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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil es aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
3II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
4Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss abzuändern oder aufzuheben.
51. Das Verwaltungsgericht hat – in materieller Hinsicht – entscheidungstragend u. a. ausgeführt, die Voraussetzungen der auf der Rechtsgrundlage des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU erfolgten Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts der Antragstellerin seien erfüllt.
6Die Antragstellerin sei keine Arbeitnehmerin i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU und somit nicht freizügigkeitsberechtigt i. S. d. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU. Sie habe die von ihr behauptete Arbeitstätigkeit nicht hinreichend belegt. Die behauptete, zum 1. Mai 2024 begonnene Arbeitstätigkeit bei der B. GmbH sei nach kurzer Zeit wieder beendet worden, ohne dass Lohnabrechnungen vorlegt worden seien. Nach dem sodann vorlegten Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2024 und der Lohnabrechnung für den Monat Juli 2024 arbeite die Antragstellerin seit dem 1. Juni 2024 bei der Firma W. Service, J., als Reinigungskraft. Vor diesem Hintergrund – insbesondere im Zusammenhang mit den seitens der Antragstellerin nicht aufgeklärten Ungereimtheiten betreffend die Verdienstabrechnung für den Monat Mai 2024 – sowie der vor Mai 2024 offenbar nicht vorhandenen Erwerbsbiografie der Antragstellerin bestünden erhebliche Zweifel an einer nachhaltigen Arbeitsaufnahme seitens der Antragstellerin. Diese durch weitere Unterlagen auszuräumen, falle in die Sphäre der Antragstellerin. Selbst unterstellt, dass ihr zunächst noch keine weiteren Lohnabrechnungen für die auf den Juli 2024 folgenden Monate vorgelegen hätten, habe die Antragstellerin bis heute jedenfalls keinerlei Nachweise über einen tatsächlichen Lohnzufluss und somit über eine tatsächliche Arbeitsaufnahme vorgelegt.
7Die Anforderungen, die das Verwaltungsgericht mit Blick auf den dargestellten Geschehensablauf im vorliegenden Einzelfall an den Nachweis einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme stelle, seien dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin jedenfalls aus der gerichtlichen Verfügung vom 10. Juli 2024 im Zusammenhang mit dem zunächst vorgelegten Arbeitsvertrag bekannt gewesen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin sei gehalten gewesen, die entsprechenden Nachweise bereits vor seiner am 16. September 2024 begonnenen Urlaubszeit von sich aus vorzulegen.
8Auch habe die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin weder von ihrem rumänischen Ehemann G. R. noch von ihren rumänischen Kindern ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i. V. m. § 3 und 4 FreizügG/EU herleiten könne. Ebenso wenig stehe ihr ein Daueraufenthaltsrecht als von einem – nicht bestehenden – Daueraufenthaltsrecht ihres Ehemannes gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU abgeleitetes Recht zu.
9Eine von der Antragstellerin mit Blick auf ihre Kinder für sich reklamierte Freizügigkeitsberechtigung ergebe sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 (EU-Freizügigkeits-VO).
102. Dagegen bringt die Beschwerde vor:
11Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss sei die Antragstellerin der Ansicht, dass die streitgegenständliche Ordnungsverfügung „jedenfalls ab dem 1.7.2024 nicht mehr rechtmäßig“ sei. Seit diesem Zeitpunkt sei sie durchgängig bei der Firma W. Service, J., als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9,2 Stunden und einem Stundenlohn von 13,50 Euro beschäftigt.
12Zwar sei zutreffend, dass die Antragstellerin bis zum 2. Oktober 2024 keinerlei Nachweise über einen tatsächlichen Lohnfluss und somit einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme vorgelegt habe. Die nunmehr vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Monate Juli 2024 bis September 2024 belegten, dass der Lohn auf das Konto der Tochter L. R. der Antragstellerin überwiesen werde, da die Antragstellerin nicht über ein eigenes Konto verfüge. Die Nachweise über den Zufluss der Gehälter für die Monate August und September 2024 würden umgehend nachgereicht.
