Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Dem Kläger wird für das Verfahren zweiter Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus P. bewilligt.
2. Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des aufgrund des Beschlusses vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Beteiligten streiten über das anzurechnende Vermögen bei einem entschädigungsrechtlichen Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt.
4Der 1994 geborene Kläger wurde im Alter von fast zwei Jahren Opfer von Misshandlungen. Das Versorgungsamt E. erkannte mit Bescheid vom 13. Mai 1998 eine Schädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz an mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von (zunächst) 25 bzw. 30. Der Kläger bezog seit dem 1. November 1997 eine Grundrente. Auf seinen Verschlimmerungsantrag hin bewertete der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 2018 den GdS mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 mit 70 und stellte die Grundrente entsprechend neu fest.
5Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 30. August 2019 darauf hin, dass aufgrund gesetzlicher Neuregelungen ab dem 1. Januar 2020 Leistungen zur fachlichen Betreuung (Assistenz) und Leistungen für Unterbringung und Verpflegung (existenzsichernde Leistungen) grundsätzlich getrennte Leistungen darstellten. Da im Fall des Klägers für Leistungen zum Lebensunterhalt aber das Sozialamt nicht zuständig sei, würden an ihn auch zukünftig alle Leistungen durch die Hauptfürsorgestelle aus einer Hand erbracht werden. Dabei seien die existenzsichernden Leistungen unter Berücksichtigung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens neu zu berechnen und eine Auszahlung erfolge im Bedarfsfall an den Kläger persönlich.
6Am 23. November 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 laufende ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Beklagte teilte daraufhin mit Anhörungsschreiben vom 7. April 2020 mit, dass er den Antrag ablehnen wolle, weil das Kontovermögen des Klägers (seinerzeit 23.366,49 Euro) den maßgeblichen Vermögensschonbetrag von 6.693,00 Euro deutlich überschreite. Mit Schreiben vom 24. Juni 2020 verwies der Kläger auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 30. April 2020 - B 8 SO 12/18 R -) zur Schutzwürdigkeit angesparten Vermögens und machte geltend, es sei nicht ausgeschlossen, dass Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem früher erlittenen Gesundheitsschaden stünden, weiterhin anfallen würden.
7Mit weiterem Schreiben vom 28. Januar 2021 forderte der Kläger den Beklagten zur Entscheidung über den Antrag auf und führte ergänzend aus, dass zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung ein Altersvorsorgebetrag von 750,00 Euro pro vollendetem Lebensjahr angemessen und dementsprechend über den Schonbetrag hinaus ein weiterer Betrag i. H. v. 19.500,00 Euro nicht einzusetzen sei. Daraufhin teilte der Beklagte mit Schreiben vom 22. Februar 2021 mit, dass er grundsätzlich bereit sei, einen Altersvorsorgebetrag in Höhe von 19.500,00 Euro als angemessen anzusehen, wenn durch eine - vom Kläger nachzuweisende - hinreichende Zweckbindung sichergestellt sei, dass das entsprechende Vermögen später tatsächlich für den vorgesehenen Zweck eingesetzt werde. Der Kläger bat mit Schreiben vom 4. März 2021 um Entscheidung und machte geltend, dass das in Rede stehende Vermögen auch ohne Nachweis der Zweckbindung geschützt sein dürfte.
8Mit Bescheid vom 8. März 2021 lehnte der Beklagte den Antrag auf laufende ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Januar 2020 wegen der bereits im Rahmen der Anhörung dargestellten Überschreitung des Vermögensschonbetrags ab. Das Vermögen des Klägers falle nicht unter das "geschützte Vermögen" im Sinne des § 25f BVG. Auch werde es nach den gesetzlichen Vorschriften und den vorhandenen Unterlagen nicht als unbillig angesehen, dass der Kläger sein Vermögen einzusetzen habe, um den mit dem Antrag geltend gemachten Bedarf zu decken. Die Härtevorschrift treffe im Fall des Klägers nicht zu. Insbesondere habe der Kläger eine Zweckbindung des Vermögens zur Alterssicherung nicht nachgewiesen. Der Gesetzgeber habe im Jahr 2011 klargestellt, dass auch Ansparungen aus Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (z. B. aus einer Grundrente) grundsätzlich einzusetzendes Vermögen seien.
9Der Kläger hat am 30. März 2021 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Eine Verwertung des aus den Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz angesparten Vermögens stelle eine Härte dar. Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz hätten im Übrigen ausweislich der gesetzlichen Regelung zumindest auch eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Funktion. Soweit diese immaterielle Funktion betroffen sei, könnten Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht anders behandelt werden als zivilrechtliches Schmerzensgeld.
