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Der Bebauungsplan Nr. 923 - R. - ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zur Hälfte und die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zu einem Viertel.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 923 - R. - der Antragsgegnerin, der auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Erweiterungsflächen insbesondere für Hochschul- und Forschungseinrichtungen schafft.
3Der Antragsteller ist Miteigentümer des im Süden unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks F.-straße 36, X. (G01). Das Grundstück ist mit einem u. a. vom Antragsteller bewohnten Wohnhaus bebaut. Das Plangebiet erstreckt sich vom Republikplatz im Südosten bis in den Norden über den M.-straße hinaus zur Z.-straße sowie nordwestlich über die Bahnstrecke hinweg Richtung A.-straße über die O.-straße bis zum Anschluss an den K.-straße. Im Südwesten verläuft die Plangebietsgrenze entlang der Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG. Im Nordosten verläuft die Grenze entlang der L.-straße, des neuen Wohngebiets D.-straße, der Siedlung F.-straße und des Gewerbegebiets V.. Der Geltungsbereich umfasst eine Fläche von ca. 26 ha. Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt u.a. sonstige Sondergebiete (SO1 - SO5) mit der Zweckbestimmung „Unterbringung von Hochschuleinrichtungen und Einrichtungen der Forschung und Entwicklung sowie von Dienstleistungs- und Gewerbebetrieben im Bereich Forschung und Entwicklung, die mit Hochschulen kooperieren“, ein Sondergebiet SO6 „Nahversorgung“, Gewerbegebiete, Verkehrsflächen, Flächen für Wald und Grünflächen fest. Der Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln, Teilabschnitt Region X. (von Juni 2003), weist für das Plangebiet einen Allgemeinen Siedlungsbereich aus. Am äußersten nördlichen Ende des Geltungsbereichs stellt der Regionalplan einen Allgemeinen Freiraum und Agrarbereich mit den überlagernden Zielen des regionalen Grünzuges und dem Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung dar. Der Flächennutzungsplan X. 2030 stellt ein Sondergebiet für die Hochschule und Forschung, nördlich des M.-straße eine Grünfläche mit der Zweckbestimmung Grünzug, im Südosten eine Sondergebietsfläche für den großflächigen Einzelhandel sowie eine gemischte Baufläche dar.
4Das Planaufstellungsverfahren verlief folgendermaßen: Bereits in seiner Sitzung am 19.3.2009 beschloss der Planungsausschuss zur planungsrechtlichen Sicherung eines Hochschulcampus die Aufstellung eines Bebauungsplans mit Städtebaulichem Vertrag - R. - sowie die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans 1980 der Stadt X.. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 23.4.2009. Es wurden verschiedene Varianten erarbeitet. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung erfolgte vom 30.1.2011 bis 11.2.2011 mit einer Anhörungsveranstaltung am 8.2.2011. Seit Dezember 2011 ruhte das Verfahren. Es wurden regelmäßige Workshoptermine durchgeführt. In seiner Sitzung am 11.7.2019 beschloss der Planungsausschuss, das Bebauungsplanverfahren fortzusetzen und die erneute Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB zu ermöglichen. Die Bekanntmachung erfolgte unter Hinweis auf den Auslegungszeitraum vom 4.9.2019 bis zum 18.9.2019 sowie einen öffentlichen Anhörungstermin am 17.9.2019 am 28.8.2019. Am 10.9.2020 beschloss der Planungsausschuss - nach Auswertung der Ergebnisse der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung und der Behördenbeteiligung - erneut die Aufstellung des Bebauungsplans gemäß § 2 Abs. 1 BauGB sowie die öffentliche Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses unter Mitteilung des Auslegungszeitraums in der Zeit vom 19.10.2020 bis einschließlich 20.11.2020 erfolgte am 8.10.2020. Mit Beschluss vom 10.6.2021 empfahl der Planungsausschuss dem Rat infolge der in der öffentlichen Auslegung eingegangenen Einwendungen, den Bebauungsplan in Anwendung des § 13 BauGB vereinfacht zu ändern (Anpassung verschiedener Höhenfestsetzungen, Aufnahme der Nutzung „Parkhaus“ im SO5, Ergänzung einer Begriffsdefinition) und sodann den Bebauungsplan in der geänderten Fassung als Satzung zu beschließen. Zur Begründung heißt es in der Beschlussvorlage (Az.: 35001 - 2010) u. a.:
55.2 Änderung des Bebauungsplanes
6(…)
7„Parkhaus SO5: In den schriftlichen Festsetzungen zur Offenlage fehlte im Sondergebiet SO5 die Festsetzung „Parkhäuser, die der Versorgung der Sondergebiete dienen“. Parkhäuser sind in allen Clustern erforderlich, da sie der Unterbringung der Stellplätze dienen. Hier handelte es sich um einen redaktionellen Fehler, denn in der Begründung wurden auch zur Offenlage Parkhäuser im SO5 aufgeführt. Dieser Fehler wird nun korrigiert, indem Parkhäuser nun auch in den Nutzungskatalog dieses Clusters aufgenommen werden.“ (…)
8Mit Schreiben vom 15.6.2021 erhob der Antragsteller erstmalig Einwendungen. Am 23.6.2021 beschloss der Rat der Antragsgegnerin in Anwendung des § 4a Abs. 3 BauGB den geänderten Bebauungsplan als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte am 9.9.2021.
9Der Antragsteller hat am 17.2.2022 den Normenkontrollantrag gestellt.
10Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Antrag sei zulässig. Er könne als unmittelbarer Plannachbar geltend machen, dass seine bei der Abwägung zu berücksichtigenden privaten Belange unzureichend in die Abwägungsentscheidung eingeflossen seien. Er mache insbesondere eine nicht zumutbare Beeinträchtigung durch die Steigerung von Lärmimmissionen, die Verschlechterung des Luftaustausches und des Mikroklimas und die damit einhergehende Verschlechterung seiner Wohnsituation geltend. Der Antrag sei auch begründet. Die Festsetzungen der in den Sondergebieten zulässigen Anlagen und Betriebe seien nicht hinreichend bestimmt. Dies betreffe jedenfalls die festgesetzten Nutzungsarten Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe im Bereich Aus- und Weiterbildung sowie Qualifizierung, Dienstleistungsbetriebe, die der Versorgung des Plangebietes dienen, Versorgungsanlagen und Technikzentrale, die der Versorgung des Planungsgebietes dienen, Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, Veranstaltungs- und Tagungseinrichtungen sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes. Hinsichtlich dieser Nutzungsarten sei kein limitierendes Merkmal zu erblicken, welches eine Kooperation mit Hochschulen sicherstelle. Ebenso unbestimmt und widersprüchlich sei die Festsetzung von allgemein zulässigen Dienstleistungs- und nicht störenden Gewerbebetrieben, die mit der Zweckbestimmung der Sondergebiete übereinstimmten. Da diese Betriebe weder forschungs- und entwicklungsorientiert seien noch mit Hochschulen kooperierten, liege offen zutage, dass sie gerade nicht mit der Zweckbestimmung des Sondergebiets übereinstimmten. Im Übrigen erfordere die Schaffung der planerischen Voraussetzungen für die vorgenannten Betriebe die Festsetzung eines Sondergebietes nicht und sei damit nicht zu rechtfertigen. Es liege damit ein Verstoß gegen den sogenannten Typenzwang vor. Der Bebauungsplan treffe unzulässige Festsetzungen von Schallkontingenten. Die festgesetzten Kontingente beschrieben lediglich ein auf die Grundstücksfläche bezogenes Emissionskontingent. Es handele sich um sogenannte Zaunwerte als Summenpegel, mit denen keine Nutzungsart festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet werde. Dies könne allenfalls dann ausreichend sein, wenn auf der jeweiligen Teilfläche nur eine einzige bauliche Anlage zulässig wäre. Dies sei hier offenkundig nicht der Fall. Bei nahezu sämtlichen Teilflächen handele es sich um größere Areale, die geeignet und auch dazu bestimmt seien, mehrere eigenständige bauliche Anlagen zu beheimaten. Damit werde ein sogenanntes Windhundrennen zwischen Bauinteressenten entfacht. Es liege zudem ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz vor. Mit der Planung werde eine gesteigerte Konfliktlage begründet und nicht hinreichend gelöst. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf die Möglichkeit der sogenannten planerischen Zurückhaltung berufen. Offensichtlich habe sie eine solche gerade nicht ausgeübt. Jedenfalls sei eine belastbare Lärmimmissionsprognose erforderlich gewesen. Das Schallgutachten sei jedoch fehlerhaft und unzureichend, weil es die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung gemäß Ziffer 3.2.2 TA-Lärm nicht gesehen habe. Der Bebauungsplan sei zudem deshalb abwägungsfehlerhaft, weil die Belange der Anwohner nicht mit dem erforderlichen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden seien. Insbesondere sei ihre Schutzwürdigkeit nicht zutreffend bewertet worden. Der Bebauungsplan verstoße auch gegen die Empfehlungen des von der Antragsgegnerin beschlossenen Lärmaktionsplans. Die Auswirkungen der Planung auf das städtische Mikroklima am Standort seines Wohnhauses seien ebenfalls nicht fehlerfrei abgewogen worden. Der Planung liege zudem eine fehlerhafte Variantenprüfung der Erschließung des Plangebiets zugrunde. Es habe keine ergebnisoffene Abwägung zwischen den Varianten A und D stattgefunden. Weiterhin verletze die Änderung des Bebauungsplans Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung. Hier seien nach der Offenlage erhebliche Änderungen an der Planungskonzeption vorgenommen worden, ohne dass eine erneute Offenlage stattgefunden habe. Der angewandte § 13 BauGB sei mangels abgeschlossener Planung schon nicht einschlägig gewesen. Änderungen an der Planungskonzeption im Zuge der Aufstellung eines Bebauungsplans hätten vielmehr gemäß § 4a Abs. 3 BauGB erfolgen müssen. Diese Vorschrift erfordere bei wesentlichen Änderungen eine erneute Offenlage. Da die Antragsgegnerin offensichtlich davon ausgegangen sei, einen noch nicht bestehenden Bebauungsplan bereits im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens ändern zu können, habe sie von der notwendigen erneuten Offenlage abgesehen. Schließlich fehle es dem Bebauungsplan auch an der städtebaulichen Erforderlichkeit, weil er in der beschlossenen Fassung nicht mehr den aktuellen Planungsabsichten der Antragsgegnerin entspreche. Dies gelte mit Blick auf die geplante Fuß- und Radwegverbindung vom Campusband über die Bahngleise hinweg zum K.-straße. Es entspreche dem aktuellen Planungswillen der Stadt, eine solche Verbindung zu schaffen.
11Der Antragsteller beantragt,
12den Bebauungsplan Nr. 923 „R.“ der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
13Die Antragsgegnerin beantragt,
14den Antrag abzulehnen.
15Zur Begründung führt sie aus: Es bestünden bereits Zweifel an der Antragsbefugnis bzw. dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Dieser bringe ausschließlich Belange vor, die im Ergebnis keine Verletzung seiner subjektiven Rechte begründeten. Darüber hinaus sei der Normenkontrollantrag jedenfalls unbegründet. Die gerügten Mängel des Plans lägen nicht vor. Der Vortrag des Antragstellers zur mangelnden Bestimmtheit der planerischen Festsetzungen gehe fehl. Bauliche Hauptnutzung des Sondergebiets seien Hochschul- und Forschungseinrichtungen, ergänzt um technologie- und forschungsorientierte gewerbliche Nutzungen. Ebenso zulässig seien technologie- und forschungsorientierte Dienstleistungsbetriebe und technologie- und forschungsorientierte Gewerbebetriebe, soweit sie die Entwicklung und Herstellung von Prototypen sowie die Entwicklung und Optimierung von Fertigungstechnologien und -systemen zu Forschungs- und Entwicklungszwecken betrieben. Hieraus ergebe sich die bauliche Hauptnutzung und damit der Charakter des gegliederten Sondergebietes. Dem stünden die vom Antragsteller isoliert aufgezählten begleitenden Nutzungen nicht entgegen. Auch das Vorbringen des Antragstellers zum vermeintlichen Verstoß gegen den Typenzwang der Baunutzungsverordnung führe nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Bei der schriftlichen Festsetzung Ziffer 8.2 handele es sich nicht um Zaunwerte als Summenpegel, sondern um zulässige immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel nach DIN 45691. Die festgesetzten Teilflächen und die entsprechenden Festsetzungen genügten den Anforderungen der Rechtsprechung. Es liege weder ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz noch ein zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führender lärmbezogener Abwägungsmangel vor. Die Lärmkonflikte seien im Zuge der sachgerechten Abwägung durch entsprechende Festsetzungen gelöst worden. Die vom Antragsteller zutreffend geschilderten vielfachen Immissionsbelastungen seines Grundstückes seien durch den Bebauungsplan weder geschaffen noch intensiviert worden. Sie führten allerdings dazu, dass der Schutzanspruch des Antragstellers in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht keinesfalls dem eines reinen Wohngebietes entspreche. Der Plangeber und das dem Plan zugrunde liegende Schallschutzgutachten hätten für das Grundstück des Antragstellers den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebietes angenommen. Es könne dahinstehen, ob dies vor dem Hintergrund der Vorbelastungen zutreffend sei. Jedenfalls würden die Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebietes nach dem Schallschutzgutachten auf Grundlage der festgesetzten immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel nicht überschritten. Soweit der Antragsteller meine, dass die Schwelle der Lärmsanierung aufgrund des Straßenverkehrslärms teilweise überschritten werde, sei dies zutreffend. Es betreffe allerdings einen Teilbereich der Kühlwetterstraße, in dem ein Schallschutzfensterprogramm über den ergänzenden städtebaulichen Vertrag gesichert worden sei. Eine Prüfung im Sonderfall nach Ziffer 3.2.2 TA Lärm sei nicht geboten gewesen. Die durch die Umsetzung des Bebauungsplans entstehenden zusätzlichenSchallemissionen würden durch Festsetzungen zum Schallschutz so gesteuert, dass die Überschreitung der jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerte ausgeschlossen sei. Lärmaktionsplanungen nach § 47a f. BauGB seien keine im Zuge der Bauleitplanung umzusetzenden Pläne, sondern ein hiervon getrenntes Rechtsinstrument. Bauleitpläne hätten entsprechenden Vorgaben zur sachgerechten Abwägung zu entsprechen, seien aber nicht an Lärmaktionsplänen zu messen. Eine Verschattung des Grundstücks des Antragstellers sei nicht zu befürchten. Der Einwand des Antragstellers zur Beeinträchtigung des Kaltluftvolumenstroms gehe fehl. Es liege auch keine fehlerhafte Variantenprüfung betreffend die Norderschließung vor. Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung seien nicht verletzt. Bereits vor Rechtskraft der aktuellen Neufassung des § 4a Abs. 3 BauGB sei eine analoge Anwendung des § 13 BauGB im Planaufstellungsverfahren anerkannt gewesen, soweit die Grundzüge der Planung nicht berührt seien. Grundlage hierfür sei § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB gewesen. Da es von der Änderung Betroffene nicht gegeben habe, hätten keine Stellungnahmen eingeholt werden müssen. Die Änderung der Höhenfestsetzung beruhe ausschließlich auf einer Überarbeitung der Straßenplanung, die zu Änderungen im Höhenprofil der Straße geführt habe. Nahezu sämtliche Höhen seien zudem reduziert worden. Ausschließlich im SO4 sei die Höhenfestsetzung um 50 cm nach oben angepasst. Dadurch werde eine entsprechende Betroffenheit jedoch nicht begründet. Bei der Aufnahme der Nutzung Parkhaus im SO5 handele sich um eine Korrektur eines redaktionellen Fehlers. Die Präzisierung der Begriffsdefinition der Aufenthaltsraumfenster erhöhe die Bestimmtheit der Festsetzung, nehme jedoch keine inhaltliche Änderung vor. Entsprechend habe die Änderung nach der alten Rechtslage ohne Durchführung einer erneuten Offenlage durchgeführt werden können. Auch nach der aktuellen Rechtslage sei dies der Fall. Die Änderung des Bebauungsplans führe hier nicht zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen. Es fehle auch nicht die städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB. Es sei zutreffend, dass es Überlegungen im Hinblick auf die Ergänzung durch eine Brücke gegeben habe. Diese Überlegungen seien jedoch nicht in einem Ausmaß konkretisiert gewesen, dass es auch nur eine Variantenbewertung gegeben hätte.
16Die Beigeladenen beantragen,
17den Antrag abzulehnen.
18Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig. Der Antragsteller habe keinen Belang benannt, der zur Antragsbefugnis führen könne. Eine solche ergebe sich nicht aus einer Zunahme des Straßenverkehrslärms. Der Antragsteller sei weder von neuen Verkehrsbewegungen im Plangebiet noch anderen Zunahmen der Verkehrsmengen in den Bestandsstraßen betroffen. Auch die Gewerbelärmsituation ändere sich für ihn nicht in abwägungsrelevanter Art und Weise. Sein Grundstück sei durch die bestehenden Gewerbelärmemissionen des nördlich angrenzenden Gewerbegebietes vorbelastet. Gemäß der Tab. 13-3 im Schallgutachten belaufe sich die Vorbelastung am IO 11 auf 51 dB(A) tags und 34 dB(A) nachts. Unter Zugrundelegung der Emissionskontingente werde der rechnerisch denkbare Planwert tags von 52,7 dB (A) um 1,4 dB(A) tags und nachts von 38,7 dB (A) um 2,4 dB (A) unterschritten. Selbst bei vollständiger Ausschöpfung der Emissionskontingente würden die Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete nicht erreicht. Vielmehr wären - gemessen am Schutzniveau eines Mischgebiets - um 5 dB höhere Immissionen zulässig. Vor diesem Hintergrund sei eine Abwägungsrelevanz der Gewerbelärmemissionen aus dem Plangebiet nicht erkennbar. Soweit sich der Antragsteller auf andere Lärmquellen (Schießstand, Jahrmarkt E.) stütze, ignoriere er, dass diese im Bestand vorhanden seien und sich mit der Umsetzung des Bebauungsplans keine Änderungen ergäben. Auch bezüglich der Kaltluftzufuhr verbessere sich nach den gutachterlichen Untersuchungen die Situation auf seinem Grundstück. Es seien auch keine sonstigen abwägungserheblichen Belange hinsichtlich des Grundstücks des Antragstellers erkennbar. Die Verschlechterung der Wohnsituation oder eine Verschlechterung der Besonnung seien in der vorliegenden Planungssituation erkennbar nicht abwägungsrelevant. Der Antrag sei zudem unbegründet. Die Festsetzung der verschiedenen Sondergebiete sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die hier festgesetzte Zweckbestimmung weise kein anderes Baugebiet der Baunutzungsverordnung auf. Es handele sich aufgrund der Fokussierung auf die Forschung, Entwicklung und Kooperation mit Hochschulen um keine mit einem Misch- oder Kerngebiet vergleichbare Nutzungsstruktur. Das Vorbringen des Antragstellers zur Verletzung des Trennungsgrundsatzes sei schon vor dem Hintergrund der Historie des Geländes nicht nachvollziehbar. Auf diesem hätten sich ein Güterbahnhof sowie Nutzungen des Logistikers Schenker befunden. Von einer erstmaligen Schaffung einer Konfliktsituation zwischen emittierenden Nutzungen einerseits und Wohnnutzungen andererseits könne daher keine Rede sein. Es handele sich auch nicht um eine unzulässige Festsetzung von Zaunwerten. Vielmehr sei gerade auch für Sondergebiete in der Rechtsprechung anerkannt, dass - sogar unabhängig von den Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 BauNVO, der bei Sondergebieten nicht gelte - eine Immissionskontingentierung als Regelung des Emissionsverhaltens als Eigenschaft von Betrieben und Anlagen zulässig sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen einer Immissionskontingentierung in Gewerbegebieten sei auf Sondergebiete nicht direkt übertragbar. Wenn das Bundesverwaltungsgericht für Gewerbegebiete fordere, dass zumindest ein Teilbereich ohne Kontingentierung verbleiben müsse oder aber eine baugebietsübergreifende Gliederung in der Gemeinde erforderlich sei, könne dies für Sondergebiete nicht gelten. Denn anders als in Gewerbegebieten sei in Sondergebieten nicht festgelegt, welche Nutzungen generell und allgemein zulässig seien bzw. sein müssten. Vorliegend seien keine Sondergebiete geplant, die jegliche Form gewerblicher Nutzungen aufnehmen könnten. Dies rechtfertige es, eine vollständige Kontingentierung aller Flächen vorzunehmen. Zudem sei für die Teilflächen 3, 8 und 9 jeweils ein Kontingent von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts festgesetzt, sodass dort die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete durch die Betriebe ausgenutzt werden könnten. Selbst wenn die Rechtsprechung übertragbar wäre, sei vorliegend jedenfalls zulässigerweise ein Teilbereich vorhanden, in dem jegliche Form gewerblicher Nutzungen genehmigungsfähig sei. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers habe die Antragsgegnerin über etliche Jahre hinweg mit detaillierten Untersuchungen ermittelt, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Erschließungsvarianten hätten. Es gebe auch keine Bindung an eine vermeintlich „beste“ Variante. Vor diesem Hintergrund begründe es keinen Abwägungsfehler, wenn die Antragsgegnerin einer bestimmten Variante den Vorzug gegenüber den anderen Varianten gebe. Durch die Änderung der Höhenfestsetzungen sowie die redaktionelle Ergänzung bezüglich der Nutzung Parkhaus im SO5 sei eine erneute Offenlage nicht erforderlich geworden. Hinsichtlich der Höhenfestsetzungen habe es keine Betroffenen gegeben. Gleiches gelte für die redaktionelle Ergänzung der Nutzung Parkhaus, wobei sich die Zulässigkeit von Parkhäusern ohnehin aus § 12 BauNVO ergebe. Wiederum seien keine Belange berührt gewesen. Sie seien beteiligt worden und hätten die Antragsgegnerin selbst um die redaktionelle Anpassung gebeten. Entgegen der Rüge durch das Unternehmen J. & H. seien die von der Schokoladenfabrik ausgehenden Gewerbelärmimmissionen fehlerfrei ermittelt und abgewogen worden. Auch die übrigen Lärmimmissionen seien hinreichend gewürdigt worden. Eine schalltechnische Möglichkeit, eine Summation zwischen diesen Verkehrslärmimmissionen, dem Gewerbelärm, dem Schießlärm und dem Freizeitlärm durchzuführen, existiere nicht. Etwaige Erweiterungsabsichten des Unternehmens J. & H. seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Diese seien mangels hinreichender Konkretisierung nicht abwägungserheblich. Das Geruchsimmissionsgutachten habe die Geruchsimmissionen zutreffend ermittelt.
19Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 11.8.2022 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Niederschrift und die Lichtbilder Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Der Antrag ist zulässig
23Der Antragsteller ist antragsbefugt.
24Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts kann auch aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Antragsbefugt kann in einem solchen Fall derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018
26- 4 BN 33.17 -, BRS 86 Nr. 192 = juris, Rn. 4, m. w. N.
27Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks- wie hier der Antragsteller - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle (betroffenen) Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.10.2018
29- 2 D 22/17.NE -, BRS 86 Nr. 191 = BauR 2019, 508 = juris, Rn. 22, m. w. N.
30Eine Antragsbefugnis ist danach mit Blick auf das Vorbringen des Antragstellers anzunehmen, seine Wohnsituation werde durch die planbedingten Lärmimmissionen verschlechtert.
31Nach der Schalltechnischen Untersuchung der S. zu den Lärmemissionen und -immissionen aus Straßenverkehr, Schienenverkehr, Gewerbelärm sowie Freizeitlärm im Rahmen des Bebauungsplanes „RWTH R.“ in X. von Mai 2020 (Schallgutachten) ergibt sich eine solche Antragsbefugnis jedoch nicht schon mit Blick auf den planbedingten Straßenverkehrslärm. Das Schallgutachten untersucht insoweit den Analysefall (derzeitige Verkehrssituation), den Prognose-Nullfall (künftige Verkehrssituation ohne Realisierung der Planung) und den Prognose-Planfall (Verkehrssituation nach Umsetzung der Planung). Am Grundstück des Antragstellers befindet sich (hinsichtlich des Verkehrslärms) zwar kein Immissionsort (vgl. Abbildung 3-3 Seite 57 des Schallgutachtens), jedoch kann den Isophonenkarten in den Anlagen A 19 - A 24 des Schallgutachtens entnommen werden, dass das Wohnhaus des Antragstellers im Planfall weder tagsüber noch nachts von relevantem planbedingten Verkehrslärm betroffen ist (Schallgutachten Anlagen A19 und A20 für den Analysefall; Anlagen A21 und A22 für den Nullfall; Anlagen A23 und A24 für den Planfall). Der Verkehrslärm beträgt auch im Planfall im Bereich des Hauses des Antragsstellers - unverändert zum Nullfall - tagsüber maximal 50 dB(A) und in der Nacht maximal 45 dB(A). Damit unterschreitet er die Grenzwerte der 16. BImSchV für ein - vom Gutachter zugrunde gelegtes - allgemeines Wohngebiet von tagsüber 59 dB(A) und in der Nacht 49 dB(A) deutlich. Auch die - gleichen - Grenzwerte für ein reines Wohngebiet (59/49 dB(A)) würden eingehalten, ohne dass es im Rahmen der Antragsbefugnis darauf ankäme.
32Jedoch erhöht sich - entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen - der auf das Grundstück des Antragstellers einwirkende planbedingte Gewerbelärm in abwägungsrelevanter Weise. Ausweislich der Tabelle 13-3 des Schallgutachtens (Seite 93) beträgt die Gewerbelärm-Vorbelastung am IO 11 tags 51,1 dB(A) und nachts 34,2 dB(A). Die Planwerte betragen hingegen tags 52,7 dB(A) und nachts 38,7 dB(A). Jedenfalls die planbedingte Erhöhung des Nachtwerts um 4,5 dB(A) liegt im abwägungsrelevanten Bereich. Dem sind die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr entgegengetreten.
33Das Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben.
34Der Antrag ist fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt worden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
35Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
36Der Bebauungsplan leidet an einem beachtlichen formellen Mangel.
37Es bedurfte einer weiteren Offenlage nach § 4a Abs. 3 BauGB in der maßgeblichen Fassung vom 3.11.2017 (gültig vom 1.10.2017 bis zum 6.7.2023), weil nach der letzten Offenlage die Ziffer 1.2.6 der schriftlichen Festsetzungen in wesentlicher Hinsicht geändert worden ist, indem für das SO5 als allgemein zulässige Nutzung auch „Parkhäuser, die der Versorgung der Sondergebiete dienen“ festgesetzt wurden.
38Gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB in der Fassung vom 3.11.2017 ist der Entwurf des Bebauungsplans, wird er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt, erneut auszulegen und sind die Stellungnahmen erneut einzuholen. Werden durch die Änderung oder Ergänzung des Entwurfs des Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt, kann die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden, § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB obiger Fassung.
39Das Beteiligungsverfahren ist allerdings nicht um seiner selbst willen zu betreiben. Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden.
40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.1.2020 - 4 BN 25.19 -, ZfBR 2020, 676 = juris, Rn. 7;
41OVG NRW, Urteil vom 27.1.2021
42- 7 D 87/18.NE -, juris, Rn. 36f., und Beschluss vom 30.6.2021- 7 D 62/19.NE -, juris, Rn. 50ff.
43Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wurde Nr. 1.2.6 der schriftlichen Festsetzungen in wesentlicher Hinsicht und nicht nur redaktionell geändert.
44Zutreffend ist zwar, dass es bereits vor der Änderung in der in der Offenlage ausgelegten Bebauungsplanbegründung in Ziffer 4.1.2 unter der Überschrift „Parkhäuser“ heißt: „In den Clustern der Sondergebiete SO3, SO4 und SO5 ist die Unterbringung von Stellplätzen in Parkhäusern vorgesehen. Deshalb wurden Parkhäuser als zulässige Nutzung aufgenommen. Da Standort und Dimensionierung der Parkhäuser erst im Zuge des Baufortschritts festgelegt werden kann, ist die genaue Lage im Bebauungsplan nicht festgelegt.“ (vgl. Blatt 560 Rückseite des Aufstellungsvorgangs). Da nach den offengelegten schriftlichen Festsetzungen Parkhäuser aber nicht als zulässige Nutzung im SO5 festgesetzt waren (vgl. Blatt 535 Rückseite, 536 der Aufstellungsvorgänge), handelt es sich bei der Änderung um die erstmalige Festsetzung der Zulässigkeit von Parkhäusern im SO5.
45Dem steht entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen auch § 12 BauNVO nicht entgegen. Gemäß § 12 Abs. 1 BauNVO sind Stellplätze und Garagen in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt. Unter Garagen fallen auch private Parkhäuser, die entgeltlich betrieben werden.
46Vgl. Vietmeier in Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung, 2. Auflage, § 12 Rn. 7, m. w. N.
47Allerdings liegt hier ein Fall des § 12 Abs. 6 BauNVO vor. Nach dieser Vorschrift kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass in Baugebieten oder bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Solche Ausschlüsse bzw. Beschränkungen können ausdrücklich, aber auch konkludent - was durch Auslegung des Bebauungsplanes zu ermitteln ist - erfolgen.
48Vgl. Vietmeier in Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung, 2. Auflage, § 12 Rn. 46.; OVG NRW, Urteil vom 22.8.1196 - 7 A 3508/93 -, juris, Rn. 8 f.
49Hier hat der Plangeber die Sondergebiete, in denen Parkhäuser zulässig sind, positiv festgesetzt. Im Umkehrschluss ist dem zu entnehmen, dass in allen anderen Sondergebieten Parkhäuser weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sind. Somit waren Parkhäuser zum Zeitpunkt der Offenlage im SO5 nicht zugelassen.
50Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die geänderte Zulässigkeit von Parkhäusern im SO5 von abwägungserheblicher Relevanz ist. Aufgrund der fehlenden räumlichen Festlegung innerhalb des SO5 ist es theoretisch denkbar, dass ein Parkhaus im südlichen Bereich des SO5 und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnbebauung an den Straßen Im Süsterfeld und F.-straße errichtet wird und es damit zu Lärmbelastungen kommt. So beträgt der Abstand von der Baugrenze zum Haus des Grundstücks Im Süsterfeld 20 ca. 25 m.
51Dem steht auch nicht das Ergebnis des Schallgutachtens vom 29.5.2020 zu den Auswirkungen des planbedingten Straßenverkehrs entgegen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schallgutachtens im Mai 2020 sah der Entwurf der schriftlichen Festsetzungen noch keine Parkhäuser im SO5 vor, so dass nicht ersichtlich ist, dass von diesen ausgehende Lärmimmissionen im Schallgutachten erfasst wurden. Dem Gutachter lagen nur „Angaben zu geplanten Nutzungen im Plangebiet durch den Auftraggeber“ vor (vgl. Gutachten, Seite 11). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Parkhäuser in die Untersuchung einbezogen worden wären, sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Die ergänzende Stellungnahme der S. vom 18.1.2021 (Thema: Gewerbelärm Fa. J. & H. GmbH) und die Schalltechnische Untersuchung der P. zur vermutlichen Anspruchsberechtigung passiver Schallschutzmaßnahmen vom 26.2.2021 treffen ebenfalls keine Aussagen zu den Lärmimmissionen potentieller Parkhäuser im SO5.
52Der Mangel ist nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) BauGB unbeachtlich. Die Vorschrift gilt für die unterbliebene Beteiligung einzelner Personen, Behörden oder Träger öffentlicher Belange, nicht aber für das vollständige Unterlassen einer gebotenen (wenn auch ggf. personell zu beschränkenden) erneuten Beteiligung.
53Der Mangel wurde fristgerecht i. S. d. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit der Antragsbegründung gerügt und ist mithin nicht nachträglich unbeachtlich geworden.
54Der Mangel führt auch zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes.
55Der Bebauungsplan leidet darüber hinaus an einem materiellen Fehler.
56Die Festsetzung der Emissionskontingente ist in den Gewerbegebieten und in den Sondergebieten SO7 und SO6.2 wegen einer jeweils vorhabenunabhängigen Kontingentierung der Nutzungsoptionen mangels einer Rechtsgrundlage unwirksam.
57§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO scheidet als Rechtsgrundlage für die vorliegende Festsetzung der Emissionskontingente aus. Danach können für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der zulässigen Nutzung gliedern.
58Das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, ausgedrückt in einer Schallabstrahlung pro Quadratmeter, ist eine Eigenschaft von Betrieben und Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Sie kann durch Lärmemissionskontingente nach der DIN 45691 sachgerecht beschrieben werden. Nach dieser Eigenschaft kann ein Gebiet i. S. d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO gegliedert werden.
59Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.2.2021 - 4 CN 5.19 -, BauR 2021, 1259 = juris, Rn. 12, und Urteil vom 7.12.2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 = BauR 2018, 623 = juris, Rn. 8, jeweils m. w. N.
60Bei einer solchen Emissionskontingentierung geht es darum, aus Gründen des Lärmschutzes und der gerechten Verteilung von Nutzungsoptionen das Emissionsverhalten der in einem Gebiet zulässigen Anlagen zu lenken. Die Kontingentierung knüpft an eine spezifische Betriebseigenschaft und damit an eine spezifische Art der zugelassenen Nutzungen an. Nur insofern sind Emissionskontingente als Definition von Betriebseigenschaften von Arten der baulichen Nutzung gerechtfertigt. Sie beschränken das Emissionspotential von Betrieben mit dem Ziel, die Nutzungsart gebietsadäquat zu steuern.
61Vgl. Wahlhäuser in Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage, Rn. 1006f., m. w. N.; Bischopink in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Auflage, § 11 Rn. 47, m. w. N.
62Eine vorhabenunabhängige Kontingentierung von Nutzungsoptionen ist jedoch unzulässig, da sie der Baunutzungsverordnung grundsätzlich fremd ist.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.11.2018 - 7 D 29/16.NE -, BRS 86 Nr. 17 = BauR 2019, 456 = juris, Rn. 93; Bischopink in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Auflage, § 11 Rn. 49, m. w. N.
64Eine Kontingentierung von Nutzungsmöglichkeiten, die vorhabenunabhängig auf das Gebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sog. „Windhundrennen“ potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsansatz, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können.
65Vgl. für Verkaufsflächen: BVerwG, Urteil vom 3.4.2008, - 4 CN 3.07 -, BRS 73 Nr. 77 = BauR 2008, 1273 = juris, Rn. 17.
66Diese zur Verkaufsflächenbeschränkung entwickelte Rechtsprechung findet nach der Überzeugung des Senats auch auf die Festsetzung von Emissionskontingenten Anwendung. Auch hier soll ein „Windhundrennen“ derart, dass schon die ersten sich ansiedelnden Betriebe das Kontingent zu Lasten späterer Interessenten ausschöpfen, vermieden werden. Es soll eine sachgerechte Verteilung von „Lärmrechten“ zwischen den einzelnen Betrieben und Anlagen erfolgen.
67Die hier vorgenommene Staffelung der Gewerbegebiete führt nicht zu einer solchen sachgerechten Verteilung. Die gebildeten Teilflächen 8 und 9 sind nicht betriebsbezogen. Sie haben jeweils eine Größe (6.109 m² und 7.837 m², vgl. Seite 99 des Schallgutachtens), die die Ansiedlung mehrerer Gewerbebetriebe ermöglicht. Die vorgenommene Staffelung schließt daher die Gefahr eines „Windhundrennens“ nicht aus.
68Es handelt sich bei den Teilflächen 8 und 9 auch nicht um nur jeweils ein Baugrundstück, so dass sich die unzulässige gebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung planerhaltend als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbeschränkung auslegen ließe.
69Besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück, können sich die Eigentumsverhältnisse zwar auch ändern. Das Eigentum bleibt aber stets in der Hand eines Eigentümers. Er kann das Grundstück in den Grenzen der Beschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Der Möglichkeit einer Grundstücksteilung kommt rechtlich insoweit keine Bedeutung zu.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2019 - 4 CN 8.19 -, BRS 87 Nr. 35 = BauR 2020, 215 = juris, Rn. 34, m. w. N. (zu Verkaufsflächenbeschränkungen).
71Hier bestehen - bzw. bestanden zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses - die Teilflächen 8 und 9 aus unterschiedlichen Buchgrundstücken mit zudem jeweils unterschiedlichen Eigentümern.
72Die Teilfläche 8 bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 23.6.2021 aus den - auf verschiedenen Grundbuchblättern bzw. auf dem Grundbuchblatt 4682 mit unterschiedlichen laufenden Nummern eingetragenen - Buchgrundstücken Gemarkung X., Flur 4, Flurstücke 36 (Grundbuchblatt 4682), 47 (Grundbuchblatt 2985), 48 (Grundbuchblatt 4682), 49 (Grundbuchblatt 4682), 50 (Grundbuchblatt 4682), 51 (Grundbuchblatt 4682), 97 (Grundbuchblatt 2985), 163 und 180 (Grundbuchblatt 35866) sowie Flur 3, Flurstücke 64 (Grundbuchblatt 4682), 69 (Grundbuchblatt 6826), 116 (Grundbuchblatt 4682) und Flurstück 179 (Grundbuchblatt 35866).
73Hinsichtlich der Teilfläche 9 handelt es sich um folgende, auf eigenen Grundbuchblättern eingetragene Grundstücke: Gemarkung X., Flur 4, Flurstücke 40 (Grundbuchblatt 9009), 162 (Grundbuchblatt 35866), 164 (Grundbuchblatt 10069), 165 (Grundbuchblatt 10752A), 170 (Grundbuchblatt 30584), 171 (Grundbuchblatt 2921), 180 (Grundbuchblatt 35866).
74Eine ein „Windhundrennen“ auslösende Konkurrenz unterschiedlicher gewerblicher Nutzungen ist in beiden Teilflächen möglich. Bereits im Bestand finden sich in den jeweiligen Teilflächen auch unterschiedliche gewerbliche Betriebe.
75Nach den dargestellten Grundsätzen ist auch die Festsetzung der Emissionskontingente in den Sondergebieten SO7 und SO6.2 unwirksam.
76Die Vergabe von Lärmemissionskontingenten ist auch bei der Ausweisung von Sondergebieten gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO möglich.
77Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO eröffnete Möglichkeit, Baugebiete nach den besonderen „Eigenschaften“ von Betrieben und Anlagen zu gliedern, findet nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BauNVO bei der Festsetzung von Sondergebieten zwar keine Anwendung. Andererseits bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BauNVO, dass nach den §§ 10 und 11 BauNVO besondere Festsetzungen über die „Art der Nutzung“ getroffen werden können. Mit dieser Vorschrift wollte der Verordnungsgeber klarstellen, dass besondere Festsetzungen, wie sie für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 in § 1 Abs. 4 bis 10 gelten, in Sondergebieten aufgrund der §§ 10 und 11 erfolgen. Angesichts dieses klar formulierten Willens steht außer Frage, dass hierunter auch Festsetzungen nach dem Vorbild des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO fallen, auch wenn § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nicht ausdrücklich zur Gliederung nach den besonderen „Eigenschaften“ von Betrieben und Anlagen, sondern nur zur Festsetzung der „Art der Nutzung“ ermächtigt.
78Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2.10.2013 - 4 BN 10.13 -, BauR 2014, 59 = juris, Rn. 7, und vom 20.5.2003 - 4 BN 57.02 -, BRS 66 Nr. 221 = BauR 2003, 1688 = juris, Rn. 15f.; OVG NRW, Beschluss vom 24.10.2016 - 2 B 1368/14.NE -, BRS 84 Nr. 50 = BauR 2017, 656 = juris, Rn. 70, m. w. N.; Bischopink in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Auflage, § 11 Rn. 47, m. w. N.
79Jedoch ist auch im Rahmen einer Sondergebietsfestsetzung eine vorhabenunabhängige Kontingentierung von Nutzungsoptionen unzulässig, da sie der Baunutzungsverordnung - wie aufgezeigt - grundsätzlich fremd ist.
80Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.11.2018 - 7 D 29/16.NE -, BRS 86 Nr. 17 = BauR 2019, 456 = juris, Rn. 93; Bischopink in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Auflage, § 11 Rn. 49, m. w. N.
81Die Staffelung der Sondergebiete führt hier jedoch - in Teilen - zu einer solchen vorhabenunabhängigen Verteilung. Die gebildeten Teilflächen 7 und 6.2 sind nicht betriebsbezogen. Die Teilflächen 7 und 6.2 haben jeweils eine Größe (4.307 m² und 3.081 m²) die die Ansiedlung mehrerer Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe bzw. Forschungs- und Hochschuleinrichtungen ermöglicht. Die vorgenommene Staffelung schließt die Gefahr eines „Windhundrennens“ mithin nicht aus. Dass die Beigeladenen konkrete Nutzungsvorstellungen für die jeweiligen „Cluster“ haben, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, führt schon wegen der Angebotsplanung zu keinem anderen Ergebnis.
82Die Teilflächen 7 und 6.2 bestehen auch aus unterschiedlichen Buchgrundstücken bzw. Teilen dieser Flurstücke mit jeweils unterschiedlichen Eigentümern. Im Einzelnen handelt es sich hinsichtlich der Teilfläche 7 um folgende, auf jeweils eigenen Grundbuchblättern eingetragenen Grundstücke bzw. Teilen davon: Gemarkung X., Flur 3, Flurstücke 155 mit 1.061 m² (Grundbuchblatt 4850B), 151 mit 4.457 m² (Grundbuchblatt 20898) und 179 mit 32.845 m² (Grundbuchblatt 35866). Die Teilfläche 6.2 besteht aus den Buchgrundstücken - bzw. Teilflächen von diesen - Gemarkung X., Flur 3 Flurstücke 143 mit 557 m² (Grundbuchblatt 17368), 149 mit 2.172 m² (Grundbuchblatt 17668) und 179 (Grundbuchblatt 35866).
83Die fehlerhafte Emissionskontingentierung ist als Mangel, der die Rechtsgrundlage betrifft, ohne weiteres beachtlich und führt ebenfalls zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes.
84Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens anteilig den Beigeladenen aufzuerlegen, da sie einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem prozessualen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
85Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
86Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.