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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2021 (im Folgenden: Stellplatzsatzung). Er ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks in der Q.-Straße (Gemarkung W., Flur 00, Flurstück 1390) in P.. Dieses an den Außenbereich grenzende Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 60 „Ortsmitte R.“ der Antragsgegnerin, der dort hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet sowie östlich der überbaubaren Grundstücksfläche eine etwa 6 m breite Fläche für Garagen festsetzt.
3Die Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin gilt für das gesamte Stadtgebiet P.; abweichende Regelungen z. B. in Bebauungsplänen bleiben nach § 1 der Stellplatzsatzung unberührt. Nach deren § 2 Abs. 1 müssen bei der Errichtung, wesentlichen Änderung oder wesentlichen Nutzungsänderung baulicher Anlagen, bei denen ein Zu– und Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeug oder Fahrrad zu erwarten ist, Stellplätze für Kraftfahrzeuge (notwendige Stellplätze) und Abstellplätze für Fahrräder (notwendige Fahrradabstellplätze) hergestellt werden. Gemäß § 3 Abs. 1 ergibt sich die Anzahl der notwendigen Stellplätze und notwendigen Fahrradabstellplätze für die jeweilige Nutzungsart aus der Anlage zu dieser Satzung. § 4 regelt Standort, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze; nach Abs. 6 können bei Wohngebäuden zwei Stellplätze einer Nutzungseinheit hintereinander nachgewiesen werden. Nach § 5 Abs. 1 kann bei Zahlung von 12.000,– Euro, deren zweckgebundene Verwendung Abs. 2 regelt, auf die Herstellung von Stellplätzen verzichtet werden, wenn die Herstellung notwendiger Stellplätze nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist.
4Nach Nr. 1.1 der Anlage zu § 3 sind für Ein–und Zweifamilienhäuser 2 Stellplätze je Wohneinheit erforderlich. Gemäß Nr. 1.2 sind bei Mehrfamilienhäusern (ab 3 Wohneinheiten) für Wohnungen bis zu einer Größe von 70 m² 1 Stellplatz, für Wohnungen über 70 m² bis 95 m² 1,5 Stellplätze und für Wohnungen über 95 m² 2 Stellplätze erforderlich; die Berechnung der Wohnfläche erfolgt dabei nach der Wohnflächenverordnung. Für sämtliche Nutzungsarten erfolgt ein Abzug für sehr gut vom ÖPNV erschlossene Grundstücke. Nach der zugehörigen Fußnote Nr. 2 setzt eine „sehr gute Erschließung von Grundstücken im ÖPNV“ für Wohngebäude und Wohnheime voraus, dass das Grundstück in der Verkehrszeit von 6:30 bis 20:00 Uhr (montags bis freitags) und einer Taktfolge oder einer Haltestellenbedienung von max. 20 Minuten und einer Entfernung (Luftlinie von dem Haupteingang bis zum/zur Haltepunkt/–stelle) für den beschleunigten Personennahverkehr mit Schnellbus oder Bahn bis zu 500 m und den übrigen öffentlichen Personennahverkehr (Bus) bis zu 200 m erreicht werden kann. Hinsichtlich des Abgrenzungsbereiches wird auf die Anlage „ÖPNV–Liniennetz der Stadt P.“ verwiesen, die der Satzung jedoch nicht beigefügt worden ist.
5Für den sehr gut erschlossenen beschleunigten Personennahverkehr mit Schnellbus und Bahn werden für alle Nutzungsarten 15 %, für den übrigen sehr gut erschlossenen Personennahverkehr (Bus) für alle Nutzungsarten 5 % abgezogen. Nach § 3 Abs. 5 ist auf ganze Zahlen ab– oder aufzurunden, wenn sich bei der Ermittlung der Zahl der Stellplätze Nachkommastellen ergeben (ab 0,5 wird aufgerundet).
6Eine förmliche Begründung ist der Stellplatzsatzung nicht beigefügt.
7Das Verfahren zur Aufstellung der Stellplatzsatzung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
8Mit der Sitzungsvorlage Nr. IX/3513 brachte die Verwaltung der Antragsgegnerin den Entwurf einer Stellplatzsatzung in die Sitzung des Stadtentwicklungs–, Planungs– und Verkehrsausschusses (im Folgenden: Planungsausschuss) vom 19. September 2019 ein. Zur Begründung heißt es, der Entwurf orientiere sich im Wesentlichen an der „Musterstellplatzsatzung NRW“. Diese ist Bestandteil der Publikation „Kommunale Stellplatzsatzungen – Leitfaden zur Musterstellplatzsatzung NRW“, herausgegeben vom Zukunftsnetz Mobilität NRW in Zusammenarbeit mit dem Städtetag NRW, dem Landkreistag NRW, dem Städte– und Gemeindebund NRW und der AGFS NRW (Arbeitsgemeinschaft fußgänger– und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein–Westfalen e. V.), Stand 28. November .2019 (– im Folgenden: Leitfaden 2019). Die in der Folgezeit von den Fraktionen eingebrachten Änderungs– und Ergänzungsvorschläge wurden in einer Synopse zusammengestellt. Sie betreffen im Wesentlichen die Anzahl der erforderlichen Stellplätze für Mehrfamilienhäuser. Über die Änderungsanträge wurde in der Sitzung des Planungsausschusses vom 10. Dezember 2020 abgestimmt. In der Sitzung vom 28. Januar 2021 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Stellplatzsatzung. Die Übereinstimmungserklärung gemäß § 2 Abs. 3 BekanntmachungsVO NRW und die Bekanntmachungsanordnung stammen vom 3. März 2021. Die öffentliche Bekanntmachung der Satzung erfolgte am 12. März 2021.
9Am 17. Februar 2022 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Satzung sei unwirksam. Insbesondere fehle eine Begründung, wie der Stellplatzbedarf konkret ermittelt worden sei. Es werde lediglich darauf verwiesen, dass sich die Stellplatzsatzung an der Musterstellplatzsatzung NRW orientiere. Diese habe Rahmenwerte für die Gemeinden vorgegeben und ausdrücklich auf ihre Pflicht zur Konkretisierung hingewiesen. Deshalb müsse hinreichend klar erkennbar sein, weshalb die konkrete Zahl an Stellplätzen in der jeweiligen Gemeinde festgelegt worden sei. Dass es auf die konkreten Verhältnisse ankomme, ergebe sich bereits aus § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018. In den öffentlich einsehbaren Unterlagen würden keine konkreten Ermittlungen erwähnt. Es habe daher den Anschein, dass bei der Festlegung des Bedarfs lediglich politische Interessen eine Rolle gespielt hätten, ohne dass eine Bestandsaufnahme, beispielhaft durch gutachterliche Stellungnahmen oder eigene Erhebungen, durchgeführt worden sei. Die Ermittlung des Bedarfes sei auch nicht Gegenstand der Sitzung des Planungsausschusses vom 10. Dezember 2020 gewesen. Die Bemessung der Stellplatzzahlen, die insbesondere bei Mehrfamilienhäusern mit bis zu 2 Stellplätzen pro Wohneinheit sehr hoch ausfalle, erscheine daher auf den ersten Blick willkürlich.