13Das Gericht habe keinen Hinweis erteilt, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme und der tatsächliche Lohnzufluss auch hinsichtlich des seit dem 1. Juli 2024 bestehenden Arbeitsverhältnisses nachzuweisen sei. Die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien nicht nachvollziehbar und verstießen gegen den Amtsermittlungsgrundsatz.
14Hinsichtlich der Erwerbsbiografie der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass sie seit ihrer am 1. Oktober 2013 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, da sie ausschließlich mit der Haushaltsführung und Kindererziehung der acht noch in ihrem Haushalt lebenden Kinder beschäftigt gewesen sei.
15Zudem stehe der Antragstellerin auch das mit Blick auf ihre Kinder reklamierte Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 Abs. 1 EU-Freizügigkeits-VO zu. Das Verwaltungsgericht gehe nicht auf den Schulbesuch der einzelnen Kinder ein. Insbesondere gehe die Antragsgegnerin unzutreffend davon aus, dass sich für alle Kinder eine beachtliche Anzahl an Fehlstunden ergebe. So müsse z.B. in Bezug auf das Kind S. bei 33 Fehlstunden von einem regelmäßigen Schulbesuch ausgegangen werden. Im Übrigen werde auf die jetzt vorgelegten aktuellen Schulbescheinigungen für die Kinder Z., S., X., O. und H. verwiesen.
163. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
17a) Zwar spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin gegenwärtig – anders als zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Beschlusses – aufgrund der von ihr nunmehr vorgelegten belastbaren Nachweise die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU in rein formaler Hinsicht erfüllt. Denn es ist davon auszugehen, dass sie das Arbeitsverhältnis bei der W. Service GmbH, J., als Reinigungskraft in geringfügigem Umfang („Minijob“) von 9,2 Wochenstunden,
18dieser Umfang ist aus unionsrechtlicher Sicht grundsätzlich ausreichend für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2022 – 13 LA 368/21 –, juris, Rn. 8 m. w. N. der EuGH-Rechtsprechung; EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – C-444/93 –, juris, Rn. 18; LSG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2021 – L 12 AS 1004/20 –, juris, Rn. 63,
19bei 538 Euro Monatslohn (ab 1. Januar 2025 mit 556 Euro Monatslohn) am 1. Juli 2024 tatsächlich aufgenommen, es ununterbrochen fortgesetzt hat und dieses auch gegenwärtig besteht.
20Sofern § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages eine – von der Antragsgegnerin beanstandete – 12-monatige Probezeit vorsieht, führt diese die maximal sechsmonatige Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB übersteigende Vereinbarung nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages, wie auch § 8 Satz 3 (i. V. m. § 3 Satz 3) des Arbeitsvertrages klarstellt. Die Forderungen der Antragsgegnerin nach einer Regelung von Arbeitszeit und Arbeitsort im Arbeitsvertrag erscheint mit Blick darauf, dass es sich um eine geringfügige Beschäftigung im bedarfs- und kundenorientierten Reinigungsgewerbe handelt, lebensfremd.
21Die von der Antragsgegnerin im Wege der Beschwerdeerwiderung zudem vorgebrachten Einwände unklarer Lohnabrechnungen sind substanzlos. Die von der Beschwerde lückenlos bis einschließlich Januar 2025 vorgelegten sieben Lohnabrechnungen sind nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die insoweit von der Antragsgegnerin hinterfragten Positionen „SV-AG-Anteil“ und „Zus. AG-Kosten“ betreffen allein die auf die W. Service GmbH als gewerbliche Arbeitgeberin entfallenden Abgaben.
22Vgl. hierzu den Minijob-Rechner, https://www.minijob-zentrale.de/DE/fuer-gewerbetreibende/minijob-rechner/minijob-rechner_node.html . Entsprechende Berechnungen bestätigten exakt die auf den Lohnabrechnungen ausgewiesenen arbeitgeberseitigen Abgabenbeträge.
