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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.568,75 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Antragstellerin ohne Durchführung der von ihr beantragten mündlichen Verhandlung. Gemäß § 101 Abs. 3 VwGO können Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 150 VwGO sieht vor, dass über die Beschwerde durch Beschluss zu entscheiden ist. Das Verwaltungsprozessrecht enthält auch keine Bestimmung, die eine mündliche Verhandlung im Eilbeschwerdeverfahren vorschreibt. Der Senat übt sein danach verbleibendes Ermessen dahingehend aus, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Weder zur Gewährung rechtlichen Gehörs noch aus sonstigen Gründen erscheint die Durchführung einer Verhandlung hier geboten. Die Antragstellerin benennt auch keine Umstände, die für eine solche Handhabung sprechen.
3Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
4Die von der Antragstellerin angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
5Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (12 K 4340/24) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. Mai 2024 anzuordnen.
6Das Verwaltungsgericht hat in seinem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss im Wesentlichen (mit weitergehender Begründung) ausgeführt: Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. Mai 2024 sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Untersagung, Frau P. und Frau U. in den Einrichtungen "I." und "S." jeweils als Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin in Personalunion zu beschäftigen, sei § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG NRW. In den vorbezeichneten Einrichtungen habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung - und bis zum heutigen Tage - ein Mangel in der Personalorganisation vorgelegen. Dieser Mangel habe darin bestanden, dass jeweils eine Person sowohl als Einrichtungs- als auch als Pflegedienstleiterin beschäftigt sei. Das sei mit § 21 Abs. 1 und 2 WTG NRW unvereinbar; diese Vorschriften seien über § 37 Satz 2 WTG NRW auf Hospize und Kurzzeitpflegeeinrichtungen anzuwenden. Das Verbot einer Personalunion zwischen Einrichtungs- und Pflegedienstleitung lasse sich zwar nicht bereits dem Wortlaut der Absätze 1 und 2 des § 21 WTG NRW entnehmen und auch die Gesetzessystematik erlaube keinen diesbezüglichen Rückschluss. Die Unzulässigkeit der Personalunion zwischen Einrichtungs- und Pflegedienstleitung folge indes aus der historischen sowie teleologischen Auslegung der vorgenannten Vorschriften. Der zugrunde liegende Gesetzentwurf vom 1. Oktober 2018 (LT-Drucks. 17/3777) betone die Stärkung der Position der Pflegedienstleitung, ihre Weisungsfreiheit - und zwar ausdrücklich auch im Verhältnis zur Einrichtungsleitung - sowie ihre Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und organisatorischen Entscheidungen des Einrichtungsträgers. Dadurch komme zum Ausdruck, dass die Pflegedienstleitung ihr Handeln sowie ihre Entscheidungen ausschließlich an pflege- und betreuungsfachlichen Kriterien und damit dem Wohl der Nutzerinnen und Nutzer der Pflegeeinrichtung auszurichten habe. Die besondere Orientierung am Nutzerwohl sei nunmehr ausdrücklich in § 21 Abs. 2 Satz 3 WTG NRW verankert, wonach Maßstab des Handelns der Pflegedienstleitung die individuellen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer seien. Hieraus folge zugleich, dass Interessenkonflikte auf Seiten der Pflegedienstleitung verhindert werden müssten, durch welche deren Unabhängigkeit in pflege- und betreuungsfachlichen Angelegenheiten - und damit das Nutzerwohl - beeinträchtigt werden könnten. Ein solcher Interessenkonflikt sei indes vorgezeichnet, wenn die Funktionen der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung in Personalunion ausgeübt würden. So gehöre es zu den zentralen Aufgaben der Einrichtungsleitung, die wirtschaftlichen sowie organisatorischen Interessen des Einrichtungsträgers zu wahren und umzusetzen. Diese Interessen könnten in einen unauflösbaren Konflikt zur Aufgabe der Pflegedienstleitung treten, ihr Handeln lediglich an pflege- und betreuungsfachlichen Aspekten sowie dem Nutzerwohl auszurichten. Der wesensimmanente Interessenkonflikt verbiete die Wahrnehmung der Positionen der Einrichtungs- und der Pflegedienstleitung in Personalunion unabhängig von der Größe der Pflegeeinrichtung.
7Die dagegen gerichteten Einwendungen der Antragstellerin greifen nicht durch.