10Der Kläger hat beantragt,
11den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2021 zu verpflichten, ihm die beantragte ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er hat im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen. Der Charakter der Grundrente stehe einer Anrechnung nicht entgegen. Eine Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz habe nicht vollumfänglich denselben Zweck wie Schmerzensgeld.
15Mit dem angefochtenen Urteil vom 23. August 2022 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 8. März 2021 verpflichtet, dem Kläger laufende ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 sowie vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022 in gesetzlicher Höhe zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
16Die Klage sei als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie sei unbegründet, soweit der Kläger einen Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 27a BVG für das Jahr 2020 sowie die Zeit vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021 und vom 1. Juli 2022 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltend mache. Insoweit sei der Bescheid des Beklagten vom 8. März 2021 rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend gemachte Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt sei - bis auf die Monate Januar 2021 bis Juni 2021 sowie Januar 2022 bis Juni 2022 - ausgeschlossen, weil der Kläger den Lebensunterhalt aus seinem Vermögen hätte bestreiten können. Da nach § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG auch Ansparungen aus Leistungen nach diesem Gesetz als verwertbares Vermögen einzusetzen seien, habe der Beklagte zu Recht Vermögen im Umfang von (zunächst) 23.366,49 Euro berücksichtigt. Dieses überschreite den aufgrund von § 25f Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) BVG geltenden Vermögensschonbetrag jeweils deutlich. Das Einsetzen dieses Vermögens stelle auch keine Härte i. S. v. § 25f Abs. 1 Satz 3 BVG dar. Zunächst stelle der Umstand, dass das Vermögen aus einer Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz angespart worden sei, für sich genommen schon wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG keine Härte dar. In die gleiche Richtung weise die historische Auslegung der Norm. Durch die Einfügung von § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG habe der Gesetzgeber auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts reagiert, nach der eine angesparte Beschädigtengrundrente nicht als Vermögen eingesetzt werden dürfe, weil dies eine Härte nach der damals anzuwendenden Härteklausel bedeute. Wenn man anerkennen würde, dass die Verwertung von Ansparungen aus einer Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz für sich genommen bereits eine Härte darstellte, würde das gesetzgeberische Regelungssystem in sein Gegenteil verkehrt. Daraus, dass Schmerzensgeld nicht zum Vermögen gezählt werde, könne der Kläger nichts herleiten. Schmerzensgeld diene seiner gesetzlichen Funktion nach ausschließlich zur Abdeckung eines Schadens immaterieller Art. Demgegenüber habe eine Beschädigtengrundrente neben der immateriellen auch eine materielle Funktion. Die immaterielle Komponente der Grundrente sei nicht von der materiellen Komponente zu trennen, so dass auch nicht nur ein Teil der Grundrente als Härte anerkannt werden könne. Der materielle Zweck, Mehraufwendungen zu ersetzen, die ein gesunder Mensch nicht hätte, sei trotz Erhöhung des immateriellen Anteils jedenfalls nicht völlig in den Hintergrund geraten. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Anrechnung der Beschädigtengrundrente eine angemessene Alterssicherung wesentlich erschweren würde. Dem stehe bereits entgegen, dass der Kläger eine zweckgebundene Anlage des Vermögens ausdrücklich ablehne. Insoweit erscheine bereits zweifelhaft, dass die Verwendung zur Altersversorgung tatsächlich beabsichtigt sei. Ebenso wenig könne der Kläger sich darauf berufen, dass der Einsatz des Vermögens eine angemessene Lebensführung wesentlich erschweren würde. Die Regelung greife vornehmlich in Fällen ein, in denen nicht unwesentliche Teile des bisherigen Lebensunterhalts aus dem Vermögen bestritten würden. Der Kläger habe weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass eine solche erhebliche Einschränkung der bisherigen Lebensverhältnisse drohe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht dadurch, dass dem Kläger die Grundrente als Kind bzw. Jugendlichem zugeflossen sei. Unabhängig davon, inwieweit über die in § 25f Abs. 1 Satz 3 und 4 BVG genannten Fallgruppen hinweg eine Härtefallprüfung vorzunehmen sei, sei auch eine Unbilligkeit des Einsatzes des Vermögens im Einzelfall i. S. v. § 25 Abs. 1 Satz 6 BVG i. V. m. § 25c Abs. 3 BVG nicht gegeben. Die diesbezüglichen Erwägungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 30. April 2020 - B 8 SO 12/18 R -, wonach vor allem Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig im ersten Jahr nach dem Zufluss keine entsprechend weitreichenden Entscheidungen treffen könnten, je nach den Umständen des Einzelfalls auch über das erste Jahr hinaus unter Härtegesichtspunkten ein höherer ansparbarer Freibetrag einzuräumen sein könne, überzeugten nicht. Da der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Fall der Ansparung von Grundrenten in der Jugend reagiert habe, habe er die Problematik solcher Ansparungen vor Augen gehabt. Das junge Alter begründe für sich genommen keine Atypik, die es rechtfertige, von der gesetzgeberischen Regelung zum Einsetzen von nach dem Bundesversorgungsgesetz erhaltenen Leistungen abzuweichen. Auch systematisch spreche die - explizit in § 25f Abs. 1 Satz 5 BVG geregelte - Ausnahme, wonach Vermögenswerte aus Nach-zahlungen von Renten nach diesem Gesetz für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt blieben, dagegen, für jedweden Hilfeempfänger, der Leistungen einer Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz in seiner Zeit als Kind bzw. Jugendlicher erhalten habe, einen Ausnahmefall anzunehmen und den gesetzgeberischen Willen in sein Gegenteil zu verkehren.
