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1. In dem Genehmigungsverfahren zur Errichtung und dem Betrieb oder der Änderung des Betriebs einer Windenergieanlage in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet im Sinne des § 2 Nr. 1 WindBG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter den Voraussetzungen des § 6 WindBG nicht durchzuführen.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG ist die Anwendung der Regelungen des UVP-Gesetzes grundsätzlich - unabhängig vom Vorliegen einer dort vorgesehenen UVP- oder UVP-Vorprüfungs-Pflicht - ausgeschlossen (wie Bay. VGH, Urteil vom 4.7.2024 - 22 A 23.40049 -).
2. Prüfungsgegenstand im Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG sind die unmittelbar zu ändernden Anlagenteile und Verfahrensschritte. Soweit sich die Änderung auf die Bestandsanlage auswirkt, erstreckt sich die Prüfung außerdem auf die hiervon betroffenen Anlagenteile und Verfahrensschritte. Dagegen ist die Gesamtanlage nicht Gegenstand der Prüfung (u. a. wie BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 36.11 -).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 8 D 176/23.AK wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin der unter anderem zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke Gemarkung I., G01, G02 (postalische Adresse: B.-straße XX in 00000 I.), Gemarkung I., G03, G04 (postalische Adresse: B.-straße YY) und Gemarkung I., G03, G05 (postalische Adresse: B.-straße VVa und b). Sie wendet sich gegen das Vorhaben der Beigeladenen, westlich dieser Grundstücke eine Windenergieanlage zu errichten (WEA 1).
4Ursprünglich hatte die N. GmbH am 22. Oktober 2018 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen in I. westlich der Grundstücke der Antragstellerin beantragt. Aufgrund planungsrechtlicher Bedenken wurde das Genehmigungsverfahren für die WEA 1 zunächst ruhend gestellt, während mit Bescheid vom 27. September 2021 die anderen zwei, zum jeweils nächstgelegenen Wohnhaus der Antragstellerin in 944 m (WEA 2) und 1.314 m (WEA 3) Entfernung gelegenen Windenergieanlagen genehmigt wurden. Gegen diesen Bescheid, der am 29. Oktober 2021, 11. März 2022, 12. April 2023 und 27. April 2023 korrigiert bzw. geändert wurde, erhob die Antragstellerin Klage, die der Senat mit Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 357/21.AK - abwies. Das Urteil ist rechtskräftig.
5Am 10. Mai 2022 beantragte die N. GmbH die Fortführung des Genehmigungsverfahrens für die WEA 1 mit einem um etwa 12 m so nach Norden verschobenen Standort, dass die Anlage nunmehr vollständig innerhalb der im gemeindlichen Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone für Windenergienutzung liegt.
6Durch Bescheid vom 28. September 2023 erteilte der Antragsgegner der N. GmbH nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in einem förmlichen Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage des Typs VESTAS V-136-4,2 MW mit einer Nabenhöhe von 149 m und einem Rotordurchmesser von 136 m, mithin einer Gesamthöhe von 217 m, auf dem Grundstück Gemarkung I., G06, G043. Genehmigt wurde für den Tag- und Nachtzeitraum der leistungsreduzierte Betriebsmodus SO1 mit einer maximalen elektrischen Nennleistung von 4.000 kW. Die Genehmigung enthält ferner zahlreiche Nebenbestimmungen, insbesondere zum Nachbarschutz. Mit Schreiben vom 29. September 2023 teilten die N. GmbH und die Beigeladene dem Antragsgegner einen Betreiberwechsel zu der Beigeladenen mit.
7Die Antragstellerin hat am 2. November 2023 Klage erhoben, die unter dem Az. 8 D 176/23.AK anhängig ist.
8Mit Bescheid vom 12. Juni 2024 hat der Antragsgegner der Beigeladenen eine Änderungsgenehmigung für die WEA 1 erteilt, durch den er ihr die Aufnahme des Tag- und Nachtbetriebs im Betriebsmodus PO1 und die Erhöhung der maximalen elektrischen Nennleistung von 4.000 kW auf 4.200 kW gestattet hat.
9Die Antragstellerin hat diese Änderungsgenehmigung mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024 in das Klageverfahren einbezogen.
