Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Für die Kosten des Beschwerdeverfahrens gilt Folgendes: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners tragen die Antragsteller zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu 1/4, die Antragsteller zu 3. und 4. als Gesamtschuldner zu 1/4, die Antragsteller zu 5. und 6. als Gesamtschuldner zu 1/4 und der Antragsteller zu 7. zu 1/4. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Antragsteller jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 744/24 gegen die von der Antragsgegnerin der Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Oktober 2024 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Wohncontaineranlage für Geflüchtete auf dem Grundstück Gemarkung H., Flur 8, Flurstück 197 (W.-straße 100 in V.; im Folgenden: Vorhaben bzw. Vorhabengrundstück) anzuordnen, abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung verstoße mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt seien. Eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW liege nicht vor. Eine Rechtsverletzung von sich aus dem Bauplanungsrecht ergebenden Nachbarrechten ergebe sich nicht daraus, dass die genehmigte Errichtung einer Wohncontaineranlage von der im Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück festgesetzten Nutzung als „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ abweiche. Auch die erfolgte Befreiung von dieser nicht drittschützenden Festsetzung verletze die Antragsteller nicht in ihren Rechten, da die Baugenehmigung nicht zulasten der Antragsteller gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Die landesrechtlich geregelten Vorschriften des Abstandsflächenrechts würden eingehalten. Eine städtebauliche Sondersituation, die es gleichwohl rechtfertige, das Bauvorhaben als rücksichtslos einzustufen, sei mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Die vom Bauvorhaben ausgehenden Geräuschimmissionen seien für die Antragsteller nicht schlechthin unzumutbar.
4Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
51. Der näher begründete Vortrag der Antragsteller, ihr Antrag sei insgesamt zulässig, führt schon deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf eine Unzulässigkeit des Eilantrages gestützt hat.
62. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Rechte der Antragsteller verletzt.
7a. Die Antragsteller legen nicht dar, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Baugenehmigung erweise sich ihnen gegenüber nicht als in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt, unzutreffend ist.
8Eine Baugenehmigung muss inhaltlich bestimmt sein. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung folgenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Dezember 2023 - 10 B 996/23 -, juris Rn. 5, vom 15. Dezember 2023 - 10 B 645/23 -, juris Rn. 5, vom 21. Dezember 2020 - 10 B 944/20 -, juris Rn. 11, m. w. N.
10Dass die Baugenehmigung diesen Anforderungen zu ihren Lasten nicht genügt, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Auf die darin thematisierte Frage, ob sich aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Stelle im Brandschutzkonzept eindeutig die Anzahl der Bewohner ergebe, obgleich darin nur von „ca. 60 Personen“ gesprochen werde, kommt es dafür nicht an. Die Antragsteller können als Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung folgenden Betroffenheit auch so zweifelsfrei feststellen. Die faktische Obergrenze an Nutzern der Anlage folgt bereits aus Kapazitätsgründen der 15 je knapp 16,4 m² großen Container, die schon mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 GG jeweils nur von einer beschränkten Zahl an Personen bewohnt werden dürfen. Eine ausreichend verlässliche Beschränkung der nutzungstypischen Belegungszahlen folgt auch aus der in der baulichen Anlage vorgesehenen übrigen Infrastruktur, insbesondere den nur in beschränkter Zahl installierten sanitären Einrichtungen sowie der Zahl und Größe an sonstigen Funktions- oder Aufenthaltsräumen, die eine Belegung von deutlich mehr als 60 Personen ausschließen. Dies übergeht die Beschwerde, soweit sie behauptet, der Beigeladenen stünde es aufgrund der Baugenehmigung völlig frei, wie viele Personen sie in dem Objekt unterbringe.
11b. Dem Vorbringen der Antragsteller lässt sich nicht entnehmen, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die erteilte Baugenehmigung deshalb ihre Nachbarrechte verletzt, weil der Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück eine „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ festsetzt.
12Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Antragsteller sich nicht unter dem Gesichtspunkt des wechselseitigen Austauschverhältnisses gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden könnten, weil ihre Grundstücke und das Vorhabengrundstück nicht innerhalb desselben durch den Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets lägen. Mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend auseinander. Dafür genügt die pauschale Behauptung, ein Gebietserhaltungsanspruch könne sowohl von im Gebiet ansässigen Personen als auch von außenstehenden Personen geltend gemacht werden, nicht. Vorstehendes lässt sich auch der allein angeführten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 25. August 2009 - 1 CS 09.287 -, juris) nicht entnehmen. Die Ausführungen der Antragsteller zur Eigenart des Baugebiets sowie des diesem widersprechenden Vorhabens lassen ebenfalls eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermissen. Insoweit fehlt überdies die Benennung eines rechtlichen Anknüpfungspunktes.
13c. Die Antragsteller zeigen auch nicht auf, aufgrund der erteilten Befreiung von der vorgenannten Festsetzung in ihren Rechten verletzt zu sein.
14Das Beschwerdevorbringen setzt der Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege eine Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans vor, nichts von Substanz entgegen. Dass die vorgenannte Festsetzung gegenüber den jeweils außerhalb des die Verkehrsfläche umgebenden Plangebiets liegenden Grundstücken der Antragsteller nachbarschützende Wirkung entfaltet, haben sie nicht dargelegt. Dafür genügt ihr Vorbringen, die Verkehrsfläche diene als Erschließungsanlage des öffentlichen Nahverkehrs dem Transport von über 200 Schulkindern aus den umliegenden Gebieten und über diese werde nahezu der gesamte öffentliche Nahverkehr für den Ortsteil abgewickelt, nicht. Die Antragsteller setzen sich schon nicht ansatzweise mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, das maßgeblich auf die Planbegründung abgestellt hat, auseinander.
15d. Eine Verletzung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme zu ihrem Nachteil legen die Antragsteller mit ihrem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht dar.
16aa. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen eingehalten worden seien, so dass das Vorhaben in aller Regel unter denjenigen Gesichtspunkten, welche Regelungsziele der Abstandsvorschriften seien (Vermeidung von Licht-, Luft- und Sonnenentzug, Unterbindung einer erdrückenden Wirkung des Baukörpers sowie Wahrung eines ausreichenden Sozialabstandes), jedenfalls aus tatsächlichen Gründen auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstoße.
17Ohne Erfolg wenden die Antragsteller zu 1. und 2. dagegen ein, das Vorhaben verletze zu Lasten ihres Grundstücks die Abstandsflächenregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauO NRW 2018, da die Baugenehmigung eine Befestigung der Flächen um die Wohncontainer herum vorsehe, hierdurch eine Terrasse geschaffen werde, die bis unmittelbar an deren Grundstücksgrenze heranreiche, die Flächen dazu geeignet seien, von Menschen betreten zu werden und der Höhenunterschied auch höher als einen Meter sei. Ihr Vorbringen greift schon deshalb nicht durch, weil die befestigten Flächen nicht i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauO NRW 2018 höher als 1 m über der Geländeoberfläche sind. Maßgeblich ist insoweit die natürliche Geländeoberfläche im Sinne von § 2 Abs. 4 BauO NRW 2018 auf dem Baugrundstück.
18Vgl. Kamp/Henkel, in: Schönenbroicher/Kamp/ Henkel, BauO NRW 2018, 2. Auflage 2022, § 6 Rn. 54; Johlen, in: Gädtke u.a., BauO NRW, 17. Auflage 2024, § 6 Rn. 197. Vgl. zum identischen Bezugspunkt nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauO NRW: Kockler, in: Spannowsky/Saurenhaus, BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, § 6 Rn. 17.
19Durch die Umsetzung der Baugenehmigung wird in der Nähe des Grundstücks der Antragsteller zu 1. und 2. die natürliche Geländeoberfläche vielmehr herabgesetzt und die befestigte Fläche vor dem Grundstück der Antragsteller unterhalb der Höhe der bisherigen Geländeoberfläche angelegt.
20Aus dem Vorbringen der Antragsteller ergibt sich auch nicht, dass - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - eine städtebauliche Sondersituation vorliegt, die das Vorhaben trotz Einhaltung des Abstandsflächenrechts als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos erscheinen ließe. Ihre Kritik, das Verwaltungsgericht habe bei seinem Vergleich der Firsthöhen des Vorhabens mit denen der Wohngebäude der Antragsteller verkannt, dass das Vorhabengrundstück teilweise 1,0 m bis 1,5 m höher liege, trifft schon nicht zu, weil sich die Höhenangaben des Verwaltungsgerichts offensichtlich nicht auf die gewachsene Geländeoberfläche, sondern auf Normalhöhennull beziehen.
21bb. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Antragsteller entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts vorhabenbedingt mit unzumutbaren Lärmimmissionen zu rechnen hätten.
22Das Verwaltungsgericht hat sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt und dazu umfassend ausgeführt. Damit setzt sich die Beschwerde schon weit überwiegend nicht auseinander.
23Aus dem Einwand der Antragsteller, aufgrund der räumlichen Enge in der Unterkunft sei zu erwarten, dass sich Bewohner in größerer Zahl im Freien vor der Unterkunft aufhalten würden, ergibt sich nicht, dass das Vorhaben für die Antragsteller unzumutbar wäre. Bei den hier von den Bewohnern des Vorhabens konkret zu erwartenden Geräuschen handelt es sich, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht abgestellt hat, um typischerweise von Wohngrundstücken ausgehende Geräusche, die bei baurechtlicher Betrachtung auch in einem allgemeinen Wohngebiet und erst recht in einem Mischgebiet unter dem Aspekt der Rücksichtnahme grundsätzlich hinzunehmen sind.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. September 2023 - 10 B 749/23 -, juris Rn. 14, und vom 19. Juli 2019 - 10 A 1802/18 -, juris Rn. 18 f., m. w. N.
25Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass das Vorhaben einen gepflasterten Weg entlang der Flüchtlingsunterkunft von dem Notausgang an deren Westseite über deren Südseite bis hin zum östlichen Gebäudeeingang vorsieht. Eine von den Antragstellern geltend gemachte Anlegung einer Terrasse ist darin schon nicht zu sehen. Selbst wenn sich in dem über dem Geländeniveau der Nachbargrundstücke befindlichen Bereich Personen aufhalten sollten, ist - anders als die Antragsteller meinen - eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung nicht erkennbar.
26Entgegen der Kritik der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht auch nicht unberücksichtigt gelassen, dass durch das Bauvorhaben die Nutzung der Verkehrsfläche als Busanlage erheblich verkleinert werde, sondern dazu ausgeführt, dass die Platzierung der Wohncontaineranlage für Geflüchtete einen abschirmenden Schutz vor Lärmbeeinträchtigungen durch Busverkehr für die Antragsteller biete. Dem setzen die Antragsteller nichts entgegen.
27Ohne Erfolg wenden die Antragsteller schließlich ein, es sei von einer künftig erfolgenden Verlängerung der Befristung der Baugenehmigung und damit schon jetzt von einer sechsjährigen Nutzung auszugehen. Bereits das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Streitgegenstand allein die auf drei Jahre befristete konkret erteilte Baugenehmigung ist.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2023 - 10 B 749/23 -, juris Rn. 10.
293. Die zur Begründung ihrer Beschwerde im Übrigen erfolgte pauschale Bezugnahme der Antragsteller auf ihr erstinstanzliches Vorbringen genügt nicht den sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebenden Darlegungsanforderungen.
30Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Sätze 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2
32GKG.
33Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3
34Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).