17Der Kläger hat am 16. September 2022 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
18Zur Begründung verweist er auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt wiederholend sowie ergänzend vor, er gehe weiterhin davon aus, dass eine Verwertung des aus den Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz angesparten Vermögens eine Härte darstelle. Nach der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verliere eine zum Vermögen gewordene Beschädigtengrundrente durch eine Ansparung nicht ihre ursprüngliche Funktion. Die Grundrente sei eine Sozialleistung eigener Art, die zwar einerseits typisierend und pauschalierend einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken solle, andererseits aber maßgeblich dadurch geprägt sei, dass sie als Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität immateriellen (ideellen) Zwecken wie der Genugtuung für erlittenes Unrecht diene. Aufgrund dieser Doppelfunktion sei zumindest anteilig - nämlich hälftig - das angesparte Vermögen aus der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz ebenso zu behandeln wie ein Vermögen aus zivilrechtlichem Schmerzensgeld. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 14. März 2000 - 1 BvR 284/96 - den größer werdenden Anteil der immateriellen Funktion betont, was einer grundsätzlich anderen Bewertung im Vergleich zu dem geschützten Vermögen aus Schmerzensgeld entgegenstehe. Entgegen der Bewertung des erstinstanzlichen Gerichtes werde auch weiterhin davon ausgegangen, dass der Einsatz des Vermögens aus der dem Kläger als Kind bzw. Jugendlichem zugeflossenen Grundrente für diesen unbillig wäre, weil er insoweit zum Zeitpunkt des Vermögenzuflusses selbst keine Entscheidungen zur Verschaffung eines höheren Lebensstandards habe treffen können. Überdies hätte die vom Verwaltungsgericht für die Annahme eines teilweisen Leistungsanspruchs herangezogene Regelung des § 88a BVG hier (auch) mit Wirkung vom 28. März 2020, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens, angewandt werden müssen, so dass sich jedenfalls ein weiterer Leistungsanspruch für den Zeitraum ab Wirkung der Vorschrift ergeben hätte. Denn zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung habe die Regelung des § 88a BVG bereits gegolten, so dass rückwirkend ab Wirksamkeit dieser gesetzlichen Regelung zumindest für den genannten 6-Monats-Zeitraum das in Rede stehende Vermögen nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Soweit nach dem auslegungsbedürftig erscheinenden Absatz 2 der Vorschrift Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht zu berücksichtigen sei, sei nach Ablauf der 6-Monats-Zeitraums erneut zu prüfen, ob möglicherweise verwertbares Vermögen vorliege. Soweit dies weiterhin der Fall sei, sei dieses Vermögen für den nächsten 6-Monats-Zeitraum weiterhin - bis zur Beendigung der Gültigkeit der im Zusammenhang mit der Corona Pandemie ergangenen Regelung - nicht heranzuziehen. Auch § 88b BVG sehe vor, dass für den erleichterten Zugang zu Sozialleistungen der dort geregelte Mehrbedarf bis längstens zum 31. Dezember 2022 durch Rechtsverordnung anerkannt werden könne. Es erschließe sich nicht, warum während der laufenden Pandemie nach sechs Monaten eine andere Situation gegeben sein solle als zuvor und aus welchem Grund § 88a BVG während des Zeitraums bis längstens 31. Dezember 2022 - anders als § 88b BVG - nur jeweils in 6-Monats-Fenstern Gültigkeit haben solle.
19Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
20den Beklagten unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts P. zum Az. 6 K 1108/21 und unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2021 zu verpflichten, ihm die beantragte ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt auch für die Zeiten
21a) ab dem 1. Januar 2020 bis einschließlich zum 31. Dezember 2020,
22b) ab 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021
23c) sowie für die Zeit ab dem 1. Juli 2022
24in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
25Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und führt insoweit aus: Der Charakter der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, die nicht vollumfänglich denselben Zweck wie Schmerzensgeld habe, stehe einer Anrechnung von Ansparungen als Vermögen nicht entgegen. Im Übrigen lasse sich bei einer Anrechnung auch eine unbillige Härte nicht erkennen. Der Kläger sei insoweit auch beweisfällig geblieben. Die bloße - beklagtenseits bestrittene - Behauptung, das Vermögen etwa zur Alterssicherung oder sonstigen Gründe im Sinne des § 25f S 4 BVG einsetzen zu wollen, genüge jedenfalls nicht. Soweit sich der Kläger auf eine andere Auslegung des § 88a BVG berufe, verfange dies ebenfalls nicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut komme es auf den Beginn der Bewilligungszeiträume an. Der erste Bewilligungszeitraum habe im Januar 2020 und damit außerhalb des Tatbestandes der Vorschrift begonnen. Eine Rückwirkung habe der Gesetzgeber nicht angeordnet, sondern sich - mit jeder Verlängerung der Vorschrift - für eine teilweise Entlastung der Leistungsbezieher bei in der Regel für einen längeren Zeitraum zu bewilligenden Leistungen bewusst nur für einen sechsmonatigen Zeitraum entschieden. Der Hinweis auf die mit Blick auf eine andere Schutzrichtung nicht vergleichbare Vorschrift des § 88b BVG führe nicht weiter, da es bei dieser Regelung um Mehrbedarf bzw. einen höheren Leistungsumfang gehe.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
29II.
301. Dem Kläger ist für die Durchführung des zweitinstanzlichen Verfahrens gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen und nach Maßgabe von § 121 Abs. 2 ZPO Rechtsanwalt W. aus P. beizuordnen.
31Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig und hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs mit Blick auf die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Annahme einer Härte bezüglich des Einsatzes von im Kindesalter angesparten Beschädigtenrenten als Vermögen,
32vgl. BSG, Urteil vom 30. April 2020 - B 8 SO 12/18 R -, juris Rn. 20,
33hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten. Auch wenn der Senat die Erwägungen des Bundessozialgerichts im vorliegenden Fall nicht vollumfänglich teilt und die Klage letztlich - ausweislich der Gründe zu II. 2. - für unbegründet hält, ist für den Kläger mit Blick auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung und das Fehlen gegenläufiger obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Erfolgsaussicht seiner Klage nicht nur eine ganz entfernte, sondern ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich wie ein Unterliegen gewesen.
34Vgl. zum Maßstab etwa BVerfG, Beschlüsse vom 28. August 2014 - 1 BvR 3001/11 -, juris Rn. 12, vom 28. Januar 2013 - 1 BvR 274/12 -, juris Rn. 11 ff., vom 26. Juni 2003 - 1 BvR 1152/02 -, juris Rn. 10, und vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, juris Rn. 16; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 64; jeweils m. w. N.
35Der Kläger hat glaubhaft gemacht, die Kosten der Prozessführung aus seinem verwertbaren Einkommen oder Vermögen nicht - auch nicht nur zum Teil oder in Raten - aufbringen zu können.
362. Über die Berufung des Klägers kann gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Beteiligten sind hierzu nach § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit gerichtlicher Verfügung vom 4. März 2025 angehört worden.
37Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
38Sie richtet sich ausweislich des im Berufungsverfahren gestellten Antrags nur noch insoweit gegen die erstinstanzliche Entscheidung, als das Verwaltungsgericht die auf Gewährung von laufender ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt hinsichtlich der Zeiträume vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2020, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2021 und ab dem 1. Juli 2022 gerichtete Klage abgewiesen hat. Diese Klageabweisung ist zu Recht erfolgt. Die Klage des Klägers ist insoweit (jedenfalls) unbegründet.
39Der Kläger hat in Bezug auf die vorgenannten Zeiträume keinen Anspruch auf die Gewährung laufender ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach den zum 31. Dezember 2023 außer Kraft getretenen Bestimmungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 27a Satz 1 BVG. Zwar bestehen am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG keine Zweifel, jedoch ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Zeiträume nicht die Vorgabe nach § 27a Satz 1 BVG erfüllt, dass der Lebensunterhalt des Klägers nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann.
40Insoweit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Kontovermögen des Klägers von (seinerzeit) 23.366,49 Euro den nach § 25f Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 BVG i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII jeweils maßgeblichen Schonbetrag überschreitet und mit dem überschießenden Teil einzusetzen ist. Ansparungen aus früher gewährten Beschädigtengrundrenten gehören zum einsetzbaren Vermögen (dazu a) und im Fall des Klägers ist dieses Vermögen auch nicht aus Härtefallgesichtspunkten geschützt (dazu b). Auch unter Berücksichtigung von § 88a BVG kommt eine weitergehende Gewährung laufender ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Betracht (dazu c).