10Am 30. Juli 2024 hat sie zudem den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Zur Begründung führt sie - unter größtenteils wörtlicher Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren - im Wesentlichen an: Im Genehmigungsverfahren sei unzutreffend davon ausgegangen worden, dass es um die Genehmigung einer Anlage gehe. Tatsächlich handele es sich aber um eine Erweiterung einer aus zwei Windenergieanlagen bestehenden Anlage um eine dritte im Wege einer wesentlichen Änderung. Damit unterlägen alle drei Windenergieanlagen erneut dem Genehmigungserfordernis. Auch habe es einer neuen Umweltverträglichkeitsprüfung für alle drei Windenergieanlagen bedurft. Dem habe das Verfahren nicht Rechnung getragen. Es liege eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Lärm vor. Das Schallgutachten gebe die Entfernung zwischen der WEA 1 und den Wohnhäusern der Antragstellerin falsch wieder. Die Entfernung betrage tatsächlich 590 m und weniger. Von der WEA 1 gehe eine optisch bedrängende Wirkung aus. Da die Entfernung zwischen der WEA 1 und dem nächstgelegenen Wohnhaus im Eigentum der Antragstellerin weniger als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage betrage, bedürfe es jedenfalls einer Einzelfallbetrachtung. Am Wohnhaus der Antragstellerin werde die zulässige Beschattungsdauer von 30 Minuten je Kalendertag überschritten. Antrag und Genehmigung enthielten keine Angaben zum Eiswurfrisiko, obwohl die potentielle Eiswurfweite bei 427,5 m liege und eine Gefährdung des nur geringfügig weiter entfernten Grundstücks der Antragstellerin nicht auszuschließen sei. Die Antragstellerin werde auch durch Infraschall und den Disko-Effekt unzumutbar beeinträchtigt. Schließlich mache sie die Verletzung von arten- und naturschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere im Hinblick auf den Kiebitz, geltend.
11Die Antragstellerin beantragt,
12die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 8 D 176/23.AK gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 28. September 2023 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 12. Juni 2024 anzuordnen.
13Der Antragsgegner und die Beigeladene haben sich im Eilverfahren nicht geäußert.
14II.
15Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
16Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin ist Gegenstand der Prüfung die Genehmigung vom 28. September 2023 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Juni 2024. Die Einbeziehung des Änderungsbescheids in das anhängige Klageverfahren durch die Antragstellerin ist sachdienlich. Wegen ihres begrenzten Regelungsgehalts bringt eine Änderungsgenehmigung regelmäßig weder die ursprüngliche Genehmigung als solche zum Erlöschen noch führt sie unmittelbar zu deren Änderung. Es handelt sich zunächst um eine parallele Genehmigung, die den Betreiber berechtigt, aber nicht verpflichtet, das Vorhaben entsprechend der erteilten Änderungsgenehmigung zu realisieren. Die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung verschmilzt mit der Ursprungsgenehmigung, wenn der Betreiber sie umgesetzt oder wenn dieser während eines noch gegen die Ursprungsgenehmigung anhängigen Klageverfahrens unmissverständlich erklärt, von der Genehmigung in der ursprünglichen Form keinen Gebrauch mehr zu machen.
17Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2022 - 8 D 168/22.AK -, juris Rn. 4 ff., und vom 9. Juni 2022 - 8 B 407/22 -, juris Rn. 17 f., m. w. N.
18Vorliegend hat die Beigeladene in dem ebenfalls bei dem Senat anhängigen Klageverfahren 8 D 189/23.AK weiterer Nachbarn gegen dieselbe Windenergieanlage erklärt, dass sie beabsichtige, die Anlage entsprechend den Vorgaben der Änderungsgenehmigung zu betreiben, sofern diese nicht aufgehoben oder für nicht vollziehbar erklärt werde. Die Genehmigung vom 28. September 2023 wird durch die Änderungsgenehmigung vom 12. Juni 2024 in diesem Fall nicht vollständig, sondern nur teilweise ersetzt. Soweit in der Änderungsgenehmigung nichts anderes bestimmt ist, gelten die Bedingungen, Auflagen und Hinweise der Ursprungsgenehmigung weiter.
19Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
20Die nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen einerseits und dem privaten Interesse der Antragstellerin andererseits fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
21Diese Interessenabwägung hat sich insbesondere an den Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache zu orientieren. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Stellt er sich dagegen als offensichtlich rechtswidrig dar, überwiegt das Aussetzungsinteresse. Bei offenen Erfolgsaussichten kommt es auf eine Vollzugsfolgenabwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Dabei ist im Rahmen einer Drittanfechtungsklage nicht maßgeblich, ob der Verwaltungsakt objektiv in jeder Hinsicht rechtmäßig ist. Zur Aufhebung des Verwaltungsakts kann die Anfechtungsklage der Antragstellerin nur dann führen, wenn sie gerade aufgrund der Verletzung von Normen rechtswidrig ist, die ein subjektiv-öffentliches Recht der Antragstellerin begründen, also drittschützend sind, und wenn - in Verfahren, auf die, wie hier, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Anwendung findet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) - ein etwaiger Rechtsfehler nicht nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG behoben werden kann.
