Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Bietet bei der Anfechtung einer Beseitigungsverfügung der Sach- und Streitstand bei Abschluss des Verfahrens keine genügenden Anhaltspunkte für die Bemessung des Zeitwerts der zu beseitigenden Bausubstanz sowie der Abrisskosten, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG der Auffangwert anzusetzen. Eine anschließende weitere Sachaufklärung zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses lässt das Gesetz nicht zu (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 19.11.2018 - 8 KSt 2.18 u.a. -, juris Rn. 2).
Wurde in einem Verfahren zu dessen Beendigung ein Prozessvergleich auch über nicht anhängige Gegenstände geschlossen, hat das Gericht neben dem Streitwert für das Verfahren auch einen Streitwert für den Prozessvergleich festzusetzen, so dass sich aus der Differenz von Vergleichsstreitwert und Verfahrensstreitwert der Vergleichsmehrwert ergibt.
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000 Euro und für den Prozessvergleich auf 5.500 Euro festgesetzt.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kläger ist nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet.
21. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt, ohne dass dies zu beanstanden wäre.
3Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen. Maßgeblich ist dabei, welchen Streitgegenstand der Kläger dem Gericht mit seinem Klageantrag zur Entscheidung unterbreitet und welche wirtschaftliche Bedeutung dieser gerade für ihn hat. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Sichtweise des Klägers, sondern auf eine objektive Beurteilung an. Mit der Befugnis, den Streitwert nach richterlichem Ermessen zu bestimmen, ist dem Gericht im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung die Möglichkeit eingeräumt, den Wert des Streitgegenstandes zu schätzen. Eine weitgehende Schematisierung und Typisierung für gleichartige Streitigkeiten ist zulässig und geboten.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. November 2024 - 10 E 629/24 -, juris Rn. 2, vom 19. September 2023 - 10 E 584/23 -, juris Rn. 3, und vom 27. Oktober 2021 - 10 E 445/21 -, juris Rn. 2.
5Der Senat orientiert sich dabei in seiner ständigen Streitwertpraxis am Streitwertkatalog der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 619). Nach dessen Ziffer 10.) Buchstabe a) ist im - hier einschlägigen - Fall der Anfechtung von Beseitigungsverfügungen der Zeitwert der zu beseitigenden Bausubstanz zuzüglich Abrisskosten anzusetzen.
6Falls insofern belastbare Informationen nicht vorliegen bzw. von den Beteiligten nicht beigebracht werden können und damit jegliche Grundlagen für eine Schätzung fehlen, ist jedoch gemäß § 52 Abs. 2 GKG der Auffangwert in Höhe von 5.000 Euro anzusetzen, weil der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts dann keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
7Von letzterem ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Die Einwände des Prozessbevollmächtigten der Kläger, der die Heraufsetzung des Streitwerts auf 50.000 Euro begehrt, sind nicht tragfähig.
8a. Die bloße pauschale Schätzung, der Wert des 1999 errichteten Wintergartens hätte im Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsverfügungen (noch) 30.000 Euro betragen, wird durch keinerlei Angaben untermauert und erscheint dem Senat deutlich überhöht. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich insbesondere nicht dem - nicht weiter substantiierten - Vorbringen entnehmen, der Wintergarten habe eine Nutzfläche von 21,35 m², weise einen umbauten Raum von 56,00 m³ auf, erscheine aufgrund einer kompletten Glasfront sowie einem mit einer Beschattungsanlage versehenen Glasdach von hochwertiger Gestaltung und verfüge über eine Innenverklinkerung an drei Wandteilen. Die nähere Substantiierung, etwa durch Vorlage aussagekräftiger Nachweise, ist hier auch nicht mit Blick auf das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Kläger entbehrlich, er habe selbst an seinem eigenen Wohnhaus im Jahr 2006 einen Wintergarten angebaut und sei vor diesem Hintergrund mit den dadurch entstehenden Gesamtkosten bestens vertraut. Der Prozessbevollmächtigte hat auch nach Aufforderung des Senats keine weiteren Angaben gemacht. Sollte sein Hinweis im Schriftsatz vom 14. Januar 2025, eine weitergehende Substantiierung sei nur nach Begehung durch einen sachverständigen Architekten möglich, als Anregung dahingehend zu verstehen sein, das Gericht möge ein Sachverständigengutachten einholen, kommt dies nicht in Betracht. Bietet der Sach- und Streitstand bei Abschluss des Verfahrens keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Werts, greift § 52 Abs. 2 GKG. Eine anschließende weitere Sachaufklärung zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses lässt das Gesetz nicht zu.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 2018 ‑ 8 KSt 2.18 u.a. -, juris Rn. 2; Bay. VGH, Beschluss vom 11. November 2013 - 10 C 11.1183 -, juris Rn. 4 f.
10b. Das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, er schätze die Kosten für den Abriss des Wintergartens einschließlich des Abtransports der Materialien sowie deren ordnungsgemäße Entsorgung auf mindestens 20.000 Euro, wird ebenfalls nicht mit Nachweisen untermauert und erscheint dem Senat auch deutlich überhöht. Der bloße Verweis auf die Unterschiedlichkeit der zu entsorgenden Materialien sowie auf einen sehr verengten Transportweg zwischen den Häusern Lessingstraße 9a und Lessingstraße 11 genügt insofern (augenscheinlich) nicht.
112. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kläger ist jedoch insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht für den zur Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2023 geschlossenen gerichtlichen Vergleich keinen gesonderten Streitwert festgesetzt hat.
12Wurde in einem Verfahren zu dessen Beendigung ein Prozessvergleich auch über nicht anhängige Gegenstände geschlossen, hat das Gericht neben dem Streitwert für das Verfahren auch einen Streitwert für den Prozessvergleich festzusetzen, so dass sich aus der Differenz von Vergleichsstreitwert und Verfahrensstreitwert der Vergleichsmehrwert ergibt. Denn im Fall des Vergleichsschlusses auch über nicht bei Gericht anhängige Gegenstände entstehen in Bezug auf den Vergleichsmehrwert zum einen nach Nr. 5600 der Anlage 1 zum GKG 0,25 Gerichtsgebühren. Zum anderen entsteht für den Prozessbevollmächtigten aber auch für mit verglichene, nicht anhängige Gegenstände die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG, wobei nach § 32 Abs. 1 RVG für deren Ermittlung der zur Berechnung der Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzte Streitwert maßgebend ist.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2023 - 2 E 565/23 -, juris Rn. 4, und vom 13. Mai 2013 - 6 E 65/13 -, juris Rn. 6.
14Hier geht der Regelungsgehalt des von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2023 vor dem Veraltungsgericht geschlossenen Vergleichs insofern über die Beendigung des Klageverfahrens hinaus, als auch eine endgültige Verständigung über die beiden Nutzungsuntersagungen (Ziffer 7. des Vergleichs) getroffen wurde. Unter Berücksichtigung von Ziffer 11.) Buchstabe a) des Streitwertkatalogs der Bausenate, der im Fall einer Nutzungsuntersagung den Jahresnutz- oder Jahresmietwert ansetzt, bemisst der Senat den Vergleichsmehrwert mit 500 Euro und folglich den Vergleichsstreitwert mit 5.500 Euro.
15Indes ist entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Blick auf die Ziffern 1. bis 5. des gerichtlichen Vergleichs vom 14. Dezember 2023 kein Vergleichsmehrwert festzusetzen. Es fehlt an einem Gegenstand i. S. v. Nr. 5600 der Anlage 1 zum GKG. In den Ziffern 1. bis 5. des gerichtlichen Vergleichs sind lediglich mehrere Verpflichtungen der Kläger gegenüber der Beklagten aufgenommen worden, die Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung sind bzw. sein können. Der gerichtliche Vergleich statuiert indes keine zwingende Verpflichtung der Beklagten, die Baugenehmigung für den Wintergarten auch zu erteilen, sollten die Kläger ihrerseits allen Verpflichtungen aus dem Vergleich nachkommen. Vielmehr besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Beklagte den Bauantrag aus anderen Gründen ablehnt.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
17Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).