Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Das angefochtene Urteil wird geändert. Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 15. April 1951 geborene Beklagte absolvierte nach dem Besuch der Realschule eine Lehre und war anschließend als Buchdruckergeselle tätig. Am 1. Oktober 1971 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeiwachtmeister ernannt und leistete seinen Eid. Nach dem Vorbereitungsdienst wurde er am 28. September 1972 zum Polizeioberwachtmeister ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 LBesG NRW eingewiesen. Am 29. September 1975 wurde er zum Polizeihauptwachtmeister befördert, am 29. September 1977 zum Polizeimeister. Zum 15. April 1978 wurde dem Beklagten die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Weitere Beförderungen erfolgten am 23. März 1980 zum Polizeiobermeister, am 1. März 1991 zum Polizeihauptmeister und am 3. April 1995 zum Polizeikommissar.
3Im Jahr 1998 wurde festgestellt, dass der Beklagte an Diabetes mellitus Typ II leidet, was seine dauerhafte Verwendung im Wechseldienst ausschloss. Wegen einer von ihm als ungerecht empfundenen Beförderungsregelung wandte sich der Beklagte in den Jahren 1999 und 2000 mehrfach an den Petitionsausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen.
4Am 10. Juli 2001 wurde er zum Polizeioberkommissar befördert. In der für den Zeitraum Juni 1999 bis Mai 2002 erstellten Regelbeurteilung vom 13. November 2002 wurde die Beurteilung des Erstbeurteilers „Die Leistung und Befähigung übertreffen die Anforderungen“ durch den Endbeurteiler herabgesetzt auf „Die Leistung und Befähigung entsprechen voll den Anforderungen“ und mit einem Quervergleich innerhalb der Vergleichsgruppe begründet. Der Beklagte klagte dagegen und verwies auf die von ihm gezeigte Verwendungsbreite und die Wahrnehmung von Führungsaufgaben. Im Mai 2005 beantragte er wegen der anstehenden Beförderung zweier Konkurrenten den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht Arnsberg; dieser wurde durch Beschluss vom 25. Juli 2005 abgelehnt. Im Anschluss nahm er die Klage gegen die Beurteilung zurück.
5In der für den Zeitraum Juni 2002 bis September 2005 erstellten Regel-beurteilung vom 9. Januar 2006 erfolgte erneut eine Herabsetzung des Beurteilungsvorschlags des Erstbeurteilers im Rahmen des Quervergleichs; das Beurteilungsergebnis lautete unverändert „Die Leistung und Befähigung entsprechen voll den Anforderungen“. Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Beklagte mit einer aus seiner Sicht erfolgten „Demontage“ seiner Person und der in der Vergangenheit erbrachten Leistung. Wesentliche Merkmale seien gar nicht oder zu gering bewertet worden, die Wertung sei nicht objektiv, sein Dienstalter, die daraus resultierende Erfahrung und von ihm ergriffene Initiativen seien unberücksichtigt geblieben. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen.
6Am 28. Februar 2007 wurde der Beklagte zum Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11 LBesO NRW) befördert. Zuletzt war er im Verkehrsdienst bei der Autobahnpolizei eingesetzt. Nachdem die Lebensarbeitszeit auf seinen Antrag um ein Jahr verlängert worden war, trat der Beklagte mit Ablauf des 30. April 2014 in den Ruhestand.
7Der Beklagte ist seit dem 17. September 1982 verheiratet und hat zwei mittlerweile volljährige Töchter. Im Oktober 2019 zog der Beklagte mit seiner Ehefrau nach U..
8Seit Januar 2019 werden 25 % des Ruhegehalts des Beklagten einbehalten.
9Strafrechtlich ist der Beklagte wie folgt in Erscheinung getreten:
10Am 23. Januar 2018 verurteilte ihn das Amtsgericht RD. wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz (fahrlässiger unerlaubter Besitz von Munition) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 €. Am 8. Juni 2017 war bei einer Durchsuchung der Wohnung des Beklagten Munition gefunden worden, für die er keinen Munitionserwerbsschein besaß.
11Mit Beschluss vom 17. Januar 2019 stellte das Amtsgerichts RD. ein gegen den Beklagten geführtes Strafverfahren wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, Urkundenfälschung und Unterschlagung gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 700,00 € ein. Dem Beklagten war u. a. vorgeworfen worden, einen Stempel des Polizeipräsidiums X. unterschlagen und eine Kopie seines ehemaligen Dienstausweises angefertigt und genutzt zu haben.
12Disziplinarrechtliche Vorbelastungen bestehen nicht.
13Am 25. Mai 2016 ging auf der Facebook-Seite der Polizei ein Hinweis eines Nutzers ein, dass ein Q. L. den Kommentar „Für mich ist das Wahrzeichen der Kölner Dom und kein Gebäude, wo der Quran und Hasspredigten gelehrt werden“ gepostet habe. In seinem Facebook-Profil gebe dieser an, als Polizeibeamter beim Land NRW gearbeitet zu haben. Ein weiterer Facebook-Nutzer wandte sich am 13. Juli 2016 per E-Mail an die Poststelle des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW und verwies auf verschiedene, von ihm als rechtspopulistisch bewertete Äußerungen des Nutzers Q. L., der sich in seinem Profil als ehemaliger Polizeibeamter des Landes bezeichne. In diesem Zusammenhang sah das Polizeipräsidium X. von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens ab, weil ein Dienstvergehen im Hinblick auf eine mögliche Verwirklichung des Straftatbestandes der Volksverhetzung bzw. eine Anhängerschaft als sog. „Reichsbürger“ für einen Ruhestandsbeamten nicht festzustellen sei.
14Im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft X. gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Volksverhetzung (Az. 600 Js 648/16) wurde am 8. Juni 2017 dessen Wohnung durchsucht. Es wurden ein PC, ein Laptop, zwei Tablets, ein USB-Stick und ein Handy sowie ein Revolver und Munition sichergestellt. Für den Revolver hatte der Beklagte eine Waffenbesitzkarte.
15Im Nachgang zu diesen strafrechtlichen Maßnahmen wurden vom oder im Namen des Beklagten verschiedene Schriftstücke u. a. an das Landgericht X., an den polizeilichen Staatsschutz des Polizeipräsidiums X., an das für Waffenrecht zuständige Sachgebiet der Direktion ZA des Polizeipräsidiums X. sowie an die Polizeibehörde J. übersandt. Dies veranlasste den Polizeipräsidenten X., mit Verfügung vom 29. Dezember 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten einzuleiten. Es bestünden aufgrund von sechs näher dargelegten Teilsachverhalten hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, der Beklagte gehöre der Gruppe der Reichsbürger an, die sich darauf berufe, das Deutsche Reich sei juristisch nie untergegangen. Indem der Beklagte die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland, des Grundgesetzes und der Verfassungsorgane anzweifle, betätige er sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, was für ihn als Beamten im Ruhestand ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG darstelle. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einleitungsverfügung Bezug genommen.
16Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Münster am 11. Januar 2018 einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Beklagten. Am 22. Januar 2018 ließ der Kläger die Wohnung des Beklagten durchsuchen. Bei dieser Gelegenheit wurde diesem die Einleitungsverfügung mit Hinweis auf die ihm zustehenden Rechte zugestellt. Mit Verfügung vom 31. August 2018 wurde das Disziplinarverfahren ausgedehnt. Aus acht näher bezeichneten Teilsachverhalten ergäben sich weitere Hinweise darauf, dass sich der Beklagte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt und damit seine Dienstpflicht verletzt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfügung Bezug genommen.
17Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 gab der Kläger dem Beklagten das Ergebnis der Ermittlungen bekannt und räumte ihm die Möglichkeit einer abschließenden Stellungnahme ein, von der er keinen Gebrauch machte. Gleichzeitig wurde er über seine Rechte belehrt. Der Kläger beteiligte die Gleichstellungsbeauftragte, die der Klageerhebung zustimmte.
18Am 15. April 2019 hat der Kläger Disziplinarklage gegen den Beklagten erhoben. Darin hat er ihm vorgeworfen, als Ruhestandsbeamter ein vorsätzliches schweres Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BeamtStG begangen zu haben, indem er sich rechtswidrig und schuldhaft entgegen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt habe. Folgende Einzelsachverhalte wurden dem Beklagten vorgeworfen, wobei wegen der Einzelheiten auf die Klageschrift (dort Ziffer 4, Bl. 7 ff. GA VG Münster) Bezug genommen wird:
19- Der Beklagte habe sich am 18. und 19. August 2017 in verschiedenen E-Mails bei einem Herrn B. A. über Möglichkeiten der Bekämpfung staatlicher Maßnahmen informiert. In einer dieser bezeichne besagter Herr A. hoheitliche Maßnahmen als „Angebote, welche z.B. in Form einer Vollstreckungsankündigung, Ladung etc. meist vor Angst und gezielter Einschüchterung der PERSONEN zum gewünschten Erfolg führt. Um ein derartig verstecktes Angebot abzuwehren, muss man eine kommerzielle Zurückweisung mit Lebendaffidavit, samt der kompletten Angebotspost zurücksenden und danach sinnvoller Weise noch 2 x bestätigen. In der Regel ist danach Funkstille!“ In einer weiteren E-Mail erläutere Herr A. einem E. W., was er einem Vollstreckungsversuch entgegnen solle: „Mein Name lautet E. von H., da die PERSON welche sie erreichen wollten nicht in der Lage ist ihnen persönlich Auskunft zu geben, wurde ich von dem Handelsnamen E. W. autorisiert den Kontakt mit ihnen aufzunehmen. - Wenn sich dein Personalausweis nicht Zuhause befindet, sage ihm wo der Vollstrecker deine Person aktuell auffinden kann, wenn er danach fragt oder gib einen anderen Ort an wo du ihn hinbringen wirst z.B. Stadtarchiv [Emoji: Smiley]. Bei allem immer ganz freundlichen bleiben, auch wenn er sich von Dir verarscht fühlen sollte, ziehst du das gelassen durch…“ Der Beklagte habe die ihm erteilten Hinweise als Grundlage für eigene an zahlreiche Behörden verfasste Schreiben benutzt (Ziffer 4.1.1 der Klageschrift).
20- Dabei habe er regelmäßig auf „Gesetze und Verordnungen mit Anweisungen und Instruktionen der Militärregierung Deutschland“ und das „Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935“ verwiesen und teilweise Ausdrucke der Gesetze seinen Schreiben als Anlage beigefügt (Ziffer 4.1.2).
21- Zudem habe er mit der Unterzeichnung verschiedener Urkunden erklärt, dass das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland keine Verfassung sei, dass er in freier Entscheidung die bis heute rechtsgültige Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 annehme, die Staatsangehörigkeit von 1934 besitze und durch die Streichung der Reichsangehörigkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz von 2010 staatenlos geworden sei. In einem „Schutzantrag“ habe er für sich und seine Frau den Schutz der Russischen Föderation gegen die „rechtsoffenkundige BRD-Staatenlosigkeit“ begehrt und weiter ausgeführt: „Die BRD führt die faschistische deutsche Staatsangehörigkeit von 1934 weiter.“ Er benötige daher den Schutz der Russischen Föderation vor Grundrechtsverletzungen, die in Form von Zwangsmaßnahmen durch die fortbestehende Nazi-Staatsangehörigkeit von 1934 erlaubt seien. Ein von Herrn G. C. – einer Führungsperson des deutschen Ablegers der sog. „Nationalen Freiheitsbewegung Russland“, die eine Schnittmenge mit der deutschen Reichsbürgerbewegung habe – erstelltes Dokument mit der Bezeichnung „Lebendbekundung unter Eid“ habe er mit seinem Fingerabdruck – nach Angabe in der Urkunde mit Blut des rechten Zeigefingers – bezeugt und dies in abgeänderter Form für sich selbst gegenüber Behörden benutzt. Zudem habe er unter dem Titel „Ausdrückliche Zurückweisung Ihres Werbeangebots“ ein Schreiben zur Abgabe und Vernichtung seines Personalausweises an den als „Geschäftsführer“ bezeichneten Bürgermeister der Stadt V. erstellt (Ziffer 4.1.3).
22- Im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung am 22. Januar 2018 habe der Beklagte die Gültigkeit des Durchsuchungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts mit der Begründung bestritten, dieser sei nicht unterschrieben. Einen vom Amtsgericht Dortmund in einem Strafverfahren ergangenen Beschlagnahmebeschluss habe er durchgestrichen, mit der Aufschrift „Treuhandbetrug“ und „nichtig/ungültig“ versehen, an der Stelle des Namenszuges des Richters die Bemerkung „für M. F. Y. O.“ angebracht, mit einem Stempel „ex tunc“ „entwertet“ und per Fax an das Amtsgericht zurückgeschickt (Ziffer 4.2).
23- Der Beklagte habe die Vorlagen für die zuvor genannten Urkunden von der Internetseite „www.staatenlos.info“ erhalten. Die als „Staatenlos“ und unter der genannten Domain bekannte Reichsbürgerbewegung werde u. a. im Verfassungsschutzbericht 2016 des Landes Berlin erwähnt. Zweiter Vorsitzender des Vereins „Staatenlos.info e. V./Kommission146“ sei Herr G. C.. Herr C. sei eine medial bekannte Führungsperson des deutschen Ablegers der sog. „Nationalen Freiheitsbewegung Russlands (NOD)“, die ihre Schnittmenge zur deutschen Reichsbürgerbewegung in gemeinsamen Auftritten/Propagandaaktionen und u. a. dem öffentlichen Bekunden der fortwährenden Besetzung des deutschen Reichs hätten. Der Beklagte habe Herrn C. am 9. und 17. Oktober 2017 jeweils 20 € mit dem Verwendungszweck „Freiwillige Zuwendung“ überwiesen, außerdem am 9. November 2017 einen weiteren Betrag mit dem Verwendungszweck „Übersetzung Zurückweisung“ (Ziffer 4.3).
