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Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung eines Justizhauptsekretärs a. D., der sich gegen seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit wendet.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 45.000 Euro festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der Kläger stützt ihn auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO. Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.
2I. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen. Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer
3- allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
4einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
5Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 -, NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542 = juris Rn. 9.
6Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Hiervon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht dargelegt.
71. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichts als "unzutreffend", Dienstunfähigkeit setze voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung stehe, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet sei. Diese Feststellung entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts.
8Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 6.11.2014 - 2 B 97.13 -, NVwZ 2015, 439 = juris Rn. 7, und Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 14 m. w. N.
9Mit dem Zulassungsantrag wird denn auch unmittelbar nach der angeführten Rüge entsprechend jener Rechtsprechung bestätigt, Ausgangspunkt einer Beurteilung der Dienstunfähigkeit sei das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, d.h. die Gesamtheit der bei seiner Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen eingesetzt werden könne.
10Vergeblich verweist der Zulassungsantrag ferner auf die Verpflichtung zur Suche nach einer anderen Verwendung, die dem Dienstherrn im Grundsatz gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG obliegt.
11Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19.3.2015 - 2 C 37.13 -, NVwZ-RR 2015, 625= juris Rn. 15 ff.
12Denn insoweit räumt der Kläger selbst - zutreffend - ein, dass die Suchpflicht entfällt, wenn ihr Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann, und referiert hierzu die Rechtsprechung, wonach dies anzunehmen ist, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere ist, dass dieser generell dienstunfähig ist und damit für sämtliche Dienstposten im gesamten Bereich des Dienstherrn der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist.
13Vgl. BVerwG, etwa Beschluss vom 16.4.2020 - 2 B 5.19 -, NVwZ-RR 2020, 933 = juris Rn. 43; OVG NRW, Beschluss vom 24.7.2019 - 6 A 696/17 -, NZA-RR 2019, 609 = juris Rn. 35.
14Vergeblich stellt der Kläger in Abrede, dass es im Streitfall - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzungsentscheidung - so lag. Seine Behauptungen, dies entspreche nicht der Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung durch den Amtsarzt vom 31.10.2019, und das beklagte Land habe die Frage nach einer möglichen Verwendung außerhalb zuletzt ausgeübten konkret-funktionellen Amtes "gar nicht erst gestellt", entbehren einer Grundlage. Die Leiterin der JVA O. hat den Amtsarzt mit dem Gutachtenauftrag vom 2.9.2019 vielmehr ausdrücklich auch um "die Mitteilung eines positiven Leistungsbildes, aus dem sich ggf. auch alternative Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben könnten" gebeten. Dem hat der Amtsarzt in seiner Ergebnismitteilung vom 31.10.2019 entsprochen. Unter II. heißt es in jener Mitteilung: "Folgende Tätigkeit kann die Beamtin/der Beamte noch ausüben (positives Leistungsbild): ./."; dies bedeutet mit anderen Worten, dass beim Kläger zu jenem Zeitpunkt kein Restleistungsvermögen mehr bestand. Diese Feststellung ist vor dem Hintergrund der Angabe unter I. 1., beim Kläger liege eine "Depression, derzeit mittelgradig ausgeprägt" vor, sowie der Bemerkung unter II., es werde eine tagesklinische psychiatrische Behandlung empfohlen, auch ohne Weiteres nachvollziehbar. Mit diesen Gegebenheiten, auf die sich bereits das Verwaltungsgericht gestützt hat, setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander. Soweit der Kläger auf die Anmerkung des Amtsarztes in seiner weiteren Mitteilung vom 4.2.2021 unter II. verweist, der Gutachtenauftrag habe sich nicht auf ein positives Leistungsbild außerhalb der JVA bezogen, macht er nicht erkennbar, dass sich dies auf den Auftrag vom 2.9.2019 bezieht; in dem Gutachtenauftrag vom 8.12.2020, welcher der Mitteilung vom 4.2.2021 zugrunde liegt, ist demgegenüber tatsächlich nicht explizit nach Weiterverwendungsmöglichkeiten in einem anderen Amt gefragt. Welche Kausalität das Verwaltungsgericht insoweit (zumal: zu Unrecht) unterstellt haben soll, ist nicht nachvollziehbar.
15War demnach davon auszugehen, dass beim Kläger kein Restleistungsvermögen mehr gegeben war, entfiel die Suchpflicht und damit auch die Anfrage beim Landesamt für Finanzen NRW, Fachgebiet Z42 - Vorfahrt für Weiterbeschäftigung, dessen Aufgabe die Suche nach Weiterverwendungsmöglichkeiten ist.
162. Erfolglos greift der Kläger ferner die Feststellung des Verwaltungsgerichts an, eine Zurruhesetzungsverfügung stehe nicht grundsätzlich unter dem Vorbehalt, dass zuvor erfolglos eine Eingliederungsmaßnahme oder ein Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements stattgefunden hätten. Das Verwaltungsgericht hat sich hierfür vielmehr zu Recht auf entsprechende Rechtsprechung bezogen.
17BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 46; OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2015 - 6 B 1022/15 -, juris Rn. 9; VGH BW, Beschluss vom 27.2.2020 - 4 S 807/19 -, NVwZ-RR 2020, 835 = juris Rn. 29.
18Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zurruhesetzung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vor, sind danach abweichende Entscheidungen auch dann nicht mehr denkbar, wenn die Möglichkeiten der präventiven Wiedereingliederung versäumt worden sein sollten.
