid des Bundesamtes vom 1. Oktober 2024 verfügten Widerrufs des in dem Bescheid des Bundesamtes vom 3. Januar 2018 festgestellten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG für die Republik Tadschikistan führen, verbliebe es bei dem vom Bundesamt mit Bescheid vom 3. Januar 2018 festgestellten Abschiebungsverbot. Dies hätte gleichzeitig zur Folge, dass sich die hier streitgegenständliche Abschiebungsandrohung als rechtswidrig erwiese.
30Dem Senat ist eine Überprüfung der rechtlichen Einschätzung des für die Entscheidung über den Widerruf allein zuständigen Asylspruchkörpers des Verwaltungsgerichts im asylrechtlichen Verfahren verwehrt. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 GrCh, Art. 19 Abs. 4 GG) hinsichtlich der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung sieht sich der Senat aber – nachdem dem Antragsteller im asylrechtlichen Eilverfahren des Verwaltungsgerichts 10 L 938/24.A Rechtsschutz trotz Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung und unter (nicht überzeugendem) Verweis (siehe dazu nachfolgend) auf das vorliegende Verfahren versagt worden ist – zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gehalten. Hierdurch wird vermieden, dass der Antragsteller trotz eines möglicherweise (fort-)bestehenden zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG abgeschoben wird bzw. worden ist, sollte das beim Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 10 K 3075/24.A anhängige asylrechtliche Hauptsacheverfahren des Antragstellers Erfolg haben. Die Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG bzw. die Vollziehbarkeit des Widerrufsbescheids tritt in dieser besonderen Konstellation insoweit zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 GrCh, Art. 19 Abs. 4 GG) unter Berücksichtigung der Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsgüter (Art. 19 Abs. 2 GrCh, Art. 3 EMRK) zurück.
31Dieses Ergebnis gilt auch in Ansehung der etwaig von dem Antragsteller ausgehenden Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i. S. d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Gemäß Art. 19 Abs. 2 i. V. m. Art. 4 GrCh und nach Art. 3 EMRK ist unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person die Abschiebung oder Auslieferung in einen Staat, in dem für sie die ernsthafte Gefahr der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht, uneingeschränkt verboten.
32Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2024 –C-156/23 –, juris, Rn. 36; BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2023 – 1 B 13.23 –, juris, Rn. 5 bis 8; s. auch EGMR, Urteil vom 14. Januar 2025, Rs. 60811/15 u. a., Rn. 116.
33Soweit das Verwaltungsgericht im asylrechtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes innerhalb der Folgenabwägung auf die Möglichkeit der nachgelagerten (aufenthaltsrechtlichen) Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG und damit eines möglichen Verstoßes gegen Art. 3 EMRK abstellt, übersieht es, dass auch die neuere Rechtsprechung des EuGH einschließlich des Urteils vom 17. Oktober 2024 – C-156/23 – jedenfalls nichts dafür hergibt, den Rechtsschutz aus dem noch laufenden asylrechtlichen Rechtsschutzverfahren hinaus in das aufenthaltsrechtliche Verfahren zu verlagern und den Antragsteller im Rahmen der Folgenabwägung darauf zu verweisen, er könne Rechtschutz noch in einem solchen Verfahren erlangen.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG sowie § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
35Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 18 B 74/25 beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der ständigen Praxis des Senats in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsandrohung.
36Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2024 – 18 B 1316/23 –, juris, Rn. 49 f., vom 7. Januar 2021 – 18 B 1498/20 –, juris, Rn. 7 bis 9.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).