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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert innerhalb der Gruppe der ausreisepflichtigen Ausländer hinsichtlich des Vorliegens eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus fiskalischen Gründen grundsätzlich keine weitere Differenzierung nach den Gründen für den Bezug öffentlicher Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde mit dem Antrag,
3unter Abänderung des Beschlusses vom 28. Januar 2025 die aufschiebende Wirkung der Klage (7 K 2147/24) gegen die in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2024 enthaltene Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin wiederherzustellen und hinsichtlich der in Ziffer 3. verfügten Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.
6Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung – soweit für das Beschwerdevorbringen von Relevanz – im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2024 sei unbegründet. Die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. November 2024 vorgenommene Anordnung der sofortigen Vollziehung sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden und insbesondere i. S. v. § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet worden. In materieller Hinsicht überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung von Ziffer 1. der Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2024 das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis sei voraussichtlich rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Verkürzung (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) seien erfüllt. Mit der Wiederherstellung der Reisefähigkeit der Antragstellerin sei eine wesentliche Voraussetzung für die zuletzt auf der Grundlage von § 25 Abs. 5 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis entfallen. Die Ausreise der Antragstellerin sei auch nicht aufgrund des Bestehens eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der aufgrund ihrer Krankheit bestehenden Betreuungsbedürftigkeit durch ihre Angehörigen (weiterhin) auf unabsehbare Zeit rechtlich unmöglich, da den Angehörigen eine gemeinsame Ausreise mit der Antragstellerin zumutbar sei. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) bei der Verkürzungsentscheidung seien nicht erkennbar. Es bestehe auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis, das über jenes Interesse hinausgehe, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertige. Die Antragstellerin habe ihren Lebensunterhalt seit ihrer Einreise durchgehend durch den Bezug von Sozialleistungen bestritten. Aufgrund ihrer fortbestehenden Erkrankung sei die Annahme gerechtfertigt, dass sie bei einem fortdauernden Aufenthalt in Deutschland bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis am 3. November 2025 auch weiterhin darauf angewiesen sein werde, ihren Lebensunterhalt durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu decken. Der dagegen vorgebrachte Einwand der Antragstellerin, es sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung arbeitsunfähig sei, greife nicht durch. Ausreichend für die Begründung des öffentlichen Vollziehungsinteresses sei allein die Tatsache des Bezugs von öffentlichen Leistungen. Auf die dahinterstehenden Gründe komme es nicht an.
7Dem setzt die Beschwerdebegründung nichts Durchgreifendes entgegen.
8Der Einwand der Antragstellerin, es liege kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verkürzung der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnis vor, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug vorliegend darin begründet ist, dass die Antragstellerin zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf den Bezug öffentlicher Leistungen angewiesen ist und aufgrund ihrer fortbestehenden Erkrankung voraussichtlich auch in Zukunft sein wird.
9Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Mai 2019 – 18 B 176/19 –, juris, Rn. 12 ff., vom 5. August 2009 – 18 B 331/09 –, juris, Rn. 15, und vom 19. Mai 2009 – 18 B 421/09 –, juris, Rn. 24; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 18. Januar 2017 – 7 B 10722/16 –, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 ME 24/14 –, juris, Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. April 2013 – 11 S 581/13 –, juris, Rn. 18; OVG Bremen, Beschluss vom 23. April 2010 – 1 B 44/10 –, juris, Rn. 12.
10Weiter hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass es nicht darauf ankommt, welche Gründe für den Bezug der öffentlichen Leistungen zur Lebensunterhaltssicherung ursächlich sind, so dass die Antragstellerin auch nicht mit der Rüge durchdringt, in ihrem Fall bestehe eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit. Das öffentliche Interesse daran, den aus öffentlichen Mitteln finanzierten Aufenthalt bereits vor Abschluss des – nach den insoweit mit der Beschwerde nicht angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht Erfolg versprechenden – Klageverfahrens gegen die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zu beenden, besteht unabhängig von den individuellen Gründen für den Bezug der öffentlichen Mittel. Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand der Antragstellerin fehl, sie werde wegen ihrer Erkrankung unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz unverhältnismäßig diskriminiert. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert innerhalb der Gruppe der ausreisepflichtigen Ausländer hinsichtlich des Vorliegens eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus fiskalischen Gründen grundsätzlich keine weitere Differenzierung.
11Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. der Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2024 (vgl. S. 13 ff. des angegriffenen Beschlusses unter II.) setzt die Antragstellerin mit der Beschwerdebegründung nichts entgegen.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
13Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).