23Die Benennung „BUN Knappschaft“ als Krankenkasse erschließt sich zwangslos aus dem Umstand, dass der Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung ein Solidarbeitrag ist, der vom Arbeitgeber an die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der knappschaftlichen Krankenversicherung für die Minijob-Zentrale zu entrichten ist. Die Knappschaft-Bahn-See führt das Verfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und Mutterschaft durch, und zwar unabhängig davon, welcher Krankenkasse der geringfügig Beschäftigte angehört.
24Vgl. Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien) in der Fassung vom 14. Dezember 2023, Seite 2, letzter Absatz.
25Zudem benennen die Lohnabrechnungen die Antragstellerin (seit der Abrechnung Oktober 2024 mit der zutreffenden Anschrift) als Empfängerin. Soweit die Antragsgegnerin fehlende Angaben zur Arbeitszeit und Lohnfortzahlung zum Urlaubsanspruch moniert, ergeben sich diese – worauf die Beschwerde zutreffend hinweist – aus dem Arbeitsvertrag und ergänzend aus dem Gesetz. Freibeträge bei „Minijobs“ gibt es selbstredend nicht.
26Ebenso wenig verfängt der Einwand der Antragsgegnerin eines mangelnden Nachweises eines tatsächlichen Lohnzuflusses bei der Antragstellerin. Zwar wickelt die Antragstellerin ausweislich ihrer Erklärung, ihre in Rumänien befindliche Tochter L. R. habe ihr „die Kontokarte und die Verfügungsgewalt über das Konto überlassen“, und der von der Beschwerde vorgelegten Kontoauszüge ihre Finanzangelegenheiten und die ihrer Kinder über diese Kontoverbindung im eigenen Interesse ab. Ob diese Vorgehensweise einer „Kontoleihe“ – insbesondere mit Blick auf den in § 154 AO niedergelegten Grundsatz der Kontenwahrheit und der sich aufdrängenden Frage einer „Geldwäsche“ – (steuer-) rechtlich zu beanstanden ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Zweifel daran, dass die Antragstellerin rein faktisch in der Lage ist, unbeschränkt auf dieses Konto ihrer Tochter zuzugreifen, sind jedenfalls nicht ersichtlich.
27b) Gleichwohl führt die von der Antragstellerin seit dem 1. Juli 2024 ununterbrochen durchgeführte geringfügige Beschäftigung nicht auf eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Denn die Geltendmachung dieses Rechts stellt sich vorliegend als rechtsmissbräuchlich dar. Darauf weist die Antragsgegnerin in ihren Beschwerdeerwiderungen vom 13. November 2024 (dort Seite 2, letzter Absatz) und vom 18. März 2025 (dort Seite 2, vorletzter Absatz ff.) im Ergebnis zutreffend hin. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen zieht diesen Befund nicht in Zweifel.
28aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes findet das Unionsrecht bei rechtsmissbräuchlichen Praktiken keine Anwendung.
29Vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 –,juris, Rn. 58 m. w. N.
30Der Nachweis eines Missbrauchs setzt zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde bzw. wird, und dass zum anderen ein subjektives Element vorliegt, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen wurden.
31Vgl. Vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2014– C-456/12 –, juris, Rn. 58 m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2017– 18 B 274/17 –, juris, Rn. 3 ff.
32Denn die Gewährleistung des Freizügigkeitsrechts steht nach Unionsrecht unter dem Vorbehalt, dass Sozialhilfeleistungen nicht unangemessen in Anspruch genommen werden (Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2004/38/EG – EG-Freizügigkeits-RL). Um zu beurteilen, ob der Leistungsempfänger Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt, sind die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände sowie der gewährte Sozialhilfebezug zu berücksichtigen.
33Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Februar 2021 – 13 LA 24/21 –, juris, Rn. 10; BayVGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 10 CS 19.1165 –, juris, Rn. 19.
34Die Höhe der als unangemessen zu erachtenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen ist in Abgrenzung bzw. im Verhältnis zu ausreichenden Existenzmitteln im Sinne von § 4 FreizügG/EU im Rahmen der Gesamtabwägungen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen. Dabei sind ausreichende Existenzmittel in Abgrenzung zu einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialleistungen solche, die sicherstellen, dass der Freizügigkeitsberechtige die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats nicht dauerhaft bzw. auf unbestimmte Zeit in einem nicht unerheblichen Umfang in Anspruch nehmen muss.
35Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Mai 2023– 8 K 4561/22 –, juris, Rn. 108 ff., 114 ff., m. w. N.
36Demgemäß ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b EG-Freizügigkeits-RL in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen – insbesondere auch beitragsunabhängige Geldleistungen wie Kindergeld – zu berücksichtigen.
37Vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2014– C-333/13 –, juris, Rn. 78 ff., 80.
38Dabei ist maßgeblich, dass – entgegen dem die Unangemessenheit der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Abrede stellenden Beschwerdevorbringen – die Antragstellerin und ihre (sechs) Kinder als Familien- und Haushaltsgemeinschaft im sozialgesetzlichen Sinne eine Bedarfsgemeinschaft bilden und insofern im vorliegenden Zusammenhang, namentlich der Beantwortung der Frage einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialleistungen, nur gemeinsam betrachtet werden können.
39Vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Mai 2023 – 8 K 4561/22 –, juris, Rn. 75 ff. m. w. N.
40bb) Hiervon ausgehend ergibt die Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände Folgendes:
41Die im Oktober 2013 in das Bundesgebiet mit ihren Kindern eingereiste Antragstellerin hat eine Erwerbstätigkeit bis zum Mai 2024 weder behauptet noch nachgewiesen. Seit (spätestens) August 2019 bezieht die Antragstellerin mit ihren Kindern (und mit ihrem Ehemann G. R. bis zu dessen Inhaftierung) in erheblichem Umfang Sozialleistungen nach dem SGB II.
42Ausweislich des Änderungsbescheids des jobcenter J. vom 16. Dezember 2023 wurden der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin mit ihrem Ehemann und sechs Kindern bei ermitteltem Gesamtbedarf (einschließlich 1.200,00 Euro Unterkunftskosten) in Höhe von mindestens 4.716,13 Euro Leistungen (Bürgergeld) in Höhe von mindestens 3.216,13 Euro (einschließlich 1.200,00 Euro Unterkunftskosten) monatlich für den Zeitraum Januar 2024 bis September 2024 bewilligt.
43Mit Bescheid vom 7. Oktober 2024 wurde für die Antragstellerin mit sechs Kindern für den Monat Oktober 2024 ein Gesamtbedarf (einschließlich 1.166,62 Euro Unterkunftskosten) in Höhe von 4.662,36 Euro ermittelt und ein Bürgergeld in Höhe von 2.813,76 Euro (einschließlich 1.166,62 Euro Unterkunftskosten) bewilligt. Für den Zeitraum November 2024 bis September 2025 setzt der Bescheid einen Gesamtbedarf (ohne Unterkunftskosten) in Höhe von 3.495,74 Euro an und bewilligt Bürgergeld in Höhe von monatlich 1.647,15 Euro (ohne Unterkunftskosten).
44Dem steht ein Erwerbseinkommen der Antragstellerin aus geringfügiger Beschäftigung in dem Zeitraum 1. Juli 2024 bis 31. Dezember 2024 in Höhe von monatlich 538 Euro und ab dem 1. Januar 2025 in Höhe von monatlich 556 Euro gegenüber. Bezogen auf den o. a. ermittelten Gesamtbedarf für die Monate Juli 2024 bis Oktober 2024 (mindestens 4.662,36 Euro) ist dies (lediglich) ein Anteil von ca. 11,54 % bzw. ca. 11,93 %. Dem ermittelten monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 3.495,74 Euro für die Monate November 2024 bis Juli 2025 sind geschätzte Unterkunftskosten hinzuzurechnen in Höhe von mindestens 1.000,00 Euro. Der Anteil des vorgenannten Erwerbseinkommens in Höhe von 556 Euro ab dem 1. Januar 2025 beträgt ca. 12,37 %.