22In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die - wie das vorliegende - von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO (Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern) erfasst werden, kann das Gericht einen behebbaren Mangel des angefochtenen Verwaltungsakts nach Maßgabe von § 80c Abs. 2 VwGO außer Acht lassen und eine Frist zur Behebung des Mangels setzen. Nach § 80c Abs. 3 Satz 1 VwGO soll das Gericht die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränken, bei denen dies erforderlich ist, um anderenfalls drohende irreversible Nachteile zu verhindern. Entscheidet das Gericht im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung, ist nach § 80c Abs. 4 VwGO die Bedeutung von Vorhaben besonders zu berücksichtigen, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
23Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2024 ‑ 8 B 1206/23.AK -, juris Rn. 26 ff., m. w. N.
24Ausgehend davon fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Gegenwärtig spricht nichts Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Genehmigung gegen solche Rechtsvorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind.
251. Die Verfahrensrügen greifen aller Voraussicht nach nicht durch.
26Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG - wie hier vorliegend - verlangt werden, wenn 1. eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften a) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder b) erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist, 2. eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder 3. ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der a) nicht geheilt worden ist, b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind. Personen gemäß § 61 Nr. 1 VwGO - wie die Antragstellerin - können im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 UmwRG die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangen, wenn der Verfahrensfehler ihnen die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.
27Unter den Begriff des Verfahrensfehlers fallen dabei nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, das heißt den Verfahrensablauf als solchen betreffen. Hierzu gehören etwa Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer UVP-Vorprüfung. Nicht zum äußeren Verfahrensgang in diesem Sinne gehören dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsfindung, der sich im Umweltrecht regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK -, juris Rn. 61 f., m. w. N.
29Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln des durchgeführten Genehmigungs- und Änderungsgenehmigungsverfahrens, die nach diesen Vorgaben einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung begründen könnten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht.
30Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ist vor Erteilung der Genehmigung vom 28. September 2023 eine Umweltverträglichkeitsprüfung - ausdrücklich auch bezüglich aller drei Windenergieanlagen und nicht nur der WEA 1 - durchgeführt worden (vgl. S. 33 ff. der Genehmigung). Die Einbeziehung aller drei Windenergieanlagen hat der Antragsgegner unter Bezug auf den Begriff der „Windfarm“ in § 2 Abs. 5 UVPG ausführlich und nachvollziehbar begründet (vgl. S. 37 f. der Genehmigung).
31Es trifft auch nicht zu, dass die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung die Änderung des Standorts der WEA 1 nicht berücksichtigt. Die Genehmigung vom 28. September 2023 enthält entsprechend § 26 UVPG Angaben zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Dabei bezieht der Antragsgegner sich ausdrücklich (S. 39 der Genehmigung, dort unter 4.2) auch auf die Ergänzung zum UVP-Bericht der F. aus Februar 2022, die Bestandteil der Antragsunterlagen war. Diese lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigungen für die WEA 2 und WEA 3 am 27. September 2021 noch gar nicht vor. Sie befasst sich auch inhaltlich ausdrücklich mit den möglichen Auswirkungen der Standortänderung der WEA 1.
32Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist ebenfalls durchgeführt worden. Die Antragsunterlagen sind öffentlich bekannt gemacht worden und es hat ein Erörterungstermin stattgefunden.
33Es liegt auch kein sonstiger Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor. Insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass die Möglichkeit der Antragstellerin, sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen und zu dem Vorhaben im Ganzen Stellung zu nehmen, beeinträchtigt worden sein könnte, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Antragsbegründung stellt lediglich abstrakt auf eine fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung ab. Die Antragstellerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 16. Januar 2023, 19. Januar 2023 und 24. Januar 2023 umfangreiche Einwendungen erhoben, die im Wesentlichen inhaltlich dem Vorbringen im Klage- und Eilverfahren entsprechen. Ob die Umweltverträglichkeitsprüfung hingegen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprach oder dieser veraltete Einschätzungen und Untersuchungen betreffend die Auswirkungen der Windenergieanlage auf Vögel zugrunde lagen, ist keine Frage der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern ihres Inhalts. Dies begründet keinen Verfahrensfehler im Sinne des § 4 UmwRG.
34Einer erneuten UVP-(Vor-)Prüfung im Rahmen des Änderungsgenehmigungsverfahrens bedurfte es hingegen voraussichtlich nicht. Zwar besteht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG im Änderungsgenehmigungsverfahren grundsätzlich eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor Erteilung der Genehmigung - wie hier - tatsächlich durchgeführt worden ist. Um den Behörden komplizierte retrospektive Prüfungen zu ersparen, stellt die Vorschrift allein darauf ab, ob die Zulassung des bestehenden Vorhabens seinerzeit tatsächlich mit Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt ist oder nicht.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 51.
36Der Antragsgegner hat aber eine solche Vorprüfung für das mit Antrag vom 27. Februar 2024 eröffnete Änderungsgenehmigungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG für entbehrlich gehalten. Dass diese Einschätzung unzutreffend gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
37Gemäß § 6 Abs. 1 WindBG ist im Genehmigungsverfahren abweichend von den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen, wenn u. a. die Änderung des Betriebs einer Windenergieanlage in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet beantragt ist (Satz 1), bei Ausweisung des Windenergiegebietes eine Umweltprüfung nach § 8 ROG oder § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt wurde (Satz 2 Nr. 1) und das Gebiet nicht in einem Natura 2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegt (Satz 2 Nr. 2). Als Windenergiegebiet im Sinne dieser Vorschrift gelten nach § 2 Nr. 1 Buchstabe a) WindBG unter anderem Vorranggebiete und mit diesen vergleichbare Gebiete in Raumordnungsplänen sowie Sonderbauflächen, Sondergebiete und mit diesen vergleichbare Ausweisungen in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen.
38Diese Voraussetzungen dürften nach summarischer Prüfung im Eilverfahren vorliegen. Dabei kann dahinstehen, ob insoweit auf den zwischenzeitlich aufgehobenen Sachlichen Teilflächennutzungsplan der Gemeinde I. aus dem Jahr 2016 abgestellt werden kann. Der Standort der WEA 1 befindet sich jedenfalls (auch) in einem Windenergiebereich des Sachlichen Teilplans Energie des Regionalplans Münsterland vom 1. Februar 2016. Der Regionalplan ist ein Raumordnungsplan im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe a) WindBG, der Vorranggebiete für Windenergie ausweist. Bei Ausweisung des Windenergiebereichs ist auch eine Umweltprüfung nach § 8 ROG (§ 9 ROG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung) durchgeführt worden. Ausweislich des UVP-Berichtes der F. aus November 2019 handelt es sich bei dem Gebiet nicht um ein Natura 2000-Gebiet, ein Naturschutzgebiet oder einen Nationalpark. Nach den Informationen unter https://www.uvo.nrw.de hat sich daran seitdem nichts geändert.
39§ 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG schließt die Anwendung der Regelungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes grundsätzlich - unabhängig vom Vorliegen einer dort vorgesehenen UVP- oder UVP-Vorprüfungs-Pflicht - aus.
40Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 4. Juli 2024 - 22 A 23.40049 ‑, juris Rn. 61.
41Die Antragstellerin bemängelt zudem, dass es sich bei der WEA 1 nicht um eine neue, zu genehmigende Anlage, sondern um eine wesentliche Änderung einer bestehenden Anlage (bestehend aus WEA 2 und 3) handele. Auch darin liegt aber kein Verfahrensfehler, der etwa gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 UmwRG zur Aufhebung der Entscheidung des Antragsgegners führen könnte. Es bleibt schon unklar, welche Auswirkungen die Wahl des Verfahrens auf die Antragstellerin überhaupt haben sollte. Denn die wesentliche Änderung einer bestehenden Anlage ist ebenso wie die Neugenehmigung grundsätzlich an den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu messen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BImSchG). Daneben enthalten die §§ 16 ff. BImSchG im Wesentlichen - zugunsten des Anlagenbetreibers - Privilegierungen im Falle der Änderung einer bestehenden Anlage gegenüber einer Neugenehmigung. Die Annahme der Antragstellerin, dass bei einer wesentlichen Erweiterung einer Anlage alle drei Anlagen nochmals dem Genehmigungserfordernis unterlägen, ist hingegen falsch. Prüfungsgegenstand im Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG sind zunächst die unmittelbar zu ändernden Anlagenteile und Verfahrensschritte. Soweit sich die Änderung auf die Bestandsanlage auswirkt, erstreckt sich die Prüfung außerdem auf die hiervon betroffenen Anlagenteile und Verfahrensschritte. Dagegen ist die Gesamtanlage nicht Gegenstand der Prüfung.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 -, juris Rn. 38.
43Da die WEA 2 und 3 durch die Genehmigung der WEA 1 nicht geändert werden, wären sie auch in einem Änderungsgenehmigungsverfahren nicht erneut Gegenstand der Prüfung.
44Fehlt es damit an einem Verfahrensfehler, liegen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1a UmwRG nicht vor.
452. Die angefochtene Genehmigung vom 28. September 2023 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Juni 2024 ist aller Voraussicht nach nicht in nachbarschutzrelevanter Weise zu Lasten der Antragstellerin materiell rechtswidrig.
46Durch die Errichtung und den Betrieb der genehmigten Windenergieanlage droht der Antragstellerin voraussichtlich keine unzumutbare Beeinträchtigung individualschützender Nachbarbelange im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Lärm (dazu a.), Infraschall (dazu b.), Schattenwurf (dazu c.), Lichtimmissionen (dazu d.) oder Eiswurf (dazu e). Es besteht voraussichtlich auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf eine optisch bedrängende Wirkung (dazu f.). Die Verletzung arten- und naturschutzrechtlicher Bestimmungen ist von vornherein nicht geeignet, eine subjektive Rechtsverletzung der Antragstellerin zu begründen (dazu g.).
47a. Von dem Betrieb der Anlage sind nach derzeitigem Verfahrensstand keine schädlichen Einwirkungen auf das Grundstück der Antragstellerin in Form von Lärm zu erwarten, die im Klageverfahren zu einer Außervollzugsetzung oder zu einer Aufhebung der Genehmigung führen könnten.
48Wie der Senat in seinem die Antragstellerin betreffenden Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 357/21.AK -, ausgeführt hat (dort S. 24), liegen ihre Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB, sodass die in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d) der TA Lärm 2017 festgelegten Richtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts maßgeblich sind.
49Die Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte schreibt die Nebenbestimmung IV.1.3 der Genehmigung in der Fassung vom 12. Juni 2024 unter anderem in Bezug auf die Immissionsorte IP 12, IP 14 und IP 16 an den Wohnhäusern auf den Grundstücken der Antragstellerin verbindlich fest. Dass die genannten Richtwerte durch den Betrieb der genehmigten Anlage mit hinreichender Sicherheit eingehalten werden, ergibt sich aus dem schalltechnischen Gutachten des Ingenieurbüros T. vom 15. November 2023. Danach beträgt die prognostizierte - im Schallgutachten einheitlich als Zusatzbelastung bezeichnete - Belastung durch die drei Windenergieanlagen WEA 1, 2 und 3 für den Immissionsort IP 12 40,3 dB(A), für den Immissionsort IP 14 39,4 dB(A) und für den Immissionsort IP 16 40,7 dB(A); die Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Vorbelastung beträgt am IP 12 40,4 dB(A), am IP 14 39,4 dB(A) und am IP 16 40,7 dB(A).
50Der gegen diese Schallimmissionsprognose allein vorgebrachte Einwand, dass die Entfernung zwischen der WEA 1 und den Wohnhäusern im Eigentum der Antragstellerin falsch angegeben sei und diese tatsächlich weniger als 590 m betrage, stellt die Berechnung dieser Prognose nicht in Frage. Zwar wird die Entfernung zwischen der WEA 1 und dem zu dieser nächstgelegenen Wohnhaus auf einem Grundstück der Antragstellerin (B.-straße YY) sowohl in einem Übersichtsplan, der als Nr. 17 der Antragsunterlagen Teil der Genehmigung vom 28. September 2023 ist, als auch in der Untersuchung zur optisch bedrängenden Wirkung durch drei Windenergieanlagen am Standort I. der M. GmbH vom 18. Mai 2021 (S. 10) jeweils mit 587 m angegeben. Ausgehend von den im Schallgutachten des Ingenieurbüros T. vom 15. November 2023 (S. 7) angeführten Koordinaten für die WEA 1, also deren Mastfuß, und den Koordinaten für den Immissionspunkt am Wohnhaus B.-straße 31 (IP 16) beträgt die Entfernung 586 m (gemessen mit dem Kartendienst tim-online, www.tim-online.de). Die Geräusche einer Windenergieanlage entstehen allerdings nicht am Mastfuß, sondern durch die Bewegung des deutlich höher befindlichen Rotors, und dem Senat ist aus anderen Gerichtsverfahren bekannt, dass für die dortigen Schallprognosen die Schallquelle der Windenergieanlage in Nabenhöhe angesetzt wurde. Die im Schallgutachten vom 15. November 2023 (S. 29) angegebene Entfernung von 603 m zwischen der WEA 1 und dem IP 16 entspricht dem Abstand zwischen der Nabenhöhe der WEA 1 (149 m) und dem IP 16, der ausweislich der Angaben im Schallgutachten (dort S. 5) auf 5 m Höhe angesetzt wurde. Der Wert von 603 m ergibt sich aus einer Berechnung mithilfe des für das Verhältnis der Seitenlängen im rechtwinkligen Dreieck geltenden Satzes des Pythagoras (a² + b² = c²), wobei für diese Berechnung die Nabenhöhe der Windenergieanlage um 5 m für die Höhe des IP 16 zu verringern ist (144² + 586² ≈ 603²).
51Im Übrigen scheidet bei einer Gesamtbelastung von 40,7 dB(A) in 603 m Entfernung eine Überschreitung des maßgeblichen Richtwerts von 45 dB(A) zur Nachtzeit auch in einer lediglich 13 m geringeren Entfernung von 590 m ersichtlich aus, zumal am Immissionspunkt IP 19, der mit 532 m Entfernung deutlich näher an der WEA 1 liegt als der IP 16, die Gesamtbelastung 43,0 dB(A) beträgt.
52Auf die Überschreitung der Immissionsrichtwerte an anderen Orten kann sich die Antragstellerin nicht berufen.
53b. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Antragstellerin durch den Betrieb der Windenergieanlage unzumutbaren Beeinträchtigungen in Form von Infraschall ausgesetzt wird.
54Wie der Senat schon in seinem die WEA 2 und WEA 3 betreffenden rechtskräftigen Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 357/21.AK - ausgeführt hat, ist nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse davon auszugehen, dass Infraschall durch Windenergieanlagen grundsätzlich nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen führt. Sämtliche dem Gericht bekannten Studien und Stellungnahmen dazu sind lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses, den das Gericht seit Jahren fortlaufend verfolgt und auswertet. Nachweisbare schädliche Umwelteinwirkungen durch Infraschall von Windenergieanlagen lassen sich daraus bisher nicht ableiten.
55Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Urteile vom 6. September 2024 - 8 D 194/21.AK -, S. 29 (zur Veröffentlichung vorgesehen), und vom 24. Mai 2024 - 22 D 68/23.AK -, juris Rn. 71 ff., jeweils m. w. N.
56Die nach derzeitigem Erkenntnisstand allein bestehende hypothetische Gefährdung durch Infraschall löst keine staatliche Vorsorgepflicht aus.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 190 f., m. w. N.
58Es trifft schon nicht zu, dass - wie die Antragstellerin meint - die obergerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Schwelle zu schädlichen Umwelteinwirkungen durch Infraschall bei einer Entfernung von 500 m zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus liege. Auch unterhalb dieser Schwelle fehlt es an belastbaren Hinweisen auf Gesundheitsbeeinträchtigungen durch von Windenergieanlagen verursachten Infraschall.
59Vgl. etwa Umweltbundesamt, Texte 134/2020 - Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in der Umgebung von Wohnbebauung - Abschlussbericht, S. 39.
60Im Übrigen wird diese Entfernung aber vorliegend auch deutlich überschritten.
61c. Die Antragstellerin wird voraussichtlich auch nicht durch den von ihr befürchteten Schattenwurf der Windenergieanlage in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt.
62Die Antragsbegründung berücksichtigt die diesbezüglichen Nebenbestimmungen zu der angefochtenen Genehmigung nicht. Durch die Nebenbestimmung IV.3.2 ist gewährleistet, dass auf den Grundstücken der Antragstellerin an den Immissionspunkten IP U, V, W und X die maximal zulässige Beschattungsdauer von 30 Stunden bzw. real acht Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag,
63vgl. zu diesen Werten etwa OVG NRW, Urteil vom 23. August 2024 ‑ 8 D 15/23.AK -, S. 35, m. w. N. (zur Veröffentlichung vorgesehen),
64nicht überschritten wird. Die Regelungen der Genehmigung zum Einbau einer gemeinsamen automatischen Abschaltung für die WEA 1, 2 und 3 verpflichten die Beigeladene, durch eine geeignete Abschalteinrichtung überprüfbar und nachweisbar sicherzustellen, dass unter anderem an den genannten Immissionspunkten, den Wohnhäusern der Antragstellerin, durch die Windenergieanlage(n) kein über diese Werte hinausgehender Schattenwurf entsteht. Insofern trifft es zwar zu, dass die Richtwerte an den Wohnhäusern der Antragstellerin ausweislich der „Ergänzung Schattenwurfprognose Windenergieprojekt I. SW 1“ der F. vom 20. April 2021 überschritten werden, wenngleich sich die von der Antragstellerin benannten Werte von bis zu 64 Stunden und 58 Minuten pro Jahr und bis zu 1 Stunde 22 Minuten pro Tag am IP V (B.-straße 30) auf die ursprüngliche Schattenwurfprognose vom 5. September 2018 und nicht auf die aktualisierten Werte in der Prognose vom April 2021 (65 Stunden 28 Minuten bzw. 1 Stunde 27 Minuten) beziehen; dies wirkt sich allerdings aufgrund der vorgeschriebenen Abschalteinrichtung nicht aus. Die Antragstellerin zeigt auch nicht auf, dass die Begrenzung durch die Nebenbestimmungen des angegriffenen Genehmigungsbescheides nicht hinreichend sichergestellt werden könnte.
65d. Eine unzumutbare Beeinträchtigung besteht voraussichtlich auch nicht durch den von der Antragstellerin befürchteten sogenannten „Disko-Effekt“ durch Lichtreflexe des Sonnenlichts an den Rotorblättern. Diesem wirken die durch die Genehmigung vorgegebenen lediglich mittelreflektierenden Rotorblattbeschichtungen entgegen (vgl. dazu Nr. 4.2.1.6 der Begründung zum Genehmigungsbescheid vom 28. September 2023 und S. 29 des Dokuments „Allgemeine Beschreibung 4-MW-Plattform“, das als Teil der im Anhang aufgezählten Antragsunterlagen (Nr. 36) Inhalt der Genehmigung ist).
66e. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf der WEA 1 begründet voraussichtlich ebenfalls keine Rechtsverletzung. Nach Nr. 5.2.3.5 des Windenergie-Erlasses NRW 2018 i. V. m. Anlage 2.7/12 des Runderlasses „Änderung des Runderlasses Einführung Technischer Baubestimmungen nach § 3 Abs. 3 Landesbauordnung“ vom 4. Februar 2015 sind in nicht besonders eisgefährdeten Gebieten Maßnahmen gegen Eiswurf erforderlich bei Unterschreitung eines Mindestabstands von 1,5 x (Rotordurchmesser + Nabenhöhe) zu Verkehrswegen, Erholungseinrichtungen und Gebäuden. Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsgegner in der Begründung zur Genehmigung vom 28. September 2023 zu den Aspekten Eiswurf/Eisfall (S. 51) erläutert, dass das [hier allein in Betracht kommende] Schutzobjekt der Zuwegung über den östlich angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Weg nicht gefährdet sei. Auch die Antragstellerin zitiert diese Formel unter Hinweis auf eine entsprechende Annahme des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz mitsamt Berechnung,
67vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 29. Oktober 2008 - 1 A 11330/07 -, juris Rn. 52 ff.,
68zustimmend. Dies zugrunde gelegt, ergibt sich vorliegend der von der Antragstellerin auch benannte Mindestabstand 427,5 m, der bei einer Entfernung zu den Wohngebäuden der Antragstellerin von mindestens 580 m deutlich überschritten wird. Im Hinblick darauf ist nicht ersichtlich, dass hier weitere Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Antragstellerin, etwa eine verbindliche Anordnung, dass die Anlage mit einem Eiserkennungssystem auszustatten ist, erforderlich wären. Insbesondere bedurfte es auch keiner gutachterlichen Stellungnahme im Genehmigungsverfahren.
69Im Übrigen kann die Antragstellerin auch nicht die Abwehr jeder theoretisch denkbaren Gefahr beanspruchen, sondern nur den Schutz vor einer konkreten Gefahr. Eine völlige Risikolosigkeit ist weder rechtlich gefordert noch faktisch möglich.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 7 B 10.23 -, juris Rn. 10 f. (zur Brandgefahr); OVG NRW, Urteile vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 251, und vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 194 f.
71Für das Bestehen einer konkreten Gefahr lässt das Vorbringen der Antragstellerin weder Anhaltspunkte erkennen noch sind solche sonst ersichtlich.
72f. Mit Blick auf die gesetzliche Wertung des § 249 Abs. 10 BauGB sind die Errichtung und der Betrieb der WEA 1 für die Antragstellerin auch nicht in unzumutbarer Weise optisch bedrängend. Nach Satz 1 der genannten Norm steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht. Satz 2 der Vorschrift bestimmt die Höhe im Sinne des Satzes 1 als die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors.
73Die WEA 1 wird zum nächstgelegenen Wohnhaus der Antragstellerin in einem Abstand von etwa 586 m und somit dem 2,7-Fachen der Anlagengesamthöhe errichtet.
74Wird der in § 249 Abs. 10 BauGB vorgesehene Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken eingehalten, kommt eine optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlage nur ausnahmsweise in Betracht, wenn andernfalls die Schwelle der Zumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände überschritten würde. Dies setzt einen atypischen, vom Gesetzgeber so nicht vorhergesehenen Sonderfall voraus. Allein die Sichtbarkeit der Anlagen von dem Grundstück eines Nachbarn aus begründet kein Abwehrrecht.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK -, juris Rn. 139 ff., m. w. N.
76Gründe, die für die Annahme eines solchen atypischen Sonderfalls sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob der Blick von den Wohnhäusern auf die WEA 1 von Bewuchs abgeschirmt wird, kommt es nicht an. Die beiden bereits genehmigten Windenergieanlagen in der näheren Umgebung sind ebenfalls nicht geeignet, eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 249 Abs. 10 BauGB zu begründen.
77Vgl. zum Einfluss vorhandener Windenergieanlagen bei der Prüfung einer optisch bedrängenden Wirkung OVG NRW, Urteil vom 26. Juli 2024 - 8 D 169/22.AK -, juris Rn. 70.
78g. Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen Vorschriften des Naturschutzes einschließlich des Landschafts- und Artenschutzes - hier insbesondere des Schutzes der Kiebitze - berufen. Diese Vorschriften sind nicht drittschützend.
79Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 235 ff., und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 281 f., sowie Beschluss vom 26. Januar 2024 - 8 B 1072/23.AK -, juris Rn. 90 f., jeweils m. w. N.
803. Selbst wenn man die Erfolgsaussichten der Klage - entgegen den vorstehenden Ausführungen - als offen ansehen wollte, überwiegen bei der dann gebotenen Vollzugsfolgenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse sowie das private Interesse der Beigeladenen das Aufschubinteresse der Antragstellerin. Die gesetzliche Wertung in § 63 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wonach die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die Zulassung der in Rede stehenden Windenergieanlage keine aufschiebende Wirkung hat, wird verstärkt durch § 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 1 EEG, wonach die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Dies ist gemäß § 80c Abs. 4 VwGO im vorliegenden Verfahren besonders zu berücksichtigen. Grundsätzliche und von der Antragstellerin mit Aussicht auf Erfolg geltend gemachte Bedenken gegen den gewählten Anlagenstandort und nach § 4 UmwRG zur Aufhebung der Genehmigung führende Rechtsverstöße sind nach den vorstehenden Ausführungen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Unzumutbare Beeinträchtigungen durch den Anlagenbetrieb sind ebenfalls nicht zu erwarten, könnten aber nötigenfalls - wofür hier derzeit nichts spricht - durch ergänzende Nebenbestimmungen vermieden werden.
81Nach alldem weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass auch die ursprüngliche Genehmigung vom 28. September 2023 bei isolierter Prüfung mit Blick auf mögliche Rechtsverletzungen der Antragstellerin keinen durchgreifenden Bedenken begegnen dürfte. Diese unterscheidet sich von der Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Juni 2024 im Wesentlichen durch nochmals geringere Schallimmissionen aufgrund des eingeschränkten Betriebsmodus.
82Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie im vorliegenden Eilverfahren keinen Sachantrag gestellt und sich dadurch keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
83Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat orientiert sich in Fällen der vorliegenden Art an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und setzt im Hauptsacheverfahren bis zum Erreichen einer Obergrenze von 60.000,- Euro je Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 15.000,- Euro fest. Streitgegenständlich ist vorliegend nur die WEA 1. Der sich danach ergebende Betrag ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.
84Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).