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Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich anhand der TA Lärm. Die Ermittlung der Geräuschimmissionen erfolgt im Bereich des Hörschalls durch eine Schallausbreitungsrechnung nach DIN ISO 9613-2, die Frequenzen im Bereich von 63 Hz bis 8 kHz abbildet.
Nach Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm ist für Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen (tieffrequente Geräusche), die Frage, ob von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen. Dazu bedarf es im Genehmigungsverfahren einer prognostischen behördlichen Einschätzung auf Grundlage des bestehenden Erfahrungswissens, nicht einer Schallausbreitungsrechnung.
Tieffrequenter Schall durch Windenergieanlagen führt nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse bei einer Entfernung von etwa 700 m zwischen Wohnbebauung und Windenergieanlagen grundsätzlich nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen (Fortführung der bisherigen Rspr.). Bei dieser Entfernung sind die tieffrequenten Geräusche von windbedingten Hintergrundgeräuschen messtechnisch nicht zu unterscheiden.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der postalischen Bezeichnung O.-straße in 00000 T. (Gemarkung G01, G02, G03). Er wendet sich gegen das Vorhaben der Beigeladenen, in einer Entfernung von etwa 702 m südlich (WEA 3) sowie 1,1 km (WEA 1) und 1,4 km (WEA 2) südwestlich seines Wohnhauses drei Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben.
3Zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der nächstgelegenen WEA 3 befinden sich vor allem landwirtschaftliche Nutzflächen. Südöstlich des Wohnhauses befinden sich in etwa 450 bis 485 m Entfernung sechs Blockheizkraftwerke. Dabei handelt es sich um fünf mit Bescheid des Beklagten vom 27. Februar 2020 genehmigte Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke (Genehmigungsinhaber: L.; im Folgenden: Pflanzenöl-BHKW) und ein am 29. Juni 2021 beantragtes und am 12. Juli 2023 von dem Beklagten genehmigtes Biomethan-Blockheizkraftwerk (Genehmigungsinhaber: X. GmbH & Co. KG; im Folgenden: Biomethan-BHKW) auf dem Gelände der Gärtnerei Z.
4Am 3. Mai 2022 beantragte die Beigeladene die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen des Typs GE 5.5-158 mit einer Nabenhöhe von 150 m und einem Rotordurchmesser von 158 m, mithin einer Gesamthöhe von 229 m, in T. auf den Grundstücken Gemarkung G01, G04, G05 (WEA 1) und G06, G07 (WEA 3) sowie in P. auf dem Grundstück Gemarkung M., G08, G09 (WEA 2) mit Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Dem Antrag beigefügt waren unter anderem eine Schallimmissionsprognose (Stand: 31. Januar 2022) und eine Schattenwurfprognose (Stand: 21. Dezember 2021), jeweils erstellt von dem Ingenieurbüro G. GmbH, sowie ein „Gutachten zur Beurteilung einer »optisch bedrängenden Wirkung« von drei Windenergieanlagen in T.“ (Stand: 25. August 2021) des Unternehmens U. Die Schallimmissionsprognose berücksichtigt neben der Geräuschbelastung durch die drei genehmigten Windenergieanlagen unter anderem auch die Geräuschbelastung durch die sechs Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z.
5Der Kläger erhob im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwendungen.
6Mit Bescheid vom 2. Januar 2023 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die begehrte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlagen. Die Nebenbestimmungen der Genehmigung enthalten unter IV.3 Festsetzungen zum Immissionsschutz. Während die WEA 2 und 3 zur Nachtzeit im offenen Betriebsmodus (NO) mit Volllast betrieben werden dürfen, ist für die WEA 1 zur Nachtzeit der schallreduzierte Betriebsmodus (NRO 105) festgesetzt (IV.3.3 und 3.4). Zusätzlich ist der genehmigungskonforme Betrieb für die WEA 1 und 3 durch eine FGW-konforme Abnahmemessung nachzuweisen (IV.3.6). Für den östlich der WEA gelegenen Gewächshauskomplex der Gärtnerei Z. (B. - Z. Vertriebsges. mbH, J.-straße 24, 00000 T.; IO K und K1) ist zudem eine „messtechnische Überprüfung auf das Vorliegen vorherrschender Energieanteile im tieffrequenten Bereich nach Ziffer 7.3 TA Lärm in Anlehnung an DIN 45680“ vorzunehmen (IV.3.7). Die Genehmigung enthält ferner Nebenbestimmungen zum Schattenwurf (IV.3.8 ff.). Der Bescheid wurde dem Kläger und seiner Ehefrau am 4. Januar 2023 zugestellt.
7Gegen den Bescheid hat der Kläger am 25. Januar 2023 Klage erhoben. Am 27. September 2023 hat er zudem einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gestellt, den der Senat mit Beschluss vom 26. Januar 2024 (Az. 8 B 1072/23.AK, veröffentlicht u. a. bei juris) abgelehnt hat.
8Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend: Die Unzumutbarkeit der genehmigten Anlagen ergebe sich vor allem aus akustischen Beeinträchtigungen. Der Beklagte habe die Entwicklung von tieffrequentem Schall nicht hinreichend beachtet. Im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW sei er verpflichtet, im Genehmigungsverfahren die Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien nach der DIN 45680 und dem zugehörigen Beiblatt 1 zu prüfen, wenn Erkenntnisse die Annahme rechtfertigten, dass von der Anlage tieffrequente Schallemissionen hervorgerufen würden. Der Beklagte hätte eine Schallprognose für tieffrequenten Schall anfordern müssen. Dies werde bereits in mehreren Bundesländern durch Verwaltungsvorschrift gefordert. Stattdessen habe der Beklagte lediglich auf eine allgemeine Erkenntnislage abgestellt. Dabei habe er insbesondere die Vorbelastungen durch tieffrequenten Schall der Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z. nicht ausreichend berücksichtigt. Hierin liege auch ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV als Ausprägung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Diese Vorbelastung könne auch nicht mit dem Argument außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte gegen diese einschreiten könne. Die Blockheizkraftwerke seien bereits genehmigt und verursachten allein keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Wahrscheinlich würden die Anhaltswerte der DIN 45680, Beiblatt 1, in einem schutzbedürftigen Raum im Wohnhaus des Klägers nachts erst aufgrund des Zusammenwirkens der Vorbelastung und der Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen überschritten. Wie sich dem Gutachten des Ingenieursbüros KÖTTER Consulting Engineers aus dem Jahr 2010 („Windpark Hohen Pritz“) entnehmen lasse, sei selbst bei im Vergleich zu heutigen Anlagetypen kleinen Anlagen tieffrequenter Schall über der Hörschwelle in Gebäuden vorhanden und das Vorerhebungskriterium der DIN 45680 (Lc - La > 20 dB) erfüllt. Die tieffrequenten Emissionspegel seien zudem mit dem technischen Fortschritt der Anlagen gestiegen. Der Kläger reicht eine Prognose der Unternehmensberatung I. Consulting vom 31. Oktober 2023 ein, zuletzt revidiert am 26. Juni 2024 und weiter erläutert mit Schriftsatz vom 22. August 2024, wonach die Gesamtbelastung Lr bei 25,8 dB liege, also die Anhaltswerte der DIN 45680, Beiblatt 1, übersteige. Vor diesem Hintergrund rügt der Kläger, dass der Genehmigungsbescheid keine Abnahmemessung in seinem Wohnhaus, sondern lediglich im Gewächshauskomplex der Firma Z. vorsehe.
9Auch hinsichtlich des normalfrequenten Schalls sei die Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Es sei mit einer wesentlich höheren Vorbelastung zu rechnen als prognostiziert. Bei dem genehmigten Anlagentyp seien zudem Einzeltöne festzustellen. Diese hätten bestimmt und durch einen Tonzuschlag KTN bei der Ermittlung des Emissionspegels Lw berücksichtigt werden müssen.
10Der Errichtung und dem Betrieb der Windenergieanlagen ständen zudem eine optisch bedrängende Wirkung, Lichtimmissionen durch sogenannte Hindernisfeuer, der Schattenwurf und der „Disko-Effekt“ der betriebenen Anlagen, eine Wertminderung der anliegenden Grundstücke, der Arten- und Naturschutz, insbesondere der Schutz der Fledermäuse und Kiebitze, sowie Belange der Wasserwirtschaft in Form einer Gefahr für die nahegelegene Fernwasserleitung bei Umstürzen eines Turms entgegen.
11Der Kläger beantragt,
12die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 2. Januar 2023 aufzuheben,
13hilfsweise, die vorgenannte Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er trägt im Wesentlichen vor: Hinsichtlich tieffrequenter Geräuschimmissionen beruhe die Entscheidung auf einer umfassend bekannten, breiten messtechnischen Erkenntnislage zu Infraschall und tieffrequenten Geräuschimmissionen von Windkraftanlagen. Diese stütze die Behauptung des Klägers, dass von größeren Windenergieanlagen erhöhte tieffrequente Geräuschimmissionen ausgingen, nicht. Immissionen von Windenergieanlagen im oberen Bereich der tiefen Frequenzen könnten zwar die Wahrnehmungsschwelle überschreiten. Dies sei aber nicht gleichbedeutend mit einer Überschreitung der Anhaltswerte der DIN 45680, Beiblatt 1, da Menschen in diesem Frequenzbereich eine Überschreitung der Wahrnehmungsschwelle tolerierten. Dies sei für übliche Windenergieanlagen bei den typischen großen Abständen zur Wohnbebauung vielfach belegt.
17Eine zuverlässige Berechnung der nach DIN 45680, Beiblatt 1 allein maßgeblichen Innenpegel für tieffrequente Geräusche sei nicht möglich. Dies habe auch der Kläger erkannt, der die Durchführung einer Messung fordere. Es sei widersprüchlich, wenn der Kläger und die Unternehmensberatung I. Consulting in den eigenen Berechnungen dennoch einen eindeutigen Nachweis für die Überschreitung der Anhaltswerte sähen. Werde bei einer Messung festgestellt, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall von verschiedenen Anlagen ausgingen, sei nach Ermessen eine Auswahl zu treffen, von welchem Betreiber Minderungsmaßnahmen verlangt würden. Da nach den vorgelegten Berechnungen und den allgemeinen Erfahrungen davon auszugehen sei, dass dies vorliegend die Blockheizkraftwerke seien, würde voraussichtlich gegen diese eingeschritten.
