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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und – unter entsprechender Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung von Amts wegen – für das erstinstanzliche Verfahren auf 43.964,86 Euro festgesetzt
G r ü n d e
2Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
3Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts fristgerecht vorgebrachten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben.
4Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei bereits unzulässig. Der wörtlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Aussetzung der mit Bescheid vom 26. Februar 2024 verfügten Versetzung der Antragstellerin in den Ruhestand, sei unstatthaft. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO sei gemäß § 123 Abs. 5 VwGO subsidiär gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Dieses sei hier statthaft, da der Bescheid einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, der in der Hauptsache mit der Beschwerde und nachfolgend mit der Anfechtungsklage angefochten werden könne. Die Beschwerde habe gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO keine aufschiebende Wirkung.
5Der Antrag habe aber auch dann keinen Erfolg, wenn er in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Fall 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem 30. März 2024 eingelegten Beschwerde gegen den Zurruhesetzungsbescheid umgedeutet werde. Für einen solchen Antrag fehle der Antragstellerin das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse. Eine stattgebende Entscheidung sei für die Antragstellerin nach dem derzeitigen Sachstand nicht von Interesse und darüber hinaus von vornherein nutzlos. Es sei für sie nicht von Interesse, zumindest vorläufig die Beendigung des Dienstverhältnisses zu verhindern. Mit ihrem Antrag auf sofortige Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Berufssoldatin vom 29. Februar 2024, den sie am 16. März 2024 und damit nach Erhalt der Versetzungsverfügung in den Ruhestand am 1. März 2024 und nach Stellung des vorliegenden Eilantrages am 13. März 2024 zur Post gegeben habe, habe sie nämlich deutlich gemacht, eine Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht mehr zu wollen. Es sei widersprüchlich, einen Eilantrag gegen die Ruhestandsversetzung trotz einer nachfolgend beantragten Entlassung aus dem Berufssoldatenverhältnis noch aufrechtzuerhalten. Im Übrigen sei der Antrag erkennbar nutzlos. Auch eine stattgebende Eilentscheidung brächte der Antragstellerin derzeit keinen rechtlichen Vorteil. Das Dienstverhältnis würde ohnehin aufgrund ihres Entlassungsantrags mittels Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin beendet werden. Ein Rechtsschutzinteresse für das Eilverfahren ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin, ihr drohten durch die Verfügung nicht wiedergutzumachende Nachteile hinsichtlich ihres Rufs und der Ausübung ihres Berufs als Ärztin. Das erstrebte Rechtsschutzziel einer Rehabilitation sei in der Regel allein durch eine – nicht nur vorläufige, auf bloße summarische Prüfung beschränkte – Klärung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung im Beschwerdeverfahren sowie gegebenenfalls mittels einer anschließenden Anfechtungsklage im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zu erreichen.
6Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus: Der Beschluss des Verwaltungsgerichts gehe im Kern an der Sache vorbei. Sie habe sehr wohl ein Rechtsschutzinteresse. Die Zurruhesetzungsverfügung habe nämlich weitergehende und unverzügliche Wirkungen. Zum einen drohe ihr die jederzeitige Wiedereinberufung und erneute Begutachtung. Es könne auch davon ausgegangen werden, dass ihre Vorgesetzten einen strapaziösen Einsatzort auch im Ausland aussuchen würden. Zum anderen verfolge die Antragsgegnerin sie seit 2017 mit unzutreffenden Vorwürfen und rechtswidrigen Maßnahmen. Sie habe ein grundlegendes Interesse an der Wiederherstellung ihres guten Rufes und an einem Arbeitsverhältnis. Es gehe auch darum, weiteren drohenden Maßnahmen der Antragsgegnerin Einhalt zu gebieten und die über mehr als sieben Jahre andauernde Drangsalierungen von ihren „gleichrangigen Vorgesetzten, Kollegen einschließlich Personalrat (…) und deren unterstellten Personal“ zu beenden. Sie habe mit allen Mitteln zu Unrecht als dienstunfähig bezeichnet werden sollen. Sie sei „T1 gemustert, gesund, dienst- und verwendungsfähig“. Dies hätten ihr zwei Ärzte unabhängig voneinander bescheinigt. Es habe weder Fehlverhalten ihrerseits noch Patientenbeschwerden gegeben. Das Dienstunfähigkeitsverfahren sei missbraucht worden, um Dispositionsfreiheit bei den Dienstposten zu erlangen.