24- In einem Schreiben des Beklagten an das Polizeipräsidium X. heiße es: „Strafanzeige und Strafantrag mit Strafverfolgung gegen die Bundesrepublik Deutschland, alle Regierungsmitglieder der BRD-Nazikolonie, alle Mitarbeiter/Führungskräfte der BRD-Verwaltungsorgane, Parteien, Organisationen und Verbände (Befehlskette der Naziführung) wegen illegale und verbotene Weiterführung des dritten Reiches von Adolf Hitler bis zum heutigen Tag, Verhinderung der Friedensverträge zum nicht beendeten 2. Weltkrieg, Beteiligung an Nazi- und Kriegsverbrechen, Völkermord, Vertragsbetrug, illegale Annexion der Deutschen Demokratischen Republik – Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 1990 durch die BRD“ (Ziffer 5.3).
25- Für eine Bekannte namens TF. KD. habe der Beklagte einen Großteil von 1.582 Dokumenten offenbar bearbeitet und ihr zur Weiterleitung an zahlreiche Adressaten zur Verfügung gestellt. Ebenso habe er zahlreiche weitere Personen bei der Erstellung ihrer Schreiben unterstützt. Seiner Tochter P. habe er in Bezug auf GEZ-Forderungen in zwei E-Mails erklärt: „…Wir unternehmen noch einmal einen Versuch des Widerspruchs! Wir müssen sonst auf die Schiene ‚natürliche Person-Mensch‘ P.:L. ausweichen und die ‚juristische Person‘ P. L. ablehnen. Das ist aber für Dich und das Berufsleben usw. gefährlich in diesem Regime!“ und „Hallo P., es wird langsam eng, die Gerichtsentscheidungen in der BRD sind willkürlich und begünstigen die GEZ. Daher das Ausweichen auf EU Recht. Da ist aber bislang keine Entscheidung getroffen worden! Du solltest den Betrag ja beiseitelegen! Wir unternehmen noch einmal einen Versuch des Widerspruchs. Wir müssen sonst auf die Schiene ‚natürliche Person-Mensch‘ P.:L. ausweichen und die ‚juristische Person‘ P. L. ablehnen. Das ist aber für Dich und das Berufsleben usw. gefährlich in diesem Regime! Das Schreiben bitte per Einwurfeinschreiben absenden.“ Ebenso habe er eine unbekannte R. bei der Zurückweisung von Rundfunkgebühren durch Übersendung eines Dokuments unterstützt (Ziffer 4.4).
26- Auf einer Kopie eines Anhörungsschreibens des Landrates J. zum Entzug der Waffenbesitzkarte vom 3. November 2017 habe er beide Seiten durchgestrichen und mit „Treuhandbetrug“ überschrieben, unten handschriftlich „nichtig/ungültig“ verzeichnet, die erste Seite mit der Aufschrift „Zurückweisung des Handelsangebots erfolgt durch“ mit anschließendem Barcode versehen und dieses am 9. November 2017 und erneut am 14. November 2017 an eine Faxnummer der Kreispolizeibehörde J. übersandt. Ein Dokument in deutscher und russischer Sprache mit dem Titel „Anklage“, dessen Verfasser ein von dem Beklagten bevollmächtigter Herr T. N. gewesen sei, habe er per Fax an den Landrat des Kreises J., Herrn D. S., sowie an zahlreiche Behörden übersandt. In dem Schreiben werde festgestellt, dass kein Handelsvertrag mit Herrn S. abgeschlossen worden sei und eine Verwechslung seiner Person vorliege. In dem Schreiben heiße es u. a.: „Mein Mandant weist Sie ausdrücklich darauf hin, dass hier eine Verwechselung vorliegt, denn der lebend geborene und beseelte Mensch-Mann Q.-Y.O.:L.© ist nicht die fiktive Juristische Person Herr Q. L. und der lebend geborene und beseelte Mensch-Mann Q.Y.O.:L.© ist auch kein Treuhänder der fiktiven juristischen Person Herr Q. L..“ „Mein Mandant hat von meinem Schutz Gebrauch gemacht und hat seine Waffenbesitzkarte in meine Verwahrung überlassen, da er Angst hat, wieder von der Polizei überfallen und ausgeraubt zu werden.“ „In diesem Zusammenhang wird hier auf das [SHAEF Gesetz Nr. 1 & 4], Kontrollratsgesetz Nr.1 (Ausrottung der Nazigesetze vom 20.09.1945), SMAD Befehl Nr. 2 Abs. 5 vom 10.06.194] verwiesen“. Er sei seit Geburt zu der Eintragung „deutsch“ gezwungen worden und könne nunmehr frei, unabhängig und eigenständig als Mensch darüber entscheiden, welcher Staatsangehörigkeit er angehöre und infolgedessen auch, welcher Gesetzgebung er sich unterwerfe. Weiter heiße es in dem Schreiben: „Mein Mandant steht ab sofort unter meinem Schutz. Es wird gesondert darauf hingewiesen, jegliche unrechtmäßige Angebot/Forderungen ihrerseits sofort einzustellen. Wird das missachtet, werden sofort Schutzmaßnahmen scharfgeschaltet.“ Der Beklagte begehre in dem Schreiben u. a., dass der Landrat J. seine Vollmachten und den Rechtsstatus der „Organisation/Firma“ erklären solle und den Nachweis erbringen solle, welcher „Organisation/Firma“ er konkret angehöre. Schließlich enthalte das Fax die Erklärung: „Wird im Ablauf von 30 Tagen, auf unser Schreiben nicht geantwortet, gelten alle an Sie gestellten Fragen als eine unwiderlegbare Tatsache und somit als die Wahrheit. Dann wird automatisch eine Anklage mit Anklageschrift an die Volksgerichtskammer in Kaliningrad abgegeben“ (Ziffer 4.5).
27- Die vom Beklagten vorgenommenen zahlreichen eigenständigen Änderungen von Schreiben und der von ihm selbst vollzogene Faxversand sprächen dafür, dass die angebliche Bevollmächtigung des Herrn N., von dem man nicht wisse, ob es ihn tatsächlich gebe, dazu diene, Verantwortlichkeiten auf Dritte abzuwälzen. So sei in einem Schreiben ausgeführt worden, dass der Bevollmächtigte die Waffenbesitzkarte des Beklagten in Verwahrung genommen habe; tatsächlich habe man diese bei der Durchsuchung am 8. Juni 2017 versteckt in einem Buch im Flurschrank des Beklagten aufgefunden. Mit der Ankündigung der Anrufung der Volksgerichtskammer in Kaliningrad – eines unzuständigen und außerhalb der Grenzen der BRD ansässigen Gerichts – verdeutliche der Beklagte, die Unabhängigkeit der Gerichte in Deutschland nicht anzuerkennen und erkenne ihnen die Legitimität zur Rechtsprechung ab (Ziffer 4.6).
28- Ein weiteres, dem Schreiben an den Landrat des Kreises J. in Aufbau und Inhalt ähnelndes Schreiben mit dem Titel „Anklage“ habe der Beklagte nach der am 8. Juni 2017 erfolgten Durchsuchung dem Polizeipräsidium X. und zahlreichen Behörden, insbesondere Botschaften übersandt. Darin habe er das „Handelsangebot“ sowie das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll zurückgewiesen und ausgeführt, bei der „widerrechtlich durchgeführten Wohnungsdurchsuchung“ seien Gegenstände im Wert von 3.033,00 € „entwendet" worden. Er habe die Zahlung dieser Summe auf sein Konto, alternativ die Rückgabe der Geräte binnen zwei Wochen gefordert und bei Nichtbefolgung Rechtsfolgen angedroht (Ziffer 4.7).
29- In ähnlicher Form habe er ausstehende Zahlungen des Beitragsservices der Rundfunkanstalten durch als „Anklage“ bezeichnetes Schreiben vom 16. Oktober 2017 als „Handelsangebot“ zurückgewiesen und in weiteren Schreiben vom 15. September 2017 und 9. Oktober 2017 selbst Mahnungen an die „Firma ARD/ZDF“ gerichtet (Ziffer 4.8).
30Mit der Erstellung der Dokumente, ihrer Übersendung an verschiedene Adressaten und der Bevollmächtigung des Herrn N., der sich als „Hoher Kommissar für Menschenrechte“ bezeichne, habe sich der Beklagte aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt. Soweit der Beklagte behaupte, von den zahlreichen in seinem Namen an verschiedene Behörden übersandten Schreiben keine Kenntnis gehabt zu haben, entbehre dies jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, zumal er, als er im November 2017 eine Kopie des angeblich von Herrn C. an das Polizeipräsidium X. übersandten Schreibens erhalten habe, keine Richtigstellung herbeigeführt und sich die Inhalte dadurch zu eigen gemacht habe. Zudem habe er bereits 2015 auf der Website www.contra-magazin.com von den „Finanzspritzen der Finanz- und Wirtschafts-
K.
GmbH BRD“ gesprochen und zugleich angeführt, dass die BRD nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs von 1871 sei; auch habe er am 27. April 2016 von der „BRiD“ gesprochen. Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für einen Schuldausschließungsgrund bestünden nicht. Insbesondere habe der Beklagte sich im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme am 22. Januar 2018 kooperativ, strukturiert denkend und besonnen verhalten und auch in der Verhandlung vor dem Amtsgericht RD. am 23. Januar 2018 kein Verhalten gezeigt, das eine psychologische Untersuchung im Ermittlungsverfahren aufgedrängt habe. Das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit sei endgültig zerstört.
Der Kläger hat beantragt,
32dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
33Der Beklagte hat beantragt,
34die Klage abzuweisen,
35hilfsweise auf eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Aberkennung des Ruhegehaltes zu erkennen.
36Er hat ausgeführt, er sei politisch sehr interessiert. Bezüglich des von der Staatsanwaltschaft verfolgten Verdachts der Volksverhetzung sei es ihm um eine kritische Betrachtung des § 130 StGB gegangen. Er sei der Auffassung gewesen, die Regelung stehe im Widerspruch zu einer im Jahr 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterschriebenen, in der Klageerwiderung wörtlich zitierten Konvention des UN-Menschenrechts-Komitees. Aufgrund einer sinnentstellenden Verkürzung eines von ihm dazu bei Facebook verfassten Kommentars sei seine Wohnung am 8. Juni 2017 von „etwa acht bis an die Zähne bewaffneten ehemaligen Kollegen“ durchsucht worden. Über die Art und Weise der Durchsuchung und des Umgangs mit ihm sei er zutiefst erschüttert gewesen. Er habe zunächst selbst Beschwerde beim Landgericht eingereicht und mit Schreiben vom 13. und 25. Juli 2017 sowie 3. August 2017 bei der Staatsanwaltschaft und beim Staatsschutz sowie durch Untätigkeitsklage vom 15. August 2017 und Feststellungsklage vom 31. August 2017 gerichtlich erfolglos um die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände ersucht. Das Oberlandesgericht Hamm habe die Beschwerde zu Recht abgewiesen. Ausgelöst durch die Art und Weise der Durchsuchung und die Tatsache, dass er weder bei den Gerichten noch der Staatsanwaltschaft oder der Polizeibehörde im Hinblick auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und der Rückgabe der sichergestellten Gegenstände weitergekommen sei, habe er über die Europäische Menschenrechtskonvention weiterkommen wollen. Aus diesem Grund habe er sich an Herrn C. gewandt. Über eine Internetrecherche im September 2017 habe er eine Telefonnummer in Düsseldorf erhalten; der Anschluss habe Herrn C. gehört, der sich als Mitarbeiter des „Bevollmächtigten Hohen Kommissars für Menschenrechte“ T. OL. N. vorgestellt habe. Er habe Herrn C. die Sachlage geschildert und auf dessen Bitte alle vorhandenen Unterlagen, später auch noch weitere Unterlagen, übermittelt. Kurze Zeit später habe er eine Lebenderklärung, eine Lebendbekundung, eine Loyalitätserklärung („Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung“) und eine Generalvollmacht für Herrn N., der ihn habe vertreten sollen, mit der Aufforderung erhalten, diese Unterlagen auszufüllen und zurückzusenden. Er habe sich gewundert, telefonisch sei ihm indes von Herrn C. versichert worden, dass die Vertretung an eine gewisse Form gebunden sei, er die Dokumente unterschreiben und mit einem Daumenabdruck auf jeder Seite versehen müsse. Er habe die vorgenannten Schriftstücke unterschrieben, weitere Schriftstücke nicht.
37Zu den Vorwürfen sei Folgendes anzumerken:
38- Der E-Mail-Verkehr zu den verschiedenen Personen habe sporadisch bestanden, um gewisse Themen zu diskutieren. Es sei nicht ersichtlich, dass er die Auffassung des Herrn A. für sich als richtig übernommen habe. Die Gesetz- und Verordnungsausdrucke hätten seiner Information gedient; er habe sie nicht mit irgendwelchen Schreiben versandt. Die bezeichneten Urkunden habe er von Herrn C. erhalten, ggf. vervollständigt und unterschrieben, aber nicht nach außen gebraucht. Bei der „Lebendbekundung unter Eid“ habe er für den Fingerabdruck kein Blut, sondern ein rotes Stempelkissen verwendet. Er habe die Lebendbekundung unterschrieben, weil Herr C. dies von ihm verlangt habe, um für ihn tätig zu werden und weil sein Name dort bereits vorgedruckt gewesen sei (Ziffer 4.1.1 bis 4.1.3 der Klageschrift).
39- Soweit er während der Durchsuchung geäußert habe, dass der gerichtliche Beschluss keine Gültigkeit habe, sei er der Auffassung gewesen, dass ein entsprechender Beschluss entweder vom Richter unterzeichnet sein oder zumindest eine beglaubigte Abschrift vorliegen müsse, die durch einen Sachbearbeiter des Gerichts unterschrieben sei. Mit Reichsbürgern oder einem fehlenden Anerkenntnis der Bundesrepublik Deutschland und deren Organen habe dies nichts zu tun gehabt. Er habe das Dokument Herrn C. in unverändertem Zustand übersandt. Die Aufschriften habe er nicht aufgebracht. Er habe das Schriftstück auch nicht an das Amtsgericht X. gefaxt; er habe kein Faxgerät und wisse nicht, ob man vom Computer seiner Ehefrau Faxe versenden könne. Vielmehr habe er das Schreiben mit dem entsprechenden Faxaufdruck per E-Mail von Herrn C. erhalten und die Anlage auf seinem PC gespeichert. Er habe von dem Schreiben erst nach Versendung Kenntnis erlangt (Ziffer 4.2).
40- Soweit er an Herrn C. Geld überwiesen habe, handele es sich um von Herrn C. verlangten Aufwendungsersatz (Ziffer 4.3).
41- Z. KD. sei eine alte Bekannte von ihm. Sie habe wirtschaftliche Probleme gehabt und sich mit etlichen Anfragen an ihn gewandt. In der Folge habe er ihr zu verschiedenen Aktivitäten geraten, um die Sachlage zu klären. Im November 2017 sei er von der Hilfe durch Herrn C. und Herrn N. noch durchaus angetan gewesen und habe Frau KD. daher empfohlen, sich mit diesen in Verbindung zu setzen. Dies habe sie getan und ihm in der Folgezeit die Unterlagen übermittelt, die sie von dort erhalten und nicht verstand habe und nicht habe ausfüllen können. Sie habe von ihm Hilfe beim Ausfüllen der Schriftstücke erwartet. Er habe diese Korrektur gelesen, teilweise mit Anmerkungen versehen und ihr auch ein „Muster“ gemailt. Seine Tochter habe Einwände gegen die Gebührenerhebung durch die GEZ gehabt. Sie sei der Meinung gewesen, die Forderungen seien unbegründet. Er habe ihr bei der Formulierung ihres Widerspruchs gegen die Erhebung der Rundfunkgebühren geholfen und sie später darauf hingewiesen, dass die Forderung rechtmäßig sei (Ziffer 4.4).
42- Das Anhörungsschreiben der Kreispolizeibehörde J. vom 3. November 2017 habe er weder verändert noch versandt (Ziffer 4.5). Im Dezember 2017 sei er von der Kreispolizeibehörde J. aufgefordert worden, seine Waffenbesitzkarte abzugeben. Das Schreiben habe er per E-Mail an Herrn C. gesandt.
43- Auch er wisse nicht, ob es Herrn N. gebe oder ob dieser eine Erfindung Herrn C.s sei. Er – der Beklagte – habe die Veränderungen an den Schreiben nicht vorgenommen und diese auch nicht als Fax versandt. Die Waffenbesitzkarte sei bei der Durchsuchung am 22. Januar 2018 gefunden worden. Mit der Behauptung, diese nicht mehr zu besitzen, habe er die Sache bis zu einer Entscheidung im Strafverfahren herauszögern wollen (Ziffer 4.6).
44- Nicht er habe das Schreiben an das Polizeipräsidium X. versandt, sondern ohne sein Wissen entweder Herr C. oder Herr N.. Irgendwann im November habe er von Herrn C. eine Kopie dieses Schreibens nebst diversen Anlagen erhalten. Bei den Anlagen habe es sich u. a. um Schreiben zur Staatsangehörigkeitsfrage, zum Besatzungsrecht usw. gehandelt (Ziffer 4.7).
45- Das Schreiben an den Beitragsservice habe er versandt. Nachdem ihm am 25. Januar 2018 die Kündigung der Vollmacht für Herrn N. bestätigt worden sei, habe er sämtliche Eingaben an die GEZ zurückgenommen und die Forderungen als rechtmäßig anerkannt (Ziffer 4.8).
46Ein von ihm in dem betreffenden Zeitraum selbst gefertigtes Schreiben an die Staatsanwaltschaft X. sei in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht völlig anders und belege, dass er dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung nicht gefolgt sei.
47Er sei von September bis Dezember 2017 wie im Tunnelblick völlig auf das Vorgehen gegen die Durchsuchung fixiert gewesen. Von September 2017 bis Januar 2018 sei er krankheitsbedingt schuldunfähig gewesen. Er leide unter leichter Demenz und einem schwer einzustellendem Diabetes mellitus mit zeitweisen Wahrnehmungsstörungen und psychischen Beeinträchtigungen. Diese Umstände hätten möglicherweise mit dazu beigetragen, dass er sich im genannten Zeitraum total „verrannt“ habe. Im Januar 2018 sei er wieder zur Besinnung gekommen und habe feststellen müssen, dass er sich total „verfranst“ habe.
48Das Verwaltungsgericht hat Sachverständigenbeweis erhoben. Der Sachverständige Prof. Dr. med. VA. BD. hat am 6. Juli 2020 ein schriftliches psychiatrisches Gutachten erstattet und das Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. Oktober 2021 ergänzend erläutert.
49Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt des Beklagten wegen Dienstvergehens für die Dauer von drei Jahren um zehn Prozent gekürzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Durch die eigenhändige Versendung der Schreiben an den Beitragsservice der Rundfunkanstalten, die Weitergabe der Dokumentvorlagen des Herrn C. und die Unterstützung Dritter bei der Abwehr berechtigter staatlicher Forderungen habe der Beklagte ein schweres Dienstvergehen begangen. Die Aberkennung des Ruhegehalts bilde den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Bewertung. Unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes sei die Ausschöpfung des Maßnahmenrahmens nicht erforderlich und geboten. Zwar sei nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens eine Milderung der Disziplinarmaßnahme aufgrund einer erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit nicht angezeigt. Indes komme dem Beklagten der Milderungsgrund der überwundenen „negativen Lebensphase“ zugute. Die Stabilisierung der Lebensverhältnisse und die gezeigte Reue ließen die Erwartung zu, dass weitere Verstöße nicht zu erwarten seien. Die weitergehenden Vorwürfe seien nicht nachgewiesen oder erreichten nicht den Grad der aktiven Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
50Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er begründet diese im Wesentlichen damit, dass das Verwaltungsgericht die Schwere des Dienstvergehens durch die aktive Betätigung des Beklagten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung unzureichend gewürdigt und den Milderungsgrund einer überwundenen negativen Lebensphase fehlerhaft angenommen habe. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass erst nach der Durchsuchung seiner Wohnräume ein dem Beklagten vorwerfbarer Pflichtenverstoß vorgelegen habe. Denn der Beklagte habe sich vor dem 8. Juni 2017 nicht nur kritisch mit den Fragen der Legitimität staatlichen Handelns auseinandergesetzt, sondern sich bereits aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt. Er habe bereits am 27. April 2016 von der „BRiD“ und auch zeitlich davor, am 23. November 2015, auf der Website www.contramagazin.com von den „Finanzspritzen der Finanz- und Wirtschafts-
K.
GmbH BRD“ gesprochen und zugleich aufgeführt „die BRD ist nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs von 1871“. Insofern sei festzustellen, dass der Beklagte bereits weit vor dem Zeitraum zwischen September und Dezember 2017 die Bundesrepublik Deutschland als souveränen Staat nicht anerkannt, sondern vielmehr reichsbürgertypisch als eine Art Wirtschaftsunternehmen betrachtet habe. Daraus werde deutlich, dass die aktive Betätigung des Beklagten keinen Auslöser in der erstmaligen strafrechtlichen Durchsuchung 8. Juni 2017 gefunden habe. Vielmehr habe sich seine gefestigte Gesinnung ab diesem Zeitpunkt gegen diejenigen Behörden gerichtet, die ihn selbst zum Adressaten straf- und verwaltungsrechtlicher Verfahren gemacht hätten. Auch infolge der Feststellungen des Gutachtens solle nicht ausgeschlossen werden, dass die als traumatisch empfundene und aus Gründen des Verdachts der Volksverhetzung durchgeführte Durchsuchung den Beklagten psychisch belastet habe. Dennoch sei diese Durchsuchung nicht der Auslöser bzw. der Grund für das reichsbürgertypische und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Verhalten des Beklagten gewesen. Erst als er im Rahmen der zweiten (disziplinarrechtlichen) Durchsuchung die Aberkennung seines Ruhegehalts habe fürchten müssen, habe er seine Betätigung in der Öffentlichkeit vollständig eingeschränkt. Wer bereits im Jahr 2015 in öffentlich zugänglichen Foren von den „Finanzspritzen der Finanz- und Wirtschafts-
K.
GmbH BRD“ geschrieben habe, offenbare als pensionierter Beamter nicht seine von der Meinungsfreiheit umfasste persönliche Auffassung. Er betreibe vielmehr bewusst Hetze gegen den Staat, seine Institutionen sowie die ihnen innewohnende Idee der Kernstruktur des Gemeinwesens in der Bundesrepublik Deutschland. Damit betätige er sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Die vom Verwaltungsgericht in diesen Aussagen angenommene bzw. bewertete „kritische Auseinandersetzung mit Fragen der Legitimität staatlichen Handelns des Beklagten“ könne nicht nachvollzogen werden. Das gelte umso mehr, als seinen Aussagen keine nachvollziehbaren Argumentationsketten zu Grunde lägen, sondern eine bewusste Diffamierung und ideologisch ausgerichtete Bekämpfung des Staates erzielt werden solle. Auch insofern müsse der Zeitraum der aktiven Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung als wesentlich früher erkannt und die Schwere des Pflichtverstoßes entsprechend zu dessen Lasten berücksichtigt werden. Zudem seien weitere für eine negative abgeschlossene Lebensphase des Beklagten zu berücksichtigende Gesichtspunkte pauschal und ohne nähere Prüfung zu Grunde gelegt worden. Entgegen seiner Behauptung habe sich der Beklagte bei keinem unmittelbar Betroffenen entschuldigt. Die Annahme einer Stabilisierung der Lebensverhältnisse und des Zeigens von Reue gingen fehl. Schon durch das von allen im Gerichtssaal Anwesenden wahrgenommene Verhalten des Beklagten habe sich gezeigt, dass Derartiges gerade ausgeblieben sei. Im Gegenteil habe sich der Beklagte von den aus seiner Sicht nicht nachvollziehbaren Gründen für die Disziplinarklage distanziert. Beweislos habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Beklagte seine Generalvollmacht widerrufen und seine Rundfunkbeiträge gezahlt habe. Der Widerruf der Generalvollmacht sei als Schutzbehauptung zu bewerten. Auch die vollständige Zahlung von Rundfunkgebühren sei lediglich behauptet worden. Das Verwaltungsgericht habe insofern mehrfach nicht durch Tatsachen gedeckte Schlussfolgerungen gezogen und gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen. Angesichts des Schwere des in Rede stehenden Dienstvergehens sei eine Aberkennung des Ruhegehalts unumgänglich.
Der Kläger beantragt,
52das angefochtene Urteil zu ändern und dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
53Der Beklagte beantragt,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend:
56Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine erheblich verminderte Einsichts- und damit Schuldfähigkeit verneint. Der Sachverständige Prof. Dr. VA. BD. komme in seinem Gutachten nachvollziehbar zu einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Sachverständige keine Aufhebung, sondern lediglich eine wesentliche „Verminderung“ der Einsichtsfähigkeit „festgestellt“ habe. Schon dass er einer völlig unbekannten Person Generalvollmacht erteilt habe, zeige anschaulich, dass er sich des Inhalts und der Bedeutung seines Tuns nicht bewusst gewesen sei. Es sei für ihn zudem nur sehr eingeschränkt einsehbar gewesen, dass er durch sein Verhalten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgegangen sei.
57Zutreffend sei das Verwaltungsgericht von einer zwischenzeitlich überwundenen negativen Lebensphase ausgegangen. Die vom Kläger zitierten Äußerungen vom 27. April 2016 und vom 23. November 2015 stammten von anderen Personen als ihm. Seit 2015 seien etwa 50 Millionen Facebook-Accounts gehackt worden. Es hätten zwei von Dritten erstellte Accounts mit seinem Namen und Konterfei bestanden, in denen Diskreditierendes zu seiner Person und von ihm nicht verantwortete Beiträge eingestellt worden seien. Zudem habe seine Ehefrau seinen Account genutzt. Auch der Facebook-Kommentar zu Frau XP., der durchaus von ihm stamme, sei nachträglich verändert worden. Selbst wenn man annähme, dass die Kommentare von ihm stammten, schließe dies eine mittlerweile überwundene negative Lebensphase nicht aus. Er sei nach der Pensionierung in ein Loch gefallen und habe sich immer weiter zurückgezogen. Insofern sei davon auszugehen, dass die negative Lebensphase bereits kurz nach der Pensionierung begonnen habe. Entscheidend sei, dass diese Lebensphase nunmehr überwunden sei. Er habe sich beim Landrat des Kreises J. und der GEZ schriftlich entschuldigt; diese Entschuldigungen wolle er „an dieser Stelle“ noch einmal ausdrücklich wiederholen. Eine Entschuldigung sei zudem nicht Bestandteil der Frage, ob eine negative Lebensphase überwunden sei. Er habe deutlich gemacht, trotz der von Herrn C. und/oder Herrn N. versendeten Schreiben kein Reichsbürger zu sein. Dies belege, dass die Lebensphase, in der die Versendung der Schreiben durch Herrn C. und/oder Herrn N. einen anderen Eindruck vermitteln konnten, überwunden sei. Ihm sei mittlerweile, anders als Ende 2017, durchaus klar, dass diese Schreiben den Eindruck erwecken konnten, er sei überzeugter Reichsbürger. Nachdem er zu der Einsicht gelangt sei, er habe sich völlig verrannt, habe er die Bevollmächtigung gekündigt. Die Generalvollmacht habe er bereits am 10. Januar 2018 und damit vor der zweiten Durchsuchung zurückgezogen. Auch ergebe sich aus einer Bestätigung des Beitragsservice der Rundfunkanstalten, dass er bereits am 30. Januar 2018 den rückständigen Beitrag und seitdem durchgängig Beiträge gezahlt habe. Im Übrigen sei keine weitere Verhaltensweise im Sinne einer Verfehlung erfolgt. Ein überzeugter Reichsbürger wäre auch unter der Gefahr, sein Ruhegehalt zu verlieren, nicht bereit, entsprechende Aktivitäten einzustellen. Auch der Sachverständige habe es als glaubhaft angesehen, dass er – der Beklagte – nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung habe handeln wollen, und sei zu dem Ergebnis gelangt, zum Untersuchungszeitpunkt sei die depressive Anpassungsstörung überwunden.
58Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der im Protokoll der mündlichen Verhandlung aufgeführten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.
59Entscheidungsgründe:
60Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern. Dem Beklagten ist das Ruhegehalt abzuerkennen.
61Der Entscheidung stehen keine formellen Mängel des Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklage entgegen. In der Sache ist gegen den Beklagten die Höchstmaßnahme zu verhängen. Er hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Deshalb ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen, § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW.
62I.
63In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat nach eigener Überzeugungsbildung aufgrund des Akteninhalts zunächst die Feststellungen des Verwaltungsgerichts (Seite 14 ff. des Urteilsabdrucks – UA –, Ziffer II. 1.) zum Geschehensablauf der vorgeworfenen Handlungen zugrunde. Seine Behauptung, er habe Herrn N. die Generalvollmacht entzogen, hat der Beklagte in der Berufungsinstanz durch Vorlage einer E-Mail an Herrn C. vom 10. Januar 2018 und einer E-Mail von Herrn C. vom 27. Januar 2022 belegt.
64Ergänzend stellt der Senat anhand des Akteninhalts fest, dass am 19. Oktober 2017 ein dreiseitiges Telefax-Schreiben beim Amtsgericht Dortmund einging, in dem die Seiten eines an den Beklagten adressierten Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Dortmund vom 17. Oktober 2017 durchgestrichen und mit den Aufschriften „Treuhandbetrug“ und „nichtig/ungültig“ versehen waren. Außerdem war an der Stelle des Namenszuges des zuständigen Richters eine Korrektur „für M. F. Y. O.“ angebracht. Durch einen Stempelaufdruck und einen Namenszug des Beklagten „entwertete“ der Absender zudem den Beschluss des Amtsgerichts X.. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt.
65Den so festgestellten Geschehensablauf hat der Beklagte weitgehend eingeräumt bzw. ihm in beiden Rechtszügen nicht widersprochen. Strittig ist zwischen den Beteiligten lediglich bei einem Teil der Vorwürfe, ob der Beklagte die betreffenden Unterlagen selbst an die jeweiligen Empfänger übersandt hat oder ob dies durch von ihm beauftragte und bevollmächtigte Dritte geschah. Hierauf kommt es – wie später (Gliederungspunkt II. 2. a) a. E.) bei der Würdigung auszuführen sein wird – allerdings nicht entscheidungserheblich an.
66II.
67Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt. Dies gilt bei Ruhestandsbeamten gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG als Dienstvergehen.
681.
69Während sich aktive Beamte gem. Art. 33 Abs. 5 GG und § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht nur zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, sondern auch für deren Erhaltung eintreten müssen,
70vgl. hierzu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 21.04.2021 – 3d A 1595/20.BDG –, juris Rn. 87 ff. m. w. N.,
71verlangt § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG von Ruhestandsbeamten lediglich, sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu betätigen. Dieser zurückhaltenden, auf ermäßigte Anforderungen an die Verfassungstreuepflicht gerichteten Zielsetzung ist bei der Auslegung des Begriffs des „Betätigens“ Rechnung zu tragen. Das erfolgt zum einen dadurch, dass aktive Handlungen erforderlich sind, zum anderen dadurch, dass die Verletzung der politischen Treuepflicht besonders schwerwiegend sein muss.
72Vgl. BVerwG, Urteile vom 15.08.2024 – 2 WD 6.24 –, juris Rn. 36 ff., und vom 14.06.2023 – 2 WD 11.22 –, juris Rn. 17 f., zur vergleichbaren Regelung in § 23 SG; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.01.2024 – 11 L 1/23 –, juris Rn. 35, jeweils m. w. N.; Schachel, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Kommentar, Stand Juni 2022, § 47 BeamtStG Rn. 29.
73Dies setzt feindselige Aktivitäten voraus. Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von solchen Aktivitäten haben. Solange sie sich darin erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen – in dem dafür rechtlich vorgesehenen Verfahren – zu ändern, begründen sie keinen Verstoß gegen die nachwirkende politische Treuepflicht. Denn weder der Staat noch die Gesellschaft haben ein Interesse an unkritischen Beamten. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern – mithin nicht den Staat und seine Staatsorgane lediglich kritisieren, sondern deren Legitimität in Frage stellen – Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar.
74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 – 2 BvL 13/73 –, juris Rn. 46; BVerwG, Urteile vom 15.08.2024 – 2 WD 6.24 –, juris Rn. 38, und vom 14.06.2023 – 2 WD 11.22 –, juris Rn. 19; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.01.2024 – 11 L 1/23 –, juris Rn. 38; jeweils m. w. N.
75Dabei liegt eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung jedenfalls (aber nicht nur) dann vor, wenn abstrakt eine Abschaffung zentraler Grundprinzipien gefordert wird, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind, wie etwa die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip. Für Letztgenanntes ist die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich. Hinzu tritt der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere die Achtung des staatlichen Gewaltmonopols. Darüber hinaus bezieht sich das Dienst- und Treueverhältnis von Beamten, Soldaten und anderen Hoheitsträgern nach Art. 33 Abs. 4 GG auch auf den konkreten Verfassungsstaat, seine gegenwärtigen Institutionen und seine demokratisch legitimierten Repräsentanten. Darum verletzt der Ruhestandsbeamte seine fortwirkende Treuepflicht, wenn er die Staatsorgane nicht lediglich kritisiert, sondern ihre demokratisch gewählten Repräsentanten diffamiert, ihnen die Legitimation abspricht, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürwortet oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordert. Ob sich ein früherer Beamter gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt, ist aus objektiver Sicht zu bestimmen. Maßgeblich sind das äußere Geschehen und der objektive Erklärungsgehalt von Äußerungen, wie sie ein unbefangener Dritter verstehen muss. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der sich die Bekundung bewegt, zu berücksichtigen. Ob die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung subjektiv betrachtet ebenfalls feindselig motiviert ist, vorsätzlich oder nur fahrlässig erfolgt ist, ist eine Frage des erforderlichen Verschuldens und der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung.
76Vgl. BVerwG, Urteile vom 15.08.2024 – 2 WD 6.24 –, juris Rn. 39, und vom 14.06.2023 – 2 WD 11.22 –, juris Rn. 20 ff., 23, 25; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.01.2024 – 11 L 1/23 –, juris Rn. 35, 38.
772.
78Daran gemessen hat sich der Beklagte im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt.
79a)
80Dies gilt zunächst für das (Antwort-)Schreiben an den Landrat des Kreises J. vom 13. November 2017, nachdem dieser ihm unter dem 3. November 2017 in einem waffenrechtlichen Verwaltungsverfahren zu einem möglichen Entzug Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt hatte.
81Das Dokument ist in deutscher und russischer Sprache verfasst, mit „Anklage“ überschrieben und zudem an zahlreiche weitere Institutionen, insbesondere Botschaften, adressiert. Inhaltlich weist es das „Handelsangebot“ des Landrats vom 3. November 2017 zurück. Als Verfasser ist ein Herr T. OL.:N. angegeben, der bevollmächtigt sei, den Beklagten zu vertreten. In dem Schreiben wird festgestellt, dass kein Handelsvertrag mit dem Landrat abgeschlossen worden sei und vielmehr eine Verwechslung seiner Person vorliege:
82„Mein Mandant weist Sie ausdrücklich darauf hin, dass hier eine Verwechselung vorliegt, denn der lebend geborene und beseelte Mensch-Mann MPQ.Y.O.:L.© ist nicht die fiktive Juristische Person Herr Q. L. und der lebend geborene und beseelte Mensch-Mann MPQ.Y.O.:L.© ist auch kein Treuhänder der fiktiven juristischen Person Herr Q. L.… Mein Mandant hat von meinem Schutz Gebrauch gemacht und hat seine Waffenbesitzkarte in meine Verwahrung überlassen, da er Angst hat, wieder von der Polizei überfallen und ausgeraubt zu werden… In diesem Zusammenhang wird hier auf das [SHAEF Gesetz Nr. 1 & 4], Kontrollratsgesetz Nr.1 (Ausrottung der Nazigesetze vom 20.09.1945), SMAD Befehl Nr. 2 Abs. 5 vom 10.06.194] verwiesen …“ (Bl. 93R ff. BA Heft 3, Hervorhebungen und Formatierungen im Original).
83Er sei seit Geburt zu der Eintragung „deutsch“ gezwungen worden und könne nunmehr frei, unabhängig und eigenständig als Mensch darüber entscheiden, welcher Staatsangehörigkeit er angehöre und infolgedessen auch, welcher Gesetzgebung er sich unterwerfe. Weiter heißt es:
84„Mein Mandant steht ab sofort unter meinem Schutz. Es wird gesondert darauf hingewiesen, jegliche unrechtmäßige Angebot/ Forderungen ihrerseits sofort einzustellen. Wird das missachtet, werden sofort Schutzmaßnahmen scharfgeschaltet.“ (Bl. 93R BA Heft 3). Der Landrat habe seine Vollmachten und den Rechtsstatus seiner Organisation/Firma zu erklären und müsse Nachweis erbringen, welcher Organisation/Firma er konkret angehöre. Werde „im Ablauf von 30 Tagen, auf unser Schreiben nicht geantwortet, gelten alle an Sie gestellten Fragen als eine unwiderlegbare Tatsache und somit als die Wahrheit. Dann wird automatisch eine Anklage mit Anklageschrift an die Volksgerichtskammer in Kaliningrad abgegeben.“ (Bl. 94 BA Heft 3)
85Mit diesem Inhalt geht es dem Verfasser offenkundig nicht um eine sachliche Auseinandersetzung und Prüfung der waffenrechtlichen Erlaubnis im Rahmen des vorgesehenen, rechtsstaatlichen Verfahrens. Vielmehr stellt er die staatliche Autorität des Landrats als Handelnder und die Legitimität des von ihm geführten Verfahrens in Abrede, ebenso die Stellung des Beklagten als Subjekt der deutschen Rechtsordnung und die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland.
86Unerheblich ist und bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung (s. o. Gliederungspunkt I. a. E.), ob der Beklagte das Schreiben selbst versendet hat oder ob dies von Herrn C. oder Herrn N. veranlasst wurde. Denn dann müsste der Beklagte sich das Verfassen und Versenden des Schreibens jedenfalls als eigenes Betätigen zurechnen lassen: Er hatte sich nach der Durchsuchung seiner Wohnung am 8. Juni 2017 an Dimitri C. gewandt. Dem war nach seinen eigenen Angaben vorausgegangen, dass er „tagelang“ im Internet gegoogelt hatte. Schon deshalb liegt nahe, dass er mit Herrn C. nicht zufällig oder irrtümlich einen der führenden Köpfe der Reichsbürger-Szene um Unterstützung bat, sondern dass er sich die von den Reichsbürgern vertretenen Auffassungen bei der weiteren Verfolgung seiner Interessen zu eigen machen wollte, als er ihm Unterlagen übersandte und Herrn N. am 5. September 2017 eine „Generalvollmacht“ erteilte. Danach durfte dieser ihn „in allen vermögensrechtlichen oder persönlichen Angelegenheiten, überall auf der Welt und in jedem Staat in meinem Interesse vertreten“. Hinzu kommt, dass dem Beklagten das Schreiben vom 13. November 2017 bekannt war, nachdem Herr C. es ihm übersandt und er es mit einem Zusatz „Frist: 15.12.17“ versehen hatte. Weder gegenüber dem Landrat noch gegenüber den Herren C. oder N. sah sich der Beklagte zu einer Klarstellung veranlasst. Auch daraus folgt, dass er das Schreiben als auftragsgemäß in seinem Sinne billigte.
87Die inhaltliche Billigung wird auch dadurch bestätigt, dass der Beklagte seinerseits sog. „Lebendbekundungen“ unterschrieben hatte, in denen es ebenfalls heißt „… dass ich ein geistiges Wesen mit einem Körper männlichen Geschlechts bin, dass mein Fleisch lebt, dass mein Blut strömt ... ich … am Leben, beseelt und selbstbewusst bin“, was ebenfalls keinen anderen Erklärungswert hat, als die eigene Stellung als Rechtssubjekt mit den entsprechenden Rechten und Pflichten im Sinne der geltenden Rechtsordnung nicht akzeptieren zu wollen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fingerabdruck auf den Dokumenten, wie auf der „Lebendbekundung“ Herrn C.s angegeben, mit Blut – wie der Kläger behauptet – oder mit roter Farbe – wie der Beklagte behauptet – angebracht wurde.
88b)
89Zudem wurde bei dem Beklagten die Kopie eines Anhörungsschreibens des Landrats vom 3. November 2017 zum Entzug der Waffenbesitzkarte für einen Revolver „Smith & Wesson“ gefunden. Das Dokument ist mit „KOPIE VOM ORIGINAL“ in rot überschrieben. Beide Seiten des Anhörungsschreibens sind durchgestrichen und mit „TREUHANDBETRUG“ quer überschrieben. Unten auf den Seiten wurde handschriftlich „NICHTIG/UNGÜLTIG“ angebracht. Auf der ersten Seite befindet sich jeweils oben die handschriftliche Aufschrift „Ausdrückliche zurückweisung des Handelsangebots erfolgt durch“ mit anschließendem Barcode. Das Schreiben wurde gemäß den aufgedruckten Zustellungsbestätigungen am 9. und am 14. November 2017 versandt. Auch hier ist der Beklagte den Veränderungen nicht entgegengetreten. Das bestätigt ebenfalls, dass er gegen diese nichts einzuwenden hatte und mit Art und Inhalt der Interessenwahrnehmung durch die Herren C. und N. einverstanden war. Mit den Veränderungen an dem Schreiben wird inhaltlich erneut zum Ausdruck gebracht, die staatliche Autorität des Landrats und Legitimität des waffenrechtlichen Verfahrens und damit die staatliche Ordnung als solche nicht anzuerkennen.
90c)
91Auch bei dem Schreiben vom 14. November 2017 an das Polizeipräsidium X. handelt es sich um eine Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
92Das Schreiben ähnelt vom Aufbau und Inhalt dem bereits erörterten Schreiben an den Landrat des Kreises J. vom 3. November 2017. Es ist mit „Klageerhebung vor Gericht“ überschrieben, wurde ebenfalls an zahlreiche Behörden, insbesondere Botschaften, adressiert und ist seinem Inhalt nach von „MPT. OL.:N.©“, der den Beklagten und die Familie „MPL.©“ vertrete, übersandt worden. Darin werden ebenfalls eine „Verwechslung seiner Person“ angegeben, „das Handelsangebot“ des Adressaten und zugleich das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 8. Juni 2017 zurückgewiesen und „bei Nichtbefolgung“ Rechtsfolgen angedroht. Die Wohnungsdurchsuchung wird als „widerrechtlich“ bezeichnet, ohne dass Sachargumente – im Sinne einer Auseinandersetzung mit den rechtlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung gemäß den §§ 102 ff. StPO – hierfür mitgeteilt werden.
93Auch der Erklärungswert dieses Schreibens läuft darauf hinaus, die Stellung des Beklagten als Adressat staatlichen Handelns zu verneinen, die Gültigkeit staatlichen Handelns u. a. vom Einverständnis des Beklagten abhängig zu machen und die Durchsuchung bereits mangels staatlicher Autorität und Legitimität abzulehnen, nicht wegen Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen von verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung. Offenbar war der Beklagte nicht mehr bereit, die Bundesrepublik Deutschland als Staat, das Grundgesetz als gültige Verfassung und die Legitimität und Autorität staatlicher Behörden anzuerkennen.
94Auch hier kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das Schreiben selbst versandt hatte. Entscheidend ist, dass es sich bei seinen Unterlagen befand, er von der Versendung durch die von ihm beauftragten/bevollmächtigten Herren C. oder N. Kenntnis hatte und er dem Inhalt weder gegenüber dem Polizeipräsidenten noch gegenüber Herrn C. oder Herrn N. entgegentrat.
95d)
96Auch bei der Reaktion des Beklagten auf die im Nachgang zu der Durchsuchung am 17. Oktober 2017 durch das Amtsgericht Dortmund angeordnete Beschlagnahme von Gegenständen handelt es sich um eine Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das am 19. Oktober 2017 beim Amtsgericht eingegangene dreiseitige Schreiben zielte nicht darauf ab, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft sachlicher Argumente und in dem dafür vorgesehenen Verfahren die Rechtsmäßigkeit der Anordnung zur Überprüfung zu stellen. Denn die betreffenden Seiten des Beschlagnahmebeschlusses waren in dem Fax durchgestrichen sowie mit den Aufschriften „TREUHANDBETRUG“ und „NICHTIG/UNGÜLTIG“ versehen. Außerdem war an der Stelle des Namenszuges des zuständigen Richters eine Korrektur „für M. F. Y. O.“ angebracht. Durch einen Stempelaufdruck und einen Namenszug des Beklagten „entwertete“ (wörtlich heißt es: „Entwertung ex tunc der beglaubigten Blanko-Urkunde, UCC 1-103 …“) der Absender außerdem den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund. Es ging demgemäß ersichtlich darum, die Legitimität der Beschlagnahmeanordnung und die Autorität der anordnenden Stellen als solche in Abrede zu stellen.
97Auch in diesem Zusammenhang kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte das Fax selbst an das Amtsgericht gesendet hatte oder ob dies von den Herren C. bzw. N. veranlasst worden war. Denn der Beklagte hatte offenbar keinen Anlass gesehen, dem erhaltenen Abdruck des Faxes inhaltlich entgegenzutreten.
98e)
99Nichts anderes gilt für die Schreiben des Beklagten an den Beitragsservice der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vom 13. September, 9. und 15. Oktober 2017. Auch hierbei handelt es sich um ein Betätigen gegen die freiheitlich-demokratisch Grundordnung.
100Dabei ist dem Senat bewusst, dass es sich bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht um staatliche Organe handelt. Dass die Berechtigung eines gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer wieder auch Gegenstand der öffentlichen und politischen Debatte ist, ist ebenfalls bekannt. Auch hat der Senat zur Kenntnis genommen, dass der Beklagte gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. VA. BD. angegeben hat, er sei mit dem Programmangebot der Rundfunkanstalten nicht einverstanden gewesen. Demgegenüber ist auch in diesem Zusammenhang entscheidend, dass der Beklagte sich „an die Firma ARD/ZDF“ wandte und die Gebührenforderung als „Handelsangebot“ zurückwies. Nach ihrem objektiven Erklärungswert und im Lichte des Inhalts der bei dem Beklagten gefundenen Unterlagen und seines übrigen Verhaltens ging es also dabei nicht darum, die Berechtigung der Gebührenforderung im Wege sachlicher Auseinandersetzung zu klären oder sachliche Kritik am Programmangebot zu üben. Vielmehr stellte er den Bestand der Rundfunkanstalten als Anstalten öffentlichen Rechts in Abrede. Zugleich stellte er die Berechtigung der Beitragsforderung unter den Vorbehalt eigener Zustimmung und deligitimierte damit die zugrundeliegende staatliche Ermächtigung als Rechtsgrundlage. Dies läuft darauf hinaus, die Gültigkeit und Verbindlichkeit staatlicher Gestaltungsakte und Ermächtigungen und damit die Autorität und Legitimität des Staates und seiner Ordnung selbst (grundlegend) in Frage zu stellen.
101f)
102Schließlich betätigte sich der Beklagte vielfach im vorstehenden Sinne, indem er weitere Personen – darunter seine Tochter P., einer nicht näher bekannten R. sowie eine Frau TF. KD. aus DA. – beim Verfassen und Versenden vergleichbarer Schriftstücke unterstützte.
103Im Zusammenhang mit einem Widerspruch der Tochter gegen eine Beitragsforderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schrieb er dieser per E-Mail: „Bevor Du es ausdruckst, da war noch ein Fehler darin. Hier noch einmal neu! (...) Wir unternehmen noch einmal einen Versuch des Widerspruchs! Wir müssen sonst auf die Schiene ‚natürliche Person-Mensch‘ p:l ausweichen und die ‚juristische Person‘ P. L. ablehnen.“ Zugleich übersandte er das Dokument „P. L. GEZ Antwort 20.12.2017.docx“. In einer weiteren E-Mail an seine Tochter P. vom 20.11.2017 wurde ein Dokument „R. GEZ Zurückweisung.docx“ übersandt. Der Beklagte erklärte hierzu: „Hallo P., R. kann, nachdem sie die gelben Daten entsprechend ihrer abgeschickten Schreiben verändert hat, so abschicken.“
104Für Frau KD. bearbeitete er u. a. eine an diese gerichtete Ladung der Staatsanwaltschaft Stuttgart zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe, indem er beide Seiten des Dokuments durchstrich und die handschriftlichen Zusätze „Treuhandbetrug“ und „nichtig/ungültig“ anbrachte, außerdem „ausdrückliche Zurückweisung des Handelsabkommens erfolgt durch“ handschriftlich ergänzte. Ähnlich bearbeitete er eine an Frau KD. adressierte Kostenrechnung des Finanzgerichts Baden-Württemberg. Daneben stellte er Frau KD. u. a. für das finanzgerichtliche Verfahren den Entwurf eines mit „Souveränes Affidavit der Wahrheit“ überschriebenen Dokuments zur Verfügung, den Entwurf eines als „Anklage“ überschriebenen, an das Polizeipräsidium Reutlingen adressierten Schreibens, inhaltlich vergleichbar den Schreiben an den Landrat des Kreises J. vom 13. November 2017 und das Polizeipräsidium X. vom 14. November 2017, und einige weitere Dokumente mit ähnlichen Inhalten, Ergänzungen oder Veränderungen und sandte diese zur Verwendung an Frau KD.
.
Mit diesen Schreiben unterstützte er seine Tochter und die genannten Personen, ihrerseits die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, die Geltung der Verfassungs- und Rechtsordnung, die Autorität der staatlichen Organe und Behörden und die Legitimität staatlichen Handelns in Abrede zu stellen.
106g)
107Bezüglich der dem Beklagten vorgeworfenen weiteren Handlungen teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts (S. 21 f. UA), dass sich der Beklagte damit nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt hat. Solange der Beklagte Dokumente auf seinem Rechner lediglich abgespeichert, aber nicht gegenüber Dritten verwendet hat, handelt es sich nicht um eine „Äußerung“ und damit nicht um ein nach außen hin erkennbares aktives Tätigwerden gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Korrespondenz mit Herrn A. über den Sinn von „Freihandelsabkommen“ und „UCC-Register“ beinhaltet sachliche Kritik an den Regelungen. Gleiches gilt für das Anzweifeln der Gültigkeit des Durchsuchungsbeschlusses mangels Unterschrift bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 22. Januar 2018. In beiden Fällen stellte er weder die Legitimität und Autorität des Staates und der für ihn handelnden Organe noch die Gültigkeit der Rechtsordnung als solche in Abrede; bei der Durchsuchung zeigte er sich zudem kooperativ.
1083.
109Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft.
110a)
111Dem Beklagten waren die vorstehend beschriebenen Gesichtspunkte bekannt. Zudem ist der Senat davon überzeugt, dass dem Beklagten bewusst war, dass das ihm vorgeworfene Verhalten geeignet war, in den Augen Dritter die Bundesrepublik und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung im oben genannten Sinne zu delegitimieren. Gerade dies war zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamteindruck des Akteninhalts bei verständiger objektiver Würdigung der Zweck des festgestellten Handelns des Beklagten. Auch war dem Beklagten aufgrund seiner beruflichen Stellung als ehemaliger Polizeibeamter bewusst, dass er sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigen durfte.
112b)
113Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige Prof. Dr. VA. BD. in seinem schriftlichen Gutachten vom 6. Juli 2020 zu dem Ergebnis gelangt ist, bei dem Beklagten seien in der Folge der Hausdurchsuchung am 8. Juni 2017 eine Einengung des Denkens und hohe emotionale Anspannung eingetreten. Diese hätten zu einer Verminderung seiner Kritik- und Urteilsfähigkeit geführt, die in ihrem Ausmaß so ausgeprägt gewesen seien, dass eine „erhebliche Verminderung“ der Einsichtsfähigkeit wahrscheinlich sei, zumindest aber nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. S. 81 des Gutachtens).
114Denn bei einem Verhalten ist Unrechtseinsicht entweder vorhanden oder nicht. Eine reduzierte Einsichtsfähigkeit ist – entgegen der mit der Berufungserwiderung vom Beklagten geäußerten Auffassung – für sich genommen nur von Bedeutung, wenn sie tatsächlich das Fehlen der Unrechtseinsicht bei der Begehung der Tat zur Folge hat.
115Vgl. BGH, Beschluss vom 19.09.2023 – 3 StR 229/23 –, juris Rn. 15; Eschelbach, in: BeckOK StGB, 62. Ed. 01.08.2024, § 21 Rn. 5; jeweils m. w. N.
116Fehlt die Unrechtseinsicht bei der konkreten Tatbegehung, weil die Einsichtsfähigkeit erheblich vermindert war, ist die Schuld aufgehoben (§ 20 StGB) und nicht nur vermindert. Verminderte Einsichtsfähigkeit entlastet den Täter dagegen nicht, wenn er bei der Begehung der Tat die Unrechtseinsicht tatsächlich hatte.
117Vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – 4 StR 535/20 –, juris Rn. 4; Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 21 Rn. 3; jeweils m. w. N.
118Vom Vorhandensein letzterer bei den hier in Rede stehenden Pflichtverletzungen ist der Senat überzeugt. Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass in dem hier relevanten Zeitraum beim Beklagten – wie der Sachverständige diagnostiziert hat – eine Anpassungsstörung bei Persönlichkeitsakzentuierung sowie eine depressive Episode bestanden haben. Eine „verminderte Einsichtsfähigkeit“ nicht ausschließen zu können hat der Sachverständige im Wesentlichen damit begründet, dass
119- der Inhalt der vom Beklagten unterzeichneten Schriftstücke zum Teil „abstrus“ sei,
120- der Beklagte Herrn C. kritiklos um Unterstützung gebeten und bevollmächtigt habe,
121- Schriftstücke „juristisch so fragwürdig“ seien, „dass man sich nicht vorstellen kann, dass ein Mensch, der kritisch urteilen kann, diese unterschreibt“ und
122- der Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, juristisch unsinnige Standpunkte zu verlassen.
123Das überzeugt nicht. Denn der Sachverständige schließt aus dem normwidrigen Verhalten auf ein fehlendes Normverständnis. Er begeht damit einen Zirkelschluss. Forensische wie Alltagserfahrung des Gerichts (nicht zuletzt aus einer Vielzahl von Disziplinarverfahren, in denen immer wieder Fragen nach einem Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB sowie verminderte Schuldfähigkeit eine Rolle spielen) ist indes, dass normwidriges Verhalten eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen haben kann. Gleiches gilt für die Erkenntnis, dass nicht jede psychische Beeinträchtigung oder Erkrankung dazu führt, dass die Betroffenen das Normwidrige ihres Verhaltens nicht mehr zu erkennen vermögen. Die Diagnose einer Anpassungsstörung bei Persönlichkeitsakzentuierung sowie einer depressiven Episode lässt demnach auch in Verbindung mit dem normwidrigen Verhalten des Beklagten nicht den Schluss zu, dieser sei aufgrund seiner Erkrankungen nicht oder nur eingeschränkt dazu in der Lage gewesen, das Unrecht seines Verhaltens zu erkennen. Jedenfalls beschreibt der Sachverständige keinen konkreten Geisteszustand beim Beklagten – etwa Wahnvorstellungen oder tiefgreifende Bewusstseins- oder Persönlichkeitsveränderungen –, der es dem Beklagten nicht mehr erlaubt hätte, die Unvereinbarkeit der aufbewahrten und verbreiteten Schreiben mit dieser Loyalitätspflicht zu erkennen.
124Umgekehrt belegt das Verhalten des Beklagten, dass ihm die Unvereinbarkeit der dokumentierten Sichtweisen und Äußerungen mit den Erwartungen an normgerechtes Verhalten sehr wohl bewusst war: So warnte er in der E-Mail an seine Tochter P. vom 20. Dezember 2017 – also gerade in der Zeit, während der er gegenüber dem Sachverständigen berichtet hat, „vor dem völligen Zusammenbruch“ gestanden zu haben und von dem er vorträgt, sich „wie im Tunnelblick“ „völlig verrannt“ zu haben – vor möglicherweise negativen Konsequenzen reichsbürgerlichen Gebarens:
125„Hallo P., es wird langsam eng, die Gerichtsentscheidungen in der BRD sind willkürlich und begünstigen die GEZ. Daher das Ausweichen auf EU Recht. Da ist aber bislang keine Entscheidung getroffen worden! Du solltest den Betrag ja beiseitelegen! Wir unternehmen noch einmal einen Versuch des Widerspruchs. Wir müssen sonst auf die Schiene ‚natürliche Person-Mensch‘ p.l.
stefanie:niggenaber
ausweichen und die ‚juristische Person‘ P. L. ablehnen. Das ist aber für Dich und das Berufsleben usw. gefährlich in diesem Regime!“ (Unterstreichung durch den Senat).
Auch den Widerruf der Vollmacht rund drei Wochen später, am 10. Januar 2018, hat er u. a. damit begründet, „… dass alle ergriffenen Maßnahmen im Rahmen der FDGO/GG geschehen müssen. Ich komme daher zu der Überzeugung, dass seine [QH.] Rechtsauffassung in der BRD nicht nachvollziehbar und haltbar ist.“
127Letztlich ist auch der Sachverständige zu keinem anderen Ergebnis gelangt: „Bezüglich schuldmindernder Aspekte ist festzustellen, dass die Voraussetzungen entspr. § 20 zweifellos nicht gegeben sind, denn es gibt keinerlei Hinweise auf eine so gravierende psychische Veränderung, dass von einer aufgehobenen Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden könnte.“ (S. 80 des Gutachtens).
128III.
129Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte ist dem Beklagten gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW das Ruhegehalt abzuerkennen. Denn als noch im Dienst befindlicher Beamter hätte er gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW aus dem Dienst entfernt werden müssen. Der festgestellte Verstoß des Beklagten gegen seine politische Treuepflicht wiegt so schwer, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
1301.
131Die Auswahl der im Einzelfall erforderlichen Disziplinarmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 LDG NRW richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
132Vgl. zu § 13 BDG BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 13 m. w. N.
133Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten.
134Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.2013 – 2 C 62.11 –, juris Rn. 34, vom 19.08.2014 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 24, und vom 03.05.2007 – 2 C 9.06 –, juris Rn. 16.
135Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ist ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Hiernach ist das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufzulösen, wenn die Maßnahmebemessung zu dem Ergebnis führt, dass der Beamte untragbar geworden ist. Dies ist anzunehmen, wenn dem Beamten ein schweres Dienstvergehen zur Last fällt und die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, er werde auch zukünftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung sei bei einem Verbleib im Beamtenverhältnis nicht wiedergutzumachen. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt eine derartige Prognose.
136Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.02.2013 – 2 C 62.11 –, juris Rn. 36, und vom 28.07.2011 – 2 C 16.10 –, juris Rn. 31.
137Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 LDG NRW ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
138Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.07.2011 – 2 C 16.10 –, juris Rn. 29.
1392.
140Ausgangspunkt ist dementsprechend die Verletzung der Treuepflicht. Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflicht haben ein erhebliches Gewicht. Verstöße gegen die Treuepflicht stellen sich regelmäßig als schwerwiegendes Dienstvergehen dar, so dass grundsätzlich eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht kommt.
141Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.04.2021 – 3d A 1595/20.BDG –, juris Rn. 145 ff. m. w. N.
142Bei Verhaltensweisen und Kundgabeformen, die wie hier Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen Gesinnung sind, ist die Höchstmaßnahme indiziert. Bei aktiven Polizeibeamten betrifft die hier in Rede stehende Pflichtverletzung eine ihrer Kernaufgaben, nämlich den Schutz und die Gewähr der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Eine im vorgeworfenen Verhalten sich gegenüber Dritten manifestierende innere Abkehr von dieser Grundordnung ist bei Polizeibeamten nicht hinnehmbar. Derartiges führt zu einer Wertung dieses Verhaltens als schweres Dienstvergehen i. S. d. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW, das die Verhängung der Höchstmaßnahme indiziert. Demgegenüber bildet bei Verhaltensweisen, die nicht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen wurden, aber den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit verfassungsfeindlichem Gedankengut vermitteln, die Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Dies gilt auch für Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit der so genannten Reichsbürgerbewegung vermitteln, weil deren verbindendes Element die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie der bestehenden Rechtsordnung ist. Diese Maßstäbe sind entsprechend auf die disziplinarische Ahndung von Verhaltensweisen früherer Beamter übertragbar, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen.
143Vgl. BVerwG, Urteile vom 15.08.2024 – 2 WD 6.24 –, juris Rn. 65 m. w. N., und vom 18.06.2020 – 2 WD 17.19 –, juris Rn. 44, unter Verweis auf das Urteil vom 17.11.2017 – 2 C 25.17 –, Rn. 25 f.; OVG NRW, Urteil vom 21.04.2021 – 3d A 1595/20.BDG –, juris Rn. 145 ff. m. w. N.
1442.
145Daran gemessen ist im Streitfall die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die festgestellten mehrfachen aktiven Betätigungen des Beklagten – zudem über einen gewissen Zeitraum erstreckt – gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch von seiner inneren, verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen (gewesen) sind. Eine Gesamtschau seines Verhaltens ergibt bei objektiver Betrachtung, dass er sich innerlich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgekehrt und dem Staat und seinen Organen die politische Treue aufgekündigt hatte.
146a)
147Neben den Dokumenten, die Gegenstand der dem Beklagten vorgeworfenen Verstöße gegen seine Treuepflicht sind, ergibt sich das zunächst aus den bei ihm zusätzlich aufgefundenen Unterlagen. Hierbei handelt es sich um eine Reihe weiterer ihm von Herrn C. übersandter Unterlagen, in denen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt wird.
148So heißt es in der vom Beklagten am 12. Dezember 2017 unterschriebenen Urkunde „Umsetzung Artikel 146 GG – die Macht geht vom Volke aus – Urkunde zur Entnazifizierung“ u. a.:
149„Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist keine Verfassung… Ich beschließe daher in freier Entscheidung, die bis heute rechtsgültige Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 anzunehmen. Mir ist bewusst, dass diese historische Heimatverfassung von 1919 nach der Befreiung Deutschlands von den deutschen Völkern reformiert wird.“
150Die vom Beklagten ebenfalls unterschriebene Urkunde „Kommission 146 Deutschland“ enthält u. a. die Erklärung, „durch das Grundgesetz besitze ich die Staatsangehörigkeit von 1934.“ Zudem sei er durch die Streichung der Reichsangehörigkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz am 8. Dezember 2010 staatenlos gemacht worden.
151Weiter stellte der Beklagte für sich und seine Ehefrau am 12. Dezember 2017 einen handschriftlich unterzeichneten Antrag („Schutzantrag Hauptmilitaerstaatsanwalschaft in Moskau“) „zum Schutz meiner Person und meiner Familie gegen die rechtsoffenkundige BRD-Staatenlosigkeit vom 08.12.2010 und vor BRD-Geheimorganisationen.“ Darin heißt es ferner: „Die BRD führt die faschistische deutsche Staatsangehörigkeit von 1934 weiter.“ Er benötige daher den Schutz der Russischen Föderation vor Grundrechteverletzungen, die in Form von Zwangsmaßnahmen durch die fortbestehende Nazi-Staatsangehörigkeit von 1934 erlaubt seien.
152Auch fand sich bei den Unterlagen ein an den „Geschäftsführer Bürgermeister“ der Stadt V. gerichtetes Schreiben zur Abgabe und Vernichtung seines Personalausweises.
153All diesen Dokumenten ist gemeinsam, dass sie die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellen, ebenso die Autorität und Legitimation ihrer Organe und hoheitlich handelnden Beamten sowie die Geltung des Grundgesetzes und der darin enthaltenen Grundrechte.
154Angesichts der Vielzahl der gefundenen und verwendeten Dokumente – zudem sich über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckend – drängt sich auf, dass der Beklagte sich mit wesentlichen Teilen der Reichsbürger-Ideologie identifizierte und sich deren Inhalte vielfach zu eigen machte, mag ihm auch der Begriff des „Reichsbürgers“ nicht geläufig gewesen oder die Bezeichnung „Reichsbürger“ für die eigene Person nicht (so tief) in den Sinn gekommen sein.
155b)
156Auch stellt der Senat nicht in Abrede, dass der Beklagte aufgrund der Durchsuchung am 8. Juni 2017 „zutiefst erschüttert“ war. Eine abweichende Erklärung dafür, warum er infolge dieser Erschütterung gerade das typischerweise von den Reichsbürgern vertretene Gedankengut sammelte, teilweise unterschrieb, bei sich aufbewahrte und entsprechende Inhalte auch gegenüber Dritten verwendete, als dass er sich die staatsnegierende Einstellung der Reichsbürger zu eigen gemacht hatte, folgt daraus allerdings nicht.
157Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.04.2021 – 3d A 1595/20.BDG –, juris Rn. 122.
158Das gilt umso mehr, als der Beauftragung Herrn C.s und der Bevollmächtigung Herrn QH. nach eigenen Angaben des Beklagten vorausgegangen war, dass er „tagelang“ im Internet „gegoogelt“ hatte. Schon deshalb ist der Senat – wie erörtert (oben Gliederungspunkt II. 2.) – überzeugt, dass der Beklagte mit Herrn C. nicht zufällig oder irrtümlich einen der führenden Köpfe der so genannten Reichsbürger-Szene um Unterstützung bat. Vielmehr machte er sich damit deren Auffassungen beim weiteren Verfolgen seiner Interessen zu eigen, als er Herrn C. Unterlagen übersandte und Herrn N. Generalvollmacht erteilte.
159Dass der Beklagte mit dem Inhalt und dem Versenden der Schreiben an den Landrat des Kreises J., die Kreispolizeibehörde J., den Polizeipräsidenten X. und das Amtsgericht Dortmund einverstanden war, ist schon dadurch belegt, dass der Beklagte – wie ebenfalls bereits oben unter Gliederungspunkt II. 2. ausgeführt – dem Inhalt weder gegenüber Herrn C. oder Herrn N. noch gegenüber dem jeweiligen Adressaten widersprach oder sich zu Klarstellungen veranlasst sah.
160Hinzu kommt die Betätigung gegenüber dem Beitragsservice. Es erscheint lebensfremd und als reine Schutzbehauptung, dass der Beklagte sich mit dem jeweiligen Inhalt nicht hat identifizieren wollen, obwohl er sich in diesem Umfang mit dem Gedankengut der so genannten Reichsbürger befasste und entsprechende Dokumente nicht nur sammelte, sondern vielfach für sich und andere nutzte.
161c)
162Dass der Beklagte unabhängig von der Durchsuchung am 8. Juni 2017 und der damit einhergehenden Erschütterung schon zuvor den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen hatte, belegt unter anderem der Anlass dieser Durchsuchung im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Auf „www.focus.de“ war ein Artikel „Acht Monate Haft für 87-jährige Holocaust-Leugnerin“ erschienen, der die aufgrund einer Reihe von Strafverfahren auch öffentlich bekannte Frau OZ. XP. betraf. Diesen Artikel hatte der Beklagte bei Facebook wie folgt kommentiert:
163„Welche Einsicht? Sie geht in Berufung! Eine mutige Dame! Alle Achtung! Was an ihrer Aussage wieder einmal als Volksverhetzung beschrieben wird, ist mir ein Rätsel. Die Richter haben nur Tatsachen zu bewerten und nicht zu interpretieren! Die Aussage, dass das KZ ein reines Arbeitslager war, hat doch nichts mit Volksverhetzung zu tun! Dass das so war, ist doch zu belegen, oder? Ich weiß nur das die Firma Weichsel Union Betreibe neben diesem Lager eine Fabrik (Rüstungsbetrieb) betrieben hat und über dem Eingangstor „Arbeit macht frei“ (sehr zynisch) stand. Es gibt Abhandlungen von Historikern, Zeitzeugen, Wissenschaftlern, Menuhin, Netanjahu usw. Alle sagen was anderes zum Thema das in unserer Schuldkultur ein Tabu ist. Was stimmt nun wirklich? Die Reemtsma Wehrmachtsausstellung über Verbrechen der Wehrmacht ist gespickt mit rund 80 % Fälschungen. Fingierte Zeugenaussagen usw. Ob wir jemals die wirkliche Wahrheit erfahren? Immerhin war die alte Dame Zeitzeugin! Was hätte sie wohl für ein Interesse daran, ein falsches Zeugnis ab zu geben? Artikel 5 GG, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei! § 130 StGB ist ein Sondergesetz, was den Alliierten Siegern geschuldet ist. Es unterläuft den Artikel 5 GG und fördert den Schuldkult interessierter Kräfte!“
164Bereits diese Äußerung war mit der politischen Treuepflicht des Beklagten unvereinbar. Sie geht entgegen seiner Auffassung über eine „kritische Betrachtung“ des Straftatbestandes der Volksverhetzung weit hinaus. Denn der Beklagte hält es darin für möglich, dass Aussagen, nach denen Auschwitz „ein reines Arbeitslager war“, zutreffen. Zudem zweifelt er an, ob die Wahrheit über Auschwitz überhaupt bekannt sei. Unabhängig von der strafrechtlichen Frage, ob diese Äußerungen den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB erfüllten, sind sie – im Zusammenhang mit einem Medienbeitrag über die Bestrafung einer Holocaust-Leugnerin – Ausdruck eines Versuchs, das Leugnen des nationalsozialistischen Massenmords an den europäischen Juden zu rechtfertigen und damit das Dritte Reich vom Makel des organisierten Judenmordes zu entlasten. Solche die Gewalt- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus verharmlosende Äußerungen sind mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar. Denn die Ideologie des Nationalsozialismus widerspricht diametral den Grundprinzipien dieser Ordnung, insbesondere der Achtung der Menschenwürde, der Anerkennung der Menschenrechte, der parlamentarischen Demokratie und dem Rechtsstaatsprinzip. Wer – wie hier der Beklagte – den Nationalsozialismus charakterisierende Fakten verharmlost oder ihre Leugnung rechtfertigt, entscheidet sich gegen die „gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung“ des Grundgesetzes als „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“ und verletzt damit seine politische Treuepflicht.
165Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08 –, juris Rn. 65; BVerwG, Beschluss vom 08.05.2023 – 2 WDB 13.22 –, juris Rn. 34.
166Der pauschale Einwand, sein zitierter Facebook-Kommentar sei nachträglich verändert worden, stellt eine bloße, durch nichts belegte Schutzbehauptung dar. Der Beklagte hat – auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – selbst keine konkreten Angaben dazu gemacht, welchen Inhalt der zitierte Kommentar vor der angeblichen Veränderung gehabt haben soll oder an welchen Stellen und mit welchem Inhalt nachträgliche Veränderungen auch nur hätten vorgenommen worden sein können. Auch fehlt es an jeglichen objektiven Anhaltspunkten für eine nachträgliche Veränderung – etwa entsprechende Ermittlungsergebnisse.
167Ebenso hatte sich der Beklagte bereits am 23. November 2016, also weit vor der Durchsuchung und den Vorwürfen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden, nach Art eines Reichsbürgers gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt. Er hatte die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat, die Autorität und Legitimität der Staatsorgane, die Geltung der Grundrechte und einer verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Ordnung in einem Kommentar auf der Internet-Seite www.contra-magazin.com in Abrede gestellt mit der Formulierung:
168„‚Am 17. Juli 1990 gaben die vier Alliierten die Gebiete in den Grenzen von 1937 vollständig frei.‘ Das ist nicht einmal im Ansatz richtig. Weder sind wir frei, noch ist die ehemalige DDR dem BRiD- Konstrukt, dieser Wirtschafts-GmbH mit den Eigentümern USA, beigetreten, da sie zu dem Zeitpunkt schon aufgelöst war, noch ist DEUTSCHLAND wiedervereinigt oder souverän. Auch der Friedensvertrag fehlt bis heute! Der Flughafen Berlin wird deswegen nicht fertig, weil Russland die Überflugrechte verweigert und die SHAEF-Militärgesetzgebung ist nach wie vor in Kraft. … Deswegen haben und hatten wir, das Volk der Deutschen, derzeit "Deutsch" = seit 1945 staatenlos, sowie unsere Politstatthalter, allesamt Personal der USA, die die Geschäftsinhaber der BRiD sind, bis heute KEINERLEI Rechte, auch nicht zum Einberufen einer sogenannten ‚verfassungsgebende Versammlung“.
169Bereits am 27. März und am 27. April 2016 hatte er auf der gleichen Internet-Seite die Bundesrepublik Deutschland – wie in der Reichsbürger-Szene üblich – als „BRiD“ bezeichnet. Schon zuvor, nämlich am 23. November 2015, hatte er ebenfalls auf www.contra-magazin.com u. a. geschrieben:
170„… Das Grundgesetz wurde nicht VOM Deutschen Volk, dafür aber FÜR dasselbe gemacht. Und zwar von unseren Besatzern, die sich ein paar gefügige Deutsche als ‚Hilfsmittel‘ aussuchten, ihr Vorhaben in Worte umzusetzen. Es hat keinen Geltungsbereich, weil es, wie alles, was diese USBRD macht, auf tönernen Füßen steht, denn die BRD ist nicht die Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs von 1871. In deutlichen Worten heißt das: wir sind nach wie vor besetzt und werden von Besatzungsmächten regiert und kontrolliert, die uns IHRE „Werte“ aufstülpen, die da hießen: asoziale Finanz-Wirtschafts-GmbH mit Geschäftsführerin (Merkel) im Auftrag der Besatzer, tätig als Statthalterin für die ehemaligen Alliierten… Warum sollte also eine mit solchen unsichtbaren Zäunen gefangen gehaltene Gesellschaft (GG), kein Friedensvertrag, keine Verfassung, keine Wiedervereinigung, keine Souveränität (all das gibt auch wörtlich der Erkennungsausweis, auch PERSONAL-Ausweis genannt, wieder) nicht auch über die Werte belogen werden, der sie zu folgen hat? Wir opfern im Auftrag der Machthaber und Besatzer erzwungenermaßen seit 1945: unsere nach wie vor annektierten deutschen Länder. Wir opfern unsere Freiheit. Wir opfern unsere Gesetzgebung. … Wir opfern unsere FREI-Zeit für die Bereitstellung weiterer fremdorientierter Finanzspritzen der Finanz- und Wirtschafts-
K.
GmbH BRD, eingetragen im Handelsregister zu Frankfurt…“
Demnach vertrat der Beklagte schon im Jahr 2015, also gut ein Jahr nach seiner Versetzung in den Ruhestand, die öffentlich kundgegebene Auffassung, das Grundgesetz sei keine gültige Verfassung, die Bundeskanzlerin verfüge nicht über staatliche Autorität, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht, die freiheitliche Werteordnung sei eine Lüge, die Wiedervereinigung sei nicht geschehen, die Friedensverträge mit den ehemaligen Kriegsgegnern seien ungültig.
172Dass der Beklagte erst unter dem Eindruck der Durchsuchung am 8. Juni 2017 aus einem Gefühl der Ohnmacht gegen diese Maßnahme heraus wie ein Reichsbürger gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung agitiert habe, ist nach alledem nicht ansatzweise ersichtlich.
173Der Einwand greift nicht durch, die zitierten Äußerungen stammten von anderen. Er hat seine mangelnde Urheberschaft allein mit angeblich „gehackten“ Facebook-Accounts begründet. Die vorstehenden Zitate wurden allerdings nicht auf Facebook veröffentlicht, sondern auf der Internetseite www.contra-magazin.com.
1743.
175Ist danach die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist. Das ist nicht der Fall.
176Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
177Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 35.13 –, juris Rn. 6.
178a)
179Das Verhalten des Beklagten stellt sich nach allen über die Dauer und den Umfang seiner Betätigung sowie zu seiner inneren Haltung getroffenen Feststellungen (oben Gliederungspunkte II. und III. 2.) offensichtlich nicht als einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat dar.
180b)
181Dem Beklagten kommt auch keine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB zugute.
182Wie (oben Gliederungspunkt II. 3. b.) bereits erörtert, führen die vom Sachverständigen Prof. Dr. VA. BD. beschriebenen Beeinträchtigungen der Einsichtsfähigkeit in Form einer reduzierten Kritik- und Urteilsfähigkeit nicht zu einer verminderten Schuldfähigkeit.
183Insbesondere hatten die bestehende Anpassungsstörung bei Persönlichkeitsakzentuierung und die depressive Episode keine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB zur Folge. Auch nach dem genannten Sachverständigengutachten fehlt es bereits an einem Eingangsmerkmal.
184Der vorerwähnte Befund begründet für sich genommen noch keine „schwere andere seelische Störung“, die hier als Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB allein in Betracht kommt. Eine solche besteht erst dann, wenn sie in ihrem Gewicht einer „krankhaften seelischen Störung“ gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Betroffenen vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie zum Beispiel eine Psychose. Da es sich bei einer „Anpassungsstörung bei (narzisstischer) Persönlichkeitsakzentuierung“ und einer „depressiven Episode“ um ein eher unspezifisches Störungsbild handelt, ist von einer „schweren“ anderen seelischen Störung erst auszugehen, wenn der Betroffene aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat.
185Vgl. BVerwG, Urteile vom 03.12.2020 – 2 WD 4.20 –, juris Rn. 51, und vom 16.02.2017 – 2 WD 14.16 –, juris Rn. 34; BGH, Urteile vom 26.04.2007 – 4 StR 7/07 –, juris Rn. 7, und vom 25.10.2017 – 5 StR 72/17 –, juris Rn. 19; jeweils m. w. N.
186Eine Gesamtschau auf der Grundlage namentlich des Akteninhalts, die die Persönlichkeit des Beklagten und ihre Entwicklung, die Vorgeschichte, die vorgeworfenen Verfehlungen und das weitere Verhalten des Beklagten danach in Blick nimmt, lässt diesen Schluss nicht zu.
187Zwar beschreibt der Sachverständige in seinem Gutachten ein ab dem Zeitpunkt der Hausdurchsuchung am 8. Juni 2017 und durchgehend für die folgenden Monate „völlig verändertes“ Befinden des Beklagten mit ausgeprägten depressiven Symptomen wie Appetitlosigkeit, Unruhe, Ängsten und Angespanntheit, Reizbarkeit, Verminderung von Genussfähigkeit, Schlafstörungen und Alpträumen. Er habe sich „wie in einem Loch“ gefühlt, sei absolut gefühllos gewesen und habe sich sozial zurückgezogen. In diese Richtung weisen auch seine Angaben beim Erläutern seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
188Der Senat ist gleichwohl angesichts der vom Sachverständigen hervorgehobenen Persönlichkeitsstruktur des Beklagten davon überzeugt, dass die Ursache für sein Verhalten nicht in diesem veränderten Befinden, sondern in seinen narzisstischen Persönlichkeitszügen liegt. Anhand einer ausführlichen Analyse des Lebenslaufs des Beklagten und immer wieder gezeigter Verhaltensmuster hat der Sachverständige nachgewiesen, dass der Beklagte schon seit langer Zeit – mindestens seit dem Jahr 1999 – stark emotional und gekränkt auf Kritik oder eine aus seiner Sicht nicht angemessene Würdigung seiner Person reagiert. Auch der Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass dieser „verdeckte Narzissmus“ den hier in Rede stehenden Vorfällen „den Boden mitbereitet“ hat (vgl. S. 73 f. des Gutachtens). Bereits die Persönlichkeitsstruktur des Beklagten erklärt, warum er die Durchsuchung am 8. Juni 2017 als besonders kränkend empfand und entsprechend reagierte.
189Umgekehrt haben nicht erst die Durchsuchung am 8. Juni 2017 und die darauf folgende, mehrmonatige Verschlechterung des Befindens einen Bruch des Beklagten mit seiner Treue zum Staat und entsprechenden Betätigungen bewirkt.
190Dies wird – wie oben (Gliederungspunkt III. 2. c)) erörtert – u. a. belegt durch den Kommentar des Beklagten zu dem Artikel „Acht Monate Haft für 87-jährige Holocaust-Leugnerin“, mit dem er versucht hat, das Leugnen des nationalsozialistischen Massenmords an den europäischen Juden inhaltlich zu rechtfertigen, und der Anlass für die Durchsuchung am 8. Juni 2017 war. Hinzu treten seine Kommentare auf der Internet-Seite www.contra-magazin.com vom 23. November 2015, 23. November 2016 und 27. April 2016, mit deren Inhalt er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat, die Autorität und Legitimität der Staatsorgane, die Geltung der Grundrechte und einer verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Ordnung in Abrede gestellt hat.
191Dass für den fraglichen Zeitraum von keiner nennenswerten Einschränkung der Steuerungsfähigkeit auszugehen ist, belegt schließlich das Schreiben des Beklagten an die Staatsanwaltschaft X. vom 23. November 2017. Darin heißt es u. a.:
192„…Am 08.06.2017 wurde durch einen rechtwidrigen Beschluss des Landgerichtes Dortmund unter Aktenzeichen 32 Qs-600 Js 648/16-37/17 und 703 Gs 135/17 vom 27.03.2017 eine Wohnungsdurchsuchung im Hause OQ.-straße 24, V. nach internetfähigen Geräten durch K/KK ST 1 X. durchgeführt. Über den Beschluss hinaus wurde mein Revolver Smith&Wesson / Kal. 38 Spezial, eingetragen in meiner Waffenbesitzkarte Nr. 133/92, ausgestellt am 11.09.1992 / KPB J. aus meinem Panzerschrank widerrechtlich beschlagnahmt. Mit meinem Schreiben vom 13.06.2017 habe ich gegen den Beschluss und die Beschlagnahme meiner Gerätschaften begründeten Widerspruch eingelegt. Mit meinen Schreiben vom 13.07. / 25.07. und 03.08.2017 habe ich die Rückgabe der widerrechtlich beschlagnahmten Gerätschaften bis spätestens zum 25.08.2017 bei der Staatsanwaltschaft Dortmund und durchschriftlich K/KK ST 1, z.H. Herrn LL., beantragt. Da diesbezüglich nichts geschah, habe ich am 15.08.2017 beim OLG Hamm und dem Oberstaatsanwalt TQ. eine Untätigkeits- und Anfechtungsklage sowie am 31.08.2017 eine Feststellungsklage im Sinn meines Schreibens vom 13.06.2017 (Widerspruch gegen den Beschluss und die Durchführung des Verwaltungsaktes) eingereicht! Bislang ohne Antwort. Die damit einhergehende Beschwerde wurde aus formaljuristischen Gründen richtiger Weise abgelehnt!
193Zum Vorwurf selbst kann ich sagen, dass die Waffe gesichert, seit der Überlassung am 10.07.1991 durch meinen verstorbenen Onkel, Y. FM., TN. (passionierter Jäger) in einem Panzerschrank untergebracht war. Der Revolver Smith&Wesson wurde samt Munition mir so überlassen, kontrolliert und erklärt zur sicheren Aufbewahrung durch die Kreispolizeibehörde J. ZA 1.3, letztmalig am 06.09.2013 (AZ: ZA1.3-57.06.13). Einen Munitionserwerbsschein habe ich nie beantragt, wurde auch von mir nicht gewünscht. Es wurde von mir auch keine Munition erworben. Im April 2008 sind wir (Familie) von RD. nach V. umgezogen. Der Einfachheit halber und zum sicheren Transport habe ich Waffe und Munition im Panzerschrank eingelagert und belassen. Offensichtlich hatte ich danach vergessen, diesen Teil der Munition aus dem Panzerschrank zu entfernen und getrennt aufzubewahren. Der Revolver war mir irgendwie in Vergessenheit geraten. Die Munition wurde ansonsten in einem abschließbaren Nachtschrank/Konsole im Schlafzimmer aufbewahrt. Dort wurde auch bei der Durchsuchung der Wohnung am 08.06.2017 ein weiteres Päckchen Munition aufgefunden und sichergestellt. Auch diese Munition gehörte zur Überlassung und war mir mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Dass der Revolver mit Munition bestückt war, ist mir nicht bewusst, ich will das aber auch nicht ausschließen. Wie gesagt, seit dem Umzug 2008 habe ich der Waffe eigentlich keine Beachtung mehr gewidmet. Den erforderlichen Sachkundenachweis habe ich als Polizeibeamter und Waffenträger berufsspezifisch erbracht! Ich bestehe weiterhin auf Rückgabe des Revolvers und meiner anderen Gerätschaften laut der aufgeführten Gegenstände aus dem bestehenden Beschlagnahmeprotokoll!
194Die erwähnte Anzeige zum Waffengesetz vom 09.10.2017 habe ich zurückgewiesen. Die Waffe/Munition war gegen unbefugten Zugriff durch Dritte sehr wohl geschützt aufbewahrt worden. Allenfalls fahrlässig bzw. unbeabsichtigt wurde die ordnungsgemäße Unterbringung und Trennung der Munition sowie Waffe aus menschlich sicherlich nachvollziehbaren Gründen versäumt. Ein Munitionserwerb lag nicht vor, der Besitz hat sich aus der Sachlage zwangsläufig ergeben! Da die Waffe ein Erbstück ist möchte ich diese zurückerhalten, die Munition dazu kann vernichtet werden! Ich bestehe auf die Rückgabe eines ideellen Andenkens an meinen verstorbenen Patenonkel. Ich bitte um Einstellung des Verfahrens!
195Mit freundlichem Gruß
196L.“
197Demgemäß war der Beklagte auch in der – von ihm selbst so bezeichneten – „Hochphase“ im Herbst 2017 – in der Lage, sein Interesse an einer Rückgabe der Waffe sachlich und gegenüber der zuständigen Behörde geltend zu machen, ohne die Autorität und Legitimität der Polizei und des Staates in Abrede zu stellen, seine Stellung als Rechtssubjekt in diesem Staat und dem behördlichen Verfahren zu leugnen und die Geltung und Verbindlichkeit der Rechts- und verfassungsmäßigen Ordnung zu bestreiten.
198All dem entspricht, dass auch der Sachverständige in seinem Gutachten eine „erhebliche“ Minderung der Steuerungsfähigkeit verneint hat (vgl. S. 81 des Gutachtens). Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass die Formulierung „erheblich“ nicht die juristische Bedeutung des Wortes meint, sondern der Sachverständige schon ein aus psychiatrisch-medizinischer Sicht bedeutsames Ausmaß der Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit ausschließt. Deutlich wird dies namentlich daran, dass er bei keinem der im Einzelnen betrachteten Vorwürfe eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auch nur als mögliche Mitursache eingeordnet hat.
199c)
200Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Gesamtwürdigung auch eine krankhafte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB von Bedeutung sein kann,
201vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2017 – 2 B 85.16 –, juris Rn. 10,
202gibt es hierfür nach Vorstehendem nicht den Ansatz eines Hinweises.
203d)
204Nach alledem vermag der Senat dem Beklagten auch keine „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ im Tatzeitraum als Milderungsgrund zu Gute halten.
205Eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt dabei vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Es muss sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
206Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.07.2018 – 2 B 1.18 –, juris Rn. 15.
207Diese Voraussetzungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt: Das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten ist gerade keine Folge der von ihm als besonders belastend empfundenen Durchsuchung am 8. Juni 2017 und der darauf beruhenden Verschlechterung seines Befindens. Wie bereits gezeigt, entspricht die Reaktion auf die Durchsuchung einer schon vor diesem Ereignis eingetretenen und u. a. mit den Kommentaren vom 23. November 2015, 27. April 2016 und 23. November 2016 bekundeten Abkehr von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Reaktion ist, wenn auch die Durchsuchung konkreter Anlass gewesen sein mag, gerade nicht Folge einer durch die Durchsuchung ausgelösten psychischen Ausnahmesituation, sondern Ausdruck der narzisstisch gefärbten Persönlichkeit des Beklagten, die sich u. a. in leichter Kränkbarkeit und Neigung zu harschen Reaktionen äußert. Zudem belegen sowohl das Schreiben an die Staatsanwaltschaft X. vom 23. November 2017 als auch die Warnung gegenüber seiner Tochter vom 20. Dezember 2017, dass dem Beklagten die Erwartungen an sein Verhalten bewusst waren und er nach wie vor in der Lage war, diesen Erwartungen entsprechend zu handeln. Insofern kann dahinstehen, welches Mindestmaß an Loyalität und Einhaltung der vorgesehenen Verfahren von einem Beamten bei Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen und Abwehr vermeintlich fehlerhafter staatlicher Eingriffe auch in belastenden Lebenssituationen zu erwarten ist.
208Unabhängig davon sieht der Senat auch nicht, dass die Phase inzwischen überwunden wäre. So hat der Beklagte noch mit seiner Klageerwiderung vom 8. Oktober 2019 und bei seiner Exploration durch den Sachverständigen am 6. Juli 2020 seinen Kommentar auf www.focus.de verharmlost. So hat er mit der Klageerwiderung vortragen lassen, er habe lediglich „den Tatbestand des § 130 kritisch betrachten“ wollen. Auch in der Berufungsinstanz hält er daran fest. Dies bleibt, wie oben (Gliederungspunkt III. 2. b.) gezeigt, weit hinter dem objektiven Inhalt des Kommentars zurück, nach dem der Beklagte eine (allgemeine) Kenntnis über die Wahrheit betreffend Auschwitz für nach wie vor offen und es für möglich hält, dass Auschwitz ein reines Arbeitslager war. Zu diesem Kommentar erklärte der Beklagte gegenüber dem Sachverständigen, er habe „nie gesagt“, „dass Konzentrationslager Arbeitslager“ seien. Dies trifft zwar formal zu, verschweigt indes den entscheidenden Gesichtspunkt, dass der Beklagte dies ausdrücklich für möglich hielt. An seiner Äußerung gegenüber dem Sachverständigen, durch eine unvollständige Abbildung seines Kommentars in den Strafakten sei ein falsches Bild entstanden, ist allein richtig, dass eine vollständige Kenntnis von dem Kommentar noch deutlicher macht, dass es dem Beklagten nicht um eine rechtspolitische Kritik an der Strafbarkeit der so genannten Ausschwitz-Lüge ging, sondern um eine Verharmlosung der nationalsozialistischen Unrechts- und Willkürherrschaft und Rechtfertigung einer verurteilten Holocaust-Leugnerin. Dies belegt, dass der Beklagte auch im weiteren Verlauf nach den hier gegenständlichen Pflichtverstößen zu einer glaubhaften Distanzierung von seiner Abkehr von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht bereit war. Dies lässt nicht erwarten, dass er unter günstigeren Lebensumständen zu einer loyaleren Einstellung gegenüber dem Staat zurückfinden wird.
209Gleiches gilt, soweit der Beklagte in Bezug auf die Schreiben an den Beitragsservice des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch gegenüber dem Sachverständigen erklärt hat, „dass das doch nichts mit Reichsbürgern zu tun habe, es habe doch alles ganz andere Gründe“. Auch dies läuft auf eine Verharmlosung reichsbürger-typischer Ideologie und eine mangelnde Distanzierung von dieser hinaus. Denn der Beklagte stellt mit seiner Aussage „hat nichts mit Reichsbürgern zu tun“ in Abrede, dass diese Dokumente – wie gezeigt – die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellen, ihren Organen die staatliche Autorität und dem Grundgesetz und der Rechtsordnung ihre Verbindlichkeit absprechen. Auch gegenüber dem Sachverständigen hat er an der Auffassung festgehalten, das Grundgesetz erhebe die Forderung, eine Verfassung müsse durch Volksabstimmung verabschiedet werden. Vor alledem erweist sich – wie das gesamte hier gegenständliche Verhalten zeigt – seine Behauptung gegenüber dem Sachverständigen, er sei „ein Verfechter der BRD“, als nicht belastbares Lippenbekenntnis.
210Vor diesem Hintergrund vermögen auch die erst unter dem Eindruck des Disziplinarverfahrens geleistete Nachzahlung der rückständigen Rundfunkgebühr und während des Verfahrens abgegebene Entschuldigungserklärungen keine Überwindung der negativen Lebensphase zu belegen.
2114.
212Stehen dem Beamten keine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anerkannten“ Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben können. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dabei bieten die Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt.
213Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 25.
214Ausgehend von diesen Maßstäben kommt den in den Blick zu nehmenden entlastenden Gesichtspunkten sowohl isoliert betrachtet als auch in ihrer Gesamtschau kein Gewicht zu, das eine Maßnahmemilderung für den dem Beklagten zur Last fallenden Pflichtverstoß rechtfertigt.
215Dem Beklagten ist zugute zu halten, dass nach den hier gegenständlichen Betätigungen kein vergleichbares Verhalten mehr bekannt geworden ist. Doch führt dies angesichts der Intensität und der Dauer des Treuepflichtverstoßes nicht zu einer durchgreifenden Entlastung.
216Für den Beklagten spricht weiter, dass er den äußeren Geschehensablauf eingeräumt hat. Doch erfolgte dies nicht aus freien Stücken vor Einleitung des Disziplinarverfahrens, sondern erst unter dem Druck des Disziplinarverfahrens und angesichts einer in Bezug auf den äußeren Geschehensablauf erdrückenden Beweislage.
217Auch dass sich der Beklagte beim Verfassen der Schreiben über die möglichen dienstrechtlichen Konsequenzen nicht im Klaren gewesen sein mag und sich bei den hier gegenständlichen Vorwürfen nach der als belastend wahrgenommenen Durchsuchung subjektiv „im Recht“ gefühlt haben mag, führt zu keiner anderen Einschätzung. Er hat – wie oben dargelegt – vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Unter Berücksichtigung seiner ehemaligen Tätigkeit als Polizeibeamter besteht kein Zweifel an seinem Bewusstsein, dass die Schreiben pflichtwidrig waren, auch wenn er die Dimension der Pflichtwidrigkeit und der möglichen dienstrechtlichen Folgen im Einzelnen verkannt haben mag. Angesichts der Vielzahl und des Inhalts der Schreiben verringert sich dadurch nicht das Gewicht der vorliegenden Dienstpflichtverletzung in einem Umfang, dass eine andere als die Höchstmaßnahme in Betracht kommen könnte.
218Auch hat der Senat die langjährige unbeanstandete Dienstausübung des Beklagten im Blick, ebenso sein im Übrigen weitgehend beanstandungsfreies dienstliches und außerdienstliche Verhalten und seine positiven Leistungsbeurteilungen während der aktiven Dienstzeit. Auch diese Gesichtspunkte sprechen zwar für den Beklagten. Sie führen aber weder für sich genommen noch in der Gesamtschau mit den weiteren angesprochenen Gesichtspunkten zu einem anderen Abwägungsergebnis.
219Auch eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie sie hier in Rede stehen, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an die Einhaltung der politischen Treuepflicht als eine der herausgehobenen Beamtenpflichten abgesenkt werden.
220Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.2013 – 2 B 63.12 –, juris Rn. 13.
221Der Senat hat ferner berücksichtigt, dass das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten im Ergebnis weder beim Kläger noch im Übrigen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Dienstgeschäfte geführt hat. Dies ändert aber nichts an der inneren Abkehr des Beklagten von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und daran, dass sich diese Auffassung in dem ihm vorgeworfenen Verhalten manifestiert hat. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens führt es nicht zu einer durchgreifenden Entlastung des Beklagten.
2225.
223Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten insbesondere im Hinblick auf seinen Status.
224Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 – 2 C 12.04 –, juris Rn. 26.
225Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten.
226Vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 – 2 C 9.06 –, juris Rn. 16.
227Die Würdigung aller Aspekte unter Beachtung auch dieses Kriteriums führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen schweren Dienstvergehen (ausgehend von einem aktiven Beamten) kein Vertrauen mehr in ein zukünftig pflichtgemäßes Verhalten entgegenbringen können. Der Beklagte hat gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, deren strikte Einhaltung für die Aufrechterhaltung des Rechtsstaats auch in den Augen der Allgemeinheit von zentraler Bedeutung ist. Der Beklagte ist – auch unter Berücksichtigung der oben genannten mildernden Gesichtspunkte – als Beamter untragbar geworden. Er hat außerdem aufgrund der Intensität seines Verhaltens und der selbst unter dem Eindruck des laufenden Disziplinar(klage)verfahrens mangelnden Distanzierung und Verharmlosung seines Verhaltens das Vertrauen unwiderruflich zerstört, dass er künftig – namentlich in Situationen, in denen er staatliche Maßnahme für falsch oder überzogen hält – von vergleichbaren Betätigungen Abstand nimmt.
2286.
229Angesichts der vom Beklagten begangenen Pflichtverletzung und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Höchstmaßnahme nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten. Auch die Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens von inzwischen etwa sieben Jahren führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme. Die Dauer des Disziplinarverfahrens bietet keine Handhabe, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist.
230Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2013 – 2 C 3.12 –, juris Rn. 53 m. w. N.
231V.
232Zu einer Abänderung des Unterhaltsbeitrags (§§ 12 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 LDG NRW) besteht kein Anlass.
233Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
234Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 LDG NRW, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
235Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht.