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Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird zugelassen, soweit die Bestimmungen in II. Ziffern 3, 4, 5, 6 und 8 des Bescheids vom 28.3.2020 Gegenstand des Verfahrens sind.
Im Übrigen (bezogen auf die Bestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 sowie den Hinweis unter III.) wird der Zulassungsantrag abgelehnt.
Die Verteilung der Kosten des Antragsverfahrens bleibt der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.
Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
2I. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, soweit sich aus den von der Klägerin dargelegten Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klage auf isolierte Aufhebung der Bestimmungen unter II. Ziffern 3, 4 und 5 des Bescheides vom 28.3.2020 sei mangels Regelungsqualität der Bestimmungen unzulässig, hat die Klägerin mit ihrem Vortrag insoweit hinreichend in Frage gestellt. Bezüglich der Bestimmungen unter II. Ziffern 6 und 8, hinsichtlich derer das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen ist, sind mit Blick auf den Vortrag der Klägerin, diese Nebenbestimmungen seien rechtswidrig, weil sie dem ohne jedwede Ermessensentscheidung im automatisierten Verfahren erlassenen Bescheid beigefügt worden seien, gemessen an den rechtlichen Vorgaben des § 35a VwVfG NRW für den vollständig automatisierten Erlass eines Verwaltungsakts ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils ausreichend geltend gemacht.
3Allerdings könnte die Klage, soweit die Berufung zugelassen worden ist, möglicherweise unbegründet sein. Der angefochtene Bescheid könnte insoweit rechtmäßig sein und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); es kommt in Betracht, dass die Klägerin eine Aufhebung der Nebenbestimmungen in II. Ziffern 3, 4, 5, 6 und 8 ungeachtet der insoweit aufgeworfenen Zweifelsfragen nach materiellem Recht nicht verlangen kann.
4In formeller Hinsicht könnte der Bewilligungsbescheid zwar gegen § 35a VwVfG NRW verstoßen, wenn er vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden wäre. Dies ist gegebenenfalls im Berufungsverfahren anhand der dem Gericht noch nicht vorliegenden vollständigen elektronischen Verwaltungsakte zu überprüfen.
5Vgl. zu § 35a VwVfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 17.3.2023 – 4 A 1986/22 –, juris, Rn. 191 ff.
6Ein möglicherweise im vollständigen Erlass des Bewilligungsbescheids durch automatische Einrichtungen liegender Mangel könnte allerdings nach § 46 VwVfG NRW unschädlich sein. Ein etwaiger Mangel im Rahmen des § 35a VwVfG NRW könnte die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben, weil der Beklagte die beantragte Bewilligung möglicherweise auch dann nur unter Einschluss der beanstandeten Nebenbestimmungen ausgesprochen hätte, wenn diese nicht durch automatische Einrichtungen, sondern im Rahmen einer individuellen Antragsprüfung ergangen wäre. Nach den Erkenntnissen, die der Senat in den Grundsatzverfahren 4 A 1986/22 bis 4 A 1988/22 gewonnen hat, wurden Corona-Soforthilfen 2020 in keinem einzigen Fall ohne die angegriffenen Nebenbestimmungen gewährt, so dass eine derartige von der Klägerin gewünschte Bewilligung wegen der darin liegenden Abweichung von der ständigen Verwaltungspraxis – ungeachtet etwaig abweichender öffentlicher Verlautbarungen, auf die sich die Klägerin beruft, die aber ihr gegenüber keine verbindlichen Zusagen über den Erlass eines „bestimmten“ Verwaltungsakts im Sinne von § 38 Abs. 1 VwVfG NRW darstellen – nicht nach Art. 3 Abs. 1 GG verlangt werden könnte.
7Auch inhaltlich spricht Vieles dafür – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt –, dass der Beklagte die Bewilligung der NRW-Soforthilfe 2020 nicht nur regelmäßig, sondern ausschließlich unter Hinzufügung der Nebenbestimmungen unter II. Ziffern 3, 4, 5, 6 und 8 gewähren wollte und hierzu auch berechtigt war. Insbesondere der Hinweis unter III. des Bewilligungsbescheids könnte den Willen des Beklagten hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben, eine Bewilligung ohne die sonstigen Regelungen in dem standardisierten Bescheid komme im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis nicht in Betracht.
8Infolge der Nebenbestimmungen in II. Ziffern 3 und 4 dürfte der Bescheid vom 28.3.2020 über die Gewährung von Corona-Soforthilfe 2020 als vorläufiger Verwaltungsakt zu verstehen sein. Die verschiedenen Hinweise auch im Bewilligungsbescheid boten allen Anlass für die Annahme eines verständigen Empfängers, über die genauen Vorgaben für die Bewilligung und das Behaltendürfen der Soforthilfemittel werde im Bewilligungsbescheid verbindlich nur entschieden, soweit sie nicht mit Rücksicht auf tatsächliche Unsicherheiten über die pandemiebedingten Auswirkungen auf die letztlich tatsächlich eintretenden Umsatzausfälle des jeweiligen Unternehmens unter einen Rückzahlungsvorbehalt gestellt waren.
9Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.3.2023 – 4 A 1986/22 –, juris, Rn. 187.
10So sollte etwa durch die in den Bewilligungsbescheiden über NRW-Soforthilfe 2020 enthaltene Nebenbestimmung II. Ziffer 3 eine Rückzahlungspflicht begründet werden, die von bestimmten künftigen Entwicklungen abhängen sollte. Nach der Nebenbestimmung II. Ziffer 4 sollte nur bezogen auf Überkompensationen durch Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen und/oder andere Fördermaßnahmen eine Anrechnung vorgenommen werden, wovon nur Darlehen ausgenommen sein sollten. Insofern stellen die Bewilligungsbescheide selbst trotz missverständlicher Formulierung und zu Lasten des Landes gehender Unklarheiten noch sinnvoll als gewollt erkennbar allein darauf ab, ob und in welchem Umfang gewährte Soforthilfemittel während des Bewilligungszeitraums im Rahmen der Zweckbestimmung der Förderung benötigt worden sind.
11Vgl. eingehend dazu: OVG NRW, Urteil vom 17.3.2023 – 4 A 1986/22 –, juris, Rn. 154 ff., 180.
12Hinsichtlich der in II. Ziffer 5 des Bescheids vom 28.3.2020 enthaltenen Nebenbestimmung kommt in Betracht, dass diese auf der Grundlage von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW rechtmäßig ergangen sein könnte, weil die Behörde eine wirksame Kontrolle der Verwendung der gewährten öffentlichen Mittel sicherstellen muss (vgl. § 44 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 LHO NRW) und die Forderung nach einem Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung der Zuwendungen wesentlicher Bestandteil des Zuwendungsverfahrens und für dessen ordnungsgemäße Durchführung sowie für eine wirksame Kontrolle des zweckentsprechenden und wirtschaftlichen Einsatzes der Steuermittel unverzichtbar sein dürfte.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.12.2008 – 13 A 2091/07 –, juris, Rn. 8.
14Auch soweit die Klage gegen die Nebenbestimmungen in II. Ziffern 6 (Aufbewahrung von Unterlagen für 10 Jahre) und 8 (Modalitäten des Verwendungsnachweisverfahrens) gerichtet ist, könnte sie unbegründet sein, wenn die Bestimmungen auf § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW gestützt werden könnten.
15II. Im Übrigen bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg.
161. Soweit die Klage die Nebenbestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 sowie den Hinweis unter III. betrifft, sind mit dem Zulassungsvorbringen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht dargelegt. Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2020 ‒ 2 BvR 2426/17 ‒, juris, Rn. 34, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 ‒ 7 AV 4.03 ‒, juris, Rn. 9.
18Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Klage gegen die Nebenbestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 sowie den Hinweis unter III. sei mangels Regelungsqualität der Bestimmungen unzulässig, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.
19Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage gegeben. Dies gilt insbesondere für einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte Auflagen. Ob eine Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet. Letzteres ist der Fall, wenn die fragliche Bestimmung den Regelungsgehalt des Hauptverwaltungsaktes definiert oder modifiziert (so genannte Inhaltsbestimmung).
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.1.2019 – 8 B 10.18 –, juris, Rn. 5, m. w. N., sowie Urteil vom 22.11.2018 – 7 C 9.17 –, juris, Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 16.4.2018 – 4 A 589/17 –, juris, Rn. 24.
21Von selbstständig anfechtbaren Nebenbestimmungen zu unterscheiden sind auch bloße Hinweise, die selbst keine unmittelbaren rechtlichen Außenwirkungen erzeugen.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.2.1985 – 3 C 33.83 –, BVerwGE 71, 48 = juris, Rn. 23 f.
23Jedenfalls bei den Bestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 handelt es sich nicht um selbstständig anfechtbare Regelungen mit rechtlicher Außenwirkung. Die Ausführungen unter II. Ziffern 1 und 2 geben lediglich wieder, auf welcher Grundlage der Zuwendungsbescheid (Anzahl von 4 Vollzeitäquivalenten und Antrag der Klägerin vom 27.3.2020) beruht und sind damit als so genannte Inhaltsbestimmungen Teil des Regelungsinhalts.
24Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Hinweis unter III. sei als schlicht-hoheitlicher Hinweis zu qualifizieren und enthalte keine Regelung, weil keine Rechte der Klägerin unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint würden, hat die Klägerin nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Auf den fehlenden Regelungscharakter geht die Klägerin in der Zulassungsbegründung gar nicht ein. Eine Beschränkung der Anfechtung des Bescheids im Übrigen oder einzelner selbstständig anfechtbarer Bestimmungen ist mit dem Hinweis ersichtlich nicht verbunden. Vielmehr ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der „Hinweis“ den Empfänger nicht daran hindern sollund auch tatsächlich nicht hindert, gerichtlichen Rechtsschutz hinsichtlich einzelner Regelungen, mit denen er nicht einverstanden ist, in Anspruch zu nehmen. Auch folgt aus dem Hinweis allein bereits mangels entsprechend erkennbaren Regelungswillens jedenfalls noch nicht die Begründung einer im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbaren Rückerstattungspflicht.
252. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt bezüglich der Bestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 sowie des Hinweises unter III. ebenfalls nicht vor.
26Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind dann geltend gemacht, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das erstinstanzliche Urteil schlüssig entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Fragen von solcher Schwierigkeit aufwerfen, dass sie sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.10.2022 – 4 A 267/22 –, juris, Rn. 23 f., m. w. N.
28Das ist hier nicht der Fall. Die Frage der Abgrenzung einer selbstständig anfechtbaren Nebenbestimmung von Inhaltsbestimmungen und bloßen Hinweisen lässt sich hier nach Vorstehendem ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären.
293. Die Berufung ist bezüglich der Bestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
30Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.8.2022 – 4 A 1188/19 –, juris, Rn. 38.
32Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nach der Wirksamkeit der unter II. des Bescheids isoliert angefochtenen Nebenbestimmungen ist ‒ soweit die Zulassung der Berufung abgelehnt wird ‒ in einem Berufungsverfahren schon deshalb nicht entscheidungserheblich zu klären, weil die Bestimmungen in II. Ziffern 1 und 2 als Inhaltsbestimmungen keine eigenständig anfechtbaren Regelungen mit Außenwirkung darstellen.