7Dieses Vorbringen zieht die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der wörtlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unstatthaft, greift die Antragstellerin schon nicht an. Ihre damit verbleibende Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das für einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Rechtsschutzinteresse verneint, greift nicht durch. Entgegen ihrer Auffassung entfaltet die streitgegenständliche Zurruhesetzungsverfügung vom 26. Februar 2024 keine „weitergehende(n) und unverzügliche(n) Wirkungen“. Diese Verfügung hat zu keinem Zeitpunkt innere Wirksamkeit erlangt; sie geht vielmehr ins Leere. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Ruhestand eingetreten wäre, war das Dienstverhältnis der Antragstellerin als Berufssoldatin bereits aufgrund der Entlassung beendet, § 49 Abs. 1 Fall 1 SG. Gemäß § 44 Abs. 6 Satz 3 SG beginnt der Ruhestand mit dem Ende der drei Monate, die auf den Monat folgen, in dem die Versetzung in den Ruhestand dem Berufssoldaten mitgeteilt worden ist. Der Zurruhesetzungsbescheid ist der Antragstellerin am 1. März 2024 zugestellt worden. Die Antragstellerin wäre daher mit Ablauf des 30. Juni 2024 in den Ruhestand getreten. Bereits zuvor, nämlich mit Ablauf des 25. April 2024, ist die Antragstellerin jedoch auf eigenen Antrag aus dem Dienstverhältnis einer Berufssoldatin der Bundeswehr entlassen worden.
8Es trifft auch nicht zu, dass die Antragstellerin eine „jederzeitige Wiedereinberufung“ zu befürchten hat. Zwar kann gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 SG ein wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzter Berufssoldat, der wieder dienstfähig geworden ist, erneut in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen werden, wenn seit der Versetzung in den Ruhestand noch keine fünf Jahre vergangen sind und die allgemeine Altersgrenze noch nicht überschritten ist. Eine solche erneute Berufung der Antragstellerin in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin ist im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen. Sie ist nicht, wie die Vorschrift verlangt, wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, sondern auf eigenen Antrag entlassen worden. Da mit der Entlassung das Dienstverhältnis und die Zugehörigkeit zur Bundeswehr beendet worden sind, droht der Antragstellerin auch keine erneute Begutachtung mehr.
9Die Antragstellerin vermag auch kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO aus näher bezeichneten „unzutreffenden Vorwürfen und rechtswidrigen Maßnahmen“ der Antragsgegnerin herzuleiten. Bereits das Verwaltungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass diese Umstände jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis für ein Eilverfahren, sondern allenfalls für eine Klageverfahren zu begründen vermögen. Mit dieser Argumentation setzt sich die Antragstellerin nicht im Ansatz auseinander. Es erschließt sich auch nicht, welchen „weiteren drohenden Maßnahmen“ der Antragsgegnerin durch den Eilantrag Einhalt geboten werden soll. Die Antragstellerin wird aufgrund ihrer Entlassung dauerhaft nicht mehr in der Bundeswehr tätig sein.
10Der wiederholt gestellte Antrag der Antragstellerin, „Einsicht in die gesamten Akten des Verfahrens“ zu gewähren bzw. „die Personal- und Gesundheitsakten der Bf beizuziehen und zur Einsicht zu übermitteln“ ist nicht als eigenständiger Sachantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, sondern als Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht durch den Senat nach § 100 Abs. 1 VwGO zu verstehen. Das ergibt sich aus dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 7. Juni 2024, mit dem die Antragstellerin auf die gerichtliche, dieses Verständnis des Senats darlegende Verfügung vom 4. Juni 2024 reagiert hat. Mit diesem Schriftsatz hat sie nämlich (klarstellend) beantragt, ihre Personal- und Gesundheitsakten beizuziehen und (ihrer Prozessbevollmächtigten) zur Einsicht zu übermitteln.
11Die Akteneinsicht gemäß § 100 Abs. 1 VwGO, die sich ausschließlich auf die Gerichtsakten sowie sämtliche dem Gericht vorgelegten Akten bezieht,
12vgl. Lang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 100 Rn. 18, Posser, in: Posser/Wolff/Decker, VwGO, 70. Ed., Stand: 1. April 2024, § 100 Rn. 7,
13ist der Antragstellerin vollumfänglich gewährt worden. Auf der Grundlage der Verfügung vom 17. Mai 2024 sind der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am selben Tag die elektronisch geführten Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die elektronisch geführte Beiakte 2 elektronisch übersandt worden. Die Beiakte 1 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 29. Mai 2024 in Papierform empfangen. Weitere Akten liegen hier nicht vor. Es bestand auch kein Bedürfnis, weitere, noch bei der Antragsgegnerin befindliche Personalakten der Antragstellerin beizuziehen. Diese konnten für die Entscheidung keine Relevanz haben, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
15Die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren, die der Senat in Anwendung der Regelung des § 63 Abs. 3 GKG unter Änderung der auf 24.933,36 Euro lautenden erstinstanzlichen Festsetzung vornimmt, beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 1, 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 (Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf Lebenszeit) sowie Sätze 2 bis 3 GKG. Auszugehen ist nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG von dem Jahresbetrag der Bezüge, die dem jeweiligen Antragsteller nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Antragstellung (hier: 13. März 2024) bekanntgemachten, für Soldaten geltenden Besoldungsrechts unter Zugrundelegung der jeweiligen Erfahrungsstufe fiktiv für das innegehabte Amt im Kalenderjahr der Beschwerdeerhebung zu zahlen sind. Nicht zu berücksichtigen sind dabei die nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile. Auch die Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin vor ihrer Beurlaubung ist wegen der bei Auslegung des § 52 Abs. 6 GKG grundsätzlich gebotenen generalