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Der Bebauungsplan Nr. 000 - Mit - „Hotelstandort Saalbaugelände“ der Stadt D. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 000 - Mit - „Hotelstandort Saalbaugelände“ der Antragsgegnerin.
3Die Antragsteller sind je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung D., Flur 00, Flurstücke 27, 28, 29, 31 und 32 mit der postalischen Anschrift Z.-straße 01. Das Grundstück ist im östlichen, zur Z.-straße gelegenen Bereich mit einer im Jahr 1873 errichteten Villa bebaut. Im westlichen Bereich befinden sich Gartenanlagen, darunter eine Grotte und ein Teich mit einer Brücke. Das Haupthaus und die gärtnerische Anlage wurden als Baudenkmal Nr. 02 unter dem 00.00.1985 in die Denkmalliste der Antragsgegnerin eingetragen, im Jahr 2019 wurden ergänzend die Grotte, die Gartenbrücke sowie die Einfriedung des Grundstücks in die Denkmalliste eingetragen.
4Das Plangebiet mit einer Größe von etwa 9.000 m² befindet sich im südlichen Innenstadtbereich von D.. Es wird begrenzt im Norden durch die Flächen des Saalbaugeländes, einer Veranstaltungsstätte, und einer Wendeanlage an der Y.-straße, im Osten durch das Grundstück der Antragsteller und eine Stellplatzanlage an der Z.-straße, im Süden durch Parkflächen und das Kulturzentrum „Haus D.“ sowie im Westen durch die Stellplatzanlage des Saalbaus. Das Plangebiet umfasst die Flurstücke 01, 79 und Teile der Flurstücke 103 und 104, dies entspricht dem Grundstück des bestehenden, 1975 errichteten X.hotels und den für eine geplante Erweiterung des Hotels vorgesehenen Flächen.
5Im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin war das Plangebiet als Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung „Kulturelle Einrichtung“ dargestellt. Parallel zur Aufstellung des Bebauungsplans wurde der Flächennutzungsplan geändert und stellt nunmehr eine Sonderbaufläche mit der Zweckbestimmung „Freizeitwirtschaft“ dar.
6Der Regionalplan für den Regierungsbezirk J. - Teilabschnitt Oberbereich R. und F. stellte das Plangebiet als „Allgemeinen Siedlungsbereich“ mit der Freiraumfunktion „Grundwasser- und Gewässerschutz“ dar; das Plangebiet befand sich in der Zone 3 des Wasserschutzgebiets „Verbund-Wasserwerk D.“. Der RegionalplanA., dessen Beschluss am 10.11.2023 und Anzeige bei dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen am 28.2.2024 bekannt gemacht worden sind (GVBl. NRW. 102), enthält für das Plangebiet die gleichen Darstellungen.
7Der streitgegenständliche Bebauungsplan trifft im Wesentlichen folgende Festsetzungen:
8Er setzt ein Sonstiges Sondergebiet nach § 11 Abs. 2 BauNVO mit der Zweckbestimmung „Hotel“ fest, welches der Unterbringung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes sowie von Schank- und Speisewirtschaften dient. Als Nutzungen und Einrichtungen sind allgemein zulässig im Sonstigen Sondergebiet 1 (SO 1) ein Hotel, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Seminar-, Tagungs- und sonstige Ausstellungsräume, der Hauptnutzung dienende Büroräume, der Hauptnutzung dienende Außengastronomie mit der dazugehörenden Infrastruktur und Nebenanlagen, im Sonstigen Sondergebiet 2 (SO 2) ein Hotel, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Schank- und Speisewirtschaften, Anlagen für kulturelle, soziale gesundheitliche und sportliche Zwecke, Seminar-, Tagungs- und sonstige Ausstellungsräume, der Hauptnutzung dienende Büroräume, Außengastronomie mit der dazugehörenden Infrastruktur und Nebenanlagen.
9In der Planzeichnung sind Teile der eingezeichneten Baugrenze durch Beschriftungen („LPB III“, „LPB IV“, „LPB V“) verschiedenen Lärmpegelbereichen zugeordnet, die ausweislich Ziffer 6. der textlichen Festsetzungen durch rote Pfeile gegliedert werden. Unter Ziffer II.4 der textlichen Festsetzungen heißt es:
10„Im Bereich der Fassaden, die mit den Lärmpegelbereichen III bis V gekennzeichnet sind, sind zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen entsprechende bauliche und / oder sonstige technische Vorkehrungen (passive Schallschutzmaßnahmen) erforderlich.
11Diese Schallschutzmaßnahmen beziehen sich auf Räume, die zum ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Sofern bei einem konkreten Bauvorhaben der geforderte Schallschutz durch Grundrißgestaltung nicht erreicht wird, sind passive Schallschutzmaßnahmen, z. B. in Form von Schallschutzfenster-Konstruktionen vorzusehen.
12Die passiven Schallschutzmaßnahmen sind darauf abzustimmen, daß innerhalb der Aufenthaltsräume (Wohnzimmer mit Eßbereich, Kinderzimmer und Schlafzimmer sowie Büroräume) die Anhaltswerte für Innenschallpegel gemäß VDI-Richtlinie 2719 nicht überschritten werden.