45Die Antragstellerin hat in der Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern (und zuvor auch mit ihrem Ehemann) bereits seit Jahren Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen. Ausweislich des Änderungsbescheids des jobcenter J. vom 16. Dezember 2023 und des Bewilligungsbescheides vom 7. Oktober 2024 haben die Hilfeleistungen – abgesehen vom Kindergeld – zeitweise den gesamten und teilweise deutlich überwiegend den Lebensbedarf der Antragstellerin und ihrer Bedarfsgemeinschaft abgedeckt. Dass es eine in jeder Hinsicht unangemessene Belastung für das nationale Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit bedeuten würde, wenn man es letztlich für sämtliche Unionsbürger in der Lage der Antragsteller und ihrer Kinder als familiäre Haushalts- und Bedarfsgemeinschaft öffnen würde,
46vgl. zu diesem Beurteilungsmaßstab VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Mai 2023– 8 K 4561/22 –, juris, Rn. 138 m. w. N.,
47und damit faktisch nahezu die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer „Sozialleistungsfreizügigkeit“ begründete, liegt auf der Hand. Denn in der insoweit übertragbaren Interessenlage des Art. 7 Abs. 1 lit. b EG-Freizügigkeits-RL, der die Anforderungen an ausreichende Existenzmittel formuliert, geht es gerade darum, nicht bzw. nicht ausreichend erwerbstätige Unionsbürger daran zu hindern, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats – wie vorliegend – zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen.
48Zugleich lässt das (Erwerbs-) Verhalten der Antragstellerin keinen Anhaltspunkt erkennen, dass sie zukünftig beabsichtigt und sich dahingehend nachvollziehbar bemüht, nicht nur rein formal eine Arbeitnehmereigenschaft zu begründen, sondern eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang anstrebt, die auf ein Erwerbseinkommen führt, welches die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen signifikant vermindern würde. Dass sie sich in der Vergangenheit ernsthaft um eine entsprechende Tätigkeit bemüht hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Ihr Einwand, bis zum 30. April 2024 sei die Antragstellerin keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, da sie ausschließlich mit der Führung des Haushalts und der Kindererziehung der acht noch in ihrem Haushalt lebenden Kinder beschäftigt gewesen sei, blendet bereits die Zeit aus, in der der Ehemann und Vater noch in der Familie und Bedarfsgemeinschaft lebte. Es ist nichts vorgetragen und ersichtlich, was einer zumindest zeit- und teilweisen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin in den (erheblichen) Zeiträumen entgegengestanden haben soll, in denen der Ehemann nicht erwerbstätig war. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin von der Antragsgegnerin bereits mit Schriftsätzen vom 8. Oktober 2019, vom 28. April 2021 und vom 14. September 2022 erfolglos zur Vorlage von Nachweisen zur Begründung des Freizügigkeitsrechts aufgefordert worden war. Dass die Antragstellerin nunmehr lediglich in einem Umfang von 9,2 Wochenstunden erwerbstätig ist, rechtfertigt sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung des aktuellen Alters der Kinder (Z. 17 Jahre, S. 16 Jahre, X. 14 ½ Jahre, O. 13 Jahre, H. 11 Jahre, Alina 5 ½ Jahre). Vielmehr ist objektiv zu erwarten, dass sich die Antragstellerin mit Blick auf die von ihren jugendlichen bzw. nahezu volljährigen „Kindern“ mögliche Unterstützung intensiv um eine deutlich höhere Wochenarbeitszeit bemüht und eine solche wahrnimmt. Dem verschließt sich die Antragstellerin, wie das Beschwerdevorbringen belegt.
49Diese Gesamtwürdigung der vorliegend festgestellten Einzelfallumstände führt zwingend auf die Annahme, dass die Antragstellerin die geringfügige Beschäftigung seit Juli 2024 bewusst und gewollt allein zu dem Zweck der Abwendung aufenthaltsbeendender Maßen aufgenommen hat und beibehalten will, um die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit allenfalls formal zu erfüllen, sowie dabei zugleich das System der sozialen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland weiterhin zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch nehmen zu wollen.
504. Im Weiteren steht der Antragstellerin auch das mit Blick auf ihre Kinder reklamierte Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 Abs. 1 EU-Freizügigkeits-VO nicht zu. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht gehe schon nicht auf den Schulbesuch der einzelnen Kinder ein. Insbesondere nehme die Antragsgegnerin unzutreffend an, dass sich für alle (schulpflichtigen) Kinder eine beachtliche Anzahl an Fehlstunden ergebe.
51a) Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der erforderliche Schulbesuch sei bei den schulpflichtigen Kindern mittels der vorgelegten schulischen Bescheinigungen und Zeugnisse nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wird vom Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
52Der Einwand, das Verwaltungsgericht gehe nicht auf den Schulbesuch der einzelnen Kinder ein, übersieht bereits die Inbezugnahme des angefochtenen Bescheides durch das Verwaltungsgericht (Beschluss Seite 4, zweiter Absatz, dritter Satz). Auch nimmt das Verwaltungsgericht (Beschluss Seite 6, zweiter Absatz) Bezug auf seine Beschlüsse vom 2. Oktober 2024 in den Verfahren der vorliegend von der Beschwerde erwähnten noch schulpflichtigen Kinder S. (16 L 557/24), X. (16 L 563/24), O. (16 L 561) und H. (16 L 555/24). Damit wird die schulische Situation des jeweiligen Kindes individuell berücksichtigt. Auf dieser umfassenden Tatsachengrundlage beruht die zusammenfassende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass ein regelmäßiger Schulbesuch bei den Kindern Z. (der nunmehr keine Schule mehr besucht), S., X., O. und H. mittels der vorgelegten schulischen Bescheinigungen und Zeugnisse nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei.
53b) Das weitere Monitum der Beschwerde, es sei von einem regelmäßigen Schulbesuch auszugehen, wenn der Schüler 50 % der Pflichtstunden in einem Schulhalbjahr absolviere, bleibt bereits den Nachweis schuldig, dass die in Rede stehenden schulpflichtigen Kinder der Antragstellerin diese behaupteten Anforderungen erfüllen. Des Weiteren verfängt der Hinweis auf „§ 28 Abs. 4 S.2 HmbSG“ nicht, da die Kinder dem nordrhein-westfälischen Schulrecht unterfallen.
54Der weitere Einwand, das Kind S. habe seit dem 1. August 2015 ununterbrochen die Schule besucht und es lägen lediglich 33 unentschuldigte Fehlstunden vor, geht fehl. Denn die in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung (dort Seite 14, fünfter Absatz) aufgeführte Schulbescheinigung vom 7. Februar 2024 belegt insgesamt 132 Fehlstunden für S.. Das nunmehr mit Schriftsatz vom 12. November 2024 übersandte Zeugnis der N.schule vom 5. Juli 2024 für das 2. Schul-halbjahr 2023/24 (Klasse 8) weist sogar 167 versäumte Stunden, davon 77 unentschuldigte aus. Im Übrigen legt die Beschwerde schon nicht belastbar dar, dass es lediglich auf unentschuldigte Fehlstunden ankäme hinsichtlich der Frage, ob ein regelmäßiger Schulbesuch vorliege.
55Hinsichtlich des Kindes H. belegt das Zeugnis der P.-Grundschule vom 23. Juni 2022 für das Schuljahr 2021/22 (Klasse F2) 375 versäumte Stunden, davon 270 unentschuldigte, sowie die Nichterreichung der Klassenziele aufgrund der hohen Fehlzeiten. Das Zeugnis der P.-Grundschule vom 20. Juni 2023 weist für das Schuljahr 2022/23 (Klasse F2) 247 versäumte Stunden auf, davon 216 unentschuldigte, sowie die Nichterreichung der Klassenziele aufgrund der hohen Fehlzeiten.
56Hinsichtlich des Kindes X. erschließen sich aus dem Zeugnis der N.schule vom 5. Juli 2024 für das 2. Schulhalbjahr 2023/24 (Klasse 7) 276 unentschuldigt versäumte Stunden. Damit fehlt dem Einwand der Beschwerde, dass „trotz der unentschuldigten 95 Fehlstunden noch ein regelmäßiger Schulbesuch“ vorliege (bezogen auf das 1. Schulhalbjahr 2023/24 bei 121 Fehlstunden insgesamt), jegliche Grundlage.
57Für das Kind O. weist das Zeugnis der N.schule vom 5. Juli 2024 für das 2. Schulhalbjahr 2023/24 (Klasse 5) 89 unentschuldigt versäumte Stunden aus.
58Angaben betreffend das 1. Schulhalbjahr 2024/25 – und damit über die Regelmäßigkeit des aktuellen Schulbesuchs der Kinder – legt die Beschwerde nicht vor.
59Mithin bestätigen die von der Beschwerde vorgelegten Zeugnisse gerade die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein regelmäßiger Schulbesuch sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei verbleibt es auch unter Berücksichtigung der zudem vorgelegten Schulbescheinigungen betreffend O., S. und X.. Diese Bescheinigungen enthalten keinerlei Aussage zur (gegenwärtigen) Regelmäßigkeit eines Schulbesuches.
60c) Fehlt es jedenfalls bereits an einem belastbar dargelegten regelmäßigen Schulbesuch der schulpflichtigen Kinder der Antragstellerin und scheidet aus diesem Grunde die Berufung der Antragstellerin auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des Art. 10 Abs. 1 EU-Freizügigkeits-VO aus, bedarf es nicht des Verweises darauf, dass Art. 10 Abs. 1 EU-Freizügigkeits-VO eindeutig an die Freizügigkeitsberechtigung des Stammberechtigten und damit an dessen Arbeitnehmereigenschaft anknüpft. Nur den Kindern eines selbst (ehemals) Freizügigkeitsberechtigten soll die Teilnahme am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung ermöglicht werden.
61Vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 2020– C-181/19 –, juris, Rn. 35 ff., vom 6. September 2012 – C-147/11 und C-148/11 –, juris, Rn. 26, und vom 23. Februar 2010 – C-310/08 –, juris, Rn. 40; LSG NRW, Beschluss vom 13. November 2020– L 6 AS 1275/20 B ER –, juris, Rn. 35; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. April 2016– L 4 AS 182/16 B ER –, juris, Rn. 37; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 24. Februar 2021– 13 LA 24/21 –, juris, Rn. 16, und vom 22. Februar 2021 – 13 ME 572/20 –, juris, Rn. 7 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Mai 2023– 8 K 4561/22 –, juris, Rn. 147 f.
62Die Antragstellerin war jedoch aufgrund der bezüglich ihrer Person nicht bestehenden Freizügigkeitsberechtigung auch nicht in der Lage, ihren Kindern zu irgendeinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung zwecks Schulbesuchs zu vermitteln. Dass dies hinsichtlich des Vaters G. R. anzunehmen wäre, der über einen „Arbeitnehmerstatus“ verfügt haben soll, bleibt eine unsubstantiierte Behauptung der Beschwerde ins Blaue hinein.
635. Unerheblich bleibt die Behauptung der Beschwerde einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das Verwaltungsgericht. Das vorliegende Beschwerdeverfahren bietet der Antragstellerin hinreichende Gelegenheit vorzutragen und darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
65Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.