19Entgegen der Behauptung des Klägers ist der Rechtsprechung des Senats dementsprechend nicht zu entnehmen, dass "eine abschließende Entscheidung über die Dienstfähigkeit oder Dauer der Dienstfähigkeit eines Beamten/einer Beamtin (…) erst nach erfolglosen Wiedereingliederungsversuchen getroffen werden" darf. Erst recht besteht keine "gefestigte Rechtsprechung" in diesem Sinne. Vielmehr ist in dem hierfür in Bezug genommenen Senatsbeschluss vom 13.2.2018 - 6 B 1607/17 -, juris, festgestellt, selbst eventuelle Fehler im Wiedereingliederungsverfahren führten für sich gesehen nicht dazu, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit unzutreffend wäre (dort Rn. 7). Der weiter angeführte Senatsbeschluss vom 23.10.2019 - 6 B 720/19 -, NVwZ-RR 2020, 407 = juris, verhält sich nicht einmal zu einer Zurruhesetzung, sondern zur Eignung für eine Stellenbesetzung bei langen krankheitsbedingten Fehlzeiten. Zur Wiedereingliederung ist dabei allein ausgeführt, dass sie (im konkreten Fall) erfolgt war (dort Rn. 13, 30).
20Ebenfalls erfolglos tritt der Zulassungsantrag der Feststellung des Verwaltungsgerichts entgegen, für die Annahme der Dienstunfähigkeit reiche es aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden könne, dass der Beamte für einen Zeitraum von mindestens sechs weiteren Monaten dienstunfähig sein wird.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2022 - 6 A 1576/20 -, juris Rn. 7 ff. m. w. N.
22Bereits die einschlägige Norm des § 26 Abs. 1 BeamtStG bestimmt in ihrem Satz 2, dass als dienstunfähig angesehen werden kann, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt - und nach § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW sechs Monate beträgt -, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Es entspricht ferner der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass für die Prüfung der Frage, ob der Beamte "dauernd" dienstunfähig i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist, d.h. ob die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, als Prognosezeitraum in Anlehnung an die gesetzliche Vermutungsregel des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ein Sechs-Monats-Zeitraum zugrunde zu legen ist.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.4.2020 - 2 B 5.19 -, NVwZ-RR 2020, 933 = juris Rn. 13 f.
24Danach ist es entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich, ob anzunehmen war, dass seine Dienstfähigkeit in einem über sechs Monate hinausgreifenden Zeitraum wiederhergestellt sein würde. Angemerkt sei, dass sich die entsprechende Annahme des Amtsarztes im Gutachten vom 31.10.2019 ausweislich des weiteren Gutachtens vom 4.2.2021 in der Folge auch nicht bestätigt hat. Die - insoweit erneut aufgestellten - Behauptungen, der Amtsarzt habe (im Gutachten vom 31.10.2019) die Prognose ausschließlich vor dem Hintergrund einer Wiederaufnahme der Beschäftigung des Klägers auf seinem zuletzt innegehaltenen Dienstposten angestellt, und das beklagte Land habe versäumt abzufragen bzw. zu ermitteln, ob die gesundheitliche Eignung des Klägers für anderweitige Verwendungen gegeben gewesen sei, treffen nach dem oben Ausgeführten nicht zu.
25Fehl geht schließlich das Monitum des Klägers, in dem entsprechenden Versäumnis liege ein Ermessensausfall bzw. Ermessensnichtgebrauch. Einerseits ist das behauptete Versäumnis, wie oben festgestellt, nicht zu erkennen; zum anderen ist die Entscheidung über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 BeamtStG als gebundene Entscheidung ausgestaltet, bei der Ermessen nicht eröffnet ist,
26vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.4.2020 - 2 B 5.19 -, NVwZ-RR 2020, 933 = juris Rn. 10 m. w. N.,
27so dass Ermessensfehler nicht unterlaufen können.
28II. Erfolglos beruft sich der Kläger daneben auf das Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Sache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Derartige Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Dass dies der Fall ist, macht der Zulassungsantrag nicht erkennbar. Soweit sich der Kläger diesbezüglich erneut darauf beruft, es sei zu klären, ob der Dienstherr in Zurruhesetzungsverfahren auch ermitteln müsse, ob der Beamte auf anderen Dienstposten verwendbar sei, ist ihm (wiederum) entgegenzuhalten, dass die Frage schon nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG zu bejahen ist, das beklagte Land dieser Pflicht im Streitfall aber auch nachgekommen ist.
29III. Ebenso wenig ist der noch geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher eine solche Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die (wohl) aufgeworfene Frage,
30"welche Ermittlungstiefe für die abschließende Entscheidung des Dienstherrn über eine Zurruhesetzung dienstunfähig erkrankter Beschäftigter wegen Dienstunfähigkeit erforderlich ist, wenn der Dienstherr durch behördeninterne und die jeweilige Laufbahn bzw. das jeweilige Amt betroffener Beschäftigter im abstrakt-funktionellen Sinne übergreifende Regelungen und Programme eine Zurruhesetzung bestmöglich und umfassend vermeiden will",
31ist, was den Konditionalsatz angeht, nicht einmal verständlich. Soweit der Kläger darin (wohl) auf das Ziel der Vermeidung von Zurruhesetzungen wegen Dienstunfähigkeit bei Weiterverwendungsmöglichkeit hinauswill, ergibt sich dieses Ziel im Übrigen nicht (erst) aus Regelungen oder Programmen des Dienstherrn, sondern schon aus dem Gesetz (§ 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG). Der Frage nach der erforderlichen Ermittlungstiefe im Zurruhesetzungsverfahren fehlt es überdies an hinreichender Konkretheit. Sie ist schließlich entgegen der Behauptung des Zulassungsantrags Gegenstand einer Reihe höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen, etwa des bereits oben genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.3.2015 - 2 C 37.13 -, NVwZ-RR 2015, 625 = juris.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
33Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).