41a) Wie sich unmissverständlich aus § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG ergibt, ist es für die Berücksichtigung von Geldbeträgen als Vermögen zunächst unerheblich, ob sie aus Ansparungen aus Leistungen nach diesem Gesetz - wie etwa der Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG - resultieren. Die Regelung des § 25f Abs. 1 Satz 2 BVG hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20. Juni 2011 (BGBl. I. S. 1114) eingeführt. Dem lag die bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, Ansparungen aus Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz unabhängig von der Art der konkreten Leistung als einsetzbares Vermögen zu behandeln.
42Vgl. BT-Drucks. 17/5311, S. 17: "Satz 2 regelt, dass alle Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG bei nicht ausschließlich schädigungsbedingten Bedarfen als verwertbares Vermögen oberhalb der Vermögensschongrenzen gelten. Dies gilt auch für Ansparungen aus der Grundrente. Diese Regelung entspricht dem in der bisherigen Praxis der Kriegsopferfürsorge und in der bisher langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geltenden Grundsatz, dass eine angesparte Grundrente verwertbares Vermögen in der Kriegsopferfürsorge darstellt. Die Klarstellung ist wegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2010 (BVerwG 5 C 7/09) erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Erstattungsstreit zwischen einem Träger der Jugendhilfe und einem vorrangigen Träger der Kriegsopferfürsorge entschieden, dass der Einsatz von Ansparungen aus einer Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) als Vermögen im Rahmen der Erbringung von Eingliederungshilfe für die Heimerziehung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 27d Absatz 1 Nummer 6 BVG a. F./§ 27d Absatz 1 Nummer 3 BVG nicht verlangt werden kann, weil dies für Leistungsberechtigte eine Härte im Sinne von § 88 Absatz 3 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (jetzt § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) bedeuten würde. Die in der Urteilsbegründung vorgenommene Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Ansparungen aus Beschädigtengrundrenten in der Kriegsopferfürsorge als Vermögen stets anrechnungsfrei bleiben sollen, verkennt den Willen des Gesetzgebers. Die Grundrente soll Mehraufwendungen ersetzen, die ein gesunder Mensch nicht hätte. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die monatlich gezahlte Grundrente zu diesem Zweck genutzt wird und dem Berechtigten entsprechend zugute kommt. Sie soll weder zur Bestreitung des Lebensunterhalts noch zur Begründung eines Sparvermögens verwendet werden."
43Vor diesem Hintergrund ist es nicht von Belang, dass die Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG anerkanntermaßen eine Doppelfunktion hat und mit einem wesentlichen Anteil auch eine immaterielle bzw. ideelle Komponente mit Genugtuungsfunktion beinhaltet.
44Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. März 2000 - 1 BvR 284/96 u. a. -, juris Rn. 55 ff.
45Soweit damit der immaterielle Teil der Beschädigtengrundrente bei der Vermögensanrechnung nach § 25f BVG anders behandelt wird als etwa Schmerzensgeld, liegt darin kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es werden bereits keine wesentlich gleichen Sachverhalte ungleich behandelt. Denn vom ausschließlich immateriellen Schmerzensgeld unterscheidet sich die Beschädigtengrundrente gerade durch ihre Doppelfunktion. Da die ideelle Funktion der Grundrente nicht von deren materiellen Komponente zu trennen ist,
46vgl. BVerfG, Urteil vom 14. März 2000 - 1 BvR 284/96 u. a. -, juris Rn. 56,
47kann auch nicht allein der immaterielle Teil der Grundrente mit anderen rein ideellen Leistungen wie etwa Schmerzensgeld verglichen und diesen bei der Prüfung einer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG gegenübergestellt werden.
48b) Der Einsatz oder die Verwertung des über die Schonbeträge hinausgehenden Kontovermögens würde für den leistungsberechtigten Kläger zudem keine Härte bedeuten, die nach § 25f Abs. 1 Satz 3 und 4 oder Satz 6 i. V. m. § 25c Abs. 3 BVG dazu führen könnte, dass die Leistungsgewährung von dem Einsatz dieses Vermögens nicht abhängig gemacht werden dürfte. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er folgt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der bloße Verweis des Klägers auf die ursprüngliche - auch immaterielle - Funktion der zum Vermögen gewordene Beschädigtengrundrente führt nicht per se auf eine Härte, die einem Einsatz (zumindest des immateriellen Teils) der Ansparung entgegenstünde.
49Aus der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich auch nicht, dass Ansparungen von Beschädigtenrentenzahlungen - jedenfalls anteilig in Bezug auf eine immaterielle Entschädigungsfunktion - automatisch einem Vermögenseinsatz aus Härtefallgründen entzogen wären. Das Bundessozialgericht geht in der vom Kläger angeführten Entscheidung davon aus, dass sich dem Regelungsgefüge des § 25f BVG keine vollständige Aufgabe von Härtefallgesichtspunkten, sondern nur eine Beschränkung auf Fälle einer besonderen Härte entnehmen lasse. Bereits die Regelung in § 25f Abs. 1 Satz 5 BVG, wonach Nachzahlungen von Renten für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt bleiben, und die höheren Freibeträge nach § 25f Abs. 2 und 4 BVG dienten der Vermeidung von Härten. Zusätzlich zum Freibetrag nach § 25f Abs. 2 und Abs. 4 BVG könnten - nach den Umständen des Einzelfalls - weitere Härtegesichtspunkte eine weitergehende Freilassung des Vermögens rechtfertigen. Die Regelung des § 25f Abs. 1 Satz 5 BVG solle dem Geschädigten dabei typisierend die Möglichkeit eröffnen, sich einen höheren Lebensstandard zu verschaffen, als er mit Mitteln der Sozialhilfe denkbar sei.
50Vgl. BSG, Urteil vom 30. April 2020 - B 8 SO 12/18 R -, juris Rn. 20, 22.
51Der Senat teilt zwar die Annahme des Bundessozialgerichts, dass zusätzlich zum Freibetrag nach § 25f Abs. 2 und 4 BVG im Einzelfall weitere Härtegesichtspunkte eine weitergehende Freilassung des Vermögens rechtfertigen können (vgl. § 25f Abs. 1 Satz 3 und 4 sowie Satz 6 i. V. m. § 25c Abs. 3 BVG). Solche zu einer besonderen Härte führenden Umstände können zur Überzeugung des Senats jedoch nicht bereits stets dann angenommen werden, wenn eine im Kindesalter an den Geschädigten ausgezahlte Beschädigtengrundrente noch nicht angetastet worden und es bloß denkbar ist, dass dieses Vermögen einer späteren "angemessenen Lebensführung" im Erwachsenenalter oder dem Ausgleich schädigungsbedingter Mehraufwendungen dienen sollte, die im Kindesalter noch nicht relevant sein konnten. Dies hat im Übrigen auch das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung nicht vertreten, sondern es der Prüfung durch das Berufungsgericht überlassen, ob sich aus der - noch zu ermittelnden - Zweckbestimmung des Vermögens im konkreten Fall Härtegesichtspunkte ergeben (juris Rn. 22).
52Sollten Ansparungen, die zur Deckung solch völlig ungewisser Bedarfe, aber auch zu jedem anderen Zweck eingesetzt werden könnten, bloß aufgrund der nur theoretischen Möglichkeit der späteren Sicherstellung einer angemessenen Lebensführung oder eventuell entstehender schädigungsbedingter Mehraufwendungen über die Härtefallregelung schutzwürdig sein, widerspräche dies dem gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber wollte grundsätzlich, dass Ansparungen aus Leistungen nach dem Kriegsopferfürsorge- bzw. Opferentschädigungsrecht - ungeachtet des mit diesen Leistungen bezweckten Ausgleichs immaterieller und schädigungsbedingter Mehrbelastungen - als Vermögen einzusetzen sind. Dies hat er mit der Neufassung von § 25f BVG - insbesondere Abs. 1 Satz 2 - durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20. Juni 2011 (BGBl. I. S. 1114) und mit seinen diesbezüglichen - oben unter a) angeführten - Erwägungen in der Gesetzesbegründung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Es sollte dem Grundprinzip Rechnung getragen werden, dass die Kriegsopferfürsorge (somit auch opferentschädigungsrechtliche Leistungen) ein einkommens- und vermögensabhängiges Fürsorgesystem ist, das über den Ausgleich unmittelbarer Schädigungsfolgen hinaus auch der Absicherung von allgemeinen Lebensrisiken dient, die sonst über die Sozialhilfe aufgefangen werden müssten. Es wurde dementsprechend nicht als Ziel der fürsorgerischen Leistungen gesehen, einen Vermögensaufbau über die in der Kriegsopferfürsorge geltenden großzügigen Vermögensschonbeträge und die Berücksichtigungsfreiheit von Nachzahlungen im ersten Jahr hinaus zu ermöglichen.
53Vgl. BT-Drucks. 17/5311, S. 17; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 13. Februar 2018 - 10 A 312/17 -, juris Rn. 32; im Ergebnis wohl auch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 2019 - 5 C 5.18 -, juris Rn. 20, 25.
54Soweit das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung angeführt hat, dass für den Umfang eines zwischen Sozialleistungsträgern unter Umständen nach § 104 SGB X bestehenden Erstattungsanspruchs im Sinne einer hypothetischen Betrachtung darauf abzustellen sei, wie sich der Anspruch des Berechtigten gegen den zuständigen Träger entwickelt hätte, wenn dieser als vorrangig zur Leistung verpflichteter Träger in Anspruch genommen worden wäre, und dass mit Blick auf die in § 25f Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG angeordnete Verpflichtung des Berechtigten ein hypothetischer (fiktiver) Verbrauch des verwertbaren Vermögens anzusetzen sei (Rn. 19 f., 25 f.), führt dies mit Blick auf die Frage, inwieweit (angespartes) Vermögen entsprechend der Verpflichtung nach § 25f Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG einzusetzen ist, nicht weiter.
55An der grundsätzlichen Verwertbarkeit angesparter Entschädigungsleistungen als Vermögen hat der Gesetzgeber im Übrigen auch mit § 108 Abs. 1 SGB XIV in der - zum 1. Januar 2024 zunächst vorgesehenen - Fassung des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I. S. 2652) bei der Neuentwicklung der Entschädigungsleistungen für Neufälle noch festgehalten.
56Vgl. BT-Drucks. 19/13824, S. 218: "Nach Absatz 1 sind wie im bisherigen Recht auch Ansparungen aus Leistungen nach diesem Buch als Vermögen einzusetzen. Dies gilt auch für Ansparungen aus Entschädigungszahlungen trotz ihres Charakters als immaterielle und schädigungsbedingte Mehrbelastungen ausgleichende Leistung. Der besonderen Stellung der Betroffenen wird dadurch entsprochen, dass im Sozialen Entschädigungsrecht im Vergleich zum SGB XII höhere Vermögensschonbeträge gelten."
57Dass nicht diese, sondern die derzeitige Fassung des § 108 SGB XIV, wonach u. a. "Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 […] nicht als Vermögen einzusetzen" sind, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, führt auf kein anderes Verständnis der vorangegangenen Rechtslage. Die letztlich am 1. Januar 2024 in Kraft getretene Fassung des § 108 Abs. 1 SGB XIV beruht auf dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I. S. 2328), mit dem sich der Gesetzgeber für einen Systemwechsel bei der Vermögensanrechnung im Recht der Entschädigungszahlungen (Kapitel 9 SGB XIV) entschieden hat. In bewusster Abkehr von der bisherigen Rechtslage nach dem Bundesversorgungsgesetz sollte eine Angleichung an die Regelung in § 28 Abs. 2 SGB XIV erfolgen, wonach für andere Sozialleistungen keine Anrechnung von Entschädigungszahlungen als einsetzbares Vermögen stattfindet.
58Vgl. BT-Drucks. 20/3873, S. 119: "Durch die Änderung von § 108 SGB XIV wird die Regelung in § 28 Absatz 2 SGB XIV zur Vermögensberücksichtigung im SGB II, SGB XII und AsylbLG auch für die besonderen Leistungen im Einzelfall des SGB XIV nachvollzogen.
59Mit der Regelung wird sichergestellt, dass bei der existenzsichernden Leistung des SGB XIV Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 nicht als Vermögen berücksichtigt werden. Durch die Regelung wird der Gleichklang zu den sonstigen sozialen Mindestsicherungssystemen hergestellt, für die § 28 SGB XIV bereits regelt, dass Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind."
60Nach alledem können - jedenfalls bezogen auf die im streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Rechtslage - Ansparungen, die lediglich einer nicht näher spezifizierbaren Möglichkeit vorbeugen, dass irgendwann in Zukunft eine angemessene Lebensführung einmal - trotz weiter zu gewährender Grundrenten bzw. Entschädigungszahlungen - nicht gewährleistet sein sollte, nicht über die Härtefallregelung vor einem Einsatz geschützt sein.
61Gleiches gilt in Bezug auf schädigungsbedingte Mehraufwendungen, die im Kindesalter noch nicht relevant sein konnten, aber später eventuell in Betracht kommen. Dass ein Geschädigter im Kindesalter Leistungen bezieht, über deren Verwendung er keine eigenen Entscheidungen treffen kann, steht diesem Befund nicht entgegen, weil statt dem Betroffenen die jeweiligen Sorgeberechtigten entsprechende Entscheidungen hätten treffen können.
62Ob etwas anderes gelten kann, wenn das entsprechende Vermögen mit hinreichend klarer und verbindlicher Zweckbestimmung für konkret bestimmbare zukünftige schädigungsbedingte Mehraufwendungen oder aber für andere schützenswerte Zwecke i. S. v. § 25f Abs. 1 Satz 4 BVG angelegt wird, bedarf keiner Vertiefung. Weder eine auf bestimmbare zukünftige schädigungsbedingte Mehraufwendungen gerichtete noch eine dahingehende Zweckbestimmung, dass das Vermögen i. S. v. § 25f Abs. 1 Satz 4 BVG für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung oder die Sicherstellung einer angemessenen Bestattung und Grabpflege angelegt worden ist, hat der Kläger vorliegend getroffen.
63Um Missbrauchsfälle zu verhindern und zu gewährleisten, dass eine Verwendung des angelegten Vermögens für andere - nicht geschützte - Zwecke ausgeschlossen ist, erkennt der Senat in seiner ständigen pflegewohngeldrechtlichen Rechtsprechung für einen Härtefallschutz nach § 14 Abs. 3 Satz 1 APG NRW i. V. m. § 90 Abs. 3 SGB XII die insoweit maßgebende vermögensrechtliche Zweckbestimmung nur dann an, wenn sie ausschließlich und eindeutig sowie für den Betroffenen verbindlich getroffen wird, wenn der diesbezügliche Vermögensteil aus dem Vermögen eindeutig ausgegliedert wird und die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich niedergelegt worden ist.
64Vgl. zu den Anforderungen an die Zweckbestimmung für die schutzwürdige Anlage von Vermögen zur Bestattungsvorsorge etwa OVG NRW, Urteil vom 16. November 2009 - 12 A 1363/09 -, juris Rn. 60 ff. m. w. N., und Beschluss vom 9. Juni 2023 - 12 A 2792/21 -, juris Rn. 12 ff.
65Entsprechenden Anforderungen muss die vermögensrechtliche Zweckbestimmung auch im Rahmen der im sozialen Entschädigungsrecht vorgesehenen Härtefallregelungen (wie etwa § 25f Abs. 1 Satz 3 und 4 BVG) genügen.
66Das Bestehen einer solchen Zweckbestimmung ist vorliegend aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch auf den Hinweis des Senats vom 4. März 2025, dass es dem gesetzgeberischen Willen widersprechen dürfte, wenn Ansparungen, die zur Deckung völlig ungewisser Bedarfe, aber auch zu jedem anderen Zweck eingesetzt werden könnten, bloß aufgrund der nur theoretischen Möglichkeit der späteren Sicherstellung einer angemessenen Lebensführung oder eventuell entstehender schädigungsbedingter Mehraufwendungen über die Härtefallregelung schutzwürdig sein sollten, hat der Kläger eine hinreichend klare und verbindliche Zweckbestimmung nicht geltend gemacht.
67Dass der Kläger das angesparte Vermögen im streitgegenständlichen Leistungszeitraum konkret benötigt hätte, weil ansonsten eine angemessene Lebensführung oder die Deckung schädigungsbedingter Mehraufwendungen nicht gewährleistet wäre, ist nach Aktenlage ebenfalls nicht erkennbar und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
68c) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich schließlich auch kein "weiterer Leistungsanspruch für den Zeitraum ab Wirkung der Regelung des § 88a BVG", also ab dem 28. März 2020. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 88a Abs. 1 BVG - sowohl in der Ausgangsfassung des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020 (BGBl. I. S. 575) als auch in den Folgefassungen - gelten die günstigeren Regelungen der Absätze 2 bis 4 für "Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis […]" beginnen. Der erste maßgebliche Bewilligungszeitraum auf den Antrag des Klägers vom 23. November 2019 hin hat entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichts aber zum 1. Januar 2020 und somit vor dem 1. März 2020 begonnen. Ist bereits § 88a Abs. 1 BVG für den vom Kläger in den Blick genommenen Zeitraum tatbestandlich nicht einschlägig, gelangt Absatz 2 gar nicht erst zur Anwendung, so dass es auf dessen Auslegung nicht ankommt. Mit den in § 67 SGB II, § 141 SGB XII und § 88a BVG durch das Sozialschutz-Paket in vergleichbarer Weise getroffenen befristeten Sonderregelungen für ein vereinfachtes Verfahren bei Bewilligungszeiträumen, die vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 beginnen, sollten wirtschaftliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abgemildert werden und die Antragsverfahren insbesondere mit Blick auf die Prüfung des Vorliegens verwertbaren Vermögens wesentlich vereinfacht werden.
69Vgl. BT-Drucks. 19/18107, S. 25, 28, 33 f.
70Dass diesen Vereinfachungen entgegen dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ein bereits vor März 2020 und somit vor dem Auftreten der Pandemielage im Bundesgebiet begonnener Bewilligungszeitraum, für den die Beantragung und Nachweiserbringung vor Beginn der epidemischen Lage erfolgt ist, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers unterliegen sollte oder aus Gleichbehandlungsgründen unterliegen müsste, erschließt sich nicht.
71Der Verweis des Klägers auf den erst später - mit dem Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) vom 20. Mai 2020 (BGBl. I. Nr. 24) - eingeführten § 88b BVG führt ebenfalls nicht weiter, weil die Vorschrift nicht die in § 88a Abs. 2 bis 4 BVG geregelten Aspekte betrifft.
72Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
73Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.
74Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.