10Es hätten auch differenzierte Betrachtungen für innerstädtisch und ländlich geprägte Ortsteile angestellt werden müssen. Damit fehle es schlicht an der Begründung der Erforderlichkeit der jeweiligen Vorgaben, die zum Teil auch unplausibel seien. So würden unter Ziff. 1.1 der Anlage für Ein– und Zweifamilienhäuser Abzüge bei sehr gut vom ÖPNV erschlossenen Grundstücken nach Maßgabe der Fußnote 2 in Höhe von 15 % bzw. 5 % je nach Grad der Erschließung mit dem öffentlichen Personennahverkehr vorgesehen. Ob diese Abzüge kumulativ oder alternativ vorgenommen würden, bleibe ungeregelt. Selbst wenn man von einer kumulativen Berücksichtigung ausginge, könne sich für Einfamilienhäuser eine Reduzierung der tatsächlichen Stellplätze auch bei einer sehr guten Anbindung an den ÖPNV nicht ergeben. Offenbar sei der Rat hier einer Fehlvorstellung unterlegen.
11Der Rat sei davon ausgegangen, dass er ohne Ermittlungen zum Bedarf und zur Notwendigkeit von Stellplätzen Vorgaben machen könne, die er weder begründen noch rechtfertigen müsse. Das sei schon im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts– und Schrankenbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 GG verfehlt.
12Auch wenn für eine Satzung kein Begründungserfordernis wie etwa gemäß § 39 VwVfG NRW für Verwaltungsakte bestehe, entbinde dies den Rat nicht davon, Satzungen auf sachliche Erwägungen zu stützen. Gesichtspunkte, die sich schon aus dem Wortlaut des § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 ergäben, seien völlig außer Acht gelassen worden. Darüber hinaus werde die Stellplatzsatzung in Teilen durchaus, wenn auch unzureichend, begründet. Auch wenn eine Pflicht hierzu nicht bestehe, so müsse eine dennoch gegebene Begründung vollständig, kohärent und widerspruchsfrei zu den Zielen des § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 sein. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.
13Allein eine "lange Beratung" im Rat lasse keinen Schluss auf die rechtsstaatliche Qualität der Entscheidung zu. Dasselbe gelte für die von der Antragsgegnerin bemühte „Erfahrung“ von Ratsmitgliedern, da diese eine vollständig unterbliebene beziehungsweise nicht dokumentierte Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen nicht ersetzen könne. Die Empfehlungen des von der Antragsgegnerin angeführten Leitfadens 2019 sähen die Ermittlung der notwendigen Grundlagen vor. Hierzu sei ebenfalls nichts erkennbar und auch nichts vorgetragen.
14Es reiche nicht aus, pauschal zu behaupten, die Mitglieder des Rates seien schon sachkundig genug, um die richtige Entscheidung zu treffen. Abgesehen davon, dass nicht bekannt sei, welche Mitglieder welche Kenntnisse zu welchem Zeitpunkt gehabt hätten, könne man ansonsten jeden Abwägungsmangel bei Satzungen nach dem Baugesetzbuch mit der Erwägung heilen, dass sich namentlich nicht benannte Mitglieder des Rates im Einzelnen nicht beschriebene Gedanken gemacht hätten. Dem Rat habe bei Satzungsbeschluss nichts vorgelegen, was die Festlegung der Stellplatzzahlen, die im Vergleich zu der am 1. Juli 2022 in Kraft getretenen Stellplatzverordnung NRW oder den früher vorgegebenen Richtwerten für den Stellplatzbedarf bei Ein– und Zweifamilienhäusern quasi zu einer Verdoppelung führe, hätte rechtfertigen können. Der Rat habe keinerlei konkrete Vorstellungen vom Stellplatzbedarf gehabt.
15Der Antragsteller beantragt,
16die Stellplatzsatzung der Stadt P. vom 28. Januar 2021 für unwirksam zu erklären.
17Die Antragsgegnerin beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Sie hält die Stellplatzsatzung für wirksam. Insbesondere sei sie ausreichend begründet, ordnungsgemäß abgewogen und hinreichend bestimmt. Zwar erschöpfe sich die öffentlich verfügbare Begründung zur Stellplatzsatzung im Wesentlichen in dem Verweis auf die Musterstellplatzsatzung NRW, doch führe dies entgegen der Rechtsauffassung des Antragsstellers nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. Die Rechtmäßigkeit einer untergesetzlichen Norm beurteile sich grundsätzlich allein nach dem Ergebnis des Normsetzungsverfahrens und nicht nach dem Abwägungsvorgang. Dementsprechend folge aus dem Rechtsstaatsgebot auch kein generelles Begründungserfordernis für untergesetzliche Rechtsnormen. So sei z. B. für Rechtsverordnungen allgemein anerkannt, dass aus dem Grundgesetz kein allgemeiner Zwang zur Begründung von Verordnungen hergeleitet werden könne.
20Ebenso wenig ergebe sich aus §§ 48 Abs. 3, 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 eine spezialgesetzliche Begründungspflicht für Stellplatzsatzungen. Vielmehr stellten die in § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 aufgezählten Belange ausweislich des Wortlauts und der Gesetzesbegründung materielle Abwägungsleitlinien dar. „Abwägung“ und „Begründung“ könnten begrifflich nicht gleichgesetzt werden.
21Die materielle Abwägung sei ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Rat habe bei der Aufstellung der Satzung das ihm zukommende normative Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Rechtswidrig sei die Ermessensbetätigung erst, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig sei. Diese Abwägungsschranke sei vorliegend nicht überschritten. Der Rat habe sich insbesondere an den in § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 aufgezählten Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Bedürfnisse des ruhenden Verkehrs und der Erschließung durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs orientiert. Hierbei verdeutlichten bereits die lange Beratung und die vielen Änderungen der Stellplatzsatzung, dass die Festlegung der Stellplatzzahlen keineswegs willkürlich erfolgt sei, sondern vielmehr Gegenstand intensiver Diskussionen und Abwägungen, insbesondere beim Stellplatzbedarf für Mehrfamilienhäuser, innerhalb des Planungsausschusses gewesen sei.
22Auch in der Gesetzesbegründung werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Freihaltung des öffentlichen Verkehrsraums von ruhendem Verkehr letztlich eine Frage der jeweiligen kommunalen Verkehrskonzeption und –politik sei, weshalb den Gemeinden diesbezüglich eine umfangreiche Satzungsbefugnis zukomme. Die Abwägungsentscheidung des Rates sei hier durch die Orientierung an dem Leitfaden 2019 vorgezeichnet. Die tendenziell hohe Bemessung der Stellplatzzahlen sei entgegen dem Vortrag des Antragsstellers nicht willkürlich, sondern ergebe sich aus den örtlichen Verhältnissen in der Stadt P.. Wie sich gerade auch aus den politischen Änderungsanträgen und Äußerungen im Rahmen des Aufstellungsverfahrens ergebe, hätten die Mitglieder des Rates aus dem breiten Erfahrungsschatz mit den zuvor angewendeten Stellplatzschlüsseln geschöpft und insbesondere bei Ein– und Zweifamilienhäusern die Notwendigkeit erkannt, zwei Stellplätze je Wohneinheit zu fordern. Dem liege erkennbar die Erfahrung zugrunde, dass bei diesen typischerweise familiengeeigneten Haustypen durchschnittlich zwei Pkw der Regelfall seien (je ein Pkw für die Elternteile und/oder ein Pkw für erwachsene Kinder). Diese Erkenntnis decke sich mit dem Leitfaden 2019. Dieser gebe zwar lediglich Rahmenwerte vor und könne die Abwägung der jeweiligen Gemeinde nicht vollständig ersetzen. Der Leitfaden 2019 analysiere jedoch bereits die konkreten örtlichen Verhältnisse der unterschiedlichen Gemeinden. Dieser habe die Einwohner– und PKW–Dichte der nordrhein–westfälischen Gemeinden in Bezug gesetzt und in drei Bereiche eingeordnet. Der Rhein–Kreis–Neuss – dem die Antragsgegnerin angehöre – sei dabei in Bereich III eingeordnet, bei dem der Leitfaden eine Orientierung am oberen Drittel der Rahmenwerte empfehle.