8Ihr Vortrag, es spreche "nichts für die Erforderlichkeit des Sofortvollzugs", wenn "sich der Antragsgegner jahrelang Zeit lässt, bis er letztlich eine Ordnungsverfügung erlässt", geht daran vorbei, dass das die sofortige Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung hier nicht auf einer besonderen Anordnung des Antragsgegners im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beruht, sondern vielmehr auf einen (landes-)gesetzlichen Ausschluss des Suspensiveffekts zurückgeht (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Gemäß § 15 Abs. 9 Satz 2 WTG NRW haben Anfechtungsklagen gegen Maßnahmen zur Durchführung der behördlichen Qualitätssicherung und gegen Anordnungen keine aufschiebende Wirkung. Solche Anordnungen (im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 WTG NRW) hat der Antragsgegner mit seiner Ordnungsverfügung vom 16. Mai 2024 getroffen, indem er der Antragstellerin untersagt hat, Frau Mirjam P. in der Einrichtung "I." (Ziffer 1) sowie Frau Q. U. in der Einrichtung "S." (Ziffer 2) jeweils als Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin in Personalunion zu beschäftigen. Da die sofortige Vollziehung der Anordnungen mithin durch die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 9 Satz 2 WTG NRW vorgegeben ist, stellt sich die Frage der "Erforderlichkeit des Sofortvollzugs" nicht.
9Ebenso wenig greift in Anbetracht dieser Gesetzeslage der Einwand der Antragstellerin durch, die Durchbrechung des Grundprinzips der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO erscheine bei "einer heimrechtlichen Anordnung, die der unmittelbaren Gefahrenabwehr dient, […] nachvollziehbar"; gehe es "dagegen um die Bewertung einer rein abstrakten Gefahr, und berücksichtige man zusätzlich die extrem lange Verfahrensdauer", so müsse "das Vollzugsinteresse zurückstehen". Eine derartige Differenzierung nach "abstrakten" bzw. "unmittelbaren" Gefahren hat der Landesgesetzgeber mit der pauschalen Bezugnahme auf "Anordnungen" in § 15 Abs. 9 Satz 2 WTG NRW nicht vorgenommen. Verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG bestehen insoweit nicht, weil auch in den Fällen des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der vorläufige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 4 und 5 VwGO in Anspruch genommen werden kann.
10Vgl. dazu nur Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 71. Ed. 1. Januar 2024, § 80 Rn. 44, m. w. N.
11Das Beschwerdevorbringen, es gebe "für die Ordnungsverfügung keinen konkreten Anlass im Sinn eines festgestellten Interessenkonflikts zwischen der Rolle als EL und der Rolle als PDL", und der Antragsgegner bringe "nicht ein einziges konkretes Beispiel bzw. einen Anlass für eine Ordnungsverfügung, dass die EL/PDL im Haus X. in D. oder die EL/PDL in der Kurzzeitpflege T. in R. einem Interessenkonflikt ausgesetzt gewesen wären", vermag die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Den Mangel hat das Verwaltungsgericht nicht in einem im konkreten Fall festgestellten Interessenkonflikt zwischen Pflegedienst- und Einrichtungsleitung gesehen, sondern darin, dass eine Wahrnehmung beider Funktionen in Personalunion mit § 21 Abs. 1 und 2 WTG NRW unvereinbar sei. Insofern kommt es auf die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, denen zufolge "weder Frau P. noch Frau U. […] einen Interessenkonflikt erlebt [haben]", nicht an.
12Ob, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, ein das Nutzerwohl potentiell beeinträchtigender Interessenkonflikt "vorgezeichnet" ist, wenn die Funktionen der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung in Personalunion ausgeübt werden, mag dahinstehen. Ein solcher Konflikt erscheint jedenfalls möglich. Daran gemessen greift auch der Beschwerdeeinwand, der Antragsgegner leite aus der Weisungsfreiheit der Pflegedienstleitung "ein irriges 'Lagerdenken' ab" ("auf der einen Seite die PDL, die eine pflege- oder betreuungsrechtliche Entscheidung für richtig hält, und auf der anderen Seite EL und Leistungsanbieter, die diese Maßnahme ablehnen"), nicht durch.
