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Oberverwaltungsgericht NRW, 22 D 47/23.NE

Datum:
02.07.2024
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
22. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 D 47/23.NE
ECLI:
ECLI:DE:OVGNRW:2024:0702.22D47.23NE.00
 
Schlagworte:
Abwägungsergebnis Abwägungsfehler Abwägungsvorgang Altrequisition Antragsbefugnis Ausschlusswirkung Außenbereich Bebauungsplan Bergland Bezeichnung Entprivilegierung FFH-Gebiet Flächennutzungsplan Inanspruchnahme Konzentrationszonen Länderöffnungsklausel Mindestabstand Naturschutzgebiet Normenkontrollantrag Planungshoheit Potenzialflächen Rotmilan Rügeschreiben Schlagschatten Schwarzstorch Signifikanzrahmen Störwirkung Tabukriterien Tabuzonen Tiefland Truppenübungsplatz Truppenvertrag Uhu Vogelschutzgebiet Vorsorgeabstand Windenergie Windenergieanlage Wald Waldschnepfe
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1; VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1; BauGB § 1 Abs. 7; BauGB § 2 Abs. 3; BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5; BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3; BauGB § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; BauGB § 214 Abs. 3 Satz 1; BauGB § 214 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2; BauGB § 215 Abs. 1 Nr. 3; BauGB § 249 Abs. 3 a. F.; BNatSchG § 34 Abs. 3; BNatSchG § 67 Abs. 1; LBG § 1 Abs. 1; LBG § 1 Abs. 2
Leitsätze:

Bei der Planung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verlangt das Abwägungsgebot nach § 2 Abs. 3 BauGB die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts, das sich grundsätzlich auf den gesamten Außenbereich des Gemeindegebiets erstreckt.

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Plangeber die von der landesrechtlichen Mindestabstandsregelung in § 2 Abs. 1 BauGB-AG NRW (aufgehoben mit Wirkung vom 11. September 2023) erfassten Flächen des Außenbereichs von vornherein aus der Planung aussondert, ohne danach zu fragen, ob es sich dabei um harte oder weiche Tabuzonen handelt.

Die für die in § 1 Abs. 1 Landbeschaffungsgesetz (LBG) genannten Zwecke in Anspruch genommenen Flächen stehen für eine anderweitige Planung durch die Gemeinde nicht mehr zur Verfügung. Gleiches gilt für Grundstücke, deren Eigentümer der Bund ist und die - ohne die Durchführung eines Verfahrens nach § 1 Abs. 2 und 3 LBG - bereits zu einem früheren Zeitpunkt zulässigerweise von ausländischen Streitkräften für militärische Zwecke in Anspruch genommen worden sind.

Die Konzentrationsflächenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erstreckt sich schon von Rechts wegen nicht auf Flächen, für die ein Bebauungsplan zumindest die Art der zulässigen baulichen Nutzung wirksam festsetzt. Die Gemeinde ist daher befugt, diese Flächen nicht den Maßstäben ihres gesamträumlichen Planungskonzepts zu unterwerfen.

Den Gemeinden ist es grundsätzlich gestattet, durch ihre Bauleitplanung bereits im Vorfeld der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen eigenständig gebietsbezogen das Maß des Hinnehmbaren zu steuern und hierauf aufbauend auch relativ große Schutz- bzw. Pufferabstände um bestimmte Nutzungen zu definieren.

Einen allein als „richtig“ oder „ausreichend“ anzusehenden Vorsorgeabstand gibt es nicht, vielmehr ist dessen konkrete Bestimmung grundsätzlich in das (weite) planerische Ermessen der Gemeinde gestellt (hier: 1.000 m zu Gunsten von allgemeinen und reinen Wohngebieten).

Die Gemeinde darf grundsätzlich sensible Landschaftsräume (insbesondere Natura 2000-Gebiete) auch ohne eine ins Einzelne gehende Befassung mit der konkreten Situation, wie sie für die Annahme eines harten Tabukriteriums erforderlich wäre, von der Windenergienutzung im Sinne eines weichen Tabukriteriums ausschließen.

Das Interesse der Betreiber von Altanlagen, diese im Sinne eines Repowering durch effizientere neue Anlagen zu ersetzen, ist nicht abwägungsfest, sondern (lediglich) in der Abwägung mit dem ihm zukommenden Gewicht zu berücksichtigen.

Auf der Ebene der Flächennutzungsplanung stellt es regelmäßig keinen Abwägungsfehler dar, wenn die planende Gemeinde unter Berücksichtigung der im nordrhein-westfälischen Artenschutzleitfaden enthaltenen Vorgaben ein (erhöhtes) artenschutzrechtliches Konfliktpotenzial annimmt und auf dieser Grundlage grundsätzlich für die Windenergie geeignete Standorte (Potenzialflächen) im Rahmen der Einzelfallprüfung ausschließt. Maßstab ist und bleibt aber auch im Rahmen der Konzentrationszonenplanung, ob die Annahme eines artenschutzrechtlichen Konfliktpotenzials naturschutzfachlich vertretbar ist.

Auf der Ebene der Einzelfallprüfung, mithin der dritten Stufe des sich abschnittsweise vollziehenden Abwägungsprozesses, bleibt es der Gemeinde grundsätzlich unbenommen, in der planerischen Einzelabwägung einen strengeren, weil absoluten Maßstab zugrunde zu legen, als es die gesetzlichen artenschutzrechtlichen Verbots- und Schutznormen erfordern; insbesondere zwingt das Abwägungsgebot grundsätzlich nicht zu einer vertieften Prüfung, ob eine angenommene artenschutzrechtliche Konfliktsituation einer Vorhabenzulassung durch die Anordnung fachlich anerkannter Verminderungs- bzw. Vermeidungsmaßnahmen auf Genehmigungsebene nicht entgegensteht.

 
Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Antragsgegnerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 
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