18Verwaltungsvorschriften anderer Länder, die Genehmigungsbehörden zur Anforderung von Ausbreitungsrechnungen für tieffrequente Geräusche und darauf gestützte Bewertungen nach der DIN 45680 verpflichteten, seien nicht bekannt. Es beständen lediglich Arbeitshilfen einiger Landesumweltämter, die eine konservative Abschätzung tieffrequenter Geräuschimmissionen bei bestimmten Anlagentypen, insbesondere Blockheizkraftwerken und Luftwärmepumpen vorschlügen. Eine Verpflichtung zur Prognose tieffrequenter Geräuschimmissionen stehe auch im Widerspruch zu der Feststellung, dass in typischen Entfernungen von Wohnhäusern zu Windenergieanlagen nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen zu rechnen sei.
19Dementsprechend erläutere etwa auch die Arbeitshilfe des Freistaats Sachsen (Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaats Sachsen, Verfahren der Schallimmissionsprognose bei tieffrequenten Geräuschen, Heft 10/2021), dass die Prognose tendenziell zu einer Überschätzung der Belästigung führe und die Anwendung nur für solche Anlagentypen empfohlen werde, die in Beiblatt 1 zu DIN 45680, Anhang A, genannt seien oder die sich bereits bei Messungen als Quellen erheblicher Belästigungen durch tieffrequente Geräusche erwiesen hätten. Der Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern (Hinweise zur Genehmigung und Überwachung von Biogasanlagen in Mecklenburg-Vorpommern vom 30. September 2009, zuletzt geändert am 20. Dezember 2013; im Folgenden: Biogasleitfaden MV) sei spezifisch auf Abgaskamine von Blockheizkraftwerken zugeschnitten. Für diese werde aber davon ausgegangen, dass häufig Einzeltöne hervorträten. Zudem ständen für diese nach dem Stand der Technik gewöhnlich Schalldämpfer zur Verfügung. Beides treffe auf Windenergieanlagen hingegen nicht zu.
20Für die Gesamtbelastung aus Windenergieanlagen und Blockheizkraftwerken ergebe sich je nach Berechnung in den verschiedenen Stellungnahmen der Unternehmensberatung I. Consulting eine geringfügige Überschreitung des Anhaltswerts von 0,1, 0,6 oder 1,1 dB. Der darin vorgenommene Aufschlag für die Prognoseunsicherheit bei den Blockheizkraftwerken sei aber nicht nachvollziehbar.
21Die für den Hörschall von der Unternehmensberatung I. Consulting angenommene höhere Vorbelastung durch die sechs Blockheizkraftwerke könne unterstellt werden. Bei einer im Rahmen der Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH angenommenen Gesamtbelastung von 41,2 dB(A) am Wohnhaus des Klägers führe die angenommene Vorbelastung von 33,5 dB(A) selbst bei Pegeladdition - ohne Abzug der bereits berücksichtigten Vorbelastung - lediglich zu einer Gesamtbelastung von 41,9 dB(A).
22Die behauptete Tonhaltigkeit der Windenergieanlagen bleibe unbelegt. In Nebenbestimmung IV.3.2 des Genehmigungsbescheids sei auch rechtsverbindlich festgeschrieben, dass die Windenergieanlagen nicht tonhaltig sein dürften. Dies gelte auch im Falle etwaiger Alterungsprozesse. Im Übrigen finde eine Anlagenüberwachung statt.
23Die Windenergieanlagen seien nicht optisch bedrängend. Ihre Abstände zum Wohnhaus des Klägers betrügen das 3,1-Fache, das 4,8-Fache und das 6,1-Fache der Anlagengesamthöhe. Damit wahrten sie den gemäß § 249 Abs. 10 BauGB regelhaft geltenden Abstand der zweifachen Anlagenhöhe. Besondere Umstände, die trotzdem eine optisch bedrängende Wirkung indizieren könnten, lägen nicht vor.
24Durch den Einsatz einer Schattenwurfabschaltung, einer bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung und matter, reflexionsarmer Rotorblattbeschichtungen seien schädliche Umwelteinwirkungen durch Schattenwurf, die Flugsicherheitsbefeuerung und einen Disko-Effekt ausgeschlossen.
25Die Beigeladene beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie führt zur Begründung an, dass die Prognose der Unternehmensberatung I. Consulting in der aktuellen Fassung nach Ablauf der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG vorgelegt worden und deshalb nicht mehr zu berücksichtigen sei. Angesichts der vorliegenden Erkenntnisse zu von Windenergieanlagen hervorgerufenem tieffrequentem Schall komme es nicht darauf an, welche Vorbelastung durch die bereits bestehenden Blockheizkraftwerke am Wohnhaus des Klägers bestehe.
28Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Eilverfahrens Az. 8 B 1072/23.AK sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
29Entscheidungsgründe:
30Die Klage, über die der Senat gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO erstinstanzlich entscheidet, hat keinen Erfolg.
31I. Die Klage ist zulässig.
32Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag stellt keine Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO dar. Dieser Antrag, die Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weist keinen gegenüber der mit dem Hauptantrag begehrten Aufhebung der Genehmigung eigenständigen Gehalt auf. Dass die Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5 UmwRG führt, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann, ergibt sich bereits aus § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG. Insofern umfasst der Hauptantrag auf Aufhebung einer in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallenden Genehmigung ohnehin auch diese mögliche Rechtsfolge.
33Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger ist als Eigentümer des in etwa 700 m Entfernung von der nächstgelegenen Windenergieanlage (WEA 3) gelegenen Grundstücks auch gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil nicht von vornherein offensichtlich auszuschließen ist, dass die Windenergieanlagen nachbarrechtsrelevante Beeinträchtigungen zu seinen Lasten verursachen.
34II. Die Klage ist aber unbegründet. Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung des Beklagten vom 2. Januar 2023 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
35Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
36Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist im vorliegenden Fall der Drittanfechtung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids. Nachträgliche Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zugunsten des Vorhabenträgers sind allerdings zu berücksichtigen - anders als solche zu seinen Lasten.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 -, juris Rn. 12, m. w. N.
38Ausgehend hiervon droht dem Kläger durch die Errichtung und den Betrieb der genehmigten Windenergieanlagen keine unzumutbare Beeinträchtigung individualschützender Nachbarbelange im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Geräusche (dazu 1.), Schattenwurf (dazu 2.) oder Lichtimmissionen (dazu 3.). Es besteht auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf eine optisch bedrängende Wirkung (dazu 4.). Außerdem liegt keine unzumutbare Beeinträchtigung durch eine Wertminderung des Grundstückes des Klägers (dazu 5.) oder Unfallrisiken (dazu 6.) vor. Die Verletzung arten- und naturschutzrechtlicher Bestimmungen ist von vornherein nicht geeignet, eine subjektive Rechtsposition des Klägers zu tangieren (dazu 7.).
391. Von dem Betrieb der Anlagen sind keine schädlichen Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers durch Geräuschimmissionen zu erwarten.
40Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich anhand der TA Lärm. Dieser kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 -, juris Rn. 46, vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 18, und vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 12 (jeweils zur TA Lärm vom 26. August 1998); OVG NRW, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 -, juris Rn. 107.
42Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Hierzu ist in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage und - sofern im Einwirkungsbereich der Anlage andere Anlagengeräusche auftreten - die Bestimmung der Vorbelastung sowie der Gesamtbelastung erforderlich (Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 TA Lärm). Die Ermittlung der Geräuschimmissionen erfolgt durch eine Schallausbreitungsrechnung nach DIN ISO 9613-2, die Frequenzen im Bereich von 63 Hz bis 8 kHz abbildet (vgl. Nr. A.2.2 Abs. 6 des Anhangs zur TA Lärm i. V. m. Ziff. 1 DIN ISO 9613-2).
43Nach Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm ist für Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen (tieffrequente Geräusche), die Frage, ob von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, hingegen im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen.
44Vorliegend sind sowohl durch nach Nr. 3.2.1 TA Lärm zu prognostizierenden (Hör‑)Schall (dazu a.) als auch durch nach Nr. 7.3 TA Lärm zu behandelnden tieffrequenten Schall (dazu b.) keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten.
45a. Die Gesamtbelastung durch nach Nr. 3.2.1 TA Lärm zu prognostizierenden (Hör‑)Schall überschreitet am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht.
46Das Grundstück des Klägers liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB, so dass die in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d) TA Lärm festgelegten Richtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts maßgeblich sind.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 19 m. w. N.
48Die Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte schreibt die Nebenbestimmung IV.3.1 der Genehmigung in Bezug auf die in der Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH vom 31. Januar 2022 untersuchten Immissionsorte, darunter auch das Grundstück des Klägers als Immissionsort H, verbindlich fest. Dass die genannten Richtwerte durch den Betrieb der genehmigten Anlagen mit hinreichender Sicherheit eingehalten werden, ergibt sich aus der genannten Schallimmissionsprognose. Danach beträgt die prognostizierte Zusatzbelastung für den Immissionsort H durch die Windenergieanlagen der Beigeladenen im Volllastbetrieb (Betriebsmodus NO) 41,4 dB(A); die Gesamtbelastung mit Reflexionen und Abschirmungen sowie Vorbelastung (unter anderem die sechs Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z.) beträgt ebenfalls 41,4 dB(A). Unter Berücksichtigung der insoweit in der Nebenbestimmung IV.3.4 der Genehmigung vorgeschriebenen teilweise schallreduzierten Betriebsweise (WEA 1 im Betriebsmodus NRO 105) liegt die prognostizierte Zusatzbelastung bei 41,1 dB(A) und die Gesamtbelastung bei 41,2 dB(A).
49Die gegen die Richtigkeit der Schallimmissionsprognose gerichteten Einwände des Klägers greifen nicht durch. Die prognostizierte Gesamtbelastung liegt unabhängig von unterschiedlichen Annahmen zur Höhe der Vorbelastung jedenfalls unter den Richtwerten (dazu aa.). Sicherheitszuschläge wegen Ton- oder Impulshaltigkeit waren im Rahmen der Schallimmissionsprognose nicht zu vergeben (dazu bb.).
50aa. Die durch die Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH vom 31. Januar 2022 prognostizierte Gesamtbelastung des Klägers ist nicht deshalb durchgreifend in Zweifel zu ziehen, weil hinsichtlich seines Wohnhauses höhere Vorbelastungen durch Geräusche der sechs Blockheizkraftwerke hätten berücksichtigt werden müssen.
51Da die Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH vom 31. Januar 2022 alle sechs Blockheizkraftwerke berücksichtigt, ohne dass es zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes am Wohnhaus des Klägers kommt, kann offen bleiben, ob das Biomethan-BHKW, das vor Antragstellung im hiesigen Genehmigungsverfahren beantragt und erst nach Erteilung des hier angegriffenen Bescheides genehmigt wurde, nach dem Prioritätsprinzip hätte einbezogen werden müssen.
52Vgl. zum Prioritätsprinzip bei konkurrierenden Anträgen BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 -, juris Rn. 19 ff., 25 ff., und Beschluss vom 21. März 2024 - 7 B 13.23 -, juris Rn. 6, jeweils m. w. N.
53Zur Behauptung des Klägers - unter Bezugnahme auf die von ihm beauftragte „Stellungnahme und Prognose“ der Unternehmensberatung I. Consulting vom 3. April 2023 ‑, dass die Vorbelastung durch die auf dem Grundstück der Gärtnerei Z. befindlichen bzw. genehmigten sechs Blockheizkraftwerke in Summe mit einem Beurteilungspegel von 33,5 dB(A) hätte angesetzt werden müssen, hat der Beklagte in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass - ungeachtet der Frage, ob die Berechnung der Unternehmensberatung I. Consulting zutreffend ist - die Berücksichtigung der von dieser prognostizierten Vorbelastung zuzüglich der von dem Ingenieurbüro G. GmbH berechneten Gesamtbelastung von 41,2 dB(A), die bereits einen Immissionsanteil durch die sechs Blockheizkraftwerke enthält, lediglich einen Gesamtbeurteilungspegel von 41,9 dB(A) ergibt und daher die maßgeblichen Immissionsrichtwerte wahrt.
54So bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 23.
55Dem ist der Kläger im Klageverfahren nicht mehr entgegengetreten.
56bb. Bei der Immissionsprognose waren keine Zuschläge wegen Ton- oder Impulshaltigkeit zu vergeben.
57Sind - wie hier nach der Nebenbestimmung IV.3.2 - tonhaltige Geräusche nach der Genehmigung unzulässig, bedarf es bei der Schallimmissionsprognose auch keiner gesonderten Zuschläge für solche Geräusche.
58Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 25, und vom 29. März 2023 - 22 B 176/23.AK -, juris Rn. 24, jeweils m. w. N.
59Dass die Geräusche der streitbefangenen Anlagen typbedingt dennoch in relevantem Umfang tonhaltig sein könnten, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Seine allgemeine Befürchtung, durch altersbedingten Verschleiß der Windenergieanlagen könnten die Lärmwerte steigen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung. Sollte sich ein Verschleiß in dieser Weise auswirken und zu einer Überschreitung des nach Maßgabe der Genehmigung zulässigen Emissionsverhaltens führen, müsste der Beklagte derartigen künftigen Entwicklungen im Rahmen der Anlagenüberwachung begegnen.
60Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 - 8 D 346/21.AK -, juris Rn. 99, und vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 183, sowie Beschlüsse vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 27, und vom 18. Oktober 2021 - 8 A 2790/18 -, juris Rn. 35.
61Ein Impulszuschlag für das typische charakteristische Geräusch von Windenergieanlagen ist nach den Regelungen der TA Lärm nicht zu vergeben. Zwar kann es in konkreten Einzelfällen besondere Ausprägungen der charakteristischen Geräusche von Windenergieanlagen geben, die zu einer erhöhten Lästigkeit der Anlagengeräusche führen und bei der Beurteilung mit einem Zuschlag zu berücksichtigen sind.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 28 ff.; hierzu ausführlich OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 - 8 D 297/21.AK -, juris Rn. 92 f., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 229 ff., sowie Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 29.
63Anhaltspunkte für die Annahme, dass die hier in Rede stehenden Windenergieanlagen des Typs GE 5.5-158 derartige, erheblich belästigende Wirkungen verursachen, liegen aber nicht vor. Nach den Angaben im Schallgutachten des Ingenieurbüros G. GmbH (dort S. 16) wurden in beiden zugelassenen Betriebsmodi (NRO 105 und NO) geringe Tonhaltigkeiten in den Messberichten verzeichnet, diese jedoch nur mit einem KTN von 1 im Nahbereich bewertet. Nach Nr. 2 der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (Stand: 30. Juni 2016) stellt ein solches Ergebnis keine immissionsrelevante Tonhaltigkeit dar, so dass kein Tonhaltigkeitszuschlag nach TA Lärm zu vergeben ist und die Windenergieanlage als tonhaltigkeitsfrei einzustufen ist. Diese Vorgabe - der der Senat folgt - zitiert auch der Kläger zustimmend. Soweit die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Geräusche der Windenergieanlagen lautmalerisch beschrieben hat („ft … ft“), ist nicht ersichtlich, dass diese belästigender wären als die typischen charakteristischen Geräusche von Windenergieanlagen. Andernfalls müsste der Beklagte dem im Rahmen der Anlagenüberwachung nachgehen.
64b. Bei dem Betrieb der Windenergieanlagen sind unzumutbare Beeinträchtigungen des Klägers durch tieffrequenten Schall ebenfalls nicht zu erwarten.
65Dies konnte der Beklagte bei Erteilung der Genehmigung und kann der Senat zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung beurteilen, ohne dass es dazu der Einholung weiterer gutachterlicher Stellungnahmen, Untersuchungen und Prognosen, deren gegebenenfalls erforderliche Vorlage nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 BImSchG und § 4 Abs. 1 der 9. BImSchV auch in Ansehung des für das behördliche und das gerichtliche Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes dem Vorhabenträger obläge, bedarf.
66Aus § 20 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine Verfahrensvorschrift, die - zu Beschleunigungszwecken - eine unverzügliche Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Antrag nach Ermittlung der für die Beurteilung des Antrags bedeutsamen Umstände vorsieht. Dem entspricht materiell, dass dem Antragsteller bei Fehlen von Versagungsgründen grundsätzlich ein uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegender Anspruch auf Erteilung der Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zusteht.
67Vgl. hierzu schon BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 - I C 102.76 -, juris Rn. 32 ff.
68Nachbarrechte sind durch § 20 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV nicht geschützt.
69Nach den für tieffrequente Geräusche geltenden Vorgaben der TA Lärm, die der Senat in Ermangelung davon abweichender gesicherter Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik auch insoweit als bindend ansieht,
70vgl. zu diesem Maßstab ausführlich OVG NRW, Urteil vom 20. April 2022 - 8 A 1575/19 -, juris Rn. 111, 115 ff., m. w. N., nachgehend BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2022 - 7 B 15.22 -, juris Rn. 7,
71bedarf es im Genehmigungsverfahren in Bezug auf tieffrequente Geräusche, anders als für die vorstehend erörterten normalfrequenten Geräusche, nicht der Vorlage eines Prognosegutachtens. Der Beklagte war nach den örtlichen Verhältnissen zur Gewährleistung des Nachbarschutzes auch nicht gehalten, in die Genehmigung der streitbefangenen Windenergieanlagen Nebenbestimmungen zur Minderung etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche aufzunehmen.
72Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
73Gemäß Nr. 7.3 TA Lärm ist für tieffrequente Geräusche, das heißt solche Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen, die Frage, ob von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen (Abs. 1 Satz 1). Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere auftreten, wenn bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern die nach Nummer A.1.5 des Anhangs ermittelte Differenz LCeq – LAeq den Wert 20 dB überschreitet (Abs. 1 Satz 2). Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche enthält Nummer A.1.5 des Anhangs (Abs. 1 Satz 3). Nr. 7.3 Abs. 2 TA Lärm sieht vor, dass, wenn unter Berücksichtigung von Nummer 1.5 des Anhangs schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten sind, geeignete Minderungsmaßnahmen zu prüfen sind (Satz 1). Ihre Durchführung soll ausgesetzt werden, wenn nach Inbetriebnahme der Anlage auch ohne die Realisierung der Minderungsmaßnahmen keine tieffrequenten Geräusche auftreten (Satz 2). Nr. A.1.5 Abs. 1 des Anhangs zur TA Lärm listet verschiedene zu tieffrequenten Geräuschen neigende Anlagen beispielhaft auf. Für Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche verweist die Vorschrift auf die DIN 45680 und das zugehörige Beiblatt 1 (Nr. A.1.5 Abs. 3 Satz 1 des Anhangs). Schädliche Umwelteinwirkungen sind danach nicht zu erwarten, wenn die in Beiblatt 1 genannten Anhaltswerte nicht überschritten werden (Nr. A.1.5 Abs. 3 Satz 2 des Anhangs). Diese liegen nach Tabelle 2 des Beiblatts 1 bei tieffrequenten Geräuschen - wie hier - ohne deutlich hervortretende Einzeltöne in den Nachtstunden bei 25 dB und in den Tagesstunden bei 35 dB.
74Dies zugrunde gelegt bleiben die in Bezug auf etwaige tieffrequente Geräuschemissionen der Windenergieanlagen geltend gemachten Rügen des Klägers ohne Erfolg.
75Einer rechnerischen Prognose der tieffrequenten Schallimmissionen bedurfte es im Genehmigungsverfahren nicht (dazu aa.). Auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers ist die erfahrungsbasierte Prognose des Beklagten, dass von den streitbefangenen Windenergieanlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Wohnhaus des Klägers verursacht werden, nicht zu beanstanden (dazu bb.). Dies gilt unabhängig von der Vorbelastung durch die Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Firma Z. (dazu cc.). Die vom Kläger eingereichten Stellungnahmen der Unternehmensberatung I. Consulting liefern ebenfalls keine substantiierten Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen der Anlagen (dazu dd.). In die streitbefangene Genehmigung mussten zur Gewährleistung des Nachbarschutzes deshalb auch keine geeigneten Minderungsmaßnahmen aufgenommen werden (dazu ee.). Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers war nicht nachzugehen (dazu ff.). Soweit sich die Einwände des Klägers in diesem Zusammenhang gegen die Nebenbestimmung IV.3.7 der Genehmigung richten, bleiben auch diese ohne Erfolg (dazu gg.).
76aa. Der Beklagte war nicht verpflichtet, im Genehmigungsverfahren eine Ausbreitungsberechnung für tieffrequente Geräusche hinsichtlich des Grundstücks des Klägers zu verlangen.
77Dafür spricht der Wortlaut der Regelungen in Nr. 7.3 TA Lärm, der für das Genehmigungsverfahren eine „Beurteilung im Einzelfall“ und die Prüfung von Maßnahmen bei zu erwartenden schädlichen Umwelteinwirkungen vorsieht. Für die Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche verweist Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm über Nr. A.1.5 des Anhangs zur TA Lärm auf die DIN 45680 und das zugehörige Beiblatt 1. Diese Norm geht in ihrer Einleitung davon aus, dass zur Beurteilung tieffrequenter Geräusche von den herkömmlichen Mess- und Bewertungsverfahren abgewichen werden müsse. Im Übrigen sieht sie vor, dass tieffrequente Geräusche zunächst gemessen werden ‑ was die Errichtung und den Betrieb der betreffenden Anlage voraussetzt ‑ und die Messergebnisse anschließend zu bewerten sind.
78Eine Prognose tieffrequenter Geräusche ist - neben der nach Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 TA Lärm ausdrücklich im Regelfall geforderten Prognose der Geräuschimmissionen, die Bandmittenfrequenzen ab 63 Hz umfasst (vgl. Nr. A.1.2 des Anhangs zur TA Lärm i. V. m. Nr. 6 der DIN ISO 9613‑2) - nach der TA Lärm nicht vorgesehen. Die über Anhang A.1.5 Abs. 3 TA Lärm in Bezug genommene DIN 45680 regelt ausdrücklich nur die Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen. Für eine Prognose tieffrequenten Schalls existieren in Deutschland hingegen keine normativen Vorgaben.
79Vgl. Umweltbundesamt, Texte 134/2020 - Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in der Umgebung von Wohnbebauung - Abschlussbericht, S. 23.
80Dies gilt auch mit Blick auf den Hinweis des Klägers, wonach die Regelungen der TA Lärm, ihres Anhangs und der DIN ISO 9613‑2 auch die tieffrequente Oktave 63 Hz umfassten, die von den tieffrequenten Terzen 50 Hz, 63 Hz und 80 Hz dargestellt werde. Tieffrequente Oktaven werden von dem in der TA Lärm vorgesehenen Prognoseverfahren nur zusammen mit höheren Oktaven berücksichtigt.
81Grund für das fehlende Prognoseverfahren zu tieffrequenten Geräuschen ist, dass die Frage, ob und in welcher Intensität tieffrequente Geräusche auftreten, unter anderem von der Beschaffenheit des Ausbreitungsmediums und des Immissionsortes abhängt und es bislang auch kein standardisiertes Prognoseverfahren gibt, das den tieffrequenten Schall in all seinen Frequenzbereichen hinreichend erfasst. Dazu fehlen eine verlässliche Quellenmodellierung, Emissionsdaten seitens der Hersteller und genormte Rechenverfahren für die besonderen physikalischen Bedingungen der Schallausbreitung einschließlich des Übergangs vom Freifeld in die Gebäude. Eine Prognose ausreichender Qualität ist nur in Ausnahmefällen bzw. mit hohem Aufwand möglich.
82Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 ‑, juris Rn. 144; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 15. Februar 2022 - 11 S 45/21 -, juris Rn. 20; Feldhaus/Schenk/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: April 2024, TA Lärm 7.3 Rn. 34; Umweltbundesamt, Texte 134/2020 - Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in der Umgebung von Wohnbebauung - Abschlussbericht, S. 23, 93; Stellungnahme des Sachverständigenrates für Umweltfragen: Klimaschutz braucht Rückenwind: Für einen konsequenten Ausbau der Windenergie an Land, BR-Drs. 153/22, S. 29.
83Die vom Kläger für die Erforderlichkeit einer Prognose vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Die Behauptung, dass „Verwaltungsvorschriften“ mehrerer Bundesländer eine Bewertung nach der DIN 45680 in Bezug auf Windenergieanlagen im Wege einer Prognose forderten, ist unzutreffend.
84Unabhängig davon, dass Verwaltungsvorschriften anderer Bundesländer nicht für nordrhein-westfälische Genehmigungsbehörden gelten, findet die Auffassung des Klägers keine Stütze in der von ihm benannten Nr. 2 und 3 der Tabelle 2 der Anlage 4 der „Hinweise zur Genehmigung und Überwachung von Biogasanlagen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 30. September 2009, zuletzt geändert am 20. Dezember 2013 (im Folgenden: Biogasleitfaden MV).
85Die Anlage 4 zum Biogasleitfaden MV sieht ein spezifisch auf Abgasmündungen von Blockheizkraftwerken, wie sie bei Biogasanlagen zum Einsatz kommen, zugeschnittenes Verfahren vor, welches dem Umstand Rechnung trägt, dass bei dieser Quellenart ‑ abhängig von der Motorart ‑ häufig Einzeltöne hervortreten.
86Vgl. S. 1 der Anlage 4 zum Biogasleitfaden MV.
87Solche tieffrequenten Einzeltöne treten - worauf auch der Beklagte mit Blick auf den Takt von Blockheizkraftwerk-Motoren unwidersprochen hinweist - bei Windenergieanlagen jedoch nach derzeitiger Erkenntnislage nicht auf, so dass sich dieses Verfahren gerade nicht auf Windenergieanlagen übertragen lässt.
88Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 49.
89Hinzu kommt, dass die „überschlägige“ Prognose tieffrequenter Geräusche nach der Anlage 4 des Biogasleitfadens MV von einem Immissionsort vor der schützenswerten Bebauung ausgeht, womit die konkrete Beschaffenheit des Immissionsorts („in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern“, vgl. Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm) als wesentlicher Faktor bei der Ermittlung des Anhaltswerts nach Beiblatt 1 der DIN 45680 unberücksichtigt bleibt.
90Entgegen der Auffassung des Klägers gibt auch der - in Nordrhein-Westfalen ebenfalls nicht maßgebliche - WKA-Geräuschimmissionserlass des Landes Brandenburg,
91Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, Anforderungen an die Geräuschimmissionsprognose und die Nachweismessung von Windkraftanlagen (WKA) vom 24. Februar 2023,
92keinen Anlass zu der von ihm für erforderlich gehaltenen Tieffrequenzprognose. Die von ihm in diesem Zusammenhang im Eilverfahren zitierte Passage aus der Vorversion des Erlasses vom 16. Januar 2019 ist nicht mehr Gegenstand des aktuellen Erlasses. Vielmehr geht dieser in Ziffer 2 des Anhangs davon aus, dass die Infraschallerzeugung moderner Windenergieanlagen selbst im Nahbereich bei Abständen zwischen 150 m und 300 m deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liege und damit schädliche Umwelteinwirkungen nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu erwarten seien.
93Auch dem Urteil des Senats vom 22. Mai 2014 (Az. 8 A 1220/12, veröffentlicht u. a. bei juris) lässt sich keine generelle Erforderlichkeit der Prognose tieffrequenten Schalls entnehmen. Der Senat hat in diesem Fall, der eine Anlage u. a. zur Aufbereitung von Aluminiumschrott betraf, schon keine Prognose tieffrequenten Schalls im Genehmigungsverfahren eingefordert. Im Gegenteil hat er ausdrücklich festgestellt, dass vor dem Hintergrund, dass sich das Auftreten tieffrequenten Schalls häufig kaum konkret und zuverlässig prognostizieren lasse, vor Erteilung einer Genehmigung im Regelfall keine konkrete Prognose zum tieffrequenten Schall zu fordern sei. In jenem Fall lagen hingegen schon während des Widerspruchsverfahrens aufgrund vorhergehender Messungen am Immissionsort, die unter Berücksichtigung der einschlägigen Regelungen in Nr. 7.3 TA Lärm und Nr. A.1.5 des Anhangs sowie die durch diesen in Bezug genommene DIN 45680 ermittelt wurden, konkrete Hinweise dafür vor, dass die Anhaltswerte des Beiblatts 1 der DIN 45680 überschritten waren. Dies hätte im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens berücksichtigt werden müssen. Im hier vorliegenden Fall fehlt es schon deshalb an vergleichbaren Anhaltspunkten, weil eine Messung bislang nicht vorgenommen und im Genehmigungsverfahren vor Errichtung der Anlage auch nicht möglich ist.
94bb. Ist die Frage, ob von tieffrequenten Geräuschen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, im Genehmigungsverfahren grundsätzlich nicht aufgrund einer Berechnung zu beurteilen, bleibt für das Genehmigungsverfahren nur eine prognostische behördliche Einschätzung im Einzelfall auf Grundlage des bestehenden Erfahrungswissens. Einer solchen prognostischen Einschätzung dient auch die beispielhafte Aufzählung typischerweise tieffrequente Geräusche verursachender Schallquellen in Anhang A.1.5 Abs. 1 TA Lärm, wobei Windenergieanlagen übrigens nicht genannt sind. Rechtfertigen im Rahmen dieser Einschätzung Erkenntnisse die Annahme, dass von der zur Genehmigung gestellten Anlage tieffrequente Lärmimmissionen hervorgerufen werden, ist dies im Genehmigungsverfahren zu prüfen und die Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien nach der DIN 45680 und dem zugehörigen Beiblatt 1 gegebenenfalls durch die Aufnahme von Nebenbestimmungen sicherzustellen.
95Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 -, juris Rn. 146; Bay. VGH, Beschluss vom 10. April 2013 - 22 ZB 12.2714 -, juris Rn. 5 ff.
96Die Rechtsprechung des Gerichts und auch anderer Obergerichte geht davon aus, dass tieffrequenter Schall - wie auch Infraschall (Schall mit Frequenzen von weniger als 20 Hz) - durch Windenergieanlagen nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. v. § 3 Abs. 1 BImSchG wie etwa erheblichen Belästigungen oder Gesundheitsgefahren führt. Sämtliche dem Senat bekannten Studien und Stellungnahmen dazu sind lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses, den der Senat seit Jahren fortlaufend verfolgt und auswertet. Bisher ergibt sich daraus allerdings kein begründeter Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen mit erheblich belästigender Wirkung oder nachweisbaren gesundheitsschädlichen Auswirkungen.
97Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Urteile vom 24. Mai 2024 ‑ 22 D 68/23.AK ‑, juris Rn. 71 ff., vom 19. März 2024 ‑ 22 D 147/23.AK ‑, juris Rn. 76 ff., vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK -, juris Rn. 129, vom 27. Juli 2023 ‑ 22 D 100/22.AK -, juris Rn. 49 ff., vom 27. April 2023 ‑ 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 187 ff., vom 27. Oktober 2022 - 22 D 363/21.AK -, juris Rn. 86 ff., vom 4. Mai 2022 - 8 D 297/21.AK -, juris Rn. 113 f., vom 17. März 2022 - 7 D 303/20.AK -, juris Rn. 83 ff., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 238 ff., und Beschlüsse vom 7. September 2023 - 8 A 1576/22 -, juris Rn. 20 ff., und vom 22. März 2021 - 8 A 3518/19 -, juris Rn. 49 ff., jeweils m. w. N.
98An dieser Bewertung der Erkenntnislage hält der Senat auch für tieffrequenten Schall bei der hier vorliegenden Entfernung von etwa 700 m zwischen Wohnbebauung und Windenergieanlagen im Ergebnis fest.
99Nach Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm können schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern vorliegen. Eine solche deutliche Wahrnehmbarkeit setzt jedenfalls die Identifizierbarkeit konkreter durch die Anlage verursachter Belästigungen nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen voraus (objektivierter Maßstab).
100Vgl. zum objektivierten Maßstab im Immissionsschutzrecht OVG NRW, Urteile vom 27. Oktober 2022 - 22 D 64/21.AK -, juris Rn. 64 f., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 266, sowie Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 67 f., jeweils m. w. N.
101Den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen lässt sich aber entnehmen, dass für tieffrequente Geräusche in einer Entfernung von etwa 700 m zu Windenergieanlagen - wie sie hier vorliegt - insbesondere wegen der vom Wind verursachten Hintergrundgeräusche sogar messtechnisch keine maßgeblichen Unterschiede bei ein- und ausgeschalteter Anlage mehr festzustellen sind.
102Vgl. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen, Bericht über Ergebnisse des Messprojektes 2013-2015, Februar 2016, S. 10 f., 13, 57 (Schallmessungen bei sechs verschiedenen Windenergieanlagen in unterschiedlichen Entfernungen); KÖTTER Consulting Engineers KG: Schalltechnischer Bericht Nr. 27257-1.006, 26. Mai 2010 („Windpark Hohen Pritz“), S. 2, 33 f. (Schallmessungen bei einem Windpark mit 14 Anlagen in etwa 600 m Entfernung).
103Die Behauptung des Klägers, S. 10 des Berichtes der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg verhalte sich nur zum Infraschall, nicht aber zum tieffrequenten Schall, trifft so nicht zu. Der zweite Unterpunkt der rechten Spalte auf dieser Seite des Berichtes nimmt Bezug auf die darunter stehende Fußnote zum „G‑bewerteten Pegel“, der ausdrücklich Geräusche sowohl im tieffrequenten Frequenzbereich als auch im Infraschallbereich erfasst. Die Tabellen 2‑1 (S. 13) und 4‑11 (S. 57) dieses Berichtes betreffen jeweils G‑bewertete Pegel in dB(G) und geben diese bei an- bzw. ausgeschalteter Windenergieanlage an. Auf S. 57 findet sich zudem die Aussage: „In Entfernungen von 650 bis 700 m lagen die G‑Pegel sowohl bei ein- als auch bei ausgeschalteter Anlage zwischen 55 und 75 dB(G). Ursache für die Streuung der Werte sind stark schwankende Geräuschanteile, die vom Wind [also nicht von den Windenergieanlagen; Zusatz des Gerichts] hervorgerufen werden.“
104Deutlich wahrnehmbare tieffrequente Geräusche von Windenergieanlagen sind in einer Entfernung von etwa 700 m erst recht nicht zu erwarten. Herr R. als Mitarbeiter von E. hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach seinem Wissen sei es weiterhin Stand der Erkenntnisse, dass die tieffrequenten Geräusche von Windkraftanlagen bei Innenraummessungen in etwa 700 m Entfernung unterhalb der Hörschwelle liegen. Frau Agatz (Autorin des Windenergie-Handbuchs und technische Angestellte des Beklagten) hat dies bestätigt und ergänzt, dies entspreche auch dem Kenntnisstand des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.
105Ausgehend von diesen Erkenntnissen ist die der angegriffenen Genehmigung zugrunde liegende Annahme des Beklagten, bei dem Abstand der drei streitgegenständlichen Anlagen zum Wohnhaus des Klägers von mindestens 700 m sei nicht zu erwarten, dass tieffrequente Geräusche der Anlagen im Haus des Klägers zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, nicht zu beanstanden.
106Für die Behauptung des Klägers, dass die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Erkenntnisse überholt seien, fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Der von dem Kläger aufgestellte Gegensatz zwischen „pauschalen“ und „konkreten“ Erkenntnissen besteht vorliegend nicht. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass in einer Entfernung von mindestens 700 m tieffrequente Geräusche von drei Windenergieanlagen eines anderen Anlagentyps, insbesondere des hier genehmigten Anlagentyps, anders als es bei den in den oben genannten Berichten untersuchten Anlagen der Fall war, von den windbedingten Hintergrundgeräuschen zu unterscheiden und deutlich wahrnehmbar sein könnten. Denn Geräusche von Windenergieanlagen gehen grundsätzlich einher mit Windgeräuschen.
107Der vom Kläger in Bezug genommene, im Auftrag des Landesamts für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (LUNG) erstellte Messbericht des Ingenieurbüros KÖTTER Consulting Engineers KG: Schalltechnischer Bericht Nr. 27257-1.006 aus dem Jahr 2010 („Windpark Hohen Pritz“) zeigt gerade nicht auf, dass relevante Immissionen im tieffrequenten Bereich durch Windenergieanlagen verursacht werden, weil der Messbericht keine Überschreitung der Anhaltswerte nach Beiblatt 1 der DIN 45680 (vgl. S. 49 ff. des Messberichts) ausweist. Wenn der Kläger hiergegen einwendet, dass aber die in Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm als Anhaltspunkt für eine schädliche Umwelteinwirkung benannte nach Nr. A.1.5 des Anhangs ermittelte Differenz LCeq – LAeq den Wert 20 dB überschreite und die Immissionen daher nach DIN 45680 zu bewerten seien, ändert dies nichts an der Feststellung, dass eine Überschreitung der Anhaltswerte gerade nicht gegeben war (vgl. S. 53 des Messberichts). Auch der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Hinweis auf eine Überschreitung der Hörschwelle im Bereich der Terzmittenfrequenzen 63 Hz, 80 Hz und 100 Hz am Messpunkt in einem Wohnhaus in ca. 600 m Entfernung zum Windpark (vgl. S. 95 des Messberichts) ist nicht geeignet, einen Anhaltspunkt für schädliche Umwelteinwirkungen im Wohnhaus des Klägers zu liefern. Wie die Mitarbeiterin des Beklagten, Frau Agatz, und der mit der Beigeladenen erschienene Herr R. vom Gutachterbüro E. bereits im Rahmen der Verhandlung klargestellt haben, gilt dies nur für den Maximalpegel (LTerzFMax) und nicht für den für die Bestimmung der Anhaltswerte nach Beiblatt 1 der DIN 45680 maßgeblichen Beurteilungspegel (LTerz,r). Im Übrigen ändert auch der Umstand, dass einzelne tieffrequente Geräusche die Hörschwelle überstiegen, nichts daran, dass nach Angaben des Gutachterbüros am Immissionsort das Anlagengeräusch nicht vom Hintergrundgeräusch zu unterscheiden war (vgl. S. 2 und 33 des Messberichts).
108Nichts anderes gilt für die vom Kläger benannte Publikation des Umweltbundesamtes: „Texte 134/2020 - Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in der Umgebung von Wohnbebauung - Abschlussbericht“ aus dem Jahr 2020. Auch diese (dort S. 70 f.) benennt nur den Umstand, dass Windenergieanlagen neben dem gewöhnlichen Hörschall auch tieffrequente Geräusche emittieren und mit zunehmender Nabenhöhe und Flügellänge die Neigung zur Erzeugung dieser tieffrequenten Geräusche steigt. Dass damit - wie der Kläger annimmt - zugleich eine Aussage zu durch tieffrequenten Schall verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen getroffen wäre, ist nicht der Fall. Vielmehr verweist auch das Umweltbundesamt unter Bezugnahme auf den Bericht über die Ergebnisse der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg,
109vgl. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen, Bericht über Ergebnisse des Messprojektes 2013-2015, Februar 2016,
110darauf, dass die Schalldruckpegel der Rotorbewegungen im Bereich der Grundfrequenz auch im Nahbereich der Anlage gering sind und somit in den meisten Fällen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.
111Vgl. Umweltbundesamt, Texte 134/2020 - Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in der Umgebung von Wohnbebauung - Abschlussbericht, S. 75.
112Weitere Studien oder Messberichte, die geeignet wären, diese Erkenntnislage in Frage zu stellen, sind weder benannt noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger unter Bezug auf die streitgegenständlichen Anlagen behauptet, dass bei neuartigen Anlagen wie diesen eine Verschiebung in Richtung tieffrequenter Energieanteile festzustellen sei und tieffrequente Energieanteile vorherrschend seien, lässt dies schon nicht erkennen, inwieweit damit schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG durch tieffrequenten Schall dieser Anlagen belegt werden könnten. Im Übrigen geht aber auch die vorgelegte Stellungnahme der Unternehmensberatung I. Consulting vom 31. Oktober 2023 in der Version 1.4 vom 26. Juni 2024 (dort S. 26) davon aus, dass sowohl im Emissionsspektrum als auch im Freien bei zeitlich gemittelten Pegeln gerade keine tieffrequenten Energieanteile im Sinne der TA Lärm bei den genehmigten Windenergieanlagen vorherrschen.
113Die vom Kläger gegen die Feststellungen der Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros G. GmbH zu tieffrequentem Schall und Infraschall erhobenen Einwände sind für die Beurteilung des Vorliegens schädlicher Umwelteinwirkungen irrelevant. Zwar trifft es zu, dass die Infraschallentkoppelung lediglich der Verhinderung des Bodenschalls dient. Dies erlaubt aber keine Rückschlüsse auf von tieffrequentem (Luft‑)Schall verursachte schädliche Umwelteinwirkungen. Die Annahme des Beklagten, wonach tieffrequenter Schall keine schädlichen Umwelteinwirkungen verursache, stützt sich zudem - wie dieser auch mitgeteilt hat - nicht allein auf die im Gutachten aufgeführte Untersuchung am Windpark Weiberg durch die KÖTTER Consulting Engineers GmbH & Co. KG vom Mai 2015, sondern auf die allgemeine messtechnische Erkenntnislage zu Infraschall und tieffrequenten Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen. Der dagegen bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Einwand, dass die Untersuchung am Windpark Weiberg der Messung zum Windpark Hohen Pritz widerspreche, da letztere wahrnehmbare tieffrequente Geräusche von Windenergieanlagen im Inneren von Wohnbebauung festgestellt habe, ist im Übrigen unzutreffend. Wie bereits dargestellt, waren die tieffrequenten Geräusche am Immissionsort im Rahmen der schalltechnischen Messung am Windpark Hohen Pritz nicht vom Hintergrundgeräusch zu unterscheiden.
114cc. Etwas anderes folgt auch nicht aus der möglichen Vorbelastung mit tieffrequentem Schall durch die Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z.. Sind schon keine deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräusche durch die Windenergieanlagen in Innenräumen in mehr als 700 m Entfernung zu erwarten, weil diese nicht von den im Wesentlichen durch den Wind erzeugten Hintergrundgeräuschen zu unterscheiden sind, ändert sich daran nicht deshalb etwas, weil auch andere Anlagen möglicherweise tieffrequenten Schall am Immissionsort verursachen. Es ist für den Senat unter Berücksichtigung der Wertung der Nr. 7.3 Abs.1 Satz 2 TA Lärm nicht nachvollziehbar, wie ein auch ohne eine Vorbelastung nicht deutlich wahrnehmbares Geräusch einen kausalen Beitrag zu einer relevanten Beeinträchtigung durch tieffrequenten Schall leisten soll, das heißt wie dieses Geräusch durch das Hinzukommen weiterer tieffrequenter Geräusche deutlich wahrnehmbar werden soll. Hierzu hat auch der Kläger im Rahmen seines umfangreichen Vortrags keinerlei Angaben gemacht. Die Beschreibung der von ihr im Gebäudeinnern während der Nachtzeit wahrgenommenen Geräusche durch die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung weist vielmehr ebenfalls auf einen fehlenden Zusammenhang zwischen der Vorbelastung durch ein von den Blockheizkraftwerken ausgehendes Brummen und Klopfen und dem charakteristischen (und nicht vorherrschend tieffrequenten) Geräusch der Windenergieanlagen hin.
115Die im Wesentlichen auf der Annahme einer weitgehenden Ausschöpfung des Anhaltswerts nach Beiblatt 1 zur DIN 45680 durch die Blockheizkraftwerke beruhende Befürchtung des Klägers, dass ein behördliches Einschreiten gegen diese aufgrund ihrer bestandskräftigen Genehmigungen nicht möglich sein könnte, ist im Übrigen und mit Blick auf die Erklärungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu einer entsprechenden Überprüfung nicht begründet. Auch die Blockheizkraftwerke dürfen keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall verursachen und sind insofern nach Nr. 7.3 und Nr. A.1.5 des Anhangs zur TA Lärm i. V. m. der DIN 45680 zu beurteilen. Dies ist sogar jeweils in der Nebenbestimmung Ziff. 3.3 zur Genehmigung vom 27. Februar 2020 und zur Genehmigung vom 12. Juli 2023 explizit niedergelegt. Mit Blick darauf und weil es im Genehmigungsverfahren für die Windenergieanlagen nur auf eine Vorbelastung mit tieffrequenten Geräuschen ankommt, die beim rechtmäßigen Betrieb der Blockheizkraftwerte verursacht werden, bedurfte es vor Erteilung der hier streitbefangenen Genehmigung auch keiner Ermittlung der Vorbelastung durch Messung.
116Selbst in dem vom Kläger angenommenen Fall, dass der Anhaltswert von 25 dB nachts in seinem Wohnhaus nicht bereits bei Betrieb der Blockheizkraftwerke, sondern erst bei gleichzeitigem Betrieb der Blockheizkraftwerke und der Windenergieanlagen überschritten werden könnte, ist aufgrund der Anordnung der Wohnbebauung im Umkreis der Blockheizkraftwerke und des auch nach Einschätzung des Klägers geringeren Beitrags der Windenergieanlagen zu erwarten, dass der Anhaltswert an der näher zu den Blockheizkraftwerken gelegenen Wohnbebauung (jedenfalls unter den Adressen J.-straße X und Y) in diesem Fall bereits allein durch diese überschritten sein dürfte. Dann wäre ein - von dem Beklagten für den vom Kläger befürchteten Fall bereits angekündigtes - behördliches Einschreiten gegen den Betrieb der Blockheizkraftwerke möglich.
117dd. Die mit Schriftsatz des Klägers vom 28. Juni 2024 vorgelegte, zuletzt am 26. Juni 2024 überarbeitete Version der „Expertise“ der Unternehmensberatung I. Consulting vom 31. Oktober 2023 bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall durch die drei Windenergieanlagen zu erwarten sind.
118Zwar bestehen im Hinblick auf § 6 Satz 1 UmwRG - entgegen der Annahme der Beigeladenen - keine Bedenken gegen die Berücksichtigung der „Expertise“ in ihrer aktuellen Fassung.
119Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder gegen deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Geregelt ist in § 6 UmwRG ein Fall der innerprozessualen, formellen Präklusion. Ihr Sinn und Zweck besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten und der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch alsbald hinreichend umrissen wird. Der Kläger hat innerhalb der Begründungsfrist fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen und den Prozessstoff dergestalt darzulegen, dass für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Es soll verhindert werden, dass in einem späten Stadium des gerichtlichen Verfahrens neuer Tatsachenvortrag erfolgt, auf den die übrigen Beteiligten und das Gericht nicht mehr angemessen reagieren können.
120Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2022 - 9 A 1.21 -, juris Rn. 12, und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 -, juris Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK -, juris Rn. 89.
121Der Kläger hat bereits mit innerhalb der zehnwöchigen Frist nach Klageerhebung eingereichtem Schriftsatz vom 4. April 2023 das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall im Zusammenhang mit der Vorbelastung durch die Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z. gerügt und zum Nachweis dieser eine „Stellungnahme und Prognose“ der Unternehmensberatung I. Consulting vom 31. März 2023 eingereicht. Damit war der Streitstoff im Hinblick auf diese Problematik klar und unverwechselbar abgegrenzt. Die im Rahmen des fachlichen Austausches der Beteiligten weiteren und wiederholt geänderten Dokumente der Unternehmensberatung I. Consulting verändern diesen Streitstoff nicht, sondern vertiefen lediglich die Auseinandersetzung mit diesem. Dies bleibt auch nach Ablauf der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG möglich.
122Die Prognose der Unternehmensberatung I. Consulting ist aber ungeeignet, den Vortrag zu schädlichen Umwelteinwirkungen der streitgegenständlichen Windenenergieanlagen durch tieffrequenten Schall zu substantiieren. Sie ist schon nicht hinreichend belastbar, weil es - wie bereits festgestellt - an fachlich anerkannten Vorgaben für die Prognose tieffrequenten Schalls fehlt. Die zuletzt im Schriftsatz des Klägers vom 22. August 2024 prognostizierte Überschreitung des Anhaltswerts nach dem Beiblatt 1 der DIN 45680 durch die Gesamtbelastung um 0,8 dB beruht maßgeblich auf von der Beratungsgesellschaft getroffenen Annahmen, denen es - mangels eines fachlich anerkannten Prognoseverfahrens - ebenfalls an der erforderlichen Grundlage fehlt.
123Auch danach wird der Anhaltswert des Beiblatts 1 zur DIN 45680 von 25 dB nachts allein durch die streitgegenständlichen Windenenergieanlagen (21,1 dB) nicht überschritten. Die prognostizierte Überschreitung des Anhaltswerts soll vielmehr auf der - ebenfalls lediglich prognostizierten - Vorbelastung durch die sechs Blockheizkraftwerke auf dem Gelände der Gärtnerei Z. in ca. 450 m Entfernung vom Wohnhaus des Klägers beruhen.
124Selbst bei Berücksichtigung der Vorbelastung wird der Anhaltswert nach Beiblatt 1 zur DIN 45680 zudem - wie der Kläger ausdrücklich einräumt - nur aufgrund der Annahme eines Prognoseunsicherheitszuschlags für die Vorbelastungen durch die Blockheizkraftwerke von 2,76 dB (vgl. „Expertise“ der Unternehmensberatung I. Consulting vom 26. Juni 2024, S. 22, 24 f.) überschritten. Da es für die Prognose tieffrequenter Geräusche an normativen Vorgaben fehlt, ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Zuschlag in Bezug auf die Vorbelastungsanlagen geboten wäre.
125Das Prognoseergebnis hängt darüber hinaus maßgeblich von der angenommenen Abschirmungswirkung der Gebäudehülle am Immissionsort ab, weil es nach Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm auf die Wahrnehmbarkeit in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern ankommt. Die Unternehmensberatung I. Consulting legt selbst dar, dass der Übergang von Außenpegeln zu Pegeln in Gebäuden für tieffrequenten Schall nicht sicher zu prognostizieren sei. Je nach Bauart, Größe, Zustand und Anteil der Verglasung an den Außenwänden ergäben sich „sehr weite Spannweiten“. Der Mitverfasser der Stellungnahmen der Unternehmensberatung I. Consulting, Herr Dr. V., hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er sich für die Übertragung des Schallpegels im Gebäudeinnern an der Arbeitshilfe „Verfahren der Schallimmissionsprognose bei tieffrequenten Geräuschen“, Schriftenreihe, Heft 10/2021, des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie vom 24. März 2021 orientiert habe, die hierfür Schalldruckpegeldifferenzen enthalte. Dabei habe er (einheitlich) die Schalldruckpegeldifferenz Dt90,w aus der Tabelle auf S. 9 dieser Arbeitshilfe übernommen. Dieser liege eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 90 % bei einem tonalen Emissionsspektrum zugrunde. Diese Vorgehensweise überzeugt nicht. Nach der Einleitung der Arbeitshilfe wird die Anwendung des Prognoseverfahrens nur für solche Anlagentypen empfohlen, die entweder vermessen oder in Beiblatt 1 zur DIN 45680, Anhang A, genannt sind. Dazu zählen Windenergieanlagen nicht. Unabhängig davon widerspricht dies dem auf S. 7 dieser Arbeitshilfe vorgeschlagenen Vorgehen, bei der Einwirkung tieffrequenter Geräusche von mehreren Quellen mit breitbandigen und tonalen Emissionsspektren deren Immissionsanteile erst nach separatem Abzug der entsprechenden Schalldruckpegeldifferenz zusammenzufassen. Denn die Windenergieanlagen weisen ‑ auch laut der „Expertise“ der Unternehmensberatung I. Consulting ‑ ein breitbandiges Emissionsspektrum auf. Hierfür sieht die Tabelle auf S. 9 i. V. m. Abschnitt 3.3.1 dieser Arbeitshilfe wesentlich höhere Schalldruckpegeldifferenzen vor. Der ohnehin schon geringe Immissionsbeitrag der Windenergieanlagen müsste demnach auch nach der hier vorgeschlagenen Berechnungsmethode noch weiter reduziert werden. Der Beklagte geht - für den Senat nachvollziehbar - davon aus, dass der Innenpegel für Häuser üblicher Massivbauweise durch die vorgenommene Berechnung in einer Größenordnung von bis zu 10 dB überschätzt werde.
126Die mangelnde Belastbarkeit der „Expertise“ wird im Übrigen durch die wiederholten Anpassungen der prognostizierten Geräuschimmissionen indiziert. So ging die Unternehmensberatung I. Consulting in der Stellungnahme vom 31. März 2023 zunächst von einer Vorbelastung durch die fünf Pflanzenöl-BHKW von 26,8 dB und das Biomethan-BHKW von 13,4 dB, einer Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen von 26,8 dB und einer Gesamtbelastung von 30,6 dB aus. Die „Expertise“ vom 31. Oktober 2023, in der überarbeiteten Fassung vom 8. November 2023, prognostizierte dann eine Gesamtbelastung von 25,1 dB. Unter Berücksichtigung von Einwendungen des Beklagten passte die Unternehmensberatung diese dann am 18. März 2024 auf eine Vorbelastung von 23,8 dB (Pflanzenöl-BHKW) bzw. 16,1 dB (Biomethan-BHKW), eine Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen von 21,1 dB und eine Gesamtbelastung von 26,2 dB an. Die Revision vom 26. Juni 2024 enthält für die Vorbelastung den Wert 24,8 dB (Pflanzenöl-BHKW) bzw. 16,1 dB (Biomethan-BHKW), für die Zusatzbelastung wiederum 21,2 dB und für die Gesamtbelastung 26,8 dB. Im Schriftsatz vom 22. August 2024 gab der Kläger dann eine Vorbelastung von 23,2 dB (Pflanzenöl-BHKW) bzw. 16,1 dB (Biomethan-BHKW) sowie eine Zusatzbelastung von 21,1 dB und eine Gesamtbelastung von 25,8 dB an. Es ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass die zuletzt vom Kläger vorgelegte Prognose die tatsächlichen Verhältnisse genauer abbilden würde als die vorherigen oder die Einschätzungen des Beklagten, zumal in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, dass aufgrund der gewählten Schalldruckpegeldifferenz eine erneute Anpassung erforderlich sein dürfte.
127Unabhängig vom Vorstehenden lassen sich den Ausführungen der Unternehmensberatung I. Consulting auch deswegen keine konkreten Anhaltspunkte für deutlich wahrnehmbare tieffrequente Geräusche der in Rede stehenden Anlagen im Wohnhaus des Klägers (vgl. Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm) entnehmen, weil diese Ausführungen nicht auf die Frage eingehen, ob die von den Anlagen emittierten tieffrequenten Geräusche dort neben den insbesondere vom Wind verursachten Hintergrundgeräuschen überhaupt wahrnehmbar sind. Insofern unterscheiden sich Windenergieanlagen von anderen Schallquellen wie etwa den Blockheizkraftwerken, die auch ohne Wind durch ihren Betrieb tieffrequente Geräusche produzieren.
128ee. Da schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche der Windenergieanlagen demnach nicht zu erwarten sind, musste der Beklagte auch keine geeigneten Minderungsmaßnahmen prüfen (vgl. Nr. 7.3 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm) bzw. in die Genehmigung aufnehmen. Entgegen der Ansicht des Klägers musste er im Rahmen der Nebenbestimmungen weder festlegen, dass die Anhaltswerte des Beiblatts 1 der DIN 45680 im laufenden Betrieb einzuhalten sind, noch, dass eine Abnahme-Immissionsmessung am bzw. im Wohnhaus des Klägers durchzuführen ist.
129Dass von den Windenergieanlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall verursacht werden dürfen und hierzu die Beurteilung nach Nr. 7.3 und Nr. A.1.5 des Anhangs zur TA Lärm i. V. m. der DIN 45680 maßgeblich ist, ergibt sich bereits aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Bindungswirkung der TA Lärm. Die vom Kläger begehrte Nebenbestimmung ist schon deshalb entbehrlich.
130Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 57.
131Die geforderte Abnahmemessung stellt grundsätzlich lediglich ein Mittel der behördlichen Kontrolle dar, gibt aber keinen Aufschluss darüber, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigungserteilung vorliegen. Im Übrigen ist die Genehmigungsbehörde auch bei Verzicht auf die Forderung einer anlasslosen Messung unmittelbar in der Genehmigung nicht gehindert, Nachbarbeschwerden zum Anlass für eine Überwachungsmessung zu nehmen.
132Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. März 2024 - 22 D 147/23.AK -, juris Rn. 64 ff.
133Für ein entsprechendes Vorgehen hat sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ‑ gerade mit Blick auf die Vorbelastung durch die Blockheizkraftwerke ‑ auch offen gezeigt.
134Der Fall unterscheidet sich insofern maßgeblich von den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats (Urteil vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 -, veröffentlicht u. a. bei juris) und des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 2 M 13/15 -, veröffentlicht in juris), in denen jeweils bereits Messungen tieffrequenten Schalls nach den Vorgaben der DIN 45680 vorlagen und auf eine Überschreitung des Anhaltswerts nach Beiblatt 1 der DIN 45680 hinwiesen. Außerdem lassen sich deren Aussagen auch deshalb nicht übertragen, weil sie sich thematisch nicht mit der Genehmigung einer Windenergieanlage, sondern mit dem Betrieb einer Anlage zur Aufbereitung und zeitweiligen Lagerung von Aluminiumschrott bzw. einer Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk befassen.
135ff. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers war ‑ unabhängig von einer möglichen Präklusion nach § 6 Satz 1 UmwRG ‑ nach alledem nicht nachzugehen.
136Einer sachverständigen Tieffrequenzschallmessung, die im Wohnhaus des Klägers die tieffrequenten Geräusche der streitgegenständlichen drei Windenergieanlagen in Kumulation mit den vor Ort bestehenden Vorbelastungen, insbesondere durch die fünf Pflanzenöl-BHKW auf dem Gelände der Firma Z. ermittelt, bedurfte es nicht. Für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche im Sinne von Nr. 7.3 TA Lärm zu erwarten sind, kommt es nach den dargelegten Maßstäben nicht auf eine Messung nach Inbetriebnahme der Anlagen, sondern auf eine Beurteilung im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung an. Dies richtet sich insbesondere nach den über die Verursachung von tieffrequenten Geräuschen durch Windenergieanlagen vorliegenden, nicht erst zu ermittelnden Erkenntnissen (siehe bereits oben, unter II.1.b.bb).
137Soweit der Beweisantrag hingegen der Sache nach darauf zielte, durch eine Messung die dargestellte Erkenntnislage in Frage zu stellen, wonach tieffrequente Geräusche in einer Entfernung von - wie hier - rund 700 m nicht mehr isoliert wahrnehmbar, insbesondere nicht von den durch den Wind verursachten tieffrequenten Geräuschen zu unterscheiden sind, handelt es sich - auch und gerade unter Berücksichtigung der vom Kläger und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Veränderung der Geräuschkulisse nach Inbetriebnahme der Windenergieanlagen - um einen Ausforschungsbeweis, weil es dafür an substantiierten Anhaltspunkten fehlt. Das geschilderte Geräusch („ft – ft“) beschreibt eben gerade kein tieffrequentes Brummen, wie es nach dem Klägervortrag bislang schon von den Blockheizkraftwerken vernehmbar sein soll. Ebenso fehlt es - mit Blick auf Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm, wonach es sich um deutlich wahrnehmbare tieffrequente Geräusche handeln müsste - an substantiierten Anhaltspunkten für die Annahme, dass die für sich genommen nicht isoliert wahrnehmbaren tieffrequenten Geräusche der Windenergieanlagen durch das Hinzutreten der tieffrequenten Geräusche der Blockheizkraftwerke, soweit diese durch den genehmigungskonformen Betrieb verursacht werden, die Grenze zur deutlichen Wahrnehmbarkeit überschreiten.
138Dem Antrag auf Einholung einer Tieffrequenzschallprognose war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil es sich hierbei um ein ungeeignetes und nach der maßgeblichen Wertung der Nr. 7.3 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm i. V. m. Anhang A.1.5 Abs. 3 und der DIN 45680 um ein rechtlich unerhebliches Beweismittel handelt. Für die Prognose von tieffrequenten Geräuschen am maßgeblichen Immissionsort gibt es kein standardisiertes Prognoseverfahren; demgemäß verlangt die TA Lärm für derartige Geräusche keine Prognoserechnung. Es ist nicht Aufgabe eines gerichtlichen Verfahrens, ein bislang nicht vorhandenes, hinreichend belastbares Prognoseverfahren durch einen Sachverständigen durch Grundlagenforschung entwickeln zu lassen.
139Vgl. zur Beweiserhebung zu den Auswirkungen von Infraschall durch Windenergieanlagen OVG NRW, Urteile vom 27. Oktober 2022 ‑ 22 D 362/21.AK ‑, juris Rn. 93 f., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 ‑, juris Rn. 271 f., jeweils m. w. N.
140gg. Soweit sich die Einwände des Klägers auch gegen die Nebenbestimmung IV.3.7 der Genehmigung richten, weil diese nicht durchsetzbar bzw. unvollständig sei, führt dies nicht zur Aufhebung oder nach Maßgabe von § 7 Abs. 5 UmwRG zur Außervollzugsetzung der Genehmigung, weil die Nebenbestimmung schon nicht dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist.
141Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 61.
142Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen erklärt, diese Nebenbestimmung nur deswegen in den Bescheid aufgenommen zu haben, weil der Gartenbaubetrieb Z. Probleme mit der Berufsgenossenschaft befürchtet habe; diese Nebenbestimmung sei aber eigentlich entbehrlich und verdeutliche nur, dass die Behörde bei Beschwerden aktiv werde.
1432. Der Einwand des Klägers, die genehmigten Anlagen beeinträchtigten sein Grundstück in unzumutbarer Weise durch Schattenwurf, ist ebenfalls unbegründet. Die nach den Nebenbestimmungen IV.3.8 und IV.3.9 der Genehmigung maximal zugelassene Beschattungsdauer von 30 Stunden (theoretischer worst case) bzw. real acht Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag ist nach ständiger Rechtsprechung zumutbar.
144Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 224 ff., sowie Beschlüsse vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 62, und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 20.
145Der Senat geht davon aus, dass diese Werte auch an den schützenswerten Räumen im Haus des Klägers nicht überschritten werden. Das Haus ist als Immissionsort AC in der Schattenwurfprognose des Ingenieurbüros G. GmbH vom 21. Dezember 2021 untersucht worden. Danach ergibt sich zwar eine maximal mögliche Beschattungsdauer von 82:19 Stunden im Jahr und 1:27 Stunden am Tag. Die Regelung der Genehmigung zum Einbau einer automatischen Abschaltung (vgl. Nebenbestimmungen IV.3.9, IV.3.11, IV.3.12) erstreckt sich jedoch auch auf diesen Immissionsort und verpflichtet die Beigeladene, durch eine geeignete Abschalteinrichtung überprüfbar und nachweisbar sicherzustellen, dass der Schattenwurf der WEA 1 bis 3 zusammen an den relevanten Immissionsorten, mithin auch am Haus des Klägers, real acht Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag nicht überschreitet.
146Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 64.
147Soweit der Kläger in seinem Schreiben an den Beklagten vom 18. August 2022 geltend gemacht hat, das Gutachten gehe nicht in Gänze auf den Schattenwurf der Anlage ein, ist nicht zu erkennen, welche Aspekte er konkret vermisst, die in dem Gutachten seiner Auffassung nach hätten berücksichtigt werden müssen. Hierzu hat er im Klageverfahren nicht näher vorgetragen.
1483. Die zur Flugsicherung notwendige Befeuerung von Windenergieanlagen in Form von weißem und rotem Blitz- bzw. Blinklicht (sogenannte Hindernisfeuer) der genehmigten Anlagen führt nicht zu für den Kläger unzumutbaren Lichtimmissionen.
149Die rechtlich allerdings nicht verbindliche Licht-Richtlinie „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 13. September 2012 und der darauf aufbauende Gemeinsame Runderlass „Lichtimmissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr vom 11. Dezember 2014 (MBl. NRW. 2015 S. 26), geändert durch Runderlass vom 20. Juni 2018 (MBl. NRW. 2018 S. 390), nennen als immissionsschutzrechtlich relevant die Effekte der (Raum‑)Aufhellung und der psychologischen Blendung. Aufhellung im Sinne einer Erhöhung der mittleren Beleuchtungsstärke tritt nur in der unmittelbaren Nähe von Lichtquellen auf und kann daher wegen der großen Abstände von Windenergieanlagen zu den nächstgelegenen Wohnhäusern ausgeschlossen werden (meist <1% des Richtwertes der Licht-Richtlinie). Auf Grund der vergleichsweise geringen Lichtstärke und geringen Leuchtfläche der Nachtbefeuerung sowie der großen Horizontal- und Vertikalabstände zu den Immissionspunkten ist die Blendwirkung ebenfalls als unerheblich einzustufen.
150Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2023 - 22 D 65/23.AK -, juris Rn. 69 f., und Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 69.
151Dass diese sich aus den genannten Regelungen ergebenden Bewertungen mit Blick auf den oben angeführten objektivierten Maßstab des § 3 Abs. 1 BImSchG nicht sachgerecht sein könnten, ist nicht ersichtlich.
152Zudem sind nach den Nebenbestimmungen IV.7.5 und IV.7.8 der Genehmigung die Taktfolge der Feuer zu synchronisieren und die Nachtkennzeichnung - wie vom Kläger in seinem Einwendungsschreiben vom 18. August 2022 angeregt - bedarfsgesteuert auszuführen, was die Störwirkung verringert.
153Dem befürchteten „Disko-Effekt“ der Anlagen durch Lichtreflexe des Sonnenlichts an den Rotorblättern wirken - worauf der Beklagte und die Beigeladene hinweisen - matte, reflexionsarme Rotorblattbeschichtungen entgegen (vgl. dazu Nr. 3.3.3 der Begründung zum Genehmigungsbescheid und S. 10 des Dokuments „Technische Dokumentation Windenergieanlagen Cypress 5.5‑158 ‑ 50 Hz, Technische Beschreibung und Daten“, das gemäß Abschnitt II des Genehmigungsbescheides als Teil der im Anhang aufgezählten Antragsunterlagen Inhalt der Genehmigung ist).
1544. Mit Blick auf die gesetzliche Wertung des am 1. Februar 2023 in Kraft getretenen § 249 Abs. 10 BauGB - die als betreiberbegünstigende Rechtsänderung zu berücksichtigen ist - sind die Errichtung und der Betrieb der in Rede stehenden, jeweils 229 m hohen Windenergieanlagen an den geplanten Vorhabenstandorten für den Kläger auch nicht in unzumutbarer Weise optisch bedrängend. Nach Satz 1 der genannten Norm steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht. Satz 2 der Vorschrift bestimmt die Höhe im Sinne des Satzes 1 als die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors.
155Die streitbefangenen Anlagen werden zum Wohnhaus des Klägers in einem Abstand von mindestens mehr als dem Dreifachen der Gesamthöhe errichtet. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der nächstgelegenen WEA 3 beträgt nach dem Gutachten des Unternehmens U. von August 2021 zur optisch bedrängenden Wirkung 702 m sowie nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten 1,1 km zur WEA 1 und 1,4 km zur WEA 2, womit die Abstände der Anlagen zum Wohnhaus des Klägers das 3,1-Fache, das 4,8-Fache und das 6,1-Fache der Anlagengesamthöhe betragen.
156Wird der in § 249 Abs. 10 BauGB vorgesehene Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken eingehalten, kommt eine optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlage nur ausnahmsweise in Betracht, wenn andernfalls die Schwelle der Zumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände überschritten würde. Dies setzt einen atypischen, vom Gesetzgeber so nicht vorhergesehenen Sonderfall voraus. Allein die Sichtbarkeit der Anlagen von dem Grundstück eines Nachbarn aus begründet kein Abwehrrecht.
157Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK -, juris Rn. 139 ff., m. w. N.
158Gründe, die für die Annahme eines solchen atypischen Sonderfalls sprechen könnten, werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind im Übrigen auch mit Blick auf die Ausführungen in dem oben genannten Gutachten, welches die Wirkungen der nächstgelegenen WEA 3 auf das Grundstück des Klägers untersucht hat (vgl. S. 26 ff.), nicht ersichtlich.
159Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 80.
1605. Die Befürchtung des Klägers, der Betrieb der Windenergieanlagen führe zu einem Wertverlust seines Grundstücks, zeigt ebenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung auf.
161Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Genehmigung bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebotes zumutbar sind oder nicht. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden. Eine Schutzgewähr besteht insoweit nur nach Maßgabe des einschlägigen Rechts. Unter dem Gesichtspunkt der Wertminderung kommt daher ein Abwehranspruch nur dann in Betracht, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist.
162Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, juris Rn. 73; OVG NRW, Urteile vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 241 f., und vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 230, sowie Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 82.
163Nach diesen Maßstäben hat der Kläger schon keine mit der Errichtung und dem Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlagen einhergehende, ihm unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit seines Grundstückes aufgezeigt. Ungeachtet dessen ist auch der vom ihm vorgetragene Wertverlust seines Grundstückes in Höhe von bis zu 30 Prozent durch nichts konkret belegt.
1646. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch den Betrieb der Windenergieanlagen ergibt sich auch nicht aus dem Verweis des Klägers auf Unfallgefahren mit Blick auf eine in der Nähe einer der Windenergieanlagen verlaufende Fernwasserleitung, die bei einem Umkippen des Turmes beschädigt werden könnte.
165Insoweit bleibt schon - worauf auch der Beklagte in der Begründung des angefochtenen Bescheides (dort S. 29) und die Beigeladene hinweisen - unklar, um welche Fernwasserleitung es sich dabei konkret handeln soll. Soweit sich der Einwand auf eine Solefernleitung richten sollte, ist nicht zu erkennen, welche Bedeutung diese für die Trinkwasserversorgung - auch des Grundstücks des Klägers - haben sollte.
166Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 85 f.
167Im Übrigen kann der Kläger nicht die Abwehr jeder theoretisch denkbaren Gefahr beanspruchen, sondern nur den Schutz vor einer konkreten Gefahr. Eine völlige Risikolosigkeit ist weder rechtlich gefordert noch faktisch möglich.
168Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 7 B 10.23 -, juris Rn. 10 f.; OVG NRW, Urteile vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 251, und vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 194 f.
169Für das Bestehen einer konkreten Gefahr lässt das Vorbringen des Klägers weder Anhaltspunkte erkennen noch sind solche sonst ersichtlich.
1707. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen Vorschriften des Naturschutzes einschließlich des Landschafts- und Artenschutzes - hier: Schutz der Fledermäuse und Kiebitze - berufen. Diese Vorschriften sind nicht drittschützend.
171Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 235 ff., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 281 f., sowie Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 90 f., jeweils m. w. N.
172Für die hilfsweise beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit und Außervollzugsetzung der Genehmigung bleibt nach alldem kein Raum.
173Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
174Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
175Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.