13Soweit das Verwaltungsgericht das Verbot der Personalunion insbesondere aus der in der Gesetzesbegründung betonten Weisungsfreiheit der Pflegedienstleitung in betreuungsfachlichen Entscheidungen - und zwar ausdrücklich auch im Verhältnis zur Einrichtungsleitung - abgeleitet hat,
14vgl. dazu LT-Drucks. 17/3777 vom 1. Oktober 2018, S. 2 (unter II.) und S. 60 (zu Nr. 13, b)),
15erscheint dieses Auslegungsergebnis naheliegend, weil die angestrebte Weisungsunabhängigkeit ins Leere geht, wenn beide Funktionen von einer Person ausgeübt werden. Dagegen wendet die Antragstellerin auch nichts Substantielles ein. Ihr Verweis auf "ein nach klassischen Auslegungsmethoden aus dem Gesetz nicht ableitbares Verbot der Personalunion" geht an der Argumentation des Verwaltungsgerichts vorbei. Dass das Verbot einer Personalunion zwischen Einrichtungs- und Pflegedienstleitung sich nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht bereits dem Wortlaut der Absätze 1 und 2 des § 21 WTG NRW entnehmen lässt, bedeutet nicht, dass die vom Antragsgegner und auch vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung in unzulässiger Weise "gegen den Wortlaut" erfolgt, wie die Antragstellerin meint.
16Auch deren Vorbringen zur "Organisationshoheit des Trägers" führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Einwand, es sei den "WTG-Behörden […] verwehrt, die Gestaltung des inneren Einrichtungsbetriebes an sich zu ziehen", lässt unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht von einem auf das Landesgesetz zurückzuführenden (und von der Größe der Einrichtung unabhängigen) Verbot ausgegangen ist. Dass die Vorschriften des § 21 Abs. 1 und 2 WTG NRW mit diesem Regelungsgehalt wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht (etwa mit Blick auf einen unverhältnismäßigen Eingriff in geschützte Rechtspositionen der Einrichtungsträger) unwirksam wären, macht die Antragstellerin schon nicht geltend. Ein solcher (unterstellter) Einwand wäre hier auch nicht zielführend, weil formelles Gesetzesrecht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 100 Abs. 1 GG nur außer Acht gelassen werden kann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschriften überzeugt ist, was voraussetzt, dass der Verfassungsverstoß offenkundig ist.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2022 - 13 B 1466/21 -, juris Rn. 71 ff., m. w. N.
18Dafür gibt das Beschwerdevorbringen nichts her.
19Allerdings ergibt sich aus dem im Verwaltungsvorgang (Beiakte Heft 1a, siehe dort Bl. 51) enthaltenen Schriftverkehr zwischen dem Antragsgegner und der Bezirksregierung Düsseldorf, dass das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in einer E-Mail vom 12. Januar 2022 offenbar angenommen hat, von dem Verbot der Personalunion könnten "in Ausnahmefällen […] Ausnahmen in kleinen Einrichtungen zugelassen werden"; dafür müsse "jeder Einzelfall nachvollziehbar dargelegt werden, um beispielsweise auch die von Ihnen vorgetragenen Bedenken bezüglich eines Interessenkonfliktes und einer möglichen Überbelastung zu widerlegen". Auf die Frage, ob ein gesetzliches Verbot der Personalunion - wie es vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegt worden ist, ohne dass die Antragstellerin diese Annahme zu erschüttern vermag - Ausnahmen im Einzelfall nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Abs. 3 WTG NRW zulässt, geht das Beschwerdevorbringen nicht ein.
20Den erstinstanzlich vorgelegten "Struktur-Erhebungsbogen der Landesverbände der Pflegekassen in Nordrhein-Westfalen zur Beantragung eines Versorgungsvertrages gem. § 72 SGB XI“, der unter Ziffer 3.1.7 die Ankreuzoption „Personalunion von Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung“ vorsieht, hat das Verwaltungsgericht zutreffend als irrelevant für die Auslegung von § 21 Abs. 1 und 2 WTG NRW angesehen. Der diesbezügliche Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe durch sein Vorgehen, "ohne sich mit Pflegekassen abzustimmen, die in der Personalunion kein Problem sehen, […] das Zusammenarbeitsgebot des § 44 WTG verletzt", verfängt nicht. Dieses Gebot hat für das Verständnis der in Teil 2, Kapitel 1 des Wohn- und Teilhabegesetzes (§§ 18-23) geregelten Anforderungen an Einrichtungen keine erkennbare Bedeutung.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GKG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).