13Die entsprechend erforderlichen Schalldämm-Maße an die Außenbauteile sind bei Vorliegen detaillierter Planung zu erarbeiten.
14Die vorgenannten Schallschutzanforderungen sind im Rahmen der nach landesrechtlichen Vorschriften vorgeschriebenen schallschutztechnischen Nachweisführung zu berücksichtigen. Maßgebend ist die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung - (BauO NRW) in ihrer zum Zeitpunkt der Errichtung der baulichen Anlage gültigen Fassung.“
15Das Planverfahren verlief folgendermaßen:
16Am 26.6.2018 beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 - Mit - „Hotelstandort Saalbaugelände“, die Aufstellung der Flächennutzungsplanänderung mit der gleichen Bezeichnung und die Beteiligung der Öffentlichkeit zu beiden Verfahren gemäß § 3 Abs. 1 BauGB in Form einer Bürgerversammlung sowie der Träger öffentlicher Belange. Die Beschlüsse wurden im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 17.9.2018 bekannt gemacht.
17Mit E-Mails vom 9.11.2018 sowie vom 7.1.2019 wiesen die damaligen Eigentümer des Grundstücks Z.-straße 01 auf verschiedene Bedenken gegen das Vorhaben eines Hotelneubaus hin.
18Am 27.6.2019 beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz die Entwürfe des Bebauungsplans und der Flächennutzungsplanänderung in ihrer Fassung vom 3.6.2019 sowie die öffentliche Auslegung der Planunterlagen gemäß § 3 Abs. 2 BauGB. Die Beschlüsse wurden am 16.1.2020 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht.
19Die Antragstellerin zu 1., im damaligen Zeitpunkt alleinige Eigentümerin des Grundstücks Q.-straße 01, machte mit Schreiben vom 27.2.2020 Einwendungen geltend.
20Am 31.8.2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 260 - Mit - „Hotelstandort Saalbaugelände“ als Satzung sowie die Abwägung über die Anregungen aus der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung und die Begründung des Plans, unter dem gleichen Datum beschloss er auch die Änderung des Flächennutzungsplans Nr. 000 - Mit - „Hotelstandort Saalbaugelände“ nebst Abwägung der Anregungen und Begründung. Am 9.9.2020 vermerkte die Bürgermeisterin der Antragsgegnerin auf der Planurkunde, der Rat habe den Bebauungsplan am 31.8.2020 als Satzung beschlossen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 23.12.2020.
21Mit Schreiben vom 20.12.2021 übersandten die Antragsteller den Normenkontrollantrag vorab an die Antragsgegnerin und teilten mit, an in ihren Einwendungen gegen den Bebauungsplan festzuhalten.
22Am 23.12.2021 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt.
23Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:
24Ihr Schreiben vom 20.12.2021 mit dem beigefügten Normenkontrollantrag sei fristgerecht zugegangen. Ihre Prozessbevollmächtigte versichere anwaltlich, es noch am 23.12.2021 selbst bei der Antragsgegnerin eingeworfen zu haben, nachdem Faxversuche gescheitert seien. Es fehle bereits am Planerfordernis. Die Zielsetzungen könnten mit Ausnahme des Hotelneubaus auch ohne die Bauleitpläne verwirklicht werden. Die Bedarfsermittlung für den Hotelstandort sei nicht nachvollziehbar, der Wunsch nach einem „Reservehotel“ könne das Planerfordernis nicht begründen. Die Planung verstoße gegen die Vorgaben der Raumordnung und damit gegen § 1 Abs. 4 BauGB. Die Darstellung einer Sonderbaufläche (SO) mit der Zweckbestimmung Freizeitwirtschaft (FW) in der Flächennutzungsplanänderung sei mit den Festsetzungen im Regionalplan für den Regierungsbezirk J. - Teilabschnitt R. und F. sowie dem Regionalplan A. nicht vereinbar, welche die Freiraumfunktion „Grundwasser- und Gewässerschutz“ vorsähen. Danach gebe der Regionalplan die Ziele vor, wohnverträgliches Gewerbe und öffentliche wie private Dienstleistungen vorzuhalten, aber auch, innerhalb der im Regionalplan festgelegten Bereiche für den „Grundwasser- und Gewässerschutz“ keine Planungen und Maßnahmen durchzuführen, die die Wasservorkommen nach Menge, Qualität und Verfügbarkeit einschränkten oder gefährdeten. Ein Hotelneubau in den geplanten Dimensionen mit entsprechender Versiegelung stelle eine massive Gefährdung des Grundwasservorkommens und der -neubildung dar. Die Planung widerspreche durch die verstärkte Versiegelung einer zuvor bestehenden Grünfläche auch der Zielsetzung eines sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden nach § 1a Abs. 2 BauGB. Das Plangebiet liege in einer Senke, durch die weitere Versiegelung steige auf ihrem Grundstück die Gefahr von Überschwemmungen. Die Planentwürfe stünden zudem im Widerspruch zu § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB, die Belange des Denkmalschutzes seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der Massivität des geplanten Hotelneubaus würden die Eigenart und das Erscheinungsbild ihrer denkmalgeschützten Immobilie nebst Parkanlage und Grotte in seiner Gesamtheit erheblich beeinträchtigt, dies gelte auch für die weiteren denkmalgeschützten Gebäude entlang der Z.-straße, insbesondere das Haus D.. Die Grotte auf ihrem Grundstück sei bislang völlig unberücksichtigt geblieben, ihre Wirkung zusammen mit dem parkähnlichen Umfeld würde durch die Bebauung zerstört. Grotte und Teich seien wesentlicher Teil der denkmalgeschützten Anlage und machten einen Großteil ihrer Bedeutung aus, es werde bestritten, dass es sich lediglich um Bestandteile und Gestaltungselemente des Gartens handele. Dies zeige auch die Auszeichnung als Denkmal des Monats 00.2020 durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und werde durch eine ausführliche Dokumentation des Ateliers für Restaurierung und Konservierung Köln aus dem Jahr 2020 bestätigt. Daraus gehe hervor, dass die denkmalgeschützten Anlagen sowie die Grotte eine besondere Wirkung auf ihre Umgebung hätten und durch einen Hotelneubau mit Busparkplätzen in unmittelbarer Nähe negativ beeinträchtigt würden. Auch die optische Gestaltung des Hotelneubaus sei nicht mit den denkmalgeschützten Gebäuden in der Umgebung abgewogen worden, eine von der Denkmalschutzbehörde empfohlene Festsetzung zur Materialität sei im Bebauungsplan nicht umgesetzt worden. Dieser Konflikt könne nicht auf die nachgeordnete Genehmigungsebene verlagert werden. Zudem berücksichtige die Planung nicht, dass ihr Ruhebereich im Garten bzw. in der Parkanlage massiv gestört werde. Die als Café genutzte Dachterrasse und die Ausrichtung des Hotels in Richtung ihres Gartens ermöglichten erhebliche Einsichtnahmen und führten zu unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen, die nicht erst im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigt werden dürften. Der Bebauungsplan sei auch hinsichtlich der Verkehrsbelastung abwägungsfehlerhaft. Die geplante Erschließung des Plangebiets führe zu einem erheblichen Mehraufkommen an Liefer- und Besucherverkehr. Die angenommene Anzahl von Verkehren werden in Frage gestellt, insbesondere die Annahme von lediglich 0 Fahrten/Tag betreffend den Lieferverkehr. Das verstärkte Verkehrsaufkommen werde an ihrem Grundstück zu erheblichen Verkehrslärmbeeinträchtigungen führen, die als Frischluftschneise vorhandene Grün- und Freifläche werde zu Lasten der Luftqualität beseitigt. Dem stünden die Verkehrsgutachten der Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen mbH von August 2018 und das Geräuschgutachten des Ingenieurbüros G. von Mai 2019 nicht entgegen. Vorliegend sei eine besonders kritische Überprüfung der vom Bauherrn in Auftrag gegebenen Gutachten geboten gewesen. Das Verkehrsgutachten der Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen mbH von August 2018 und das Geräuschgutachten des Ingenieurbüros G. von Mai 2019 seien nicht geeignet, die planbedingte Verkehrslärmsituation so zu ermitteln, dass der Plangeber die daraus entstehenden Konflikte umfassend erkennen und bewerten könne. Sie beruhten allein auf den eigenen Angaben des Bauherrn etwa zum Stellplatzbedarf und dem damit verbundenen An- und Abfahrtsverkehr. Diese Angaben seien fragwürdig, insbesondere, wenn lediglich zwei Fahrten für den Lieferverkehr und zwei Fahrten für den Beschäftigtenverkehr am Tag in Ansatz gebracht würden. Beide Gutachten verwiesen darauf, dass das zusätzliche Verkehrsaufkommen untergeordnet bzw. nicht von Einfluss sei, auf eine Berechnung der schalltechnischen Auswirkungen durch das geplante Vorhaben sei verzichtet worden, diese Abwälzung der Ermittlungen in das Baugenehmigungsverfahren sei nicht abwägungsfehlerfrei. Es sei mit einer deutlich höheren Verkehrslärmbelastung zu rechnen als im Gutachten prognostiziert. Die schalltechnische Untersuchung lasse komplett unberücksichtigt, dass durch den Reisebusverkehr und die Anlage der Parkplätze entlang der Grundstücksgrenze ein unzumutbarer Parksuchverkehr mit einhergehenden Lärmimmissionen entstehen werde. In der schalltechnischen Untersuchung fehlten zudem Ausführungen zum passiven Schallschutz betreffend ihr Grundstück. Ebenso fehlten entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan. Zudem bleibe eine Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde vom 20.12.2018 zu Immissionen an ihrem Grundstück zur Nachtzeit unberücksichtigt. Vorliegend sei mit Blick auf die hohe Lärmvorbelastung eine Sonderfallprüfung der Verkehrslärmimmissionen zwingend erforderlich gewesen. Die Planentwürfe griffen zudem in eine der wenigen verbliebenen Grünflächen im Stadtgebiet ein, dies sei in Anbetracht der hohen Luftbelastung - nicht zuletzt durch die Edelstahlwerke, die Bahnstrecke und die verkehrliche Belastung der Z.-straße - unzumutbar. Die Planung stelle zu Unrecht Bedenken in bergbaurechtlicher Hinsicht zurück. Durch die Vornutzung des Geländes als Zeche seien Bodenverunreinigungen nicht ausgeschlossen, die durch eine Versiegelung möglicherweise Auswirkungen auf ihr Grundstück hätten. Zudem sei es bereits zu Absackungen gekommen, die auch in die Bausubstanz auf ihrem Grundstück eingriffen. In Anbetracht der massiven Bodenaushöhlungen durch den Bergbau seien entsprechende Untersuchungen erforderlich gewesen, ob im Planbereich ggf. illegale Flöze oder Hohlräume vorhanden seien.
25Die Antragsteller beantragen,
26den Bebauungsplan Nr. 000 - MIT - „Hotelstandort Saalbaugelände“, rechtsverbindlich seit dem 23.12.2020, für unwirksam zu erklären.
27Die Antragsgegnerin beantragt,
28den Antrag abzulehnen.
29Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
30Die Festsetzungen des Bebauungsplans seien hinreichend bestimmt. Nach ihrem planerischen Willen werde der potentielle Schallkonflikt allein durch die textlichen Festsetzungen zur Erforderlichkeit beispielhaft benannter passiver Schallschutzmaßnahmen nach den Anhaltswerten für Innenschallpegel gemäß der VDI-Richtlinie 2719 gelöst. Die zeichnerischen Darstellungen bzw. die formal als „zeichnerische Festsetzung Nr. 6“ überschriebenen festgesetzten Lärmpegelbereiche und deren Gliederung seien entgegen dem gewählten Wortlaut nicht als Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zu verstehen, vielmehr komme ihnen lediglich Hinweischarakter zu. Sie sollten nur grundlegend den Bereich des Plangebiets aufzeigen, innerhalb dessen der zu bewältigende Schallkonflikt insgesamt existiere. Eine inhaltliche Ausfüllung der Lärmpegelbereiche finde sich allein im Lärmschutzgutachten, nicht jedoch innerhalb der planerischen „Festsetzungen“, die insoweit ohne festgesetzten Regelungsgehalt blieben. Der isoliert in den Abschnitten 2 bis 5 der textlichen Festsetzung Nr. 4 getroffene Regelungsgehalt sei seinerseits zulässig und hinreichend bestimmt. Dort sei die Verpflichtung zur Sicherstellung der Einhaltung vorgegebener Innenraumpegel, nämlich der Mittelungspegel gemäß der VDI-Richtlinie 2719, in einzelnen Raumarten durch bauliche Maßnahmen an Außentüren, Fenstern, Außenwänden und Dächern der Gebäude geregelt. Dabei handele es sich um bauliche und sonstige technische Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. Die durch die Antragsteller behaupteten Fehler seien, soweit sie dem Anwendungsbereich von § 215 BauGB unterfielen, bereits mangels ordnungsgemäßer Rüge unbeachtlich. Das Schreiben vom 20.12.2021 sei bei ihr postalisch erst am 3.1.2022 eingegangen, die Übersendung per einfacher Email am 23.12.2021 genüge den Anforderungen des § 215 BauGB, der Schriftform im Sinne von § 126 BGB voraussetze, nicht. Zudem fehle ihm auch die von § 215 BauGB geforderte Anstoßwirkung, da es allein auf den Normenkontrollschriftsatz Bezug nehme, der wiederum nahezu vollständig das Einwendungsschreiben vom 27.2.2020 reproduziere. Ein substantiierter Bezug zur Abwägungsentscheidung fehle. Der Bebauungsplan leide nicht an Form- oder Verfahrensfehlern. Solche Fehler seien weder von den Antragstellern in ihrem Schreiben vom 20.12.2021 noch von Dritten gerügt worden. Der Plan sei im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. Mit der Absicherung der Realisierung eines neuen Hotelgebäudes unter Erhaltung des Bestandsgebäudes und der Erschließung unter Beachtung der bestehenden öffentlichen Fuß- und Radwege bei möglichst schonendem Eingriff in die bestehenden Grünstrukturen verfolge sie das Ziel, in definierter und konkretisierter Gestalt Städtebaupolitik zu betreiben. Anhaltspunkte, dass ein konkreter Bedarf und damit eine Verwirklichungsperspektive fehle, bestünden nicht. Das städtebauliche Ziel, mit dem Hotelneubau einen Impuls für die Stadtentwicklung, den Tourismus und den Wirtschaftsstandort zu geben, sei durch plausible wirtschaftliche Erwägungen des Bauherrn getragen. Zudem sei berücksichtigt worden, dass das bestehende Hotel keine Barrierefreiheit biete und eine solche auch nicht mit vertretbarem Aufwand herstellbar sei. Auch die Variante eines Abrisses des bestehenden Hotels und anschließender Neuerrichtung sei bewertet worden, aufgrund des zu klein dimensionierten Standorts jedoch als nachrangig. Hindernisse, die der dauerhaften Vollzugsfähigkeit entgegenstünden, lägen nicht vor. Die Einwände der Antragsteller beträfen lediglich Einzelheiten des Umgangs mit einzelnen Belangen. Der Bebauungsplan verstoße nicht gegen die Ziele der Raumordnung. Sämtliche Ziele des geltenden Regionalplans für den Regierungsbezirk J. - Teilabschnitt Oberbereich R. und F. sowie des in Aufstellung befindlichen Regionalplans Ruhr seien im Abwägungsvorgang ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Auch Abwägungsfehler seien nicht gegeben. Die Argumente der Antragsteller zu den Zielen der Raumordnung führten nicht auf einen Abwägungsfehler. Sie bezögen sich auf die Änderung des Flächennutzungsplans, ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot aus dem Flächennutzungsplan werde nicht geltend gemacht. Der Aspekt eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden sei in der Planbegründung thematisiert und abgewogen worden. Die höhere Gewichtung der städtebaulichen Interessen gegenüber dem Denkmalschutz sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Entwicklung in tatsächlicher Hinsicht, die Stellungnahme des LWL sowie die Eintragung der Grotte und des Gartenteichs in die Denkmalliste am 00.00.2019, die Begründung der Eintragung sowie ihre Abwägung seien in der Abwägungstabelle dargestellt. Gleiches gelte im Hinblick auf die Berücksichtigung des Erscheinungsbilds der Bau- und Kulturdenkmäler entlang der Z.-straße. Auch insoweit habe eine ordnungsgemäße Abwägung stattgefunden. Das im Rahmen der Abwägung zu beachtende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Interesse der Antragsteller an einem vor Einblicken von der Dachterrasse und Geräuschen geschützten Ruhebereich sei hinreichend abgewogen worden. Auch die Abwägung zur verkehrlichen Belastung sowie im Hinblick auf den Lärmschutz sei fehlerfrei. Die Annahme der Antragsteller, der Lieferverkehr sei mit 0 Fahrten pro Tag angesetzt worden, sei unzutreffend. Diese Annahme sei in einer Entwurfsfassung des Verkehrsgutachtens vom 2.8.2018 zugrunde gelegt, auf ihre Anforderung hin aber geändert worden. Das im weiteren Bebauungsplan verwendete Gutachten in der überarbeiteten Fassung vom 17.8.2018 gehe von zwei Lieferfahrten pro Tag aus. Dies zeige auch, dass sie das vom Bauherrn beauftragte Gutachten ebenso wie alle anderen externen Gutachten sorgfältig geprüft habe. Auch das Schallgutachten begegne keinen rechtlichen Bedenken. Der anlagenbezogene Verkehr, der durch das Bauvorhaben ausgelöst werde, werde im Verkehrsgutachten mit 86 Fahrten/Tag angegeben. Die hierdurch hervorgerufene Erhöhung der stündlichen Verkehrsstärke belaufe sich auf nur 0,2 dB(A), dies unterschreite die Wahrnehmungsschwelle von 1 bis 2 dB(A). Gesundheitsgefahren seien im Hinblick auf die Gesamtlärmbelastung nicht zu erwarten, auch nicht mit Blick auf die aktuellen Verkehrslärmimmissionen an der A.- und Y.-straße. Gemäß der Umgebungslärmprognose des zuständigen Ministeriums würden derzeit an den maßgeblichen Gebäuden entlang der Z.-straße Werte von tagsüber 55-60 dB(A) erreicht, diese Vorbelastung nähere sich dem relevanten Grad der Gesundheitsgefährdung - mehr als 70 dB(A) tags - nicht. Soweit die Antragstellerin rüge, die Verkehrslärmbelastung sei höher als im Gutachten errechnet, weil unberücksichtigt geblieben sei, dass durch den Reisebusverkehr und die Parkplätze entlang der Grundstücksgrenze unzumutbarer Parksuchverkehr entstehe, sei dies nicht nachvollziehbar, die angesprochenen Parameter seien ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Auch im Übrigen seien die Immissionsberechnungen nicht zu beanstanden. Sie zeigten, dass an der umliegenden Wohnbebauung die Richtwerte für ein Mischgebiet eingehalten würden. Auch die Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 20.12.2018 sei berücksichtigt worden, unter anderem auf ihrer Grundlage sei eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten erarbeitet worden. Maßnahmen des passiven Schallschutzes seien nicht erforderlich. Auch der Schallschutz bezüglich des Hotelneubaus selbst sei hinreichend berücksichtigt worden. Dort seien passive Schallschutzmaßnahmen erforderlich und zeichnerisch festgesetzt. Aufgrund fehlender Details zur Baugestaltung und -ausführung sei auf eine konkretere Festsetzung verzichtet worden, dass sich insoweit offene Aspekte im nachfolgenden Verfahren nicht lösen ließen, sei abwegig. Die Ausführungen zu Eingriffen in Natur und Landschaft ließen aus den in der Abwägungstabelle dargestellten Gründen keine Abwägungsfehler erkennen. Auch im Hinblick auf Bedenken in bergbaurechtlicher Hinsicht liege kein Abwägungsfehler vor. Das Abwägungsergebnis weise ebenfalls keine Mängel auf.
31Die Berichterstatterin des Senats hat die Örtlichkeit am 14.3.2024 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Niederschrift und die Lichtbilder Bezug genommen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Aufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Bau- und Denkmalakten Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
35A. Der Antrag ist zulässig.
36Die Antragsteller sind antragsbefugt.
37Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO.
38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018- 4 BN 33.17 ‑, BRS 86 Nr. 192, m. w. N.
39Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts auch aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Antragsbefugt kann in einem solchen Fall derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann.
40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018 - 4 BN 33.17 -, BRS 86 Nr. 192 = juris, m. w. N.
41Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks- wie hier die Antragsteller - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle (betroffenen) Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind. Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich im Weiteren auf solche schutzwürdigen - planbedingten - Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind.
42Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27.10.2023 - 7 D 58/22.NE -, BauR 2024, 123 = juris, und vom 9.10.2018 - 2 D 22/17.NE -, BRS 86 Nr. 191 = BauR 2019, 508 = juris, m. w. N.
43Nach diesen Maßgaben sind die Antragsteller mit Blick auf ihr Vorbringen, die angegriffene Planung werde zu einer erheblichen Lärmbelastung an ihrem Grundstück führen, antragsbefugt.
44Eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms gehört auch unterhalb der Grenzwerte grundsätzlich zum Abwägungsmaterial und kann damit die Antragsbefugnis des Betroffenen begründen. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig, geht er mithin über die Bagatellgrenze nicht hinaus, oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden. Ob vermehrte Verkehrslärmbeeinträchtigungen mehr als geringfügig zu Buche schlagen, lässt sich nicht durch reine Subsumtion ermitteln. Vielmehr bedarf es einer wertenden Betrachtung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls.
45Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.7.2020 - 4 BN 50.19 -, BauR 2020, 1767 = juris, vom 16.6.2020 - 4 BN 53.19 -, BRS 88 Nr. 175 = juris, und vom 12.6.2018 - 4 BN 28.17 -, BauR 2018, 1724 = juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 20.1.2020 - 7 B 961/19.NE -, BauR 2020, 977 = juris.
46Danach liegt ein abwägungsrelevanter Belang der Antragsteller vor.
47Ausweislich der Geräuschimmissions-Prognose des Ingenieurbüros G. G. vom 11.5.2019 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 21.3.2019 führt der Parkverkehr des Hotels am Grundstück der Antragsteller zu einer Mehrbelastung von nachts 1 dB(A), im südlichen Bereich von nachts 2 dB(A). Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Beurteilungspegel Lr am IP 6 (A.str. 01) und am IP A (A.str. 01, Süd) für die Nacht mit und ohne Berücksichtigung des Parkverkehrs am Hotel (Tabellen 17 und 18 der ergänzenden Stellungnahme vom 21.3.2019). Der Abwägungsrelevanz steht nicht entgegen, dass nach diesen Gutachten die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet am Grundstück der Antragsteller eingehalten werden. Eine planbedingte Lärmbeeinträchtigung liegt- wie bereits ausgeführt - auch dann vor, wenn maßgebliche Immissionsrichtwerte noch nicht überschritten werden. Die Antragsteller haben zudem sowohl die Geräuschimmissions-Prognose als auch das ihr zugrunde liegende Verkehrsgutachten substantiiert angegriffen.
48Ob - wie von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - die Antragsbefugnis nur dann gegeben ist, wenn ein abwägungsrelevanter eigener Belang des Antragstellers form- und fristgerecht gerügt worden ist, kann hier schon deshalb offen bleiben, weil die Rüge der Antragsteller mit Schreiben vom 20.12.2021 diese Voraussetzungen erfüllt. Sie wurde ausweislich der anwaltlichen Versicherung der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 23.12.2021 und damit innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB persönlich durch diese übermittelt. Sie genügt auch inhaltlich den Anforderungen an eine Rüge nach dieser Vorschrift. Die Antragsteller haben mitgeteilt, an ihren Einwendungen festzuhalten und den Normenkontrollantrag vom gleichen Tag beigefügt. Daraus ergibt sich, dass die Antragsteller durch den Plan erhebliche Verkehrslärmbeeinträchtigungen befürchteten und die der Abwägung der Antragsgegnerin zugrunde liegenden Gutachten - wie ausgeführt - für unzutreffend hielten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Normenkontrollantrag - wie von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung beanstandet - die vorhergehenden Einwendungen der Antragsteller teilweise auch wortgleich wiederholt. Eine weitergehende Befassung mit der Abwägung der Antragsgegnerin war vorliegend jedenfalls deshalb nicht erforderlich, weil diese in ihrem Schreiben an die Antragsteller vom 10.9.2021 im Wesentlichen mitgeteilt hatte, den bereits zuvor gegen die Gutachten erhobenen Einwendungen nicht folgen zu wollen.
49Der Antrag ist fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt worden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
50Auch das Rechtsschutzinteresse für den Antrag besteht ungeachtet der zwischenzeitlich erteilten Baugenehmigung für das plangegenständliche Vorhaben fort. Ist ein Bebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird ein Antragsteller in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. Insofern kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung aber nur in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet auch räumlich „vollständig verwirklicht“ ist.
51Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.6.2023 - 4 BN 39.22 -, juris, Rn. 5, und OVG NRW, Urteil vom 9.6.2022 - 7 D 48/17.NE -, BauR 2022, 1303 = juris, Rn. 34 f., jeweils m. w. N.
52Vorliegend ist das Bauvorhaben weder realisiert noch ist die erteilte Baugenehmigung bestandskräftig geworden. Auf die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Baugenehmigung beim Verwaltungsgericht Arnsberg kommt es nicht an.
53B. Der Antrag ist auch begründet.
54Der Bebauungsplan leidet an einem beachtlichen materiellen Mangel (dazu I.), der zu seiner (Gesamt-)Unwirksamkeit führt (dazu II.).
55I. Der Plan leidet an einem materiellen Mangel, weil die Festsetzung zum passiven Lärmschutz in Ziffer II.4. der textlichen Festsetzungen in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung verschiedener Lärmpegelbereiche entlang der Baugrenze nicht hinreichend bestimmt ist. Es handelt sich um eine Festsetzung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB (dazu 1.), die nach den maßgeblichen Grundsätzen (dazu 2.) unbestimmt ist (dazu 3.).
561. Der Bebauungsplan enthält eine auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützte Festsetzung von Lärmpegelbereichen im Sinne der DIN 4109.
57Dass es sich inhaltlich um die Festsetzung von Anforderungen an den passiven Schallschutz im Sinne der genannten DIN handelt, verdeutlich die vom Plangeber gewählte Bezeichnung als Lärmpegelbereiche III bis V, die inhaltlich mit der DIN 4109 korrespondiert; diese Deutung entspricht im Übrigen auch dem der Planung zugrunde liegenden Schallschutzgutachten, der Geräuschimmissions-Prognose des Ingenieurbüros G. vom 11.5.2019 (dort Seite 19, Tabelle 7). Sowohl aus der Legende zu der zeichnerischen Darstellung der Lärmpegelbereiche als auch aus der Überschrift zu den textlichen Regelungen zum passiven Lärmschutz ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich dabei nicht nur um Hinweise, sondern um Festsetzungen handelt.
58Gegen die Annahme eines entsprechenden Festsetzungsinhalts spricht auch nicht der Umstand, dass in den textlichen Festsetzungen Anhaltswerte für Innenschallpegel nach der VDI-Richtlinie 2719 thematisiert werden. Aus der Bezugnahme folgt keine der Festsetzung von Lärmpegelbereichen im Sinne der DIN 4109 äquivalente Regelung zum passiven Lärmschutz; das ergibt sich schon aus der in der DIN 4109 vorgesehenen Stufung der Lärmpegelbereiche, die - wenn nicht der jeweils obere Grenzwert der Lärmbelastung erreicht ist - einen weitergehenden Lärmschutz gewährleisten. Die in den Festsetzungen des Bebauungsplans vorgesehene Möglichkeit, die nach den Anhaltswerten für Innenschallpegel gemäß der VDI-Richtlinie 2719 erforderlichen Schalldämmmaße für Außenbauteile bei Vorliegen einer detaillierten Planung zu erarbeiten, ist nach dem Dafürhalten des Senats als alternative Option für den Normadressaten aufzufassen, sich um den Preis des Aufwands eines Einzelnachweises für das jeweilige Bauteil von den gegebenenfalls strengeren Anforderungen der DIN 4109 zu befreien.
592. Das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Es gilt auch für Bebauungspläne. Dies gilt für die zeichnerischen und die textlichen Festsetzungen. Soweit Bereiche - wie hier - mit unterschiedlichen Schallschutzklassen festgesetzt werden, sind die betreffenden Bereiche in der Planzeichnung eindeutig zu kennzeichnen. Dabei ist auch klarzustellen, für welche Bereiche innerhalb von Baufenstern die jeweiligen Schallschutzklassen gelten sollen.
60Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27.10.2016 - 7 D 5/15.NE -, juris, vom 30.10.2015 - 7 D 28/14.NE, juris, und vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, juris, m. w. N.
613. Die zu den Lärmpegelbereichen getroffenen textlichen Festsetzungen in Kombination mit der zeichnerischen Darstellung der Lärmpegelbereiche lassen die Planbetroffenen jedenfalls im Unklaren, in welchem Bereich der Sondergebiete SO 1 und SO 2 welcher Lärmpegelbereich maßgeblich ist und welche daran anknüpfenden Anforderungen an die Luftschalldämmung der Außenbauteile mithin zu beachten sind. Die in der Festsetzung angesprochenen Lärmpegelbereiche sind in der Planurkunde nicht hinreichend konkret bezeichnet und ihr Geltungsbereich kann auch nicht unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers durch Auslegung ermittelt werden.
62Die zur Darstellung der Lärmpegelbereiche verwandten Zackenlinien mit jeweiliger schriftlicher Angabe „LPB III“, „LPB IV“ bzw. „LPB V“ verlaufen entlang der festgesetzten Baugrenze der Sondergebiete 1 und 2 und beziehen sich damit auf das so ausgewiesene Baufenster. Eine eindeutige zeichnerische oder textliche Aussage zu den hinter der Baugrenze liegenden, überbaubaren Grundstücksflächen trifft der Bebauungsplan damit indes nicht. Die unmittelbar hinter der Baugrenze verlaufenden Zackenlinien sind nämlich nicht geeignet, jeweils einen- sich auf eine Fläche beziehenden - Lärmpegelbereich darzustellen.
63Die Darstellungen können auch nicht in zu hinreichender Bestimmtheit führender Weise dahin verstanden werden, dass sie sich auf sämtliche denkbaren, parallel zur jeweiligen Zackenlinie liegenden Fassadengestaltungen beziehen sollten. Dies zeigt sich bereits daran, dass in verschiedenen Winkeln zueinander verlaufende Zackenlinien mit Lärmpegelbereichsmarkierungen unterschiedlicher Kategorien vorhanden sind, die für „dahinter“ liegende Teile des jeweiligen Baufensters eine eindeutige Zuordnung zu den genannten Kategorien und daran anknüpfende unterschiedliche Anforderungen passiven Schallschutzes nicht erlauben. Nichts anderes ergibt sich aus den roten Pfeilen, die die Abgrenzung der unterschiedlichen Lärmpegelbereiche markieren. Dass ihnen darüber hinaus die Funktion zukommen könnte, in einer „Verlängerung“ in das Baufenster hinein eine Abgrenzung der Lärmpegelbereiche vorzunehmen, ist den Festsetzungen oder der Begründung des Bebauungsplans nicht zu entnehmen. Dagegen spricht zudem, dass eine solche geometrische Verlängerung ebenfalls keine sinnvolle Abgrenzung der Lärmpegelbereiche ermöglichte.
64Daneben kann offen bleiben, ob die Ziffer II.4. der textlichen Festsetzungen in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung der Lärmpegelbereiche auch deshalb unbestimmt ist, weil ihnen nicht zu entnehmen ist, welche Lärmpegel die jeweiligen Lärmpegelbereiche umfassen. Die Festsetzungen selbst enthalten insoweit keine Konkretisierungen, auch die in Ziffer II.4. in Bezug genommene VDI-Richtlinie 2719 befasst sich nicht mit Lärmpegelbereichen. Ohne diesen Ausgangswert kann ein Planbetroffener aber nicht ermitteln, welches Schalldämmmaß Bauteile in bestimmten Bereichen des Plangebiets erreichen müssen, um die Anhaltswerte für Innenschallpegel nach der VDI-Richtlinie 2719 (dort Seite 12, Tabelle 6) einzuhalten.
65Der Begriff des „Lärmpegelbereichs“ dürfte nicht aus sich selbst heraus so eindeutig sein, dass Planbetroffene allein anhand der zahlenmäßigen Bezeichnung („LPB III“, „LPB IV“ bzw. „LPB V“) die umfassten Lärmpegel erkennen könnte. Die insoweit auch in der Geräuschimmissions-Prognose des Ingenieurbüros G. vom 11.5.2019 herangezogene DIN 4109-1 (dort Seite 19, Tabelle 7) ist in den textlichen Festsetzungen nicht erwähnt. Ohne eine solche ausdrückliche Nennung könnte nicht hinreichend sichergestellt sein, dass die Planbetroffenen den Inhalt der Festsetzung erkennen und sich darauf einrichten können.
66Der Bestimmtheitsmangel ist auch beachtlich, ohne dass es auf die Regelungen der §§ 214, 215 BauGB - und damit auch die Frage einer form- und fristgerechten Rüge durch die Antragsteller - ankäme.
67II. Die Unwirksamkeit der Festsetzung zum passiven Lärmschutz führt zur Gesamtunwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans.
68Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplans - nach den allgemeinen Grundsätzen über die teilweise Nichtigkeit von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften (vgl. auch § 139 BGB) - dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und außerdem hinzukommt, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, BauR 2015, 1620 = juris.
70Von letzterem ist der Senat nicht überzeugt. Im Planungsverfahren ist kein Wille der Antragsgegnerin zum Ausdruck gekommen, im Zweifel einen eingeschränkten Plan ohne die fehlerhaften Lärmpegelbereichsfestsetzungen im betroffenen Planbereich zu beschließen. Da die Sicherstellung eines ausreichenden passiven Schallschutzes, insbesondere mit Blick auf die Belastung des Plangebiets durch Verkehrslärm, ein in der Bebauungsplanbegründung hervorgehobenes Element der Planungskonzeption war, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Rat - hätte er Kenntnis von der Unwirksamkeit der genannten Festsetzung zum passiven Lärmschutz gehabt - den Bebauungsplan mit den übrigen, den Lärmkonflikt betreffenden Festsetzungen beschlossen hätte.
71Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, die zeichnerische Festsetzung der Lärmpegelbereiche könne wegfallen, ohne dass dies zu einer anderen Entscheidung des Rates geführt hätte, der Lärmkonflikt als solcher bleibe durch den Wegfall der unbestimmten Festsetzung nicht unbewältigt, es verbleibe bei der Gewährung passiven Lärmschutzes durch die Anhaltswerte für Innenschallpegel gemäß VDI-Richtlinie 2719. Schon der Umstand, dass der Plan sowohl Lärmpegelbereiche als auch Innenschallpegel nach der VDI-Richtlinie 2719 in Bezug nimmt, deutet darauf hin, dass der Rat den Planbetroffenen zwei Wege zur Gewährleistung hinreichenden passiven Lärmschutzes eröffnen wollte. Gegen die Annahme, der Rat der Antragsgegnerin habe die Festsetzung zu den Lärmpegelbereichen für entbehrlich gehalten, spricht zudem, dass die dem Beschluss über den Bebauungsplan maßgeblich zugrunde liegende Geräuschimmissions-Prognose des Ingenieurbüros G. diese Bereiche ausdrücklich heranzieht. Auch der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene Grundsatz der Planerhaltung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
72Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
73Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
74Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.