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Die Anzeigepflicht nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BImSchG setzt voraus, dass eine Anlage durch das Inkrafttreten oder eine Änderung der 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig wird. Änderungen von Tatsachen, die für das Entstehen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht relevant sind, genügen dafür nicht.
§ 52 Abs. 2 BImSchG stellt keine Ermächtigungsgrundlage für eine Ordnungsverfügung dar, eine Anlage gemäß § 67 Abs. 2 BImSchG anzuzeigen und die dazu erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Eine solche Ordnungsverfügung kann nicht in eine Verfügung umgedeutet werden, (nur) diese Unterlagen einzureichen, weil diese Verfügungen nicht auf das gleiche Ziel i. S. v. § 47 Abs. 1 VwVfG NRW gerichtet sind.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2024, soweit darin die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 9359/23 gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 28. November 2023 wiederhergestellt worden ist, wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2024 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 28. November 2023 abzulehnen,
4richtet sich bei sachgerechtem Verständnis des Antrags (vgl. §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) nur insoweit gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, als darin die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 9359/23 gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 28. November 2023 wiederhergestellt worden ist.
5Die so verstandene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den erstinstanzlichen Beschluss nicht durchgreifend in Frage. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu Lasten des Antragsgegners aus.
61. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege, weil sich die in Nr. 1 der Ordnungsverfügung getroffene Anordnung bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweise. Hierzu hat es ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht gemäß § 67 Abs. 2 BImSchG verpflichtet sei, die X-Anlage bei der Bezirksregierung Düsseldorf (im Folgenden: Bezirksregierung) anzuzeigen, und diese daher auch keine hierauf gestützte Ordnungsverfügung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG habe erlassen dürfen. Das Beschwerdevorbringen stellt diese Würdigung nicht in Frage.
7Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BImSchG muss eine genehmigungsbedürftige Anlage, die bei Inkrafttreten der Verordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG errichtet oder wesentlich geändert ist oder mit deren Errichtung oder wesentlichen Änderung begonnen worden ist, innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung der zuständigen Behörde angezeigt werden, sofern die Anlage nicht nach § 16 Abs. 1 oder § 25 Abs. 1 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftig war oder nach § 16 Abs. 4 der Gewerbeordnung angezeigt worden ist.
8§ 67 Abs. 2 BImSchG geht davon aus, dass Anlagen, die die Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) erstmals einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterwirft, vom Inkrafttreten oder von einer Änderung dieser Verordnung an genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 4 BImSchG sind und den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes über genehmigungsbedürftige Anlagen unterliegen. Für den Fall, dass eine solche Anlage bereits vorher errichtet oder wesentlich geändert worden oder dass mit der Errichtung oder wesentlichen Änderung bereits vorher begonnen worden ist, ordnet § 67 Abs. 2 BImSchG an, dass die Anlage keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, um betrieben werden zu dürfen. Sie ist der zuständigen Behörde lediglich anzuzeigen. § 67 Abs. 2 BImSchG setzt allerdings voraus, dass der Anlagenbetreiber sich gesetzestreu verhalten hat und eine für die Errichtung und den Betrieb bisher erforderliche bauaufsichtliche Genehmigung tatsächlich erteilt worden ist. § 67 Abs. 2 BImSchG trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Anlage im Vertrauen darauf, dass sie nach dem zuvor geltenden Recht keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurfte, errichtet oder wesentlich geändert worden ist. Nach dem Inkrafttreten oder der Änderung einer Verordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG soll die Rechtslage für den Betreiber einer Anlage nicht dadurch verschlechtert werden, dass die nach bisherigem Recht rechtmäßig errichtete Anlage nachträglich einer neuen Genehmigungspflicht unterworfen wird.
9Vgl. allgemein: BVerwG, Urteil vom 29. September 1993 - 7 C 13.93 -, juris Rn. 9, und Beschluss vom 27. Juni 1988 - 7 B 101.88 -, juris Rn. 3 f.; zur Geltung des § 67 Abs. 2 BImSchG auch bei Änderungen der 4. BImSchV: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 ‑ 4 C 3.04 ‑, juris Rn. 22.
10Entscheidend ist danach - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist -, dass eine Anlage durch das Inkrafttreten oder eine Änderung der 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig wird.
11Dies ist hier nicht der Fall. Für die nach Aktenlage seit dem Jahre 2021 betriebene X‑Anlage kommt allenfalls eine Änderung der seit dem Jahre 1975 bestehenden 4. BImSchV in Betracht; eine solche Rechtsänderung, durch die diese Anlage erstmals immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig geworden wäre, gibt es allerdings nicht. Auch die Bezirksregierung benennt keine solche Rechtsänderung, sondern leitet die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für die X-Anlage daraus her, dass der Betreiber nach Erteilung der Baugenehmigung der Stadt B. vom 6. Juni 2019 für die Anlage sowie nach Inbetriebnahme der Anlage gewechselt habe und die Anlage i. S. v. § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV zu einer Nebeneinrichtung der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen (und genehmigten) D-Anlage der Antragstellerin geworden sei.
12Ob es einen solchen Betreiberwechsel gab, kann offen bleiben. Denn entgegen der Ansicht des Antragsgegners entsteht nicht dadurch eine Anzeigepflicht nach § 67 Abs. 2 BImSchG, dass sich Tatsachen ändern, die für das Entstehen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht relevant sind. Die vom Antragsgegner angeführte Kommentarliteratur zur Gewerblichkeit des Anlagenbetriebs betrifft keine Tatsachenänderungen als Voraussetzung für die Anwendung des § 67 Abs. 2 BImSchG, sondern bestimmte Fallkonstellationen bei Inkrafttreten der 4. BImSchV vom 14. Februar 1975 am 1. März 1975 (BGBl. I S. 499). Nach der zuvor geltenden Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung in der Fassung vom 7. Juli 1971 (BGBl. I S. 888) bedurfte die Errichtung bestimmter, in dieser Verordnung aufgezählter Anlagen(arten) einer Genehmigung nach § 16 Abs. 1 GewO, soweit sie gewerblichen Zwecken oder Zwecken des Bergwesens dienten oder sofern sie im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung fanden (§ 1 der Verordnung). Fast alle dieser Anlagen(arten) wurden auch von der 4. BImSchV erfasst und durch deren Inkrafttreten größtenteils immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Anders als in der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung war jedoch die Gewerblichkeit der Anlagen(arten) nur noch in sehr wenigen Ausnahmefällen ausschlaggebend für die Genehmigungsbedürftigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV i. d. F. vom 14. Februar 1975). Das bedeutet, dass zahlreiche Anlagen, die nur deshalb nicht nach § 16 GewO genehmigungspflichtig gewesen waren, weil sie nicht gewerblichen Zwecken dienten, allein durch das Inkrafttreten der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurften, ohne dass sich an der jeweiligen Anlage oder ihrem Betrieb etwas geändert hatte. Auf geänderte Tatsachen wie eine nachträglich eingetretene gewerbliche Zielrichtung des Anlagenbetriebs kam es hierfür nicht an. In diesem Sinne sind auch die vom Antragsgegner genannten Kommentarstellen zu verstehen. Dort heißt es:
13„Eine Anzeigepflicht besteht nach Absatz 2 auch für Anlagen, die ihrer Art nach bei Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 bereits vom Genehmigungserfordernis erfasst waren, im Einzelfall aber keiner Genehmigung bedurften (vgl. § 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung in der Fassung vom 7. Juli 1971, BGBl. I S. 888), weil sie weder gewerblichen Zwecken dienten noch im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung betrieben wurden.“
14Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Juni 2024, § 67 BImSchG Rn. 16.
15„§ 67 Abs. 2 findet auch auf solche Anlagen Anwendung, die vor Inkrafttreten der 4. BImSchV nur deshalb nicht genehmigungspflichtig waren, weil sie nicht gewerblichen Zwecken dienten oder nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen Verwendung fanden.“
16Vgl. Czajka in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: April 2024, § 67 BImSchG Rn. 15.
17„Die Anzeigepflicht gilt auch für die Anlagen, die ihrer Art nach von der Genehmigungspflicht erfasst waren, im Einzelfall aber keiner Genehmigung bedurften, weil sie die Voraussetzungen in § 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen nicht erfüllten. Dies ist der Fall, wenn sie keinen gewerblichen Zwecken dienten oder nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung fanden.“
18Vgl. Führ, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, § 67, Stand: Juni 2014, Rn. 41.
192. Inwiefern eine vom Antragsgegner thematisierte planwidrige Regelungslücke entsteht, wenn § 67 Abs. 2 BImSchG im vorliegenden Fall als nicht anwendbar angesehen wird, ist weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass § 67 Abs. 2 BImSchG als Übergangsvorschrift, die ausschließlich eine Vertrauensschutzregelung für die davon ausdrücklich erfassten Fallkonstellationen enthält, mit Blick auf diesen (begrenzten) Sinn und Zweck eng auszulegen sei, setzt die Antragsbegründung nichts Konkretes entgegen. Im Übrigen steht selbst bei Annahme einer planwidrigen Regelungslücke keineswegs fest, dass eine solche gerade in der vom Antragsgegner für sachgerecht gehaltenen Weise zu schließen wäre.
203. Der Hinweis des Antragsgegners darauf, dass es keine obergerichtliche Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 67 Abs. 2 BImSchG in der hier relevanten Fallkonstellation gebe, zielt der Sache nach auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, verhilft der Beschwerde aber nicht zum Erfolg. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache) ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht anwendbar. Unabhängig davon ergibt sich aus dem vom Antragsgegner geltend gemachten obergerichtlichen Klärungsbedarf gerade nicht, dass bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung von einer den Erfolg des Rechtsmittels begründenden offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung auszugehen sein könnte.
214. Der erstinstanzliche Beschluss ist entgegen der Einschätzung des Antragsgegners nicht mit Blick auf dessen Ausführungen im Schriftsatz vom 17. Januar 2024 an das Verwaltungsgericht zu ändern. Darin hat er u. a. ausgeführt: „Diese Überlegung käme im Übrigen gleichermaßen zum Tragen, soweit das in dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zu sehende Auskunftsverlangen des Beklagten hilfsweise auf § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zu stützen wäre.“ Der Antragsgegner meint, dadurch habe er den „verfahrensgegenständlichen Bescheid im Hinblick auf die Unterlagenvorlage und Abgabe von Erklärungen hilfsweise auch auf die Norm des § 52 Abs. 2 BImSchG gestützt“. Er trägt weiter vor, eine Behörde dürfe ihre Entscheidung nachträglich weiter begründen. Das Verwaltungsgericht hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Bescheid auch auf § 52 Abs. 2 BImSchG gestützt bzw. ggf. geltungserhaltend in einen Bescheid nach § 52 Abs. 2 BImSchG umgedeutet werden könne.
22Dieses Vorbringen greift nicht durch.
23a) Die Ordnungsverfügung ist durch den Schriftsatz des Antragsgegners vom 17. Januar 2024 nicht geändert worden.
24Ändert eine Behörde in einem laufenden Verwaltungsprozess den Verwaltungsakt oder trägt sie weitere Aspekte zur Begründung vor, so muss sie mit Blick auf das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW), das Ausprägung des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) ist, unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris Rn. 35 (zum Nachschieben von Ermessenserwägungen).
26Gemessen daran hat die Bezirksregierung durch die oben wiedergegebenen Ausführungen im Schriftsatz vom 17. Januar 2024 nicht unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie ihre Ordnungsverfügung statt auf § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i. V. m. § 67 Abs. 2 BImSchG nunmehr auf § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG stützt oder zumindest ergänzend damit begründet und die Ordnungsverfügung dadurch ändert. Dies liegt schon an der Wahl des Konjunktivs („käme“, „wäre“), der keine rechtlich wirksame Änderung der Ordnungsverfügung erkennen lässt, sondern für hypothetische Hilfsüberlegungen im Gerichtsverfahren spricht, um den angegriffenen Bescheid zu verteidigen.
27b) Die Beschwerde hat auch nicht deswegen Erfolg, weil Nr. 1 der Ordnungsverfügung ohne förmliche Änderung auf eine andere Begründung als die in ihr angeführte (hier: § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG statt § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i. V. m. § 67 Abs. 2 BImSchG) gestützt werden könnte.
28Bei der Prüfung, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, sind alle einschlägigen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, auch wenn die Normen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes nicht angeführt worden sind. Ist eine Regelung aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig.
29Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. März 2010 ‑ 8 C 12.09 ‑, juris Rn. 16, und vom 21. November 1989 ‑ 9 C 28.89 ‑, juris Rn. 12.
30Bei einer richterlichen Berücksichtigung anderer (Rechtfertigungs‑)Gründe bleibt die Regelung eines Bescheides ‑ ebenso wie beim verwaltungsbehördlichen sog. Nachschieben von Gründen ‑ als solche unangetastet.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 ‑ 8 C 29.87 ‑, juris Rn. 12.
32Ausgehend davon stellt § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG keine Rechtsgrundlage für Nr. 1 der Ordnungsverfügung dar. Nach dieser Vorschrift sind Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen Anlagen betrieben werden, verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde und deren Beauftragten den Zutritt zu den Grundstücken und zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auch zu Wohnräumen und die Vornahme von Prüfungen einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu gestatten sowie die Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen vorzulegen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Bei den in dieser Norm thematisierten Unterlagen mag es zwar Überschneidungen mit den gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 BImSchG i. V. m. § 10 Abs. 1 BImSchG vorzulegenden Unterlagen geben. Allerdings kann nach § 52 Abs. 2 BImSchG nur die Vorlage von (bereits existierenden) Unterlagen verlangt werden,
33vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 22 ZS 01.3182 -, juris Rn. 16; Kenyeressy, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 52 Rn. 80,
34während in der Begründung des Bescheids vom 28. November 2023 auf den geringen Aufwand bei der „Erstellung der Anzeigeunterlagen“ verwiesen wird, was der Sache nach eher für ein Auskunftsverlangen spricht.
35Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: April 2024, § 52 BImSchG, Rn. 78.
36Unabhängig davon lässt sich die in Nr. 1 der Ordnungsverfügung enthaltene Aufforderung, eine Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG vorzulegen, nicht auf § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG stützen, weil § 67 Abs. 2 BImSchG eine spezialgesetzliche Vorschrift mit eigenen Tatbestandsvoraussetzungen darstellt. Nach den oben angeführten Maßstäben kommt es bei der Berücksichtigung einer anderen Rechtsgrundlage nicht in Betracht, die in der Verfügung getroffene Regelung teilweise (hier: Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG) aufzuheben und nur im Übrigen (hier: Vorlage von Unterlagen) bestehen zu lassen.
37c) Die Ordnungsverfügung kann auch nicht nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW in eine Verfügung umgedeutet werden, mit der die Antragstellerin verpflichtet wird, gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG näher bestimmte Unterlagen vorzulegen.
38Nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
39Bei der Umdeutung wird die im Verwaltungsakt getroffene Regelung nicht lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, sondern durch eine andere (rechtmäßige) Regelung ersetzt. Hierzu sind nicht nur die Behörden, sondern auch die Verwaltungsgerichte ermächtigt.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 -, juris Rn. 26.
41Auf das gleiche Ziel gerichtet i. S. v. § 47 Abs. 1 VwVfG NRW sind Verwaltungsakte, wenn der mit ihnen angestrebte Erfolg und die Wirkungen im Wesentlichen gleichartig, wenn auch nicht identisch sind. Die Ziele und Wirkungen des umgedeuteten Verwaltungsakts dürfen nicht weiter reichen als diejenigen des ursprünglichen Verwaltungsakts.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 -, juris Rn. 61.
43Bei einer Umdeutung eines Ermessensverwaltungsakts in einen anderen Ermessensverwaltungsakt verlangt der Rechtsgedanke des § 47 Abs. 3 VwVfG NRW, dass die Behörde schon bei der ursprünglichen Entscheidung alle auch für den neuen Verwaltungsakt etwa maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte umfassend berücksichtigt hat.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 -, juris Rn. 61.
45Ausgehend davon kommt eine Umdeutung der Ordnungsverfügung dahingehend, dass mit ihr (nur) näher bezeichnete Unterlagen gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG angefordert werden (so die Ausführungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren), nicht in Betracht.
46Eine solche Verfügung wäre nicht mehr auf das gleiche Ziel gerichtet wie die bisherige Ordnungsverfügung. Diese zielt auf eine Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG sowie die damit verbundene Vorlage von (jedenfalls teilweise noch zu erstellenden) Unterlagen gemäß § 10 Abs. 1 BImSchG. Die vom Antragsgegner erwogene Verfügung nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG könnte dagegen nur auf die Vorlage von bereits vorhandenen Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften gerichtet sein, die Anzeigepflicht entfiele.
47Unabhängig davon ist nicht erkennbar, dass die Bezirksregierung schon bei der ursprünglichen Entscheidung alle auch für den neuen Verwaltungsakt maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte umfassend berücksichtigt hat. Die Ordnungsverfügung vom 28. November 2023 ist gestützt auf die Ermessensvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG räumt der zuständigen Behörde ebenfalls Ermessen ein.
48Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Juni 2024, § 52 BImSchG Rn. 13; Schwertner, in: BeckOK Umweltrecht, Stand: 1. Juli 2024, § 52 BImSchG Rn. 21 ff.; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 57; siehe zum Ermessen in Bezug auf Anlagenbesichtigungen: OVG NRW, Urteil vom 30. November 2021 - 8 A 513/19 -, juris Rn. 67.
49Dieses betrifft auch die Frage, welche konkreten Unterlagen zur Erfüllung der behördlichen Überwachungsaufgaben anzufordern sind. Vorliegend ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Unterlagen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 BImSchG i. V. m. § 10 Abs. 1 BImSchG über Art, Lage und Betriebsweise der X-Anlage denjenigen entsprechen, die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zur Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Behörde erforderlich sind. Die Ermessenserwägungen in der Ordnungsverfügung vom 28. November 2023 beziehen sich auf § 10 Abs. 1 BImSchG, weil § 67 Abs. 2 BImSchG auf diese Norm verweist. § 10 BImSchG betrifft die Unterlagen, die erforderlich sind, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu beantragen. Dieser Zweck ist nicht identisch mit der Überwachung immissionsschutzrechtlicher Anlagen. Auf diese bezogene Ermessenserwägungen liegen aber nicht vor.
505. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch insoweit fehlerhaft, als nicht weiter ausgeführt werde, was aus der Nichtanwendbarkeit des § 67 Abs. 2 BImSchG insbesondere im Hinblick auf den Status der Anlage folgen solle.
51Das rechtliche Prüfprogramm für das Verwaltungsgericht war durch § 80 Abs. 5 VwGO vorgegeben. In diesem Rahmen war die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung der Bezirksregierung einschließlich der darin genannten Rechtsgrundlage ‑ hier: §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 2 BImSchG - zu prüfen. Erweist sich die Ordnungsverfügung bei dieser Prüfung als rechtswidrig und lässt sie sich ‑ wie gezeigt ‑ auch weder auf eine andere Rechtsgrundlage stützen noch umdeuten, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sondern der zuständigen Behörde, die sich daraus ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen zu ziehen und ggf. ein anderes Vorgehen zu prüfen.
526. Auf die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung im Übrigen kommt es nach dem Vorstehenden ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die X-Anlage eine Nebeneinrichtung der D-Anlage der Antragstellerin ist.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
54Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Angaben der Antragstellerin zur Höhe der finanziellen Aufwendungen für die Erfüllung der Anzeigepflicht. Der danach im Hauptsacheverfahren festzusetzende Streitwert von 50.000 Euro ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
55Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).