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1. Zum Bestehen eines beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs aufgrund rechtswidriger Inanspruchnahme eines Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus.
2. Maßgeblich für die Qualifizierung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit ist das durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf der Grundlage der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung entwickelte Begriffsverständnis, dem der Arbeitszeitbegriff im nationalen Arbeitszeitrecht entspricht.
3. Muss ein Beamter des feuerwehrtechnischen Dienstes während des Bereitschaftsdienstes im Falle einer Alarmierung innerhalb von 90 Sekunden mit seinem Dienstfahrzeug ausrücken, ist diese Bereitschaftsdienstzeit - ungeachtet einer Aufenthaltsvorgabe des Dienstherrn und der Häufigkeit der Alarmierung - als Arbeitszeit zu qualifizieren, sofern nicht die ihm während der Bereitschaftsdienstzeit gewährten Erleichterungen ausnahmsweise die durch die kurze Reaktionsfrist bedingten Einschränkungen in den Möglichkeiten der Freizeitgestaltung überwiegen.
4. Ergeben sich aufgrund der Kürze der vorgegebenen Ausruckfrist für den Beamten erhebliche, nicht kompensierte Einschränkungen in den Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, kommt es für die Einordnung als Arbeitszeit nicht entscheidend auf die Häufigkeit der Alarmierung an.
5. § 6 Abs. 2 Satz 1 AZVO NRW verstößt gegen Unionsrecht und hat deshalb außer Anwendung zu bleiben, soweit die Norm die Anrechnung von Zeiten der Rufbereitschaft als Arbeitszeit ausschließt, die als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG einzustufen sind.
6. Für Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes im Land Nordrhein-Westfalen existiert keine nationale Rechtsnorm im Sinne des Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 1 RL 2003/88/EG, die den Bezugszeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG wirksam verlängert hat.
7. Rechtsfolge des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen rechtswidriger Zuvielarbeit ist ein Freizeitausgleich in vollem Umfang. Nur, wenn die Gewährung von Freizeitausgleich aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden, zwingenden dienstlichen Gründen ausscheidet, wandelt sich der Anspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich um.
8. Die Richtlinie 2003/88/EG verlangt nicht, dass ein rein mitgliedstaatlicher Ausgleichsanspruch für die Überschreitung der mitgliedstaatlich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit eine bestimmte Höhe hat. Soweit allerdings die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit überschritten wird, ist die Zuvielarbeit in vollem Umfang auszugleichen.
9. Nebenforderungen, die gemäß § 43 Abs. 1 GKG bei der Streitwertbemessung außer Betracht bleiben, können bei der Bildung der Kostenquote zu berücksichtigen sein.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat.
Das angefochtene Urteil wird, soweit es nicht rechtskräftig geworden ist, geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.1.2021 verurteilt, für die von dem Kläger ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Alarmbereitschaftsdienstzeiten eine Entschädigung in Höhe von 29.735,60 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teils der erstinstanzlichen Kostenentscheidung der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist für den Kläger sowie wegen der Kosten für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 00.00.1982 geborene Kläger steht als Brandamtmann (Besoldungsgruppe A11) im feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten. Er begehrt eine finanzielle Entschädigung für Alarmbereitschaftsdienstzeiten, die er im sogenannten Hintergrunddienst („2. B-Dienst“) geleistet hat.
3Der Kläger wurde seit März 2018 neben der Tätigkeit im Tagdienst regelmäßig im Hintergrunddienst eingesetzt. Der Hintergrunddienst wird als 24-Stunden-Dienst in der Zeit von 8 Uhr bis 8 Uhr des Folgetages geleistet. Montags bis freitags in der Zeit von 8 bis 16 Uhr erfolgt dies als reguläre Arbeitszeit. Außerhalb dieser Zeiten, auch an Samstagen, Sonn- und Feiertagen, wird der Hintergrunddienst in Form der Alarmbereitschaft geleistet nach den Vorgaben der Alarm- und Ausrückordnung (AAO) der Beklagten aus dem Jahr 2012, die für die Jahre 2017 bis 2022 eine 1. Fortschreibung und für die Jahre 2022 bis 2026 eine 2. Fortschreibung erfahren hat. Die Diensteinteilung erfolgt vorgeplant für sechs Monate, gleichmäßig auf die Beamtinnen und Beamten
4- allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
5des Hintergrunddienstes (seit 2021: 10 Beamte) verteilt. Samstage und Sonntage werden als Doppeldienst eingeteilt.
6Aus der AAO ergibt sich Folgendes: Der Hintergrunddienst wird aus dem Kreis der Beamten gestellt, welche auch Einsatzleitdienst versehen. Die Diensteinteilung erfolgt durch „das Geschäftszimmer“. Der Dienst wird außerhalb der allgemeinen Bürozeiten „als Alarmbereitschaft von zuhause aus versehen“. Die Alarmierung erfolgt per Funkalarmempfänger oder Mobiltelefon. Der eingeteilte Beamte muss „sofort ausrücken“ können. Als Ausrückzeit (Zeit von der Alarmierung bis zum Ausrücken der Fahrzeuge) für Führungs- und Brandschutzfahrzeuge werden in Ziffer 14 AAO 2012 1 Minute und in Ziffern 3.3 und 14 AAO 2017 sowie Ziffer 13 AAO 2022 jeweils 90 Sekunden vorgegeben. Das zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug ist mitzuführen und muss „in kurzer Zeit erreichbar“ sein. In dem Dienstfahrzeug sind die persönliche Schutzausrüstung sowie die Tasche mit der Ausrüstung für den Leitenden Notarzt mitzuführen. Mit Ausnahme von Alarmfahrten dürfen darin auch Personen mitgenommen werden, die nicht der Feuerwehr angehören. Die Beamten dürfen sich innerhalb eines Radius von 12 km um die X. in I. frei bewegen; ein Verlassen dieses Radius ist nicht gestattet.
7Der Kläger leistete im Jahr 2019 29 Dienste in Alarmbereitschaft, wobei es zu 15 Alarmierungen kam, im Jahr 2020 18 Dienste (7 Alarmierungen), im Jahr 2021 34 oder 35 Dienste (9 Alarmierungen), im Jahr 2022 38 Dienste (23 Alarmierungen) und im Jahr 2023 43 Dienste. Hinsichtlich der Anzahl der Alarmbereitschaftsdienste und des Gesamtumfangs der wöchentlichen Dienststunden des Klägers wird auf die von der Beklagten unter dem 20.9.2024 übersandte Aufstellung verwiesen. Die Alarmbereitschaftsdienstzeiten werden von der Beklagten aufgrund einer Verfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 27.11.2012 zu einem Viertel, tatsächliche Einsätze während der Alarmbereitschaftsdienstzeiten werden vollständig als Arbeitszeit vergütet.
8Mit am 18.1.2019 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 20.12.2018 beantragte der Kläger, Zeiten, in denen er Hintergrunddienst in Form der Alarmbereitschaft geleistet habe, rückwirkend seit dem 1.3.2018 sowie zukünftig als volle Arbeitszeit anzuerkennen und zu vergüten. Unter dem 11.7.2019 erklärte der Oberbürgermeister der Beklagten den Verzicht auf die Einrede der Verjährung; mit Bescheid vom 18.1.2021 lehnte er den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er an, entscheidend für die Einordnung von Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ als Arbeitszeit sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalte und diesem zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort die geeignete Leistung zu erbringen. Hiernach bestehe für die Alarmbereitschaftsdienstzeiten des Klägers kein Ausgleichsanspruch. In den Alarmbereitschaftsdienstzeiten sei dessen Aufenthaltsort nicht festgelegt, sondern er könne sich frei und selbstbestimmt in einem Aktionsradius von 12 km um die X. bewegen. Des Weiteren sei es ihm ausdrücklich gestattet, das Dienstfahrzeug zu privaten Zwecken zu nutzen und andere Personen mitzunehmen. Die Einsatzhäufigkeit sei hingegen kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung von Arbeitszeit und Ruhezeit. Schließlich bestehe ein etwaiger Ausgleichsanspruch allenfalls ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat, d. h. hier ab dem 1.2.2019.
9Am 15.8.2019 schloss der Kläger mit dem damaligen Leitenden Branddirektor eine „Vereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung bei der Berufsfeuerwehr I.; freiwillige Leistung von finanziell vergüteter Mehrarbeit“. Darin erklärte der Kläger, dass er freiwillig finanziell vergütete Mehrarbeit bei der Berufsfeuerwehr und dadurch durchschnittlich auch mehr als 48 Stunden pro Woche Dienst leiste.
10Am 12.2.2021 hat der Kläger Klage erhoben und sein auf Entschädigung gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Er hat geltend gemacht, ihm würden während der Alarmbereitschaft mittelbar Einschränkungen auferlegt, die seine Möglichkeiten, diese Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, erheblich begrenzten. Dies folge im Wesentlichen daraus, dass er sich lediglich in einem Radius von 12 km um die X. frei bewegen dürfe und eine maximale Ausrückzeit von 90 Sekunden ab Alarmierung gewährleisten müsse. Während der Alarmbereitschaft stünden daher alle Termine unter dem Vorbehalt eines Einsatzes. Rad-, Lauf- oder Schwimmsport sei ebenso wenig möglich wie Spaziergänge, da die Entfernung zum Dienstfahrzeug zu groß sei, Hunde dürften zudem nicht im Dienstfahrzeug mitgeführt werden. Familienaktivitäten seien nur mit zwei Fahrzeugen möglich, da Familienangehörige keine Alarmfahrten begleiten dürften. Arzttermine könnten in der Zeit nicht wahrgenommen werden. Die verantwortliche Beaufsichtigung von Kindern sei nicht möglich, dementsprechend müsse der Ehepartner seine Freizeitgestaltung ebenfalls erheblich einschränken. Diverse Tätigkeiten in Haus und Garten, die nicht abrupt abgebrochen werden könnten, könnten nur wahrgenommen werden, wenn eine andere Person anwesend sei. Alarmierung oder telefonische Informationen zu Nachtzeiten störten die übrigen Familienmitglieder. Um die Einschränkungen für die Familie zu kompensieren, müssten öfter externe Dienstleistungen beauftragt werden. Kino- oder Restaurantbesuche seien nur bedingt möglich. Je nach Bauart und Lage des Gebäudes funktionierten die üblichen Alarmierungssysteme nicht oder könnten akustisch nicht wahrgenommen werden. Es bestehe zudem stets ein finanzielles Risiko. Vereinstätigkeiten als Betreuer von Kinder- und Jugendgruppen könnten nicht übernommen werden. Daneben bestimme die Sicherstellung seiner Erreichbarkeit und der schnellen Ausrückfähigkeit die Abläufe in der privaten Umgebung erheblich. Funkempfänger und Handy müssten jederzeit in seiner Nähe und beim Ausrücken benötigte Kleidung und Gegenstände günstig platziert werden.
11Der Kläger hat beantragt,
121. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.1.2021 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 20.12.2018 für die Zeit ab dem 1.2.2019 die außerhalb der regulären Bürozeiten geleisteten Dienste in Form der Alarmbereitschaft, auch Hintergrunddienst genannt, als volle Arbeitszeit anzuerkennen und in gesetzlicher Höhe zu vergüten,
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Nachzahlungen ab Verzugsbeginn in gesetzlicher Höhe zu verzinsen, hilfsweise, die Nachzahlungen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Hintergrunddienst stelle sich als nicht zur Arbeitszeit zählende Rufbereitschaft dar, da die hierdurch bedingten Einschränkungen nicht die für eine Einordnung als Arbeitszeit erforderliche Intensität erreichten. Der Kläger müsse sich nicht an einem durch den Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten, sondern könne sich in dem vorgegebenen Radius frei bewegen und Freizeitaktivitäten nachgehen. Die kurze Reaktionszeit genüge nicht, um die Alarmbereitschaft als Arbeitszeit zu qualifizieren. Es handele sich dabei nicht um eine absolute Vorgabe, sondern um einen idealtypischen Richtwert. In der Realität könne dieser beispielweise bei einem Toilettengang oder aus anderen zwingenden Gründen nicht immer eingehalten werden, ohne dass der Beamte damit gegen seine Dienstpflichten verstoße. Zudem sei der Kläger hierdurch nicht wesentlich in der Art der Freizeitbeschäftigung eingeschränkt. Ein wesentlicher Anteil der Alarmbereitschaft entfalle auf die späten Abend- und Nachtstunden bzw. auf Sonn- und Feiertage, in denen eine Vielzahl der von ihm angeführten Tätigkeiten ohnehin nicht in Frage komme. Dass keine Planbarkeit bestehe, sei jeder Rufbereitschaft immanent. Der Kläger wohne auch innerhalb des 12km-Radius und sei daher nicht gezwungen, den Dienst auf der Hauptfeuerwache zu verrichten. Er könne innerhalb des Radius Freunde und Verwandte treffen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Familienaktivitäten nur mit zwei Fahrzeugen möglich sein sollten. Sofern Arztbesuche bzw. Behandlungstermine zwingend erforderlich seien, bestehe regelmäßig Dienstunfähigkeit, so dass der Kläger in diesem Fall keine Alarmbereitschaft zu leisten habe. Haus- und Gartenarbeiten könnten nahezu uneingeschränkt wahrgenommen werden. Es erschließe sich nicht, aus welchen Gründen etwa Grünschnittarbeiten im Garten nicht zu erledigen wären, zumal die Arbeiten von anderen Haushaltsangehörigen übernommen werden könnten. Es könne davon ausgegangen werden, dass in den Zeiten der Alarmbereitschaft (außerhalb der Bürozeiten) regelmäßig auch andere Haushaltsangehörige vor Ort seien. Die Betreuung von Kindern oder Haustieren sei möglich, wenn die Ehepartnerin auch vor Ort sei. Trainertätigkeiten seien möglich, sofern ein Co-Trainer vor Ort sei. Alarmierungen - auch zur Nachtzeit - entsprächen dem Wesen der Rufbereitschaft. Die Frequenz tatsächlicher Alarmierungen könne nicht als Kriterium für die Intensität der Einschränkungen herangezogen werden, da diese durch entsprechende Vergütung bereits kompensiert würden. Im Übrigen vergüte die Beklagte die Zeiten der Alarmbereitschaft bereits doppelt so hoch wie es die Arbeitszeitverordnung NRW vorsehe (§ 6 Abs. 2 AZVO).
19Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.3.2023 das Verfahren eingestellt, soweit - nämlich hinsichtlich des Zeitraums vom 1.3.2018 bis 31.1.2019 - die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitergehende Vergütung der von ihm in der Zeit ab dem 1.2.2019 geleisteten Alarmbereitschaften bzw. auf finanzielle Entschädigung für diese. Ein solcher Anspruch folge zunächst nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LBG NRW 2009 bzw. 2016, da es an einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit mangele. Des Weiteren stehe dem Kläger auch kein Entschädigungsanspruch aufgrund unionsrechtswidriger Zuvielarbeit zu. Die von ihm als Alarmbereitschaft geleistete Hintergrunddienstzeit stelle keine Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG dar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unterfielen dem Begriff Arbeitszeit im Sinne des Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeiten, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Bei der gebotenen Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls müsse auch die Kürze der Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer im Einsatzfall die Arbeit aufzunehmen habe, berücksichtigt werden. Darüber hinaus sei von Bedeutung, wie oft er im Durchschnitt während der Bereitschaftszeiten tatsächlich Leistungen zu erbringen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei maßgeblich, ob der Beamte sich an einem nicht frei wählbaren und wechselbaren Ort bereitzuhalten habe und ob die in Rede stehenden Zeiten von einem Sich-Bereit-Halten für einen jederzeit möglichen Einsatz geprägt seien.
20Zwar sei die dem Kläger auferlegte Ausrückfrist mit 1 Minute bzw. 90 Sekunden sehr kurz. Dies führe aber nicht per se zur Einordnung als Arbeitszeit. Der Kläger sei zwar in gewisser Weise in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, es werde ihm aber gerade ermöglicht, sich nicht nur zuhause aufzuhalten. Der festgelegte Radius ermögliche eine Bewegungsfreiheit innerhalb der Stadtgrenzen und teilweise darüber hinaus. Die kurze Ausrückzeit stehe zwar Aktivitäten wie beispielsweise der Betreuung von Kindern oder dem Einkaufen von Kühlware entgegen, im Übrigen seien Freizeitaktivitäten wie Besuche von Freunden und Familie, Arbeiten im Haus und Garten sowie sonstige Besorgungen im Bewegungsradius aber grundsätzlich möglich. Zudem sei zu bedenken, dass ein erheblicher Anteil der Alarmbereitschaftsdienstzeit gerade wochentags zur Nachtzeit abgeleistet werde, in der ohnehin Freizeitaktivitäten nur eingeschränkt durchführbar seien. Im Übrigen habe der Kläger im Durchschnitt nicht zahlreiche Einsätze leisten müssen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass es auf eine typisierte Gesamtbetrachtung der Häufigkeit tatsächlicher Einsätze nicht ankomme, wenn sich das Gepräge des „Sich-Bereit-Haltens“ für einen jederzeit möglichen Einsatz bereits aus der Natur des Einsatzes ergebe, d. h. die wahrzunehmenden Einsätze durch ihre Unvorhersehbarkeit geprägt seien, folge das Gericht dem nicht. Dieses Kriterium erscheine durch nachfolgende Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union überholt. Inwieweit das Bundesverwaltungsgericht daran festhalte, sei offen, nachdem es mit Urteil vom 29.4.2021 - 2 C 18.20 - einerseits den betreffenden Maßstabssatz wiederholt und andererseits festgestellt habe, mit den dargestellten Maßstäben stehe der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
21Gegen das dem Kläger am 5.4.2023 zugestellte Urteil hat dieser am 2.5.2023 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 30.6.2023 begründet.
22Er macht unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Die durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts formulierte Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müsse, um ggf. sofort Leistungen erbringen zu können, sei erfüllt. Ihm sei zwar kein fester Punkt, wohl aber ein fixierter Bewegungsraum vorgegeben; die Position des Wohnsitzes schränke den möglichen Aktionsradius dabei weiter ein.
23Selbst, wenn man dies nicht als Aufenthaltsvorgabe verstehen wollte, begründe jedenfalls das Ausmaß der Einschränkungen eine Anerkennung der Alarmbereitschaft als Arbeitszeit. Der für die Dienstaufnahme zur Verfügung stehenden Zeitspanne komme dabei besondere Bedeutung zu. Bei kurzen Fristen von wenigen Minuten fehle die Möglichkeit zur Planung und Abwicklung persönlicher und sozialer Aktivitäten. Es bestehe ein Regel-Ausnahme Verhältnis zwischen kurzer Fristdauer und Arbeitszeitcharakter. Nur, wenn die Auswirkungen der während der Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen so erheblich seien, dass die auferlegten Einschränkungen ausnahmsweise dahinter zurückträten, sei eine andere Beurteilung gerechtfertigt. Im Streitfall sei die Kürze der Reaktionsfrist kaum zu unterbieten, so dass eine Daueralarmbereitschaft vorliege. Jede Freizeitgestaltung müsse sich in einem fußläufigen Radius von 90 Sekunden um das Dienstfahrzeug abspielen. Räumlich scheide daher jede Freizeitgestaltung ohne Parkmöglichkeit in unmittelbarer Nähe aus (Joggen, Fahrrad fahren, Spaziergänge bzw. Wandern, Klettern, Schwimmen, Hundeausführen, Besuch von Museen und öffentlichen Veranstaltungen, Einkäufe in der Innenstadt). Anders als die Beklagte meine, sei die Ausrückzeit weder disponibel noch könne insoweit statt auf die Ausrückzeit auf die durch den Brandschutzbedarfsplan der Beklagten (BBP) vorgegebene sog. 2. Hilfsfrist abgestellt werden. Die 2. Hilfsfrist von 14,5 Minuten setze sich nach Ziffer 6.5.1 BBP zusammen aus der Entdeckungs- und Dispositionszeit, der Zeit zum Ausrücken und der Zeit für die Fahrt. Die darin enthaltene Ausrückzeit betrage 60 Sekunden und solle 90 Sekunden nicht überschreiten. Sein Dienst beginne mit der Alarmierung. Die Einhaltung der Ausrückzeit stelle eine Dienstpflicht dar. Auch im Rahmen der Soll-Regelung müsse das vorgegebene Zeitfenster eingehalten werden, es sei denn, es gebe aus dem Dienst resultierende Gründe, die im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigten.
24Damit stünde auch eine im Durchschnitt seltene Inanspruchnahme einer Einstufung als Arbeitszeit nicht entgegen. Alarmierungen seiner Person seien aber entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch regelmäßig und nicht nur gelegentlich oder selten erfolgt. Selbst unter Einbeziehung der Pandemiejahre 2020 und 2021, in denen die Alarmierungen vorübergehend deutlich zurückgegangen seien, seien im Zeitraum 2018 bis 2022 in 48,7 % der Dienste Alarmierungen erfolgt. Schließlich ergebe sich bereits aus der Natur des Einsatzes insgesamt ein Gepräge des „Sich-Bereit-Haltens“ für einen jederzeitigen Einsatz. Dies sei im Falle von leitend Verantwortlichen bei Einsätzen im Brand-, Rettungs- und Katastrophenschutz - einschließlich der Bewältigung von Großschadenslagen - unzweifelhaft gegeben. Insoweit bestehe zudem keine Divergenz zwischen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union.
25Der Kläger hat in der Berufungsschrift den Antrag angekündigt,
261. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023 - 26 K 787/21- und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.1.2021 zu verurteilen, für die Zeit ab dem 1.2.2019 die von ihm außerhalb der regulären Bürozeiten geleisteten Dienste in Form der „Alarmbereitschaft" als volle Arbeitszeit anzuerkennen und in gesetzlicher Höhe zu vergüten,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Nachzahlungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Mit Schriftsatz vom 9.9.2024 hat er den Antrag umgestellt und beantragt,
311. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21, und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.1.2021 zu verurteilen, für die ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 über die Höchstwochenarbeitszeit von 41 Stunden hinaus geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, in Höhe von 2087 Stunden eine Entschädigung in Geld auf Basis der jeweils geltenden Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung in Höhe von 46.073,81 € zu zahlen und diese Nachzahlung ab Verzugsbeginn in gesetzlicher Höhe, hilfsweise ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, zu verzinsen,
hilfsweise für den Fall der Ablehnung des Antrags zu 1.
342. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21, und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.1.2021 zu verurteilen, die ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 über die Höchstwochenarbeitszeit von 41 Stunden hinaus geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, in Höhe von 2087 Stunden in Freizeit auszugleichen,
35äußerst hilfsweise für den Fall der Ablehnung der Anträge zu 1. und 2.:
363. unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21, und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18.1.2021 festzustellen, dass es sich bei den vom ihm seit dem 1.2.2019 zu leistenden Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, um reguläre Arbeitszeit handelt, die von der Beklagten als solche anzuerkennen und zu vergüten ist.
37Zur Begründung macht der Kläger in diesem Zusammenhang weiter geltend, ihm stünden ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch sowie ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch auf eine Entschädigung für die geleistete Zuvielarbeit zu. Dabei sei Zuvielarbeit alles, was über seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in Höhe von 41 Stunden hinausgehe. Die Arbeitszeitverordnung Feuerwehr des Landes (im Folgenden: AZVOFeu NRW), die eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden vorsehe, sei nicht anwendbar, da er keinen Schichtdienst im Sinne dieser Verordnung geleistet habe. Die Zuvielarbeit sei ohne Abzüge auszugleichen, vorrangig durch Freizeit, im Falle dem entgegenstehender Hinderungsgründe in Geld. Solche Hinderungsgründe hätten vorgelegen; ein Ausgleich in Freizeit wäre ohne Gefährdung der Einsatzbereitschaft der Feuerwehr der Beklagten nicht möglich gewesen. Der hohe Umfang der Alarmbereitschaftsdienstzeiten könne durch das vorhandene Personal nicht ausgeglichen werden. Die erforderliche Personalaufstockung sei weder finanziell darstellbar noch das Personal am Arbeitsmarkt verfügbar. Der Geldausgleich sei in Anlehnung an die zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu leisten. Er habe zudem einen Anspruch auf Verzinsung, jedenfalls aber auf Rechtshängigkeitszinsen ab Klageerhebung.
38In der mündlichen Verhandlung am 16.9.2024 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen, soweit er die Zahlung von Verzugs- bzw. Rechtshängigkeitszinsen begehrt hat.
39Der Kläger beantragt nunmehr schriftsätzlich sinngemäß,
401. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21 und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.1.2021 zu verurteilen, für die ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 über die Höchstwochenarbeitszeit von 41 Stunden hinaus geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, in Höhe von 2.103,3 Stunden eine Entschädigung in Geld auf Basis der bei Ableistung der Stunden jeweils geltenden Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung in Höhe von 46.491,02 € zu zahlen,
41hilfsweise für den Fall der Ablehnung des Antrags zu 1.:
422. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21 und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 18.01.2021 zu verurteilen, die ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 über die Höchstwochenarbeitszeit von 41 Stunden hinaus geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, in Höhe von 2.103,3 Stunden in Freizeit auszugleichen,
43äußerst hilfsweise für den Fall der Ablehnung der Anträge zu 1. und 2.
443. unter Abänderung des Urteils des VG Düsseldorf vom 24.3.2023, 26 K 787/21 und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18.1.2021 festzustellen, dass es sich bei den von ihm seit dem 1.2.2019 zu leistenden Alarmbereitschaftsdienstzeiten, auch „Hintergrunddienst“ genannt, um reguläre Arbeitszeit handelt.
45Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Sie führt zur Begründung ergänzend aus, die Reaktionszeit stelle keine absolute Zeitvorgabe, sondern nur einen Richtwert dar. Nach Ziffer 6.5.1 BBP betrage die in der Eintreffzeit enthaltene Zeit von der Alarmierung bis zum Ausrücken 60 Sekunden und solle 90 Sekunden nicht überschreiten. Hintergrund sei die Einhaltung der im BBP definierten Hilfsfrist, also die Zeit, bis der Beamte an der Einsatzstelle einzutreffen habe. Der Kläger zähle in seiner Funktion als Einsatzleiter zu den ergänzenden Hilfskräften, für die die sog. 2. Hilfsfrist gelte. Diese betrage nach Ziffer 6.5.1 BBP 14,5 Minuten. Der Kläger sei zudem nicht allein für den Erfolg des Einsatzes verantwortlich, sondern dieser werde über zahlreiche diensthabende Beamtinnen und Beamte sichergestellt.
48Sofern ein Ausgleich der Alarmbereitschaftsdienstzeiten erfolgen müsse, könne dieser nicht durch Freizeitausgleich gewährt werden. Der Umfang des Personalausfalls würde sich hierdurch erhöhen und rechnerisch zu einem Mehrbedarf in Höhe von 7,6 Stellen führen. Alle Funktionen bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten müssten stets besetzt sein. Eine Funktion könne nicht wegen der Inanspruchnahme von Freizeitausgleich unbesetzt bleiben. Gerade für den Umgang mit diesen Notwendigkeiten sei im Jahr 2012 eine verwaltungsinterne Übereinkunft geschlossen worden, nach der die Alarmbereitschaftsdienstzeiten im Umfang von einem Viertel in Geld vergütet würden. Wenn Feuerwehrbeamte im Einzelfall und in einem dienstlich vertretbaren Umfang ausnahmsweise Freizeitausgleich in Anspruch nehmen wollten, seien frühzeitig Absprachen mit der Dienststelle zu treffen, um Vertretungsregelungen einzuplanen. Diese führten wiederum zu Mehrarbeitsstunden bei den Vertretern, die dann auch abgegolten werden müssten.
49Die Beklagte hat im Berufungsverfahren Aufstellungen der Dienststunden des Klägers pro Kalenderwoche, der geleisteten Alarmbereitschaftsdienstzeiten sowie der für Einsatzzeiten und der aufgrund der erwähnten verwaltungsinternen Übereinkunft für die Alarmbereitschaftsdienstzeiten bereits gezahlten Vergütung vorgelegt, deren Richtigkeit von dem Kläger bestätigt worden ist.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte zum Verfahren 26 K 787/21 (VG Düsseldorf) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
51Entscheidungsgründe:
52Soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO). Dies ist konkludent geschehen, indem der Kläger nur noch Entschädigung für bis zum 31.12.2023 geleistete Alarmbereitschaftsdienste begehrt und Entschädigung für über diesen Zeitpunkt hinaus geleistete Dienste somit von seinem Begehren ausgenommen hat, und ausdrücklich durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung, soweit der Kläger die Zahlung von Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen gefordert hat.
53Die im Übrigen zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache Erfolg.
54A. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1. zulässig (dazu I.) und teilweise begründet (dazu II.).
55I. Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 1., der nach dem im Schriftsatz des Klägers vom 26.9.2024 eindeutig zum Ausdruck kommenden Klagebegehren (§ 88 VwGO) entgegen der - offenbar versehentlich nicht angepassten - Formulierung des Klageantrags lediglich auf den Zeitraum 1.2.2019 bis 31.12.2023 gerichtet ist, zulässig. Sie ist insbesondere als allgemeine Leistungsklage kombiniert mit einer Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt eine Realleistung, deren Gewährung der ablehnende Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 18.1.2021 entgegensteht. Die Entschädigungsleistung bedarf keiner vorherigen Festsetzung durch Verwaltungsakt. Das folgt aus der Zielrichtung des geltend gemachten einheitlichen Ausgleichsanspruchs wegen Zuvielarbeit. Dieser ist grundsätzlich auf einer ersten Stufe auf Freizeitausgleich gerichtet. Nur dann, wenn der Ausgleich von Zuvielarbeit aus von dem berechtigten Beamten nicht zu vertretenden Gründen ausgeschlossen ist, etwa weil das aktive Dienstverhältnis beendet ist, wandelt sich der Anspruch auf zweiter Stufe in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich um. Der Ausgleichsanspruch betrifft somit vorrangig nicht die dienstrechtliche Stellung des Beamten, sondern den Dienstbetrieb, konkret die Gestaltung der Dienstpläne. Die Gestaltung dieser internen Abläufe hat keinen Regelungscharakter und erfolgt somit nicht in Form eines Verwaltungsakts.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.6.2020 - 2 C 8.19 -, BVerwGE 168, 220 = juris Rn. 9 ff. m. w. N., und - 2 C 20.19 -, BVerwGE 168, 236 = juris Rn. 9 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 16.4.2024 - 5 LC 48/21 -, juris Rn. 51 ff.; Abkehr von der Auffassung des Senats in seinen Urteilen vom 15.9.2020 - 6 A 2634/18 -, NWVBl 2021, 69 = juris Rn. 31, und vom 7.12.2018 - 6 A 2215/15 -, DVBl 2019, 915 = juris Rn. 29 f..
57Jedenfalls nach seiner Konkretisierung durch den Kläger mit Schriftsatz vom 9.9.2024 genügt der Klageantrag darüber hinaus den Bestimmtheitsanforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
58Es bedurfte vor Erhebung der Klage schließlich nicht der Durchführung eines Vorverfahrens, da es sich bei dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch insbesondere nicht um eine Maßnahme in besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Angelegenheiten handelt (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO, § 54 Abs. 2 Sätze 1, 3 BeamtStG i. V. m. § 103 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW).
59II. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1. teilweise auch begründet. Zwar hat der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütung der Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Mehrarbeit (dazu 1.). Ihm steht jedoch ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch auf Entschädigungsleistungen in Höhe von 29.735,60 Euro zu (dazu 2. und 3.). Keiner Entscheidung bedarf, ob der Kläger darüber hinaus Entschädigungsleistungen auf der Grundlage eines unionsrechtlichen Haftungsanspruchs verlangen könnte, weil dieser in seiner Rechtsfolge jedenfalls nicht über den beamtenrechtlichen Ausgleichanspruch hinausginge (dazu 4.). Der den Entschädigungsantrag vollständig ablehnende Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 18.1.2021 ist demnach teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
60Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der jeweiligen Alarmbereitschaftsdienstzeiten. Denn das einschlägige materielle Recht, etwa § 7 Abs. 1 der AZVOFeu NRW in den ab dem 28.5.2016 geltenden Fassungen (nachfolgend nur AZVOFeu NRW) i. V. m. § 6 Abs. 2 der AZVO NRW in den ab dem 1.1. 2018 geltenden Fassungen (nachfolgend nur AZVO NRW), knüpft für den Anspruch auf Freizeitausgleich an die Dienstleistung des Beamten im Rufbereitschafts- bzw. Bereitschaftsdienst in einem bestimmten Zeitraum an.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.1.2015 - 6 A 1219/14 -, juris Rn. 6; Nds. OVG, Urteil vom 5.11.2013 - 5 LB 64/13 -, juris Rn. 28.
621. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW 2016 herleiten. Ein solcher Anspruch scheidet schon deshalb aus, weil es hinsichtlich der von dem Kläger geleisteten Alarmbereitschaften an einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit mangelt.
63Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW ist der Beamtin oder dem Beamten, wenn sie oder er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird, innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamtinnen und Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für einen Zeitraum von längstens 480 Stunden im Jahr eine Mehrarbeitsvergütung erhalten (§ 61 Abs. 2 LBG NRW). Die danach erforderliche Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Hieran fehlt es z. B. bei der schlichten Festlegung von Arbeitszeiten in Dienstplänen oder Schichtplänen.
64Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29.4.2021 - 2 C 18.20 -, BVerwGE 172, 254 = juris Rn. 33 ff. m. w. N.
65Die Festlegung der Alarmbereitschaftsdienste des Klägers ist lediglich durch einen Dienstplan des „Geschäftszimmers“ erfolgt; die Anordnung von Mehrarbeit ist insoweit nicht ersichtlich. Darüber hinaus scheidet die Annahme einer solchen Anordnung oder Genehmigung schon denklogisch aus, da die Beklagte diese Zeiten gerade nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit angesehen hat.
662. Dem Kläger steht jedoch eine Entschädigung auf der Grundlage des auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gestützten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu, soweit die von ihm geleisteten Alarmbereitschaftsdienstzeiten die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden überstiegen haben.
67Der Anspruch setzt als Billigkeitsanspruch eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus voraus. Das ist der Fall, wenn der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heranzieht oder ihn über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus in Anspruch nimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind.
68Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.10.2022 - 2 C 24.21 -, NVwZ 2023, 833 = juris Rn. 15, und ‑ 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 13, sowie vom 17.2.2022 - 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 22 f., jeweils m. w. N.
69Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf einen Teil der durch den Kläger geleisteten Alarmbereitschaftsdienstzeiten erfüllt. Die Alarmbereitschaftsdienstzeiten sind entgegen der Auffassung der Beklagten als Arbeitszeit zu qualifizieren (dazu a). Die danach insgesamt zu berücksichtigende Arbeitszeit überstieg die maximal zulässige Arbeitszeit des Klägers in den jeweils maßgeblichen Bezugszeiträumen regelmäßig (dazu b), ohne dass die Beklagte insoweit rechtmäßig Mehrarbeit angeordnet hätte (siehe dazu bereits oben unter 1.).
70Darüber hinaus steht dem Anspruch des Klägers nicht der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung
71- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 24.21 -, NVwZ 2023, 833 = juris Rn. 30 ff. -
72entgegen, da er die hier begehrte Entschädigung für Alarmbereitschaftsdienstzeiten ab dem 1.2.2019 jedenfalls rechtzeitig - nämlich am 18.1.2019 - bei der Beklagten beantragt hat.
73a) Die von dem Kläger geleisteten Alarmbereitschaftsdienste sind nach dem einheitlichen europarechtlichen und nationalen Begriffsverständnis (dazu aa) als Arbeitszeit einzustufen (dazu bb). Die Regelung zur Nichtanrechnung von Zeiten der Rufbereitschaft in § 6 Abs. 2 Satz 1 AZVO NRW steht dem nicht entgegen (dazu cc).
74aa) Maßgeblich ist insoweit das durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf der Grundlage der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) entwickelte Begriffsverständnis, dem der Arbeitszeitbegriff im nationalen Arbeitszeitrecht entspricht.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 20 m. w. N.
76Der Begriff Arbeitszeit wird in Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG definiert als jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie bezeichnet der Begriff Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.
77Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass diese beiden Begriffe einander ausschließen. Zeiten des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft eines Arbeitnehmers sind für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, da die Richtlinie keine Zwischenkategorie vorsieht. Außerdem sind beide Begriffe anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie 2003/88/EG zu bestimmen. Denn nur eine solche autonome Auslegung vermag die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung dieser Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Daher dürfen die Mitgliedstaaten trotz der Bezugnahme auf die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ in Art. 2 RL 2003/88/EG den Inhalt dieser Begriffe nicht unilateral festlegen, indem sie den Anspruch auf ordnungsgemäße Berücksichtigung der Arbeitszeiten und dementsprechend der Ruhezeiten, der den Arbeitnehmern durch diese Richtlinie unmittelbar zuerkannt wird, irgendwelchen Bedingungen oder Beschränkungen unterwerfen.
78Vgl. zuletzt EuGH, Urteile vom 9.3.2021 ‑ C‑580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 29 ff., und ‑ C-344/19 -, NZA 2021, 485 = juris Rn. 28 ff.
79Für die Abgrenzung der beiden Kategorien hat der Gerichtshof der Europäischen Union in mehreren Entscheidungen Kriterien formuliert.
80So hat der Gerichtshof zum einen in Bezug auf Bereitschaftszeiten an Arbeitsplätzen, die sich nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers befanden, festgestellt, für das Vorliegen der charakteristischen Merkmale des Begriffs Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei es entscheidend, dass der Arbeitnehmer persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können.
81Vgl. EuGH, Urteile vom 1.12.2005 - C-14/04 -, DVBl 2006, 174 = juris Rn. 48, vom 9.9.2003 ‑ C‑151/02 -, NZA 2003, 1019 = juris Rn. 63, und vom 3.10.2000 - C-303/98 -, EuZW 2001, 53 = juris Rn. 48.
82Hierzu hat der Gerichtshof später klargestellt, dass unter Arbeitsplatz jeder Ort zu verstehen sei, an dem der Arbeitnehmer nach Weisung seines Arbeitgebers eine Tätigkeit auszuüben habe, auch wenn es sich nicht um den Ort handele, an dem er seine berufliche Tätigkeit gewöhnlich ausübe.
83Vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 -, NZA 2021, 485 = juris Rn. 34.
84Diese Erwägungen hat der Gerichtshof im Weiteren dahingehend ergänzt, dass auch, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend sein müsse, aber an einem anderen von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort (etwa seiner Wohnung), eine Bereitschaftszeit in Form einer Rufbereitschaft insgesamt als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen sein könne. Dies sei der Fall, wenn sie sich angesichts objektiv vorhandener und ganz erheblicher Auswirkungen der dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf seine Möglichkeiten, frei über seine Zeit zu verfügen und eigenen Interessen nachzugehen, von einem Zeitraum unterscheide, in dem der Arbeitnehmer lediglich für seinen Arbeitgeber erreichbar sein müsse.
85Vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 -, NJW 2018, 1073 = juris Rn. 61 bis 66.
86Diesen Ansatz wiederum erweiternd hat der Gerichtshof in seiner jüngsten Rechtsprechung betont, dass unter den Begriff Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG - ungeachtet einer Aufenthaltsvorgabe des Arbeitsgebers - sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften fielen, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Umgekehrt soll, wenn die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad erreichen und es ihm erlauben, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, nur die Zeit, die auf die gegebenenfalls während eines solchen Zeitraums tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entfällt, Arbeitszeit für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG darstellen. Insoweit seien allerdings nur solche Einschränkungen berücksichtigungsfähig, die dem Arbeitnehmer, sei es durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber, insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans, auferlegt werden. Organisatorische Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit für den Arbeitnehmer mit sich bringen könne und die sich nicht aus solchen Einschränkungen ergebe, sondern z. B. die Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers seien, könnten dagegen nicht berücksichtigt werden.
87Vgl. EuGH, Urteile vom 9.3.2021 - C-580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 38 ff., und ‑ C‑344/19 ‑, NZA 2021, 485 = juris Rn. 28 ff.
88Hierbei sei insbesondere zu beachten, über wieviel Zeit der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes verfüge, um seine beruflichen Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Aufforderung durch seinen Arbeitgeber aufzunehmen, gegebenenfalls in Verbindung mit der durchschnittlichen Häufigkeit der Einsätze, zu denen der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums tatsächlich herangezogen werde.
89Dabei müssten erstens die Konsequenzen berücksichtigt werden, die sich aus der Kürze der Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer im Einsatzfall die Arbeit aufzunehmen habe, wozu er sich in der Regel an seinen Arbeitsplatz begeben müsse, für seine Möglichkeit ergäben, seine Zeit frei zu gestalten. Insoweit hebt der Gerichtshof hervor, dass eine Bereitschaftszeit, in der ein Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen und sozialen Aktivitäten planen könne, a priori keine Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei. Umgekehrt sei eine Bereitschaftszeit, in der die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten betrage, grundsätzlich in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten werde, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen.
90Vgl. EuGH, Urteile vom 9.3.2021 - C-580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 45 ff., und ‑ C‑344/19 ‑, NZA 2021, 485 = juris Rn. 46 ff.
91Auch in einem solchen Fall sei jedoch zunächst eine konkrete Würdigung der übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf der einen Seite sowie der ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen auf der anderen Seite vorzunehmen. Bei den Einschränkungen im Zusammenhang mit dieser Reaktionsfrist sei u. a. von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei, weil er wegen der möglichen Inanspruchnahme durch seinen Arbeitgeber zu Hause bleiben müsse, oder ob er eine spezielle Ausrüstung mitführen müsse, wenn er sich nach einem Anruf an seinem Arbeitsplatz einzufinden habe. Desgleichen sei im Rahmen der dem Arbeitnehmer gewährten Erleichterungen von Bedeutung, ob ihm ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt werde, mit dem Sonderrechte gegenüber der Straßenverkehrsordnung und Wegerechte in Anspruch genommen werden können, oder ob er die Möglichkeit habe, der Inanspruchnahme durch seinen Arbeitgeber ohne Ortsveränderung nachzukommen.
92Vgl. EuGH, Urteile vom 9.3.2021 - C-580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 48 f., und - C-344/19 -, NZA 2021, 485 = juris Rn. 49.
93Zweitens müsse neben der Frist, über die der Arbeitnehmer verfüge, um seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, berücksichtigt werden, wie oft er im Durchschnitt während seiner Bereitschaftszeiten normalerweise tatsächlich Leistungen zu erbringen habe, wenn insoweit eine objektive Schätzung möglich sei. Wenn der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen werde und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer seien, handele es sich bei den Bereitschaftszeiten grundsätzlich insgesamt um Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Der Gerichtshof begründet dies damit, dass ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaftszeit im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten habe, über einen geringeren Spielraum verfüge, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen würden. Dies gelte umso mehr, wenn die Einsätze, die dem Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeit normalerweise abverlangt würden, von nicht unerheblicher Dauer seien. Umgekehrt führe allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt nur selten in Anspruch genommen werde, jedoch nicht dazu, dass diese als Ruhezeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen seien, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen habe, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen würden, objektiv gesehen ganz erheblich einzuschränken.
94Vgl. EuGH, Urteile vom 9.3.2021 - C-580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 50 ff., und ‑ C‑344/19 ‑, NZA 2021, 485 = juris Rn. 51 ff.
95Hinzu komme, dass die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen eine zusätzliche beschränkende Wirkung in Bezug auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers, diese Zeit frei zu gestalten, haben könne. Die sich daraus ergebende Ungewissheit könne nämlich diesen Arbeitnehmer in Daueralarmbereitschaft versetzen.
96Vgl. EuGH, Urteil vom 9.9.2021 - C-107/19 -, NJW 2021, 3173 = juris Rn. 41.
97Dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gefolgt. Es hat entsprechend festgestellt, dass zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls die Auswirkung der Reaktionsfrist gehört, sowie die Häufigkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen und deren Unvorhersehbarkeit. Die den Ruhepausen immanenten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht seien bei der Gesamtwürdigung dagegen außer Acht zu lassen.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 10.
99Auch der Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers und die von ihm konkret zu erledigenden Aufgaben seien nicht von Bedeutung.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.4.2022 - 2 B 8.21 -, Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 243 = juris Rn. 22 m. w. N.
101Insoweit ist die vom Verwaltungsgericht angenommene Divergenz zwischen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union hinsichtlich der Berücksichtigung der (unvorhersehbaren) Natur der Einsätze im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes bzw. einer Rufbereitschaft nicht (mehr) festzustellen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diesbezüglich - wie ausgeführt - in seinem Urteil vom 9.9.2021 - C-107/19 - entschieden, dass die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung als ein die Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitnehmers beschränkendes Kriterium zu berücksichtigen sei, da die sich daraus ergebende Ungewissheit den Arbeitnehmer in Daueralarmbereitschaft versetzen könne.
102bb) Nach diesen Maßstäben sind die Alarmbereitschaftsdienstzeiten des Klägers als Arbeitszeit zu qualifizieren mit der Folge, dass diese Zeiten bei der Berechnung der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen sind. Zwar hatte sich der Kläger während der Alarmbereitschaftsdienstzeiten nicht an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort bereitzuhalten (dazu (1)). Allerdings ergibt eine Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls, dass die dem Kläger während der Alarmbereitschaftsdienstzeiten auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beeinträchtigten, sich in dieser Zeit zu entspannen und eigenen Interessen zu widmen (dazu (2)).
103(1) Die Einstufung der Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit folgt hier nicht bereits aus einer Vorgabe der Beklagten, dass der Kläger persönlich an einem bestimmten Ort anwesend sein und zur Verfügung stehen musste, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Denn der Kläger musste sich während dieser Zeiten nicht an einem einzigen Ort, insbesondere nicht an seinem Arbeitsplatz oder in seiner Wohnung aufhalten. Zwar war seine Bewegungsfreiheit durch die Vorgabe, dass er sich in einem Radius von 12 km um die X. im Stadtgebiet der Beklagten aufhalten musste, durchaus beschränkt. Diese Form der räumlichen Beschränkung ist, da kein spezifischer Ort für die Aufnahme der Arbeitstätigkeit bestimmt wird, aber keine Bestimmung des Arbeitsortes im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung.
104Vgl. VG Bremen, Urteil vom 24.10.2023 - 6 K 3875/16 -, juris Rn. 52.
105Sie ist allerdings im Rahmen der Gesamtwürdigung der dem Kläger auferlegten Beschränkungen zu berücksichtigen.
106(2) Anhand dieser Gesamtwürdigung ist festzustellen, dass dem Kläger Einschränkungen von solcher Art auferlegt wurden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen wurden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Kläger in der AAO in ihrer jeweils gültigen Fassung vorgegeben wurde, er müsse „sofort ausrücken können“ (vgl. Ziffer 3.3 AAO 2012, Ziffer 3.3 AAO 2017, Ziffer 3.1.4 AAO 2022). Des Weiteren wurde für Fahrzeuge des Brandschutzes allgemein eine Ausrückzeit von 60 (Ziffer 14 AAO 2012) bzw. 90 Sekunden (Ziffern 3.3 und 14 AAO 2017, Ziffer 13 AAO 2022) bestimmt. In Ziffer 3.3 AAO 2017 wurde überdies als Klammerzusatz zu dem Begriff „sofort“ ausdrücklich die Ausrückzeit von 90 Sekunden aufgeführt. Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass die Ausrückzeit in allen Fassungen der AAO zur näheren Bestimmung des Begriffs „sofort“ heranzuziehen ist. Der Umstand, dass die anderen Fassungen der AAO diesen Bezug nicht ausdrücklich herstellen, rechtfertigt keinen gegenteiligen Schluss. Die ausdrückliche Nennung in der AAO 2017 dürfte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass in der AAO 2017 die Ausrückzeit von 60 auf 90 Sekunden erhöht worden ist, so dass ein klarstellender Zusatz dazu, dass unter „sofort“ nicht etwa (weiterhin) eine Zeitspanne von 60 Sekunden zu verstehen war, in dieser Fassung für notwendig erachtet wurde. Die Beklagte bestreitet im Übrigen nicht, dass die allgemein festgelegte Ausrückzeit zur Bestimmung der Pflicht zum sofortigen Ausrücken im Rahmen des Hintergrunddienstes heranzuziehen ist.
107Soweit die Beklagte einwendet, die Ausrückfrist stelle keine absolute Zeitvorgabe, sondern nur einen Richtwert dar, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Wortlaut der oben genannten Bestimmungen bietet für ein derartiges Verständnis keinerlei Anhalt. In der AAO in all ihren Fortschreibungen wird die Ausrückzeit vielmehr explizit als „maximale“ Frist angegeben. Überdies wird - anders als für Notarzteinsatzfahrzeuge - auch keine längere Frist für „Ausnahmefälle“ aufgeführt. Aufgrund welcher Zusammenhänge vor diesem Hintergrund die vorgegebene Ausrückzeit von 90 Sekunden für den Kläger im Rahmen von Alarmbereitschaftsdienstzeiten nicht gelten bzw. die für den Hintergrunddienst aufgeführte Pflicht „sofort“ ausrücken zu können im Sinne einer längeren Reaktionszeit zu verstehen sein sollte, hat die Beklagte weder nachvollziehbar dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Dies folgt insbesondere nicht aus dem Verweis auf die im Brandschutzbedarfsplan der Beklagten für Einsatzkräfte der Feuerwehr vorgegebene Hilfsfrist von 14,5 Minuten. Dass diese Frist, die die Entdeckungs- und Dispositionszeit, die Zeit zum Ausrücken sowie die Fahrtzeit zum Einsatzort umfasst, regelmäßig und vorhersehbar eine längere Ausrückzeit zuließe, ist nicht erkennbar, zumal auch im Brandschutzbedarfsplan festgelegt ist, dass die Ausrückzeit 60 Sekunden beträgt und 90 Sekunden nicht überschreiten soll. Die Beklagte hat darüber hinaus in Kenntnis der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Fragestellung im Rahmen der Fortschreibungen der AAO bis auf die Verlängerung der Ausrückzeit von 60 auf 90 Sekunden mit der 1. Fortschreibung keine weiteren Anpassungen der Vorgaben für den Hintergrunddienst vorgenommen.
108Aus der Kürze dieser Frist ergaben sich zwangsläufig gewichtige Einschränkungen für die Möglichkeit der Planung und Wahrnehmung von Freizeitaktivitäten durch den Kläger. Zu Recht verweist der Kläger darauf, dass alle Freizeitgestaltungen ausschieden, bei denen er sein Dienstfahrzeug nicht innerhalb von maximal 90 Sekunden erreichen konnte, beispielsweise jegliche Art der Fortbewegung in freier Natur (Joggen, Fahrrad fahren, Spazierengehen, Wandern) sowie Schwimmen und das Ausführen von Hunden oder der Besuch von Läden, Sport-, Kultur- oder Veranstaltungsstätten ohne Parkmöglichkeit in unmittelbarer Nähe. Auch Aktivitäten, die nicht ohne Weiteres unverzüglich abgebrochen werden können, wie etwa Restaurantbesuche, Kochen, bestimmte handwerkliche Tätigkeiten und die alleinige Betreuung aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Menschen, waren ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass in den Zeiten der Alarmbereitschaft regelmäßig ohnehin auch andere (erwachsene) Haushaltsangehörige vor Ort sind, die entsprechende (Betreuungs-)Tätigkeiten im Falle einer Alarmierung sofort übernehmen können. Die Sicherstellung der Anwesenheit für den Fall der Alarmierung erforderte vielmehr wiederum erhebliche Einschränkungen dieser Personen in der Ausgestaltung ihrer eigenen beruflichen und privaten Aktivitäten. Selbst ein Teil der verbleibenden Möglichkeiten der Freizeitgestaltung waren erheblichen Einschränkungen unterworfen: So standen etwa Treffen mit Freunden, Arzttermine (die entgegen der Einschätzung der Beklagten nach allgemeiner Lebenserfahrung im Übrigen zu einem Großteil nicht mit einer Dienstunfähigkeit einhergehen) u. ä. oder kostenpflichtige Veranstaltungen wie Kino- oder Konzertbesuche unter dem dauerhaften Vorbehalt des jederzeit möglichen Abbruchs.
109Da der Kläger vor diesem Hintergrund während der Alarmbereitschaftsdienstzeiten in der Praxis weitgehend davon abgehalten wurde, auch nur kurzzeitige Freizeitaktivitäten zu planen, sind diese grundsätzlich in vollem Umfang als Arbeitszeit anzusehen.
110Die Würdigung der übrigen dem Kläger auferlegten Einschränkungen auf der einen Seite sowie der ihm während des Alarmbereitschaftsdienstes gewährten Erleichterungen auf der anderen Seite rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Als zu der Kürze der Reaktionsfrist hinzukommende Einschränkungen fallen hier die Beschränkung des Bewegungsradius des Klägers und die Sicherstellung der ständigen Erreichbarkeit mittels Mobiltelefon oder Funkempfänger ins Gewicht. Durch den vorgegebenen Radius von 12 km um einen zentralen Punkt im Stadtgebiet der Beklagten wurde die Gestaltungsfreiheit des Klägers zusätzlich beschränkt, indem auch die angesichts der kurzen Reaktionsfrist verbleibenden Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, etwa Besuche von Freunden oder Angehörigen, auf diesen räumlichen Bereich begrenzt waren. Die Sicherstellung der permanenten Erreichbarkeit bedingte weitere Einschränkungen sowohl hinsichtlich der Orte, die aufgesucht werden konnten, als auch hinsichtlich der ausführbaren Tätigkeiten. Auf der anderen Seite wurde dem Kläger eine Erleichterung in Form der Zurverfügungstellung eines Dienstfahrzeugs gewährt, in dem zudem auch Nicht-Feuerwehrangehörige mitgenommen werden durften. Dass der Kläger mit dem Fahrzeug auch Sonderrechte nach § 35 StVO wahrnehmen konnte, fällt im Streitfall nicht entscheidend ins Gewicht, da diese für die Einhaltung der Ausrückzeit keinen Vorteil gewährten. Des Weiteren wurden die durch die Erlaubnis zur Mitnahme von anderen Personen gewährten Erleichterungen dadurch geschmälert, dass - wie die Beklagte bestätigt hat - deren weitere Mitnahme im Falle einer Alarmfahrt ausschied. Im Fall einer Alarmierung hätten mitgenommene Personen das Fahrzeug daher sofort - genauer: innerhalb von maximal 90 Sekunden - verlassen bzw. an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort verbleiben und sich selbst eine Gelegenheit für die Rück- bzw. Weiterfahrt organisieren müssen. Der Vortrag des Klägers, dass praktisch in vielen Fällen nur die Mitnahme eines Privatwagens durch eine weitere Person in Betracht kam, ist vor diesem Hintergrund plausibel. Der Umstand, dass die Alarmbereitschaftsdienstzeiten zu einem größeren Teil während der Abend- und Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen stattfanden und nach Auffassung der Beklagten die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zu diesen Zeiten ohnehin begrenzt waren, kann nicht als weitere - jedenfalls nicht als ergebnisändernde - Vergünstigung gewertet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es für die Einordnung als Arbeits- oder Freizeit irrelevant, inwieweit es sich um Zeiten nach dem regulären Dienstschluss, an Wochenenden oder an Feiertagen handelt.
111Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.4.2022 - 2 B 8.21 -, Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 243 = juris Rn. 20.
112Dass die Zeiten des Bereitschaftsdienstes außerhalb der üblichen bzw. regelmäßigen Arbeitszeiten liegen, stellt vielmehr den Regelfall dar.
113Die gewährten Erleichterungen vermochten demnach die Intensität der Einschränkungen für die Gestaltung der Freizeitaktivitäten des Klägers während der Zeit der Alarmbereitschaft jedenfalls nicht entscheidend abzumildern.
114Aufgrund der erheblichen Einschränkungen, die sich für den Kläger aus der für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegten Frist ergaben, kommt es darüber hinaus nicht entscheidend darauf an, wie oft er im Durchschnitt während seiner Alarmbereitschaftsdienstzeiten normalerweise tatsächlich Leistungen zu erbringen hatte. Denn selbst wenn der Kläger während dieser Zeiten nur selten in Anspruch genommen worden wäre, hätte dies nicht zur Folge, dass die Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Ruhezeiten anzusehen wären. Die Alarmierungen erfolgten jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht nur selten. Nach den - die Anzahl der Alarmierungen betreffend unwidersprochenen - Angaben des Klägers wurde er im Jahr 2019 in 15 von 29 Diensten alarmiert (was einer Quote von 51,72 % entspricht), im Jahr 2020 in 7 von 18 Diensten (38,89 %), im Jahr 2021 in 9 von 34 oder 35 (insoweit gehen die Angaben auseinander) Diensten (26,47 % bzw. 25,71 %) und im Jahr 2022 in 23 von 38 Diensten (60,53 %). Hieraus folgt für den Zeitraum 2019 bis 2022 eine durchschnittliche Alarmierungsquote von 44,21 % bis 44,4 %. Ungeachtet der Frage, ab welcher Quote eine derart häufige Inanspruchnahme gegeben ist, dass diese (im Falle einer nicht unerheblichen Dauer der jeweiligen Einsätze) für sich genommen bereits eine Qualifizierung als Arbeitszeit begründen kann, und auf welchen Referenzzeitraum für die Bemessung dieser Quote abzustellen ist,
115vgl. dazu - auf ein „Dreijahresmittel“ abstellend - EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 -, NZA 2021, 489 = juris Rn. 13 und 54,
116ist eine Alarmierung in durchschnittlich annähernd der Hälfte der Dienste jedenfalls nicht als selten anzusehen.
117Aus der Natur der potentiellen Einsätze des Klägers als Feuerwehrbeamter im Hintergrunddienst folgt darüber hinaus, dass Zeitpunkt und Häufigkeit der Alarmierung in hohem Maße unvorhersehbar waren. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der kurzen Reaktionsfrist ist in diesem Fall besonders naheliegend ‑ und von dem Kläger hinreichend dargelegt -, dass die hieraus folgende Daueralarmbereitschaft eine zusätzliche beschränkende Wirkung in Bezug auf seine Möglichkeit hatte, die Zeiten der Alarmbereitschaft frei zu gestalten und diese Zeit zur Entspannung zu nutzen.
118cc) Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass § 6 Abs. 2 Satz 1 AZVO NRW die Anrechnung von Zeiten der Rufbereitschaft im Sinne von Absatz 1 der Vorschrift als Arbeitszeit ausschließt. Dabei kann in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob die Norm im Streitfall überhaupt anwendbar ist. Soweit sie auch Rufbereitschaftszeiten im Sinne der Norm betrifft, die - wie hier - nach dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG einzustufen sind, verstößt die Regelung jedenfalls gegen Unionsrecht, das nach dem oben Ausgeführten die Anrechnung der Zeiten gerade gebietet, und hat deshalb außer Anwendung zu bleiben.
119Vgl. betreffend § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (AZV) in der Fassung vom 23.2.2006 BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 14.
120b) Sind demnach die von dem Kläger geleisteten Alarmbereitschaftsdienste vollständig als Arbeitszeit zu qualifizieren, hat der Kläger - allerdings in geringerem Umfang, als von ihm geltend gemacht - im streitgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig Zuvielarbeit geleistet. Seine Arbeitszeit hat die zulässige Höchstarbeitszeit (dazu aa) in zahlreichen der maßgeblichen Bezugszeiträume (dazu bb) überschritten.
121aa) Für den Kläger gilt entgegen seiner Auffassung eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden. Auf die von ihm zugrunde gelegte Regelarbeitszeit von 41 Stunden kann insoweit nicht abgestellt werden.
122Dabei kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich der AZVOFeu NRW eröffnet ist, weil der Dienst des Klägers, der zu einem großen Anteil aus regelmäßigem Tagdienst und zu einem weiteren Anteil aus dem in Schichten verrichteten Hintergrunddienst besteht, insgesamt als Schichtdienst im Sinne von § 1 Abs. 1 AZVOFeu NRW einzuordnen ist, oder ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit des Klägers nach den Vorgaben der AZVO NRW zu bestimmen ist.
123(1) Ausgehend von der Anwendbarkeit der AZVOFeu NRW ergibt sich aus § 2 AZVOFeu NRW schon eine regelmäßige Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche. Nach dieser Vorschrift beträgt die regelmäßige Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes, die in Schichten Dienst leisten, unter Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes wöchentlich einschließlich Mehrarbeitsstunden im Jahresdurchschnitt 48 Stunden (zum zutreffenden Bezugszeitraum noch unten A. II. 2. b) bb).
124Dabei hat die von dem Kläger mit dem damaligen Leitenden Branddirektor auf der Grundlage von § 5 AZVOFeu NRW geschlossenen - und die Anwendbarkeit der AZVOFeu NRW demnach voraussetzenden - „Vereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung bei der Berufsfeuerwehr I.; freiwillige Leistung von Mehrarbeit“ vom 15.8.2019 nicht zu einer wirksamen Erhöhung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach § 2 AZVOFeu NRW geführt.
125Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches „Opt-out“ ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur zulässig, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und der Mitgliedstaat mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) der Richtlinie genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt, keinem Arbeitnehmer entstehen Nachteile daraus, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten, der Arbeitgeber führt aktuelle Listen über alle Arbeitnehmer, die eine solche Arbeit leisten, die Listen werden den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt, die aus Gründen der Sicherheit und/oder des Schutzes der Gesundheit der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unterbinden oder einschränken können, und der Arbeitgeber unterrichtet die zuständigen Behörden auf Ersuchen darüber, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.
126Keiner Entscheidung bedarf hier, ob die Regelung in § 5 AZVOFeu NRW diesen Vorgaben entsprach bzw. entspricht.
127Vgl. zu vergleichbaren Fragestellungen OVG Bln.-Bbg., Urteil vom 18.6.2015 - OVG 6 B 26.15 -, juris Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2019 - 1 A 713/16 -, juris Rn. 3.
128Denn jedenfalls erfüllt die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung nicht die Voraussetzungen des § 5 AZVOFeu NRW. Nach § 5 Abs. 1 AZVOFeu NRW kann unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes über den Rahmen des § 2 Abs. 1 AZVOFeu NRW hinaus Schichtdienst als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit geleistet werden, wenn a) die oder der Betroffene sich hierzu bereit erklären, b) der Beamtin oder dem Beamten im Falle der Nichtbereitschaft zur Überschreitung der Regelarbeitszeit keine Nachteile entstehen, c) der Dienstherr aktuelle Listen über alle Beamtinnen und Beamten führt, die sich zu einer verlängerten Arbeitszeit bereit erklärt haben, d) die Listen den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit anlassbezogen unterbinden oder einschränken können, zur Verfügung gestellt werden, e) der Dienstherr auf Ersuchen die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden über die Beamtinnen und Beamten unterrichtet, die eine Erklärung i. S. d. Buchst. a) abgegeben haben. Nach Absatz 2 der Norm kann die Erklärung zum Ablauf des Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Die Beamtin oder der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen.
129Bereits die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchst. c), d) und e) sind hier nach eigenen Angaben der Beklagten nicht erfüllt. Darüber hinaus ist die Vereinbarung nicht hinreichend bestimmt. Sie verweist zum einen auf § 5 AZVOFeu NRW, bezieht sie sich ihrem Wortlaut nach zum anderen aber auf die Leistung von „finanziell vergüteter Mehrarbeit“. Vereinbarungen betreffend die Leistung von Mehrarbeit im Sinne von § 10 AZVO NRW, d. h. eine vorübergehend über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, sind von § 5 AZVOFeu NRW indes gar nicht erfasst. § 5 AZVOFeu NRW schafft vielmehr eine Grundlage für Vereinbarungen über die Erweiterung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 2 AZVOFeu NRW. Im Ergebnis bleibt unklar, welche Rechtsfolge durch die Vereinbarung überhaupt herbeigeführt werden sollte.
130(2) Hält man die Arbeitszeitverordnung Feuerwehr nicht für einschlägig, ist nach § 1 Abs. 2 AZVOFeu NRW auf die Regelungen der Arbeitszeitverordnung zurückzugreifen.
131Nach § 2 Abs. 1 AZVO NRW beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres durchschnittlich 41 Stunden. Für den Fall, dass Beamte Bereitschaftsdienst leisten, ergibt sich indes aus § 7 Satz 2 und 3 AZVO NRW, dass die regelmäßige Arbeitszeit im angemessenen Verhältnis verlängert werden kann und 48 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt nicht überschreiten darf. Die Grenze von 48 Stunden pro Woche gilt im Übrigen auch für den Fall von angeordneter Mehrarbeit (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 3 AZVO NRW). Diese Höchstarbeitszeit ergibt sich sowohl für Beamte, die Bereitschaftsdienst leisten, als auch für Fälle der Mehrarbeit darüber hinaus unmittelbar aus § 60 Abs. 2 LBG NRW.
132Zwar erfasst die in § 7 AZVO NRW enthaltene Definition von Bereitschaftsdienst (in Abgrenzung zur Rufbereitschaft) die Alarmbereitschaftsdienstzeiten des Klägers nicht unmittelbar, da diese vorsieht, dass der Beamte sich an einer vom Dienstvorgesetzten bestimmten Stelle aufhalten muss. Die darin getroffene Regelung über die Höchstarbeitszeit ist hier - soweit nicht bereits die Arbeitszeitverordnung Feuerwehr einschlägig sein sollte - jedoch entsprechend anwendbar.
133Dies beruht auf der Feststellung, dass die nationalrechtlich in §§ 6 und 7 AZVO NRW vorgegebenen Begriffsbestimmungen von Rufbereitschaft, die nicht als Arbeitszeit angerechnet wird, und Bereitschaftsdienst, der als Arbeitszeit gilt, nicht mehr in Übereinstimmung mit dem fortentwickelten unionsrechtlichen und nationalen Arbeitszeitbegriff stehen, die - auch vom Bundesverwaltungsgericht für angezeigt erachtete -
134vgl. nur Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 20 m. w. N. -
135Anpassung durch den Verordnungsgeber indes bis heute ausgeblieben ist. Die Vorgabe eines bestimmten Aufenthaltsortes ist danach nämlich - wie oben ausgeführt - keine zwingende Voraussetzung für die Einstufung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit. Beruft sich der Kläger nun gerade darauf, dass die von ihm geleisteten Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit zu gelten haben und entsprechend in Freizeit auszugleichen bzw. finanziell zu entschädigen sind, muss diese Qualifizierung auch für die Bestimmung der maßgeblichen Höchstarbeitszeit zugrunde gelegt werden. Hielte man im Rahmen der Bestimmung der maßgeblichen Höchstarbeitszeit - im Widerspruch zur obigen Bewertung - daran fest, die Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Rufbereitschaft im Sinne des § 6 AZVO NRW und damit nicht als Arbeitszeit einzuordnen, führte dies zu einer ungerechtfertigten doppelten Begünstigung des Klägers, die von dem auf Billigkeitserwägungen gestützten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht bezweckt ist. Denn für den Fall des Hinzutretens von als Arbeitszeit einzustufenden Bereitschaftszeiten zu einem regelmäßigen Dienst sehen die aufgeführten Regelungen der AZVO NRW die Erhöhung der Höchstarbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche vor. Dies erscheint auch gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass Bereitschaftsdienst, wenngleich er als Arbeitszeit einzuordnen ist, weniger Belastungen mit sich bringt als der Regeldienst, in dem die Arbeitsleistung nicht nur im Bedarfsfall, sondern andauernd zu erbringen ist.
136Angemerkt sei, dass, ginge man abweichend vom Vorstehenden von einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 41 Stunden aus, bis zu einer Höchstarbeitszeit von 48 Stunden für die Ermittlung der Zuvielarbeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bezogen auf einen Zeitraum von 52 Wochen maßgeblich wäre (§ 2 Abs. 5 AZVO NRW). Die Festlegung jenes Bezugszeitraums (siehe dazu noch unten A. II. 2. b) bb) ist insoweit unionsrechtlich unbedenklich, weil die Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG unterhalb einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden noch nicht Platz greifen. Zum anderen käme - wollte man die Alarmbereitschaftsdienstzeiten nicht als Bereitschaftsdienst im Sinne des § 7 AZVO NRW, sondern als Rufbereitschaft im Sinne des § 6 AZVO NRW ansehen - ein höherer Entschädigungsanspruch auch deshalb nicht in Betracht, weil dann - soweit es die über die Wochenarbeitszeit von 41 und bis zur Wochenarbeitszeit von 48 Stunden geleisteten Dienste angeht - Erfüllung eingetreten wäre (vgl. dazu A. II. 3. b). Der dann nur auf Freizeitausgleich zu einem Achtel gerichtete Anspruch (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 AZVO NRW) hätte sich in einen entsprechenden Entschädigungsanspruch gewandelt,
137vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.7.2012 - 2 C 70.11 ‑, IÖD 2012, 233 = juris Rn. 28 ff.,
138den die Beklagte erfüllt hätte.
139bb) Die Bemessung der rechtswidrigen, über 48 Stunden hinausgehenden Zuvielarbeit bestimmt sich nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum. Abzustellen ist insoweit in Ermangelung unionsrechtskonformer nationaler Regelungen auf Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG. Nach dieser Norm treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Die Norm sieht die Berechnung der höchstens zulässigen Arbeitszeit demnach als Durchschnittswert in einem Bezugszeitraum von sieben Tagen vor. Nach Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 1 RL 2003/88/EG können die Mitgliedstaaten für die Anwendung des Art. 6 einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten vorsehen. Ausnahmsweise kann der Bezugszeitraum in bestimmten Fällen gemäß Art. 17 Abs. 3 (Besondere Tätigkeiten) und 18 (Tarifverträge) RL 2003/88/EG noch weiter verlängert werden. Gemäß Art. 19 RL 2003/88/EG darf die in Artikel 17 Absatz 3 und in Artikel 18 vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von Artikel 16 Buchst. b) jedoch nicht die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben, der länger ist als sechs bzw. unter besonderen Voraussetzungen zwölf Monate.
140Vorliegend existiert keine nationale Rechtsnorm im Sinne des Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 1 RL 2003/88/EG, die den Bezugszeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie wirksam verlängert hat. Zwar ist für Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes im Land Nordrhein-Westfalen in § 2 AZVOFeu NRW bzw. in §§ 2, 7 AZVO NRW (zur Anwendbarkeit siehe unter A. II. 2. b) aa) geregelt, dass die wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf (Hervorhebung nur hier). Entsprechend knüpft auch § 60 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW in allen im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Normfassungen an die wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt an. Diese nationalen Regelungen stehen jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG und müssen daher insoweit unangewendet bleiben. Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG erlaubt die Erweiterung des Bezugszeitraums lediglich auf bis zu vier Monate. Eine darüberhinausgehende Erweiterung begrenzt Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG auf sechs Monate. Die maximal mögliche Erweiterung auf zwölf Monate ist ausschließlich in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen zulässig (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG), worunter die oben genannten Bestimmungen offensichtlich nicht fallen.
141Vgl. zu vergleichbaren Bestimmungen bzw. § 60 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW 2009 BVerwG, Urteile vom 17.2.2022 - 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 10 ff., und vom 20.7.2017 - 2 C 31.16 -, DVBl 2018, 248 = juris Rn. 53 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2019 - 1 A 713/16 -, juris Rn. 3.
142Aus der von dem Kläger mit dem damaligen Leitenden Branddirektor geschlossenen „Vereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung bei der Berufsfeuerwehr I.; freiwillige Leistung von Mehrarbeit“ vom 15.8.2019 ergibt sich - ungeachtet der Frage, ob diese überhaupt hinreichend bestimmt einen von dem Siebentageszeitraum abweichenden Bezugszeitraum festlegt - aus den schon oben aufgeführten Gründen ebenfalls keine wirksame Erweiterung des Bezugszeitraums.
143Die Berücksichtigung des in den nationalen Vorschriften vorgesehenen Jahreszeitraums, der die Möglichkeit einer auf diesen Gesamtzeitraum bezogenen Verrechnung von in einzelnen Wochen geleisteten Zuvielarbeitsstunden eröffnet, ist demnach nur zulässig, soweit eine Überschreitung der unionsrechtlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche nicht erfolgt.
144Die tatsächliche Arbeitszeit des Klägers überstieg in den nach alledem maßgeblichen Siebentageszeiträumen regelmäßig die maßgebliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Für diese Zuvielarbeit steht dem Kläger dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch zu.
1453. Rechtsfolge des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen rechtswidriger Zuvielarbeit ist ein zeitlicher Ausgleich in angemessenem Umfang. Angemessen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Freizeitausgleich in vollem Umfang (1:1). Eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes wäre kein voller Ausgleich für Zuvielarbeit über die wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus und würde dem Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Arbeitszeitregelung widersprechen, die die wöchentliche Höchstarbeitszeit zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festgelegt hat.
146Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 ‑, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 29, vom 17.2.2022 - 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 31, und vom 26.7.2012 - 2 C 29.11 -, BVerwGE 143, 381 = juris Rn.14, 40, sowie Beschluss vom 20.10.2020 - 2 B 36.20 -, KommJur 2021, 67 = juris Rn. 24.
147Der vorrangige Anspruch auf Ausgleich durch Freizeit hat sich im Falle des Klägers in einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung umgewandelt (dazu a). Dieser Anspruch ist vorliegend nicht aufgrund der bereits erfolgten Vergütung für Zeiten der Alarmbereitschaft vollständig erloschen (dazu b). Die Entschädigung für die konkret zu errechnende Zuvielarbeit (dazu c) ist in Anlehnung an die zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Stundensätze der Mehrarbeitsvergütung zu bemessen (dazu d). Der Anspruch des Klägers ist schließlich angesichts des erklärten Verzichts der Beklagten auf die Einrede der Verjährung nicht verjährt.
148a) Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers hat sich für den in der Vergangenheit liegenden streitgegenständlichen Zeitraum in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich umgewandelt.
149Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist vorrangig auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Der Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen. Scheidet aber die Gewährung von Freizeitausgleich aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden, zwingenden dienstlichen Gründen aus, so gehen die entstandenen Ansprüche nicht unter, sondern wandeln sich in solche auf finanziellen Ausgleich um.
150Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.10.2020 ‑ 2 B 36.20 -, KommJur 2021, 67 = juris Rn. 24, und Urteil vom 20.7.2017 - 2 C 31.16 -, BVerwGE 159, 245 = juris Rn. 51 f.
151Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abzustellen, ob Freizeitausgleich innerhalb eines Jahres gewährt werden kann. Zwingende dienstliche Gründe liegen nur dann vor, wenn die Dienstbefreiung mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs führen würde.
152Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2020 - 2 B 36.20 -, KommJur 2021, 67 = juris Rn. 24, MVergV), und Urteil vom 26.7.2012 - 2 C 29.11 -, BVerwGE 143, 381 = juris Rn. 35 f.
153Die Beklagte hat hierzu dargelegt, dass die Gewährung von Freizeitausgleich wegen der vorhandenen knappen Personaldecke prinzipiell nur in eng begrenzten, individuell abzusprechenden Ausnahmefällen möglich sei, insbesondere etwa direkt vor dem Ruhestandseintritt; ansonsten könne nicht sichergestellt werden, dass alle nötigen Funktionen durchgehend besetzt seien. Dass personelle Unterdeckungen mit der Folge der Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft in den wichtigen Bereichen des Brandschutzes, der Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes nicht akzeptiert werden können, bedarf keiner näheren Erörterung. Würde - so die Beklagte weiter - einzelnen Beamten Freizeitausgleich gewährt, hätte dies zur Folge, dass andere Beamte - ggfs. im Wege weiterer Zuvielarbeit - noch stärker belastet werden müssten. Der Kläger hat diese Gegebenheiten bestätigt.
154Ausgehend von alldem ist die Gewährung von Freizeitausgleich für die streitgegenständlichen Alarmbereitschaftsdienstzeiten ganz überwiegend schon deshalb ausgeschlossen, weil mehr als ein Jahr vergangen ist seit der Kläger sie geleistet hat. Hinsichtlich des geringen verbleibenden Teils ist davon auszugehen, dass die Gewährung von Freizeitausgleich aus nicht vom Kläger zu vertretenden, zwingenden dienstlichen Gründen ausgeschlossen ist.
155b) Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht bereits vollständig erfüllt durch die von der Beklagten nach einer von ihr so genannten „hausinternen Übereinkunft“ - über die Vorgaben in (§ 7 Abs. 1 AZVOFeu NRW i. V. m.) § 6 Abs. 2 AZVO NRW hinausgehend - gewährte Entschädigung für ¼ der von dem Kläger geleisteten Alarmbereitschaftsdienststunden.
156Die Art und Weise der Vergütung von Arbeitnehmern für Bereitschaftszeiten unterliegt zwar nicht den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG, sondern den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts. Die Richtlinie 2003/88/EG beschränkt sich vielmehr mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten Sonderfalls des bezahlten Jahresurlaubs darauf, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 4 und 11 der Richtlinie. Die Richtlinie steht daher der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, eines Tarifvertrags oder einer Entscheidung des Arbeitgebers nicht entgegen, wonach bei der Vergütung eines Bereitschaftsdiensts Zeiten, in denen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden, und Zeiten, in denen keine tatsächliche Arbeit geleistet wird, in unterschiedlicher Weise berücksichtigt werden, selbst wenn diese Zeiten insgesamt als Arbeitszeit für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie anzusehen sind.
157Vgl. EuGH, Urteile vom 9.3.2021 - C-344/19 -, NZA 2021, 485 = juris Rn. 57 ff., und vom 21.2.2018 - C-518/15 -, NJW 2018, 1073 = juris Rn. 24 m. w. N.
158Die Richtlinie 2003/88/EG verlangt demnach nicht, dass ein rein mitgliedstaatlicher Ausgleichsanspruch für die Überschreitung der mitgliedstaatlich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit eine bestimmte Höhe hat. Das Unionsrecht gebietet außerhalb eines Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG keine Gleichbehandlung von Voll- und Bereitschaftsdienst.
159BVerwG, Urteile vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382, juris Rn. 30, vom 17.2.2022 ‑ 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 32, und vom 29.4.2021 - 2 C 18.20 -, BVerwGE 172, 254 = juris Rn. 40, 46.
160Soweit eine Überschreitung der unionsrechtlich vorgegebenen Höchstarbeitszeit nicht erfolgt, kann mithin nationalrechtlich auch ein geringerer als ein vollständiger Ausgleich vorgesehen werden. Ginge man hier von einer Höchstarbeitszeit von 41 Stunden pro Woche aus, so wäre daher - wie erwähnt - auf der Grundlage der bereits geleisteten Entschädigung jedenfalls für die Bereitschaftsstunden, die über 41 Stunden, nicht aber über 48 Stunden hinausgingen, Erfüllung eingetreten. Soweit hingegen die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit überschritten wird und mithin ein arbeitsschutzrechtlicher Fall der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit vorliegt, ist diese nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in vollem Umfang auszugleichen.
161Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.2.2022 - 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 32, betreffend § 3 Abs. 3 Satz 3 AZVOPol NRW in der Fassung vom 12.11.2010, und vom 29.9.2011 ‑ 2 C 32.10 -, BVerwGE 140, 351 = juris Rn. 17.
162Denn eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs führte zu einem Wertungswiderspruch zu den Normzielen des unionsrechtlichen Arbeitszeitrechts. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, in die sowohl Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als auch Überstunden einzurechnen sind, ist zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festgelegt (vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 4 und 11 RL 2003/88/EG). Ein ermäßigter Ausgleich des geleisteten Bereitschaftsdienstes würde diese Schutzziele gefährden. Denn er führte letztlich dazu, dass Überschreitungen der höchstens zulässigen Arbeitszeit, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit vermieden werden sollen, dauerhaft nur teilweise auszugleichen wären, was wiederum - wie im Streitfall - einen Anreiz für die Dienstherren darstellte, zu dieser - für sie finanziell interessanten - Möglichkeit zu greifen. Den betroffenen Beamten würde die Möglichkeit, ihre Dienstfähigkeit durch Freizeitausgleich umfassend wiederherzustellen, teilweise genommen. Mögliche normative Anknüpfungspunkte für eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes im innerstaatlichen Recht sind demgegenüber ohne Bedeutung, da sie der Verpflichtung zuwiderlaufen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen.
163Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 - 2 C 32.10 -, BVerwGE 140, 351 = juris Rn. 17.
164c) Die von dem Kläger in der Zeit ab dem 1.2.2019 bis zum 31.12.2023 erbrachte rechtswidrige Zuvielarbeit ist konkret zu ermitteln. Dabei müssen Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben bzw. neutral sein, vgl. Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, § 2 Abs. 4 AZVOFeu NRW, § 2 Abs. 5 AZVO NRW.
165Vgl. BVerwG, Urteile vom 19.4.2018 - 2 C 40.17 ‑, BVerwGE 161, 377 = juris Rn. 43, und vom 20.7.2017 - 2 C 31.16 -, BVerwGE 159, 245 = juris Rn. 57.
166Ein Ausgleich erfolgt allerdings nicht für diejenigen Zeiten des streitgegenständlichen Dienstes, die bereits aufgrund tatsächlicher Beanspruchung von der Beklagten als Arbeitszeit anerkannt und für die ein Ausgleich gewährt wurde. Jede weitere Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, muss indes ausgeglichen werden. Auf die Entschädigung sind sodann die im Rahmen der pauschalen Ausgleichsregelung der Beklagten bereits gewährten Leistungen anzurechnen.
167d) Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte.
168Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 ‑, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 33, und vom 19.4.2018 - 2 C 40.17 -, BVerwGE 161, 377 = juris Rn. 43.
169Anders, als offenbar der Kläger zugrunde gelegt hat, sind dabei die im LBesG NRW festgelegten Sätze heranzuziehen. Der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber hat bisher von der Ermächtigung für den Erlass einer eigenen Mehrarbeitsvergütungsverordnung in § 66 Abs. 1 LBesG NRW keinen Gebrauch gemacht. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 LBesG NRW gilt die ursprünglich bundesrechtliche Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3494) fort. In § 17 LBesG NRW hat das Land NRW für vom Geltungsbereich (§ 1 Abs. 1 LBesG NRW) des LBesG NRW erfasste Beamte wie den Kläger die in diesem Rahmen anzusetzenden Stundensätze kontinuierlich angepasst. Danach sind für den streitgegenständlichen Zeitraum folgende Stundensätze für die hier einschlägige Besoldungsgruppe A 11 heranzuziehen: ab 1.1.2019 21,22 Euro, ab 1.1.2020 21,90 Euro, ab 1.1.2021 22,21 Euro (jeweils § 17 LBesG NRW in der Fassung vom 12.7.2019), ab 1.12.2022 22,83 Euro (§ 17 LBesG NRW in der Fassung vom 25.3.2022).
170Hieraus ergibt sich die folgende Berechnung:
171(ABSt.. = Alarmbereitschaftsdienststunden)
172Die Berechnungstabelle wurde entfernt.
1734. Ob im Hinblick auf Alarmbereitschaftsdienstzeiten, die die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden überstiegen, daneben die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegeben sind, kann dahinstehen, da dieser jedenfalls auf die gleiche Rechtsfolge gerichtet ist.
174Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 -, BVerwGE 176, 382 = juris Rn. 11, 33, vom 17.2.2022 - 2 C 5.21 -, NWVBl 2022, 411 = juris Rn. 31, und vom 26.7.2012 - 2 C 29.11 -, BVerwGE 143, 381 = juris Rn. 34.
175Soweit die Überschreitung der - vom Kläger als maßgeblich angesehenen - wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden bis zur Höchstarbeitszeit von 48 Stunden betroffen ist, scheidet ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch von vornherein aus, da ein solcher voraussetzt, dass gegen eine unionsrechtliche Norm verstoßen wird, die dem Geschädigten subjektive Rechte verleiht. Hierfür ist bei den Alarmbereitschaftsdienstzeiten, mit denen eine Wochenarbeitszeit von 41, nicht aber 48 Stunden überschritten wird, nichts ersichtlich.
176B. Der Hilfsantrag zu 2. ist unbegründet. Über ihn ist zu entscheiden, soweit die Klage mit dem Antrag zu 1. keinen Erfolg hat, mithin in Bezug auf die Alarmbereitschaftsdienstzeiten, mit denen eine Wochenarbeitszeit von 41, nicht aber 48 Stunden überschritten wird. Als Anspruchsgrundlage für den mit diesem Antrag insoweit begehrten Freizeitausgleich kommt wiederum der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit in Betracht, der - wie oben unter A. II. 3. a. bereits ausgeführt - vorrangig auf Ausgleich in Freizeit gerichtet ist. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen aber nach dem unter A. Dargelegten nur in Bezug auf diejenigen Alarmbereitschaftsdienstzeiten vor, mit denen die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden überstiegen wurde. Darüber hinaus ist auch die weitere Anspruchsvoraussetzung nicht gegeben, dass die Gewährung von Freizeitausgleich noch möglich ist. Eben das Gegenteil ist nach den übereinstimmenden Bekundungen beider Beteiligter der Fall und liegt dem Hauptantrag zugrunde. Wäre demgegenüber die Gewährung von Freizeitausgleich noch möglich, wäre der entsprechende Anspruch vorrangig und nicht als Hilfsantrag geltend zu machen gewesen.
177Der Hilfsantrag zu 3., über den in demselben Umfang zu befinden ist wie über den Hilfsantrag zu 2., bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Er ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Ziel der begehrten Feststellung - die Einstufung der Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit - ist bereits durch die Entscheidung über den Hauptantrag erreicht, weil der damit geltend gemachte Leistungsanspruch als Vorfrage die Klärung voraussetzte, ob die vom Kläger geleisteten Alarmbereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit einzustufen waren.
178C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, 2 VwGO. In die gebildete Kostenquote waren sämtliche Teile des Klagegegenstands einzubeziehen, in Bezug auf welche die Klage erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden ist, mithin auch die geltend gemachten Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen. Aus dem Umstand, dass diese Nebenforderungen gemäß § 43 Abs. 1 GKG bei der Streitwertbemessung nicht berücksichtigt werden, folgt nicht, dass sie ohne Bedeutung für die Kostenverteilung wären.
179Vgl. etwa BGH, Urteile vom 20.10.2023 - V ZR 9/22 -, NJW 2024, 834 = juris Rn. 43, und vom 28.4.1988 - IX ZR 127/87 -, BGHZ 104, 240 = juris Rn .28.
180Soweit hierfür verlangt wird, die Nebenforderungen müssten dafür wirtschaftlich eine in Relation zur Hauptforderung erhebliche Position darstellen,
181vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.4.2023 - 5 U 348/21 -, juris Rn. 67,
182wäre auch diese Anforderung hier erfüllt, da ihre geschätzte Höhe jedenfalls mehr als 10% eines unter Einbeziehung der Nebenforderungen bemessenen fiktiven Streitwerts ausmacht.
183Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
184Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG nicht vorliegen.