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Die Frist für eine Überstellung nach den Regelungen der Dublin III-VO wird auch dann unterbrochen, wenn einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung mit der Begründung stattgegeben wird, die Überstellung sei praktisch unmöglich.
Im Allgemeinen lassen sich bei den Aufnahme- und Lebensbedingungen der Personengruppe der nichtvulnerablen – auch weiblichen – Asylsuchenden in Italien aktuell keine systemischen Schwachstellen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO feststellen.
Das den Mitgliedstaaten durch Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO eröffnete Ermessen wird nicht aufgrund der Aussetzung von Überstellungen durch die Italienische Republik zu einer Pflicht zum Selbsteintritt reduziert.
Die Aussetzung von Rücküberstellungen durch die Italienische Republik allein führt nicht dazu, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG rechtswidrig ist.
Das Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2024 wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist nach ihren Angaben am 0. Januar 0000 in Conakry, Guinea, geboren und guineischer Staatsangehörigkeit. Am 30. März 2023 stellte sie bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen förmlichen Asylantrag.
3Gegenüber dem Bundesamt gab sie am 26. April 2023 an: Sie habe Guinea am 23. Dezember 2020 verlassen und sei über Tunesien, Italien und Frankreich nach Deutschland gekommen. Deutschland habe sie am 29. März 2023 erreicht. In Italien habe sie sich ab dem 14. Februar 2023 ca. zwei Wochen aufgehalten. Ihr seien dort Fingerabdrücke abgenommen worden; Asyl habe sie dort nicht beantragt. Am 6. Dezember 2023 erklärte sie gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen: Sie sei mit ihrem Partner, den sie in Tunesien kennen gelernt habe, nach Italien gereist und dort registriert worden. Von dort aus seien sie in die Schweiz gereist und hätten dort einen Asylantrag stellen wollen; sie seien aufgefordert worden, wieder nach Italien zurückzukehren. Sie seien dann nach Italien zurückgekehrt und von dort über Frankreich nach Deutschland gereist. Außer in Deutschland hätten sie nirgendwo Asylanträge gestellt. Sie sei HIV-positiv und deswegen in ärztlicher Behandlung. Zudem leide sie an Myomen im Unterleib. Sie nehme die Medikamente Biktarvy, Ferrosanol duodenal, Dekristol ein. Ihre Mutter, die krank und teilweise gelähmt sei, sowie ihre vier Kinder, die derzeit von einer Freundin versorgt würden, lebten in Guinea. Ihr Mann sei ungefähr im Jahr 2020 verstorben. Sie könne nicht lesen und habe in Guinea und im Senegal als Händlerin gearbeitet.
4Eine Eurodac-Abfrage des Bundesamtes am 30. März 2023 ergab einen Treffer der Kategorie 2 für Italien (Aufgriff am 16. Februar 2023, Fingerabdrucknahme am 17. Februar 2023).
5Das Bundesamt richtete am 3. Mai 2023 ein Aufnahmegesuch nach der Dublin III-Verordnung an die Italienische Republik, das nicht beantwortet wurde.
6Mit an alle Dublin-Units gerichtetem Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 hatte die italienische Dublin-Unit ausgeführt:
7„This is to inform you that due to suddenly appeared technical reasons related to unavailability of reception facilities Member States are requested to temporarily suspend transfers to Italy from tomorrow, with the exception of cases of family reunification of unaccompanied minors.
8Further and more detailed information regarding the duration of the suspension will follow.“
9Mit weiterem Rundschreiben vom 7. Dezember 2022 hatte die italienische Dublin-Unit ausgeführt:
10„I write following the previous communication on 5th December, concerning the suspension of transfers, with the exception of cases of family reunification of minors, due to the unavailability of reception facilities.
11At this regard, considering the high number of arrivals both at sea and land borders, this is to inform you about the need for a re-scheduling of the reception activities for third countries nationals, also taking into account the lack of available reception places.“
12Mit Bescheid vom 8. Dezember 2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.) und ordnete die Abschiebung der Klägerin nach Italien an (Ziffer 3.). Es ordnete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.).