23Auch in Bezug auf den „Modal–Split“ liege nach den dem Leitfaden 2019 zugrunde liegenden Erkenntnissen die Antragsgegnerin im Bereich III, für den ein hoher Stellplatzschlüssel vorzusehen sei. Die Aufnahme des Leitfadens in die Aufstellungsakte zeige, dass diese Vorermittlungen über die örtlichen Gegebenheiten auch Gegenstand der konkreten Abwägungsentscheidung gewesen seien. Schließlich sei es auch unschädlich, dass die Stellplatzsatzung einheitlich für das gesamte Stadtgebiet gelte. Den unterschiedlichen örtlichen Verhältnissen innerhalb der Stadtgrenze werde durch den Abzug bei sehr guter ÖPNV–Anbindung ausreichend Rechnung getragen. Ausweislich des Leitfadens 2019 stelle sich die ÖPNV–Erschließungsqualität als „das nach fachlicher Einschätzung sinnvollste Attribut“ für eine Differenzierung innerhalb des Gemeindegebiets dar. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Stadt P. eine hohe Pendlerquote insbesondere Richtung Düsseldorf aufweise. Deshalb komme es für den Pkw–Bedarf weniger darauf an, in welchem Stadtteil ein Gebäude stehe, da generell eine hoher Wert für den motorisierten Individualverkehr festzustellen sei.
24Die einzelnen Festlegungen in der Stellplatzsatzung seien hinreichend bestimmt. Unter Berücksichtigung des geregelten Lebenssachverhalts dürften an die Stellplatzsatzung keine überzogenen Bestimmtheitsanforderungen gestellt werden, zumal die jeweiligen Stellplatzverpflichtungen regelmäßig durch eine Baugenehmigung konkretisiert würden.
25Die Fußnote 2 der Anlage zu § 3 der Stellplatzsatzung sei aus sich heraus verständlich und hinreichend bestimmt. Der Abzug von 15 % bzw. 5 % erfolge dabei alternativ. Bei einem kumulativen Abzug wäre entsprechend auf einen weiteren Abzug hinzuweisen gewesen, was indessen der Satzung nicht zu entnehmen sei.
26Der Satzungsgeber sei entgegen der Auffassung des Antragstellers hinsichtlich des Abzugs bei sehr gut vom ÖPNV erschlossenen Grundstücken für die in Nr. 1.1 der Anlage unter anderem genannten Einfamilienhäuser keiner Fehlvorstellung unterlegen. Vielmehr laufe Nr. 1.1 nicht leer, weil bei den von dieser Nummer ebenfalls erfassten Zweifamilienhäusern unter Berücksichtigung der Rundungsregelung in § 3 Abs. 5 der Stellplatzsatzung eine Reduzierung durchaus möglich sei.
27Die Annahmen des Antragstellers zu den vermeintlichen Mängeln bei der Aufstellung der Stellplatzsatzung seien unzutreffend. Einen Beleg dafür, dass der Rat den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage nicht eingehalten hätte, führe er nicht an. Stattdessen spekuliere er über aus seiner Sicht willkürliche Erwägungen, die ebenfalls durch nichts belegt seien. Die Ratsmitglieder der Antragsgegnerin seien über die örtliche Verkehrssituation im Bilde und hätten somit im Zuge des politischen Entscheidungsfindungsprozesses ihre diesbezüglichen Erfahrungen und Kenntnisse eingesetzt. Selbst der Antragssteller behaupte nicht, dass das gefundene Ergebnis zu den Inhalten der Stellplatzsatzung unter keinem Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt sein könne, was aber gerade Voraussetzung für die Annahme willkürlichen Verhaltens wäre.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Aufstellungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Der Antrag hat keinen Erfolg.
31I. Der Antrag ist zulässig.
32Er ist statthaft gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustizG NRW.
33Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er ist Eigentümer eines Grundstücks im räumlichen Geltungsbereich der Stellplatzsatzung, die sich für ihn als Inhalts– und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auswirkt. Dieses Grundstück ist zwar unbebaut, doch ist es Teil des Bebauungsplans Nr. 060 „Ortsmitte R.“, der dort hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein WR festsetzt. Dieser Plan enthält für das Grundstück neben einem Baufenster u.a. auch einen Bereich, der u.a. für die Errichtung von Stellplätzen/Garagen vorgesehen ist.
34Dem Antragsteller fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere kann eine stattgebende Entscheidung für ihn von Vorteil sein, weil die angegriffene Stellplatzsatzung nicht „überholt“ ist. Zwar ist zum 1. Juli 2022 die Verordnung über notwendige Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Fahrräder (StellplatzVO NRW) in Kraft getreten, doch gehen gemäß § 1 Abs. 2 StellplatzVO NRW durch Bebauungsplan oder durch örtliche Bauvorschrift getroffene Regelungen vor. Da die StellplatzVO NRW ausdrücklich nur „ein unverzichtbares Minimum an notwendigen Stellplätzen“ beinhaltet,
35vgl. S. 7 der Begründung des Entwurfs der Landesregierung Nordrhein–Westfalen zur StellplatzVO NRW, LT–Vorlage 17/6364,
36und die Regelungen der Stellplatzsatzung insoweit höhere Anforderungen stellen, bringt ihre Unwirksamkeitserklärung dem Antragsteller einen rechtlichen Vorteil.
37II. Der Antrag ist unbegründet.
381. Ermächtigungsgrundlage für die Stellplatzsatzung ist § 89 Abs.1 Nr. 4 i. V. m. § 48 Abs. 3 der Bauordnung für das Land Nordrhein–Westfalen in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses maßgeblichen Fassung vom 21.07.2018 (GV. NRW.2018, S. 421) – BauO NRW 2018.
39Gemäß § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 können die Gemeinden durch Satzung örtliche Bauvorschriften erlassen über Zahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze sowie der Fahrradabstellplätze (§ 48 Abs. 3), die unter Berücksichtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Bedürfnisse des ruhenden Verkehrs und der Erschließung durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs für Anlagen erforderlich sind, bei denen ein Zu– und Abgangsverkehr mit Kfz oder Fahrrädern zu erwarten ist (notwendige Stellplätze und Fahrradabstellplätze), einschließlich des Mehrbedarfs bei Änderungen und Nutzungsänderungen der Anlagen, sowie die Ablösung der Herstellungspflicht und die Höhe der Ablösebeiträge, die nach Art der Nutzung und Lage der Anlage unterschiedlich geregelt werden kann.
40Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2018 können die Gemeinden unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse festlegen, ob und in welchem Umfang und in welcher Beschaffenheit bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von Anlagen, bei denen ein Zu– oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, geeignete Garagen oder Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Fahrradabstellplätze errichtet werden müssen, um den Erfordernissen des ruhenden Verkehrs zu genügen. Sie können nach § 48 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW 2018 insoweit durch Satzung regeln u a. die Herstellungspflicht bei der Errichtung der Anlagen (Nr. 1) und die Ablösung der Herstellungspflicht in den Fällen der Nummer 1 bis 3 durch Zahlung eines in der Satzung festzulegenden Geldbetrags an die Gemeinde (Nr. 8).
41Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2018 regelt das zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung die Zahl der notwendigen Stellplätze und Näheres über die Zahl, Größe und Lage von Stellplätzen für Menschen mit Behinderungen. Wird die Zahl der notwendigen Stellplätze durch Bebauungsplan oder durch örtliche Bauvorschrift (§ 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018) festgelegt, so ist nach § 48 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 2018 diese Zahl maßgeblich.
422. Die Stellplatzsatzung leidet an keinem formellen Mangel.
43Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass die in der Anlage zur Stellplatzsatzung erwähnte weitere Anlage „ÖPNV–Liniennetz der Stadt P.“, die einem überholten Satzungsentwurf beigefügt war, nicht Teil der Satzung geworden ist. Diese Anlage fehlte bei der Beschlussfassung des Rates und ist deshalb nicht Bestandteil der Satzung geworden. Die Vorgaben der BekanntmVO sind aber gleichwohl gewahrt worden. Die Bürgermeisterin hat die Satzung ordnungsgemäß gemäß § 2 Abs. 3 BekanntmVO – ohne die angesprochene – Anlage ausgefertigt.
44Auch im Übrigen ist die Satzung formell rechtmäßig.
45Sie bedurfte keiner Begründung. Weder die Bauordnung noch die Gemeindeordnung sehen für den Erlass von örtlichen Bauvorschriften in verfahrensmäßiger Hinsicht eine Begründungspflicht vor,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. August 2000 – 7 A 4704/99 –, juris Rn. 34 f.; Kuschnerus/Schöler/ Stehr, Aus der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum Bauplanungs– und Bauordnungsrecht – 3. Teil –, NWVBl 2004, 297 (299); VG Arnsberg, Urteil vom 21. März 2006 – 4 K 143/05 –, juris Rn. 24 f.; Scherle, Neuere legislative Entwicklungen bei Begründungspflichten für die untergesetzliche Rechtsetzung, DÖV 2024, 1010 (1011); vgl. auch OVG Schleswig–Holstein, Urteil vom 9. Mai 1995 – 1 L 165/94 –, juris Rn. 40,
47auch wenn es sich empfiehlt, die tragenden Gesichtspunkte in einer Begründung zusammenzufassen, zumal die Verwaltung dem Rat in aller Regel ohnehin eine Beschlussvorlage zu erläutern hat und eine Begründung die Akzeptanz erhöhen kann.
48Vgl. auch Gädtke/Wenzel, BauO NRW, 14. Aufl., § 89 Rdnr. 19 f.; Schneider, Das öffentliche Baurecht als Instrument von Städtebaukunst [I], BauR 2009, 1680 (1682).
493. Die Stellplatzsatzung ist auch nicht materiell fehlerhaft.
50Sie ist inhaltlich hinreichend bestimmt (a) und steht auch sonst mit höherrangigem Recht in Einklang (b).
51a) Das Fehlen der Anlage „ÖPNV–Liniennetz der Stadt P.“ führt nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit beziehungsweise Bestimmtheit.
52Satzungen müssen den Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit begründet die Unwirksamkeit der Regelung.
53Die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit folgt auch daraus, dass die Regelungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von der Satzung Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Maßgaben für ihre Grundstücke gelten.
54Das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt auch vom untergesetzlichen Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 8 CN 1.12 –, BVerwGE 148, 133 = juris Rn. 21 m. w. N.
56Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Regelung der Auslegung bedarf. Der Normgeber ist nicht gehalten, den Tatbestand mit Maßstäben zu umschreiben, die so genau sind, dass es bei dessen Auslegung und Anwendung keine Zweifelsfragen gibt. Es genügt vielmehr, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können und eine willkürfreie Handhabung gewährleistet ist.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07 –, BRS 71 Nr. 89 = juris Rn. 13; Bischopink/ Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage 2021, Rn. 87 f. m. w. N.
58Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Rates, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1995 – 4 N 2.95 –, BRS 57 Nr. 57 = juris Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2016 – 2 D 121/14.NE – juris Rn. 62 m. w. N.
60Das Fehlen der Anlage „ÖPNV–Liniennetz der Stadt P.“, auf die die Fußnote 2 zur „sehr guten Erschließung von Grundstücken im ÖPNV“ hinsichtlich des Abgrenzungsbereichs verweist, führt danach nicht zur Unbestimmtheit der Satzung. Es ist für den Normunterworfenen hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen der Rat von einer „sehr guten Erschließung von Grundstücken im ÖPNV“ ausgeht. Dies ist im Einzelnen in der Fußnote 2 der Anlage zur Stellplatzsatzung normiert.
61Eine entsprechende Karte mit zeichnerisch dargestellten Radien der jeweils nach der Satzung maßgeblichen Entfernungen von 200 m, 300 m bzw. 500 m von dem Haupteingang bis zum Haltepunkt bzw. zur Haltestelle hätte es dem von der Regelung Betroffenen zwar möglicherweise erleichtert, nachzuvollziehen, ob für das jeweilige Grundstück der in der Anlage vorgesehene Abzug einschlägig ist. Das Fehlen dieser Karte mit entsprechenden Eintragungen führt aber nicht dazu, dass die Bestimmung zu einem Abzug bei sehr guter Erschließung von Grundstücken durch den ÖPNV unvollständig beziehungsweise unklar bliebe. Die maßgebliche Regelung ist in der Anlage zur Satzung eindeutig formuliert. Im Übrigen hätte es auch dann, wenn der Satzung eine entsprechende Karte mit einem insoweit allein möglichen großen Maßstab beigefügt worden wäre, im Zweifel einer genaueren Prüfung im jeweiligen Einzelfall bedurft. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Antragsgegnerin nachvollziehbar ausgeführt, dass diese Karte lediglich einen „groben Überblick“ gegeben und nicht die – für die in § 3 Abs. 8 der Stellplatzsatzung vorgesehene Entscheidung der Bauaufsicht über die Anzahl der Stellplätze erforderliche – exakte Ermittlung der in Fußnote 2 vorgesehenen Entfernung zwischen Gebäudehaupteingang und Haltestelle ersetzt hätte. Abgesehen davon hätte eine entsprechende Karte ohnehin nur eine Momentaufnahme unter Berücksichtigung der aktuell gültigen Fahrpläne des ÖPNV dargestellt, so dass die Stellplatzsatzung, wenn der Anlage Rechtsverbindlichkeit hätte zukommen sollen, insoweit regelmäßig hätte angepasst werden müssen. Dies erscheint wenig praxisgerecht, sodass mangels anderer Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Rat einen entsprechenden Willen gehabt hat.
62Die Satzung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht unklar oder in sich widersprüchlich. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel der in der Anlage zu § 3 der Stellplatzsatzung für die einzelnen Nutzungsarten und den gemäß Fußnote 2 jeweils vorzunehmenden Abzug bei – definitionsgemäß – sehr gut vom ÖPNV erschlossenen Grundstücken. Der Wortlaut der Satzung ist eindeutig. Der in Rede stehende Abzug ist alternativ und nicht kumulativ vorzunehmen. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend gemachte Fehlvorstellung des Rates in Bezug auf einen möglichen Abzug für Ein– und Zweifamilienhäuser in Nr. 1.1 der Anlage zu § 3 der Stellplatzsatzung ist nicht ersichtlich, sodass offen bleiben kann, wie sich eine solche ausgewirkt hätte. Dass sich für Einfamilienhäuser auch unter Anwendung der Rundungsregeln gem. § 3 Abs. 5 der Stellplatzsatzung keine Reduzierung der erforderlichen Anzahl an Stellplätzen ergibt, ist Konsequenz der diesbezüglichen Regelung. Anhaltspunkte für eine Fehlvorstellung des Satzungsgebers dahingehend, dass auch für Einfamilienhäuser ein entsprechender Abzug vorgenommen werden könne, sind nicht erkennbar. Die Regelung in Nr. 1.1 der Anlage zu § 3 in Verbindung mit Fußnote 2 läuft auch nicht insgesamt ins Leere, weil eine Reduzierung der Stellplatzzahl jedenfalls für die von dieser Nummer ebenfalls erfassten Zweifamilienhäuser möglich ist. Bei einem Zweifamilienhaus sind nach der Stellplatzsatzung 4 Stellplätze vorzusehen, die sich bei einer sehr guten Anbindung an den beschleunigten öffentlichen Personennahverkehr um 15 % auf 3,4 Stellplätze reduzieren. Entsprechend der Rundungsregelung in § 3 Abs. 5 der Stellplatzsatzung sind in diesem Fall nur 3 Stellplätze erforderlich.
63b) Die Stellplatzsatzung verstößt auch im Übrigen nicht gegen höherrangiges Recht.
64aa) Der dem Erlass einer isolierten Stellplatzsatzung zugrundeliegende Abwägungsvorgang ist als solcher gerichtlich nicht zu überprüfen.
65Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei der richterlichen Kontrolle von untergesetzlichen Normen im Grundsatz auf das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens an, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, und nicht auf die die Rechtsnorm tragenden Motive desjenigen, der an ihrem Erlass mitwirkt. Der Weg zu einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung des Abwägungsvorgangs ist bei untergesetzlichen Normen deshalb nur eröffnet, wenn der Normgeber – wie etwa im Bauplanungsrecht – einer besonders ausgestalteten Bindung an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven unterliegt. Sind solche nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Fehlern im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist vielmehr allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht.
66Vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2024 – 3 B 1.23 –, juris Rn. 26, vom 12. Januar 2024 – 10 BN 4.23 –, juris Rn. 19, vom 20. Dezember 2017 – 4 BN 8.17 –, juris Rn. 8 und vom 10. Januar 2007 – 6 BN 3.06 –, NVwZ 2007, 958 = juris Rn. 4; zu einer Stellplatzsatzung vgl. OVG Rh.–Pf., Urteil vom 7. Oktober 2015 – 8 C 10371/15 –, juris Rn. 20; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Auflage 2011, Rn. 849 i. V. m. 837, und Lange, Fehler kommunaler Satzungen und ihre Folgen, DVBl 2017, 928 (933) m. w. N.
67Die Rechtsprechung hat insoweit zu respektieren, dass der parlamentarische Gesetzgeber im Rahmen der Ermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Satzungsgeber weiterleitet und dass mit der Satzungsgebung vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden sind, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen.
68Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. April 2006 – 6 C 19.05 –, juris Rn. 16; Lange, a.a.O., 933 m. w. N.
69Nach diesen Grundsätzen ist hier der Abwägungsvorgang als solcher nicht weiter zu überprüfen. Es gibt keine einfachgesetzlich formulierten Abwägungsdirektiven und weder das Rechtsstaatsprinzip noch Art. 14 Abs. 1 GG erfordern eine weitergehende Prüfung.
70Für die örtlichen Bauvorschriften, die als Festsetzungen in einen Bebauungsplan aufgenommen werden, hat der Landesgesetzgeber die planerische Gestaltungsfreiheit zur Festlegung von Gestaltungsregelungen dadurch begrenzt, dass er sie den Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 des Baugesetzbuches unterworfen hat (§ 86 Abs. 4 BauO NRW a. F. = § 89 Abs. 2 BauO NRW 2018). Eine entsprechende Bestimmung für örtliche Bauvorschriften, die – wie hier geschehen – isoliert erlassen werden, enthält das Gesetz nicht.
71Für die Stellplatzsatzung ist auch eine besonders ausgestaltete Bindung des Rates an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erkennbar. Soweit nach § 89 Abs.1 Nr. 4 BauO NRW 2018 insbesondere zur Bestimmung der erforderlichen Stellplätze die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die Bedürfnisse des ruhenden Verkehrs und die Erschließung durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs für Anlagen zu berücksichtigen sind, handelt es sich nicht um Abwägungsdirektiven. Diese in der Gesetzesbegründung so bezeichneten „Abwägungsleitlinien“ zeigen auf, welche Gesichtspunkte für den Erlass einer Stellplatzsatzung relevant sein sollen, enthalten aber keine besonders ausgestaltete Bindung an gesetzlich formulierte Vorgaben für eine Abwägung.
72Zwar folgt nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dass der Erlass isolierter Gestaltungssatzungen i. S. d. § 89 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 2018 und Satzungen über das Verbot von Werbeanlagen und Warenautomaten aus ortsgestalterischen Gründen i. S. d. § 89 Abs. 1 Satz Nr. 2 BauO NRW 2018 gleichfalls eine Abwägung der maßgeblichen Belange der Betroffenen und der Allgemeinheit voraussetzt. Denn sie können in gleicher Weise in das Eigentum eingreifen wie diejenigen örtlichen Bauvorschriften, die als Festsetzungen in einen Bebauungsplan aufgenommen werden.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. August 2000 – 7 A 4704/99 –, juris Rn 32 f. m. w. N., Beschluss vom 14. Mai 2018 – 10 A 1424/17 –, juris Rn. 7; a.A. zum bayerischen Landesrecht Bay. VGH, Urteil vom 10. Mai 2022 – 1 B 19.362 –, juris Rn. 39; vgl. auch VG Arnsberg, Urteil vom 21. März 2006 – 4 K 143/05 –, juris Rn. 22 ff.; VG Minden, Urteil vom 13. Juni 2013 – 9 K 1624/12 –, juris Rn. 25 m. w. N.
74Diese Grundsätze sind auf Stellplatzsatzungen i. S. d. § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW nicht übertragbar.
75Die genannte Rechtsprechung beruht ausdrücklich auf dem Gedanken, dass den Gemeinden im Rahmen des § 89 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BauO NRW 2018 (bzw. der entsprechenden Vorgängerregelungen) mit besonderen Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen oder Werbeanlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern (Nr. 1) bzw. dem Verbot von Werbeanlagen und Warenautomaten aus ortsgestalterischen Gründen (Nr. 2) eine gewisse planerische Gestaltungsfreiheit zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Wege einer planerischen Abwägung eingeräumt werde, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen sei.
76Vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 1983 – 11 A 329/82 –, BRS 40 Nr. 152, S. 335 (337), auf das sich OVG NRW, Urteil vom 3. August 2000 – 7 A 4704/99 –, juris Rn. 33 und 35 ausdrücklich bezieht; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 6. Februar 1992 – 11 A 2232/89 –, BRS 54 Nr. 112 = juris Rn. 40.
77Demgegenüber weist eine auf der Grundlage von § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 erlassene Stellplatzsatzung nicht den Charakter einer entsprechenden Planungsentscheidung auf.
78Während mit den genannten Gestaltungssatzungen das Bauordnungsrecht zur Wahrung ästhetischer Belange nutzbar gemacht wird und die Gemeinden so positive Gestaltungspflege betreiben und insoweit Vorschriften erlassen können, die dazu bestimmt sind, das Orts– oder Straßenbild zu erhalten oder umzugestalten,
79vgl. Kuschnerus/Schöler/Stehr, Aus der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum Bauplanungs– und Bauordnungsrecht, – 3. Teil –, NWVBl 2004, 297 (299),
80sollen die Regelungen über die Stellplatzpflicht im Ausgangspunkt die Belastung des Straßenverkehrs durch Schaffung von Stellplätzen und Garagen auf dem Baugrundstück herabmindern und sind seit jeher als „Baupolizeirecht“ angesehen worden.
81Vgl. Gädtke/Johlen, BauO NRW, 14. Aufl., § 48 Rn. 5 ff.; N. Schulte, in Schulte u.a., BauO NRW, § 48 Rn 3 ff.
82Ziel der bauordnungsrechtlichen Regelungen über Stellplätze und Garagen ist nach der Gesetzesbegründung (in erster Linie), den öffentlichen Verkehrsraum dadurch von ruhendem Verkehr zu entlasten, dass baulichen Anlagen und anderen Anlagen, bei denen ein Zu– oder Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeugen zu erwarten ist, die erforderlichen Stellplätze zwingend zugeordnet werden. Weil die Freihaltung des öffentlichen Verkehrsraums von ruhendem Verkehr kein spezifisch bauordnungsrechtliches Anliegen, sondern letztlich eine Frage der jeweiligen kommunalen Verkehrskonzeption und –politik sei, werde einerseits an dem bauordnungsrechtlichen Grundsatz festgehalten, dass für die Errichtung von Anlagen, bei denen ein Zu– oder Abgangsverkehr zu erwarten sei, Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen seien, andererseits aber den Gemeinden eine umfangreiche Satzungsbefugnis, über Umfang und Erfüllungsmodalitäten der Stellplatzpflicht selbst zu entscheiden, eingeräumt.
83Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT–Drs. 17/2166, S. 142 f.
84Der Gesetzgeber hat damit an der bauordnungsrechtlichen Stellplatzpflicht festgehalten und darüber hinaus erstmals mit § 87 Abs. 1 Nr. 7 BauO NRW 2018 eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen, um das „unverzichtbare Minimum an Stellplätzen“ festzuschreiben,
85vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung LT–Drs. 17/2166, S. 91,
86was ebenfalls deutlich macht, dass der Gesetzgeber Regelungen über Stellplätze im Grundsatz nicht der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinden im Wege einer planerischen Abwägung überlassen hat. Ersichtlich nichts mit einer Planungsentscheidung zu tun hat hierbei auch eine Bestimmung über die Ablösung der Herstellungspflicht gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 Nr. 8 BauO NRW 2018, bei der es sich um eine zweckgebundene Sonderabgabe handelt.
87Hinzu kommt, dass der Geltungsbereich einer Gestaltungssatzung regelmäßig kleiner sein muss als das gesamte Gemeindegebiet, weil grundsätzlich nur einzelne (tendenziell) kleine Teile des Gemeindegebietes die erforderliche Eignung zur Durchführung gestalterischer Absichten aufweisen,
88vgl. Kuschnerus/Schöler/Stehr, a.a.O. S. 299,
89was dazu führt, dass Satzungen i. S. d. § 89 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 BauO NRW (bzw. der entsprechenden Vorgängerregelungen) häufig in – ebenfalls kleinere Teile des Gemeindegebietes erfassende – Bebauungspläne integriert sein werden. Sie unterliegen dann den gesetzlichen Abwägungsanforderungen (vgl. § 89 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 2018 i. V. m. § 1 Abs. 5 bis 7 und § 2 Abs. 3 BauGB) . Demgegenüber werden die Regelungen einer Stellplatzsatzung in der Praxis regelmäßig – so auch hier – isoliert erlassen, sodass die genannten Bestimmungen nicht einschlägig sind, und erfassen (ggf. in Teile oder Zonen untergliedert) das gesamte Gemeindegebiet, ohne den genannten Abwägungsvorgaben unterworfen zu sein.
90Der Auffassung, wegen der mit einer Stellplatzsatzung möglichen Grundrechtseingriffe seien die oben zu den genannten Gestaltungssatzungen dargestellten Anforderungen an den Abwägungsvorgang zu übertragen,
91so N. Schulte, in Schulte u.a., BauO NRW, Stand: März 2024, § 48 Rn. 41,
92folgt der Senat nicht. Die vom Rat bei Erlass einer Stellplatzsatzung erforderliche Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen ist mit einer bauleitplanerischen Abwägung nicht vergleichbar, die der Gesetzgeber einerseits in § 1 Abs. 5 bis 7 und § 2 Abs. 3 BauGB besonders ausgestalteten Abwägungsanforderungen unterwirft und deren Verletzung angesichts bestehender Planerhaltungsvorschriften (§ 214 f. BauGB) andererseits nicht stets zur Unwirksamkeit des Bauleitplans führt,
93vgl. dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 4 BN 8.17 –, juris Rn. 9.
94Das Rechtsstaatsprinzip enthält auch keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote für die Ausgestaltung von Normsetzungsverfahren. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten durch die zuständigen Organe. Dabei müssen lediglich fundamentale Elemente des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben, mithin ein rechtsstaatlich gebotener Mindeststandard. Dazu gehört zum Beispiel eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 – 4 C 2.13 –, juris Rn. 25.
96Dass untergesetzliche Normen zu (erheblichen) Grundrechtseingriffen führen können, ändert insoweit an den Maßgaben für deren gerichtliche Kontrolle nichts.
97Vgl etwa BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2.21 –, juris Rn. 12 ff.
98bb) Die Regelungen der Stellplatzsatzung zur Zahl der notwendigen Stellplätze und Fahrradabstellplätze, zu ihrem Standort, ihrer Größe und Beschaffenheit sowie zur Ablösung sind von der Ermächtigungsgrundlage des § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 gedeckt. Der Rat hat von dem ihm eingeräumten Satzungsermessen auch fehlerfrei Gebrauch gemacht und ist dabei zu einem vertretbaren und mit höherrangigem Recht in Einklang stehenden, insbesondere verhältnismäßigen Ergebnis gelangt.
99Die Regelungen stehen in Einklang mit Art. 14 GG als zulässiger Bestimmung über Inhalt und Schranken des Eigentums. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht erkennbar.
100Auszugehen ist davon, dass der Rat bei Erlass der Stellplatzsatzung die in § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 aufgeführten und bereits oben dargestellten Belange zu beachten hat. Er hat eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in die insbesondere auch die in § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018 aufgezählten Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Bedürfnisse des ruhenden Verkehrs und der Erschließung durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs für Anlagen einzubeziehen sind.
101Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs LT–Drs 17/12033, S. 102 und 132 und LT–Drs. 17/2166, S. 202; Henke, in: BeckOK Bauordnungsrecht NRW, 11. Edition, § 48 Rn. 60.
102Hierbei sind gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2018 die örtlichen Verkehrsverhältnisse zu berücksichtigen.
103Vgl. dazu auch VGH Bad.–Württ., Beschluss vom 29. September 1999 – 8 S 2291/99 –, BRS 62 Nr. 148 = juris Rn. 3; Füßer/Nowak, „Kommunalpolitik zum „ruhenden“Verkehr“: Möglichkeiten für gemeindliche Stellplatzsatzungen, SächsVBl 2017, 185 (188) m. w. N.
104Der Rat hat dabei eine sachgerechte Differenzierung zwischen den einzelnen Arten der baulichen Nutzung vorzunehmen, wobei ihm eine gewisse Pauschalierung und Typisierung zuzugestehen ist. Der Stellplatzbedarf ist keine mathematisch zu ermittelnde Größe, sondern von Wertungen und Gewichtungen verschiedener Aspekte abhängig. Dabei ist dem Rat ein Gestaltungsspielraum einzuräumen, der offen für die Beachtung örtlicher Gegebenheiten und verkehrspolitischer Konzepte der Gemeinde ist.
105Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 – 26 B 00.3033 –, juris Rn. 15; OVG Rh.–Pf., Urteil vom 7. Oktober 2015 – 8 C 10371/15 –, NVwZ–RR 2016, 210 = juris Rn. 20; VG München, Urteil vom 9. Mai 2023 – M 1 K 19.5608 –, juris Rn. 36 m. w. N.; Füßer/Nowak, a.a.O.
106Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Regelungen der Stellplatzsatzung geeignet und erforderlich zur Erreichung der dargestellten Zwecke, die mit der Stellplatzsatzung verfolgt werden.
107Ebenso effektive, aber die Normunterworfenen weniger belastende Mittel sind unter Berücksichtigung des dem Satzungsgeber insoweit einzuräumenden Gestaltungsspielraums nicht erkennbar.
108Der Rat hat sich bezogen auf das Stadtgebiet für eine einheitliche und damit typisierende Regelung der Stellplatzpflicht entschieden. Dass eine differenzierte Betrachtung mit Blick auf strukturell unterschiedliche Gegebenheiten im Stadtgebiet zwingend erforderlich gewesen wäre, zeigt der Antragsteller nicht auf und ist auch sonst nicht erkennbar.
109Soweit der Antragsteller moniert, dass der Rat keine weiteren Ermittlungen angestellt sowie örtliche Besonderheiten nicht berücksichtigt habe und letztlich lediglich politische Interessen bei der Bestimmung der Zahl der erforderlichen Stellplätze eine Rolle gespielt hätten, sind seine entsprechenden Einwände mit Blick auf die oben dargestellten Maßstäbe zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen so schon nicht relevant. Im Übrigen ist die Festlegung der erforderlichen Stellplatzzahlen auch nach dem Willen des Gesetzgebers eine kommunalpolitische Entscheidung. Die verhältnismäßig hohe Zahl der geforderten Stellplätze mag mit Blick auf das auch im Aufstellungsverfahren verschiedentlich geäußerte Anliegen, die erforderliche Schaffung von Wohnraum nicht weiter zu erschweren, kritisiert werden können. Dass der Rat sich gleichwohl für die weitgehende Ausschöpfung des in dem Leitfaden 2019 vorgeschlagenen Rahmens entschieden hat, ist indessen ebenso vertretbar im Interesse der mit den Regelungen zur Stellplatzpflicht verbundenen Ziele.
110Es unterliegt keinen Bedenken, dass der Rat sich bei der Festlegung der Zahl der jeweils erforderlichen Stellplätze an den Leitfaden 2019, der auch Bestandteil des Aufstellungsvorgangs ist, und die dort für die verschiedenen Nutzungsarten vorgeschlagenen Orientierungswerte angelehnt hat. Dass der Rat dabei die Stellplatzzahlen relativ hoch bemessen hat, ist mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse, wie sie sich für die Antragsgegnerin bereits aus dem Leitfaden 2019 (S. 30 f, Abb. 12 und 13) auch im Vergleich zu anderen Kommunen ergeben, nicht zu beanstanden. Der Leitfaden 2019 hat die Einwohnerdichte und Pkw-–Dichte sowie den MIV–Anteil der jeweiligen Gemeinden in Bezug gesetzt. Danach wurde die Antragsgegnerin beziehungsweise der Rhein–Kreis–Neuss, dem die Antragsgegnerin angehört, jeweils in den höchsten Bereich eingeordnet, was der Leitfaden 2019 (S. 31 f.) als Indiz dafür anführt, sich bei den Stellplatzzahlen im oberen Drittel der Orientierungswerte zu bewegen. Dies hat der Rat in der Anlage zur Stellplatzsatzung für die jeweiligen Nutzungsarten in nicht zu beanstandender Weise getan.
111Insbesondere die verhältnismäßig hohen Stellplatzzahlen für Ein– und Mehrfamilienhäuser sind nicht zu beanstanden. Wie sich bereits den Aufstellungsvorgängen entnehmen lässt, sind einerseits die insoweit betroffenen Belange von Grundstückseigentümern beziehungsweise Bauherrn, durch die Schaffung von Stellplätzen nicht mit zusätzlichen Baukosten belastet zu werden, sowie andererseits der öffentliche Belang, die vorhandenen öffentlichen Verkehrsflächen für den fließenden Verkehr freizuhalten, erkannt worden.
112Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung hierzu vorgetragen hat, der Antragsteller erlebe in seiner beruflichen Praxis als Geschäftsführer eines Unternehmens der Immobilienbranche immer wieder, dass z. B. viele der für Mehrfamilienhäuser geforderten Stellplätze nicht verkauft werden könnten, stellt dies weder die Geeignetheit noch die Erforderlichkeit der in der Stellplatzsatzung insoweit bestimmten Anzahl an Stellplätzen in Frage. Es mag unterschiedliche Gründe für die Bereitschaft von Kunden des Antragstellers geben, die einer Wohnung zugeordneten Stellplätze zu erwerben oder zu mieten. Dass die geforderte Anzahl an Stellplätzen schon nicht förderlich ist für den Zweck, den fließenden Straßenverkehr zu entlasten, beziehungsweise andere, gleich wirksame Maßnahmen zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung stehen, ist damit nicht dargetan. Wie die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung hierzu erläutert haben, nimmt die Antragsgegnerin seit 2013 an einem Forschungsprojekt teil, zu dem auch Befragungen zu Verkehrsverhalten und Mobilität ihrer Einwohner gehören. Deren Ergebnisse seien auch in den Leitfaden 2019 eingeflossen. Danach verfügten 82 bis 88 % der erwerbstätigen Bürger der Antragsgegnerin über einen PKW, pro Wohneinheit stünden 1,4 Pkw zur Verfügung. Dass der Rat bei diesem Befund unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse den im Leitfaden 2019 vorgegebenen Rahmen im Wesentlichen ausschöpft, führt unter Berücksichtigung des ihm einzuräumenden Gestaltungsspielraums nicht zu der Annahme, insbesondere die in der Stellplatzsatzung für Mehrfamilienhäuser geforderte Anzahl an Stellplätzen sei nicht erforderlich.
113Die Regelungen der Stellplatzsatzung sind auch angemessen. Dies ist der Fall, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
114Vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1990 – 1 BvR 283/85 –, BVerfGE 83, 1 (19) = juris Rn. 74 m. w. N.
115Ausgehend hiervon ist eine Unangemessenheit der Regelungen der Stellplatzsatzung insgesamt nicht erkennbar. Der insoweit erhobene Einwand des Antragstellers, der Rat habe die Zahl der erforderlichen Stellplätze für Wohngebäude, wie sie sich aus der Anlage zu § 3 der Stellplatzsatzung ergebe, gegenüber der früher geltenden Rechtslage bzw. gegenüber der – nach dem Erlass der Stellplatzsatzung in Kraft getretenen Stellplatzverordnung – quasi verdoppelt, ist in dieser Form unzutreffend. Bei einem Vergleich mit den früheren Richtwerten zu § 51 BauO NRW a.F. ist zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 6 der Stellplatzsatzung die Regelung trifft, dass bei Wohngebäuden zwei Stellplätze einer Nutzungseinheit hintereinander zulässig sind und damit sogenannte „gefangene“ Stellplätze mit berücksichtigt werden, wodurch sich für den Bauherrn der Nachweis der notwendigen Stellplätze gegenüber der bisherigen Rechtslage erheblich erleichtern kann (vgl. nunmehr auch § 3 Abs. 4 StellplatzVO NRW zur Garagenzufahrt in der Größe eines Stellplatzes als notwendiger Stellplatz). Bei einem Vergleich mit der StellplatzVO NRW und der dortigen Nr.1.1 der Anlage ist in Rechnung zu stellen, dass die StellplatzVO NRW – wie bereits erwähnt – nur „ein unverzichtbares Minimum an Stellplätzen“ beinhaltet,
116vgl. S. 6 der Begründung des Entwurfs der Landesregierung Nordrhein–Westfalen zur StellplatzVO NRW, LT–Vorlage 17/6364,
117so dass auch die deutlich höheren Anforderungen der Stellplatzsatzung gegenüber der nach der StellplatzVO NRW erforderlichen Anzahl an notwendigen Stellplätzen (1 Stellplatz je Wohneinheit bei Wohngebäuden mit maximal 2 Wohnungen) nicht die Annahme einer Unangemessenheit der Stellplatzsatzung begründen.
118Hinzu kommt, dass nach dem Leitfaden 2019 (Nr. 1.2 der Anlage zu § 3 Abs.1 der Musterstellplatzsatzung NRW) für Mehrfamilienhäuser (ab 3 Wohneinheiten) ein Rahmen von 0,9 bis 1,5 Stellplätzen je 100 qm Bruttogeschossfläche für Wohnungen vorgeschlagen wird (S. 24). Nach der angegriffenen Stellplatzsatzung sind demgegenüber zwar für Wohnungen mit einer Größe bis 70 qm 1 Stellplatz, über 70 qm bis 95 qm 1,5 Stellplätze und über 95 qm 2 Stellplätze erforderlich. Da es nach der Stellplatzsatzung bei der Berechnung aber auf die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung und nicht auf die tendenziell deutlich höhere Bruttogeschossfläche ankommen soll, lässt sich nicht feststellen, dass der im Leitfaden 2019 empfohlene Rahmen ausgeschöpft – geschwiege denn überschritten – würde.
119Schließlich weist der Senat darauf hin, dass der in Fußnote 2 der Anlage zur Stellplatzsatzung geregelte Abzug bei sehr gut vom ÖPNV erschlossenen Grundstücken nicht im Ergebnis relevant von den Vorgaben des Leitfadens 2019 abweicht. Der Leitfaden 2019 (S. 35 Tab. 5) gibt Beispielskriterien für eine „sehr gute ÖPNV–Erschließung“ vor. Diese soll gegeben sein bei einer „Haltestelle des ÖPNV (auch Bus)“ mit mind. 7,5–Minuten–Takt (Mo–Sa, 6–19 Uhr) oder mind. 12 Abfahrten zu wichtigen Zielen (z.B. Hbf/Innenstadt) mit höchstens 10 Minuten Fahrtzeit oder 6–11 Abfahrten mit höchstens 5 Minuten Fahrtzeit in einer Entfernung von maximal 300 m. Ähnliche Kriterien stellt der Leitfaden für schienengebundenen ÖPNV auf. Liegt danach eine sehr gute ÖPNV–Erschließung vor, kann eine Verringerung der Anzahl der notwendigen Stellplätze von 30 bis 70 % (S. 36 Tab. 6) vorgenommen werden. Hiervon weicht die angegriffene Stellplatzsatzung insoweit ab, als dort eine „sehr gute Erschließung von Grundstücken im ÖPNV“ für Wohngebäude und Wohnheime bereits angenommen wird bei einer Taktfolge oder einer Haltestellenbedienung von maximal 20 Minuten zwischen 6.30 und 20 Uhr (Mo–Fr) und einer Entfernung (Luftlinie) von dem Haupteingang bis zur Haltestelle bis zu 200 m (Bus) oder bis zu 500 m bei beschleunigtem ÖPNV (Schnellbus oder Bahn). Soweit die Stellplatzsatzung insoweit geringere Anforderungen für einen Abzug bei einer entsprechenden ÖPNV–Erschließung aufstellt, bleibt sie auf der anderen Seite deutlich unterhalb der in dem Leitfaden vorgesehenen Abzugsmöglichkeiten, indem sie nur einen Abzug von 15% bzw. 5% vorsieht. Diese Vorgehensweise („weiterer Tatbestand“, dafür „engere Rechtsfolge“) erscheint in sich kohärent; jedenfalls ist sie in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
120Im Übrigen ergeben sich aus dem Vortrag des Antragstellers keine Anhaltspunkte für sonstige Mängel der Stellplatzsatzung. Solche sind auch sonst nicht erkennbar.
121Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
122Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs.1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
123Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.