13Die Klägerin hat am 19. Dezember 2023 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
14Sie hat schriftsätzlich beantragt,
15den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Dezember 2023 aufzuheben,
16sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
17hilfsweise ihr subsidiären Schutz zuzuerkennen,
18hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Hinblick auf Guinea und Italien vorliegen.
19Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 2. Januar 2024 mit der Begründung stattgegeben, eine Abschiebung nach Italien sei aufgrund der nach wie vor dauerhaft nicht bestehenden Übernahmebereitschaft der Italienischen Republik nicht durchführbar (5 L 3324/23). Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2024 hat es den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Dezember 2023 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Italienischen Republik sei wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen. Dem stehe der Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz nicht entgegen, denn die fehlende Übernahmebereitschaft der italienischen Behörden sei ein Fall der praktischen Unmöglichkeit, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht geeignet sei, die Überstellungsfrist zu unterbrechen. Selbst wenn der Lauf der Überstellungsfrist allein durch die Stellung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz zunächst unterbrochen worden wäre, sei die Beklagte zwischenzeitlich zuständiger Mitgliedstaat geworden, weil seit dem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts wiederum mehr als sechs Monate vergangen seien. Die Unterbrechung der Überstellungsfrist durch den Eilantrag sei mit der Bekanntgabe des Eilbeschlusses beendet gewesen, weil sich aus der Begründung desselben eindeutig ergeben habe, dass die aufschiebende Wirkung der Klage allein wegen der praktischen Unmöglichkeit einer Überstellung und damit aus Gründen angeordnet worden sei, die (jedenfalls) für den (weiteren) Lauf der Überstellungsfrist keine Bedeutung gehabt hätten. Für die Annahme einer Fortdauer der – hier unterstellten – Fristunterbrechung durch den Eilantrag nach Erlass des Beschlusses, mit dem über den Eilantrag insgesamt abschließend entschieden worden war, sei deshalb kein Raum gewesen.
22Zur Begründung ihrer mit Beschluss vom 20. August 2024 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht messe den Schreiben der italienischen Dublin-Unit fälschlicherweise rechtssetzenden Charakter zu. Weigerungen der Annahme einer Überstellung durch den zur Aufnahme verpflichteten Mitgliedstaat seien in der Dublin III-Verordnung geregelt. Deren ausdifferenzierte Vorschriften könnten nicht durch allgemeine Schreiben mitgliedstaatlicher Behörden ausgehebelt werden.
23Sie beantragt,
24unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2024 die Klage abzuweisen.
25Die Klägerin stellt keinen Antrag.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Dabei ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen.
30Vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. (Ibrahim) -, juris, Rn. 67 f.
31I. Rechtsgrundlage für die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Nach der Dublin III-VO ist die Italienische Republik für das Asylverfahren der Klägerin zuständig.
321. Die Zuständigkeit der Italienischen Republik folgt aus Art. 18 Abs. 1 a) i. V. m. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO. Die illegale Einreise nach und die Abnahme von Fingerabdrücken in Italien stehen aufgrund des Eurodac-Treffers vom 30. März 2023 fest (vgl. Art. 24 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 - sog. Eurodac-Verordnung). Unter dem 3. Mai 2023 und damit innerhalb der Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO richtete das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an die italienischen Behörden. Zwar antworteten die italienischen Behörden auf dieses Gesuch nicht, dies hat aber nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III VO zur Folge, dass mit dem Ablauf der Antwortfrist gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO davon auszugehen ist, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung zur Aufnahme der Person nach sich zieht.
33Die Zuständigkeit Italiens ist nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO entfallen. Zwar endet danach die Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO ist jedoch bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Dieser Zeitpunkt muss auch für den Ablauf des in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO genannten Zeitraums entscheidend sein.
34Vgl. VG München, Beschluss vom 6. Juli 2017 - M 9 S 16.51285 -, juris, Rn. 24; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2021 - 1 B 11.21 -, Buchholz 451.902 Europ Ausländer- und Asylrecht Nr. 130 = juris, Rn. 8.
35Zum Zeitpunkt des Asylantrags der Klägerin am 30. März 2023 waren noch keine zwölf Monate seit ihrem Übertritt der italienischen Grenze am 14. Februar 2023 vergangen.
362. Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO wegen Verstreichens der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. Um einen solchen Antrag handelte es sich bei dem Antrag der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Januar 2024 stattgegeben hat. Dieser hatte zur Folge, dass die Überstellungsfrist unterbrochen wurde.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 – 1 C 15.15 –, Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 83 = juris, Rn. 11 f.
38Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag allein deshalb stattgegeben hat, weil eine Überstellung der Klägerin aus praktischen Gründen unmöglich gewesen sei.
39Insbesondere folgt aus den Urteilen des EuGH vom 22. September 2022 (C-245/21) und vom 12. Januar 2023 (C-323/21 bis C-325/21) nicht, dass die Überstellungsfrist in Fällen, in denen einem Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung stattgegeben wird, die Überstellung sei praktisch unmöglich, nicht unterbrochen würde.
40Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwar die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, nicht geeignet, die Unterbrechung oder Aussetzung der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO bezeichneten Überstellungsfrist zu rechtfertigen.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2022 – C-245/21 –, NVwZ 2022, 1616 = juris, Rn. 65, sowie Urteil vom 12. Januar 2023 - C-323/21 -, juris, Rn. 69.
42Der Fall einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs stellt jedoch keinen Fall praktischer Unmöglichkeit dar, sondern eine - in Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO ausdrücklich vorgesehene - rechtliche Unmöglichkeit der Überstellung.
43So auch Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 - 5 Bf 87/24.AZ -, juris, Rn. 47.
44Auch der EuGH geht während der Dauer der aufschiebenden Wirkung eines gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegten Rechtsbehelfs davon aus, dass es unmöglich ist, die Überstellung vorzunehmen, weshalb die hierzu vorgesehene Frist in diesem Fall erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, also ab dem Zeitpunkt, zu dem die aufschiebende Wirkung endet.
45Vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2017 - C-60/16 -, juris, Rn. 55, zu der Frist des Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO unter Verweis auf das Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 - (Petrosian), juris, Rn. 46.
46Dies gilt unabhängig von der Begründung des die aufschiebende Wirkung anordnenden Beschlusses.
47Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 - 5 Bf 87/24.AZ -, juris, Rn. 25.
48Soweit der EuGH im Zusammenhang mit einer behördlichen Aussetzungsentscheidung ausführt, dass der Unionsgesetzgeber nicht der Ansicht gewesen sei, dass sich die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, für eine Rechtfertigung der Unterbrechung oder der Aussetzung der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung bezeichneten Überstellungsfrist eigne,
49vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2022 – C-245/21 –, NVwZ 2022, 1616 = juris, Rn. 65,
50lässt sich dies nicht auf die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung übertragen. Den nationalen Behörden soll es nicht ermöglicht werden, im Wege der allein auf praktische Gründe gestützten Aussetzungsentscheidung – ggf. mehrfach – eine Unterbrechung der Überstellungsfrist herbeizuführen und dieser damit die Wirksamkeit zu nehmen. Eine entsprechende Gefahr sieht der EuGH vor allem darin begründet, dass solche Entscheidungen – anders als gerichtliche Anordnungen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs – von der Behörde jederzeit widerrufen werden könnten.
51Vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2022 – C-245/21 –, NVwZ 2022, 1616 = juris, Rn. 64; so auch Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 – 5 Bf 87/24.AZ –, juris, Rn. 38.
52Anderes soll hingegen für den gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutz gelten. Diesbezüglich führt der EuGH aus, dass der Unionsgesetzgeber nicht die Absicht gehabt habe, den gerichtlichen Schutz der betroffenen Personen dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz zu opfern, und im Gegenteil die Verfahrensgarantien, die diesen Personen im Rahmen des vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Systems zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats (Dublin-System) gewährt werden, mit dieser Verordnung erheblich weiterentwickelt habe.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2022 – C-245/21 –, NVwZ 2022, 1616 = juris, Rn. 60.
54Da der EuGH damit ersichtlich davon ausgeht, dass gerichtlicher Schutz einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen darf, kann die zitierte Entscheidung nur dahingehend verstanden werden, dass der Gerichtshof es gerade nicht als geboten ansieht, in Fällen der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung die nationalen Gerichte durch ein Fortlaufen der Überstellungfrist dazu zu zwingen, innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraums über den (Hauptsache-) Rechtsbehelf zu entscheiden bzw. die Behörden zur fristgerechten Vollziehung einer Überstellungsentscheidung zu zwingen und die gerichtlich angeordnete aufschiebende Wirkung zu ignorieren.
55Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 – 5 Bf 87/24.AZ –, juris, Rn. 41.
56Insofern bleibt es beim Grundsatz, dass jede Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine auf den Bestimmungen der Dublin-III-VO beruhende Überstellungsentscheidung angeordnet wird, geeignet ist, den Lauf einer in der Dublin-III-VO normierten Überstellungsfrist zu unterbrechen, ohne dass es auf die dafür vom nationalen Gericht herangezogenen Gründe ankäme.
57Vgl. ebenso Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 – 5 Bf 87/24.AZ –, juris, Rn. 25.
58Gegenteiliges lässt sich auch der Entscheidung des EuGH vom 30. März 2023 - C-338/21 - nicht entnehmen. Der EuGH führt in dieser Entscheidung aus, dass ein Mitgliedstaat zwar über einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung für die Durchführung von Überstellungsentscheidungen verfüge, dieser Spielraum jedoch nicht bedeute, dass er sich als Folge einer sich aus seinem innerstaatlichen Recht ergebenden Aussetzung der Durchführung einer Überstellungsentscheidung die Aussetzung oder Unterbrechung der Überstellungsfrist vorsehen darf.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 30. März 2023 - C-338/21 -, juris, Rn. 68 ff.
60Die gerichtliche Entscheidung zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung nach der Dublin III-VO ist jedoch - unabhängig von ihrer Begründung - keine allein aus dem mitgliedstaatlichen Recht folgende Entscheidung, sondern vielmehr in der Dublin III-VO selbst angelegt (vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO).
61Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 22. Juli 2024 - 5 Bf 87/24.AZ -, juris, Rn. 46.
623. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO für den Asylantrag der Klägerin zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann.
63Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) mit sich bringen.
64a) Das Vorliegen derartiger systemischer Schwachstellen kann nicht allein deshalb vermutet werden, weil die Italienische Republik als der zuständige Mitgliedstaat einseitig angekündigt hat, dass alle Überstellungen von Personen, die internationalen Schutz beantragen, in sein Hoheitsgebiet und damit die Verfahren zur Aufnahme und Wiederaufnahme dieser Antragsteller ausgesetzt werden. Vielmehr kann das Vorliegen solcher systemischer Schwachstellen und einer solchen Gefahr nur nach einer konkreten Prüfung festgestellt werden, die auf objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Angaben beruht.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2024 – C-185/24 und C-189/24 –, juris, Rn. 40; BVerwG, Beschluss vom 13. November 2023 – 1 B 38.23 –, juris, Rn. 15; a. A. noch OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2023 – 11 A 142/22.A –, juris, Rn. 48.
66b) Eine solche Prüfung ergibt in Bezug auf die Klägerin Folgendes:
67Im Allgemeinen lassen sich bei den Aufnahme- und Lebensbedingungen der Personengruppe der nichtvulnerablen – auch weiblichen – Asylsuchenden in Italien aktuell keine systemischen Schwachstellen i. S. v. Art. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO feststellen.
68Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falls abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 21.
70aa) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, geklärt, dass sich bei den Aufnahme- und Lebensbedingungen der Personengruppe der nichtvulnerablen – auch weiblichen – Schutzberechtigten in Italien aktuell keine Schwachstellen feststellen lassen, die die für eine Verletzung von Art. 4 GRCh erforderliche besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einer Rückkehr nach Italien in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 124.
72bb) Dies muss erst Recht für die entsprechende Personengruppe der nicht vulnerablen Asylsuchenden gelten. Denn diesen stehen im Hinblick auf die Deckung der maßgeblichen Grundbedürfnisse Unterkunft, Ernährung und Hygiene in der Regel mehr Ressourcen zur Verfügung als Schutzberechtigten.
73So ist bei Asylsuchenden – mehr noch als bei international Schutzberechtigten – hinreichend wahrscheinlich, dass sie eine noch menschenwürdige Unterkunft finden. Zwar sind Asylsuchende im Grundsatz von einer Unterbringung in einer Zweitaufnahmeeinrichtung (SAI) ausgeschlossen, dies gilt jedoch nicht für Frauen.
74Vgl. die Nachweise bei BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 48.
75In den SAI-Einrichtungen werden neben der reinen Unterkunft und Verpflegung auch Unterstützungs- und Integrationsleistungen erbracht. Hierzu gehören etwa Übersetzungs- und sprachlich-kulturelle Vermittlungsdienste, Rechtsberatung, Vermittlung der italienischen Sprache und Schulbesuch für Minderjährige, Gesundheitsversorgung, sozio-psychologische Hilfen vor allem für vulnerable Personen, Ausbildung, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Beratung über verfügbare Dienstleistungen zur örtlichen Integration und Information über Programme zur freiwilligen Rückkehr sowie über Freizeit-, sportliche und kulturelle Aktivitäten.
76Vgl. die Nachweise bei BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 51.
77Im Übrigen stehen Asylsuchenden jedenfalls die Erstaufnahmeeinrichtungen (CAS) zur Verfügung; dies gilt nach einer Auskunft des italienischen Innenministeriums aus Februar 2024 grundsätzlich auch für Dublin-Rückkehrer.
78Vgl. aida, Country Report Italy 2023, S. 74.
79Auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen steht den Bewohnern neben Unterkunft und Verpflegung eine Gesundheitsversorgung zur Verfügung, auf die Asylsuchende nach einer (kostenlosen) Registrierung beim staatlichen Gesundheitsdienst einen Anspruch haben.
80Vgl. aida, Country Report Italy 2023, S. 152 ff.; BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 115 ff.
81cc) Der – trotz ihrer Erkrankungen grundsätzlich erwerbsfähigen – Klägerin ist es ferner wie allen Asylsuchenden nach Ablauf von 60 Tagen gestattet, in Italien eine Beschäftigung aufzunehmen.
82Vgl. aida, Country Report Italy 2023, S. 159; für international Schutzberechtigte BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 – 1 C 24.23 –, NVwZ 2025, 579 = juris, Rn. 99 ff.
83dd) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich schließlich, dass die Klägerin auch im Falle einer eventuellen Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien mit keiner beachtlichen Wahrscheinlichkeit in die Gefahr einer extremen, die Verletzung von Art. 4 GRCh bedeutenden Notlage geraten wird.
844. Schließlich ist die Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen. Weder hat die Beklagte eine Entscheidung zum Selbsteintritt getroffen, noch ist sie verpflichtet, dies zu tun.
85Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Artikel 3 Absatz 1 Dublin III-VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
86Diese Vorschrift soll es jedem Mitgliedstaat ermöglichen, sich aus politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen bereit zu erklären, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er hierfür nach den in der Dublin III-VO festgelegten Kriterien nicht zuständig ist
87Vgl. EuGH, Urteile vom 23. Januar 2019 - C 661/17 -, juris, Rn. 58, und vom 4. Oktober 2018 - C-56/17 -, juris, Rn. 53; vgl. auch EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 - C-528/11 -, juris, Rn. 37.
88Dabei überlässt es die Vorschrift dem Ermessen jedes Mitgliedstaats, dies zu beschließen. Die Ausübung dieser Befugnis ist dabei an keine besondere Bedingung geknüpft. Es ist vielmehr Sache des betreffenden Mitgliedstaats, die Umstände zu bestimmen, unter denen er von dieser Befugnis Gebrauch machen möchte, und zu entscheiden.
89Vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 2023 - C-228/21 u. a. -, juris, Rn. 146, und vom 16. Februar 2023 - C-745/21 -, juris, Rn. 50.
90Dieses - weite - Ermessen ist nicht aufgrund der Ankündigung der Aussetzung von Überstellungen durch die Italienische Republik zu einer Pflicht zum Selbsteintritt reduziert.
91A. A. vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 2. Mai 2024 – 12 K 7152/23.A –, juris, Rn. 24; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2023 – 8 K 1679/20.A –, juris, Rn. 61; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. April 2025 - 1a K 3252/23.A - (n. v.).
92Angesichts des dargestellten weiten Ermessensspielraums kann eine Verdichtung auf eine Verpflichtung zum Selbsteintritt nämlich allenfalls unter außergewöhnlichen und schwerwiegenden Umständen eintreten.
93Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juli 2024 - 24 B 24.50010 -, juris, Rn. 37.
94Derartige Umstände liegen nicht allein darin, dass eine Überstellung aufgrund einer Weigerung des zuständigen Mitgliedstaates voraussichtlich innerhalb der Überstellungsfrist nicht möglich sein wird.
95A. A. in einem anders gelagerten Fall OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2017 – 11 A 1966/15.A –, juris, Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juli 2016 - A 11 S 974/16 -, juris, Rn. 44.
96Eine solche Verzögerung begründet für sich genommen insbesondere keine Verletzung des Art. 4 GrCh.
97Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – 24 B 24.50010 –, juris, Rn. 25.
98Die Dublin III-VO sieht selbst in Art. 29 Abs. 1 die Überstellungsfrist von sechs Monaten vor und bezieht sich hierbei ausdrücklich auf die praktische Möglichkeit der Überstellung. Erst wenn die Überstellung innerhalb dieser Frist nicht möglich ist, geht die Zuständigkeit nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Die Dublin III-VO selbst gesteht den Mitgliedstaaten somit - auch in Fällen praktischer Schwierigkeiten der Überstellung - einen Zeitraum von sechs Monaten zu, um die Überstellung vorzunehmen. Dieses System kann nicht durch die Annahme einer Verpflichtung zum Selbsteintritt bereits vor Ablauf dieser Zeit ausgehebelt werden. Es handelt sich insoweit auch nicht um die Situation eines „refugee in orbit“. Die Dublin III-VO mutet vielmehr selbst dem Asylsuchenden mit der Überstellungsfrist eine - ggf. um die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens verlängerte (vgl. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO) - Phase der Ungewissheit zu, in der eine Überstellung in den zu diesem Zeitpunkt (noch) zuständigen Mitgliedstaat nicht erfolgt, gleichwohl der Asylantrag aber auch in dem Mitgliedstaat, in welchem der Asylsuchende sich aufhält, (noch) nicht geprüft wird.
99Dies widerspricht auch nicht dem Ziel der Dublin III-VO, eine zügige Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz zu gewährleisten. Die zwingenden Fristen, die der Uniongesetzgeber für die Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren vorgesehen hat, tragen gerade entscheidend zur Verwirklichung dieses Ziels bei.
100Vgl. EuGH, Urteil vom 30. März 2023 - C-338/21 -, juris, Rn. 65 ff.
101Einer darüber hinausgehenden Beschleunigung bedarf es nicht.
102II. Auch Ziffer 2. des angegriffenen Bescheids ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nach den obigen Ausführungen (vgl. I. 3. b)) nicht erfüllt.
103III. Die Abschiebungsanordnung nach Italien (Ziffer 3. des Bescheids) beruht auf § 34a Abs. 1 AsylG und begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
104Nach Satz 1 dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers, der in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
105Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Italienische Republik ist für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständig. Es steht auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Daran ändern die beiden Schreiben der italienischen Dublin-Unit vom 5. und 7. Dezember 2022 nichts. Diese begründen kein grundsätzliches Abschiebungshindernis. Vielmehr sind diese Erklärungen dem Überstellungsverfahren (Abschnitt VI Dublin III-VO, Art. 29 ff.) zuzuordnen. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist. Insofern hat auch vor dem Hintergrund dieser Schreiben zunächst seitens der Beklagten eine Koordination möglicher Überstellungstermine zu erfolgen. Dass allein der Umstand, dass eine solche Koordination ggf. nicht zu einer Überstellung führt, nicht dazu führt, dass die Überstellung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO und damit auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht als „praktisch möglich“ anzusehen ist bzw. die Abschiebung nicht „durchgeführt werden kann“ ergibt sich daraus, dass erst die die Nichtüberstellung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu einem Zuständigkeitsübergang führt, vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO.
106Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. Januar 2024 – 4 LB 3/23 –, juris, Rn. 123; a. A. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – 24 B 24.50010 –, juris, Rn. 45.
107IV. Die in Ziffer 4. des Bescheides enthaltene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
108V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
109Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
110Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die in § 132 Abs. 2 VwGO, § 78 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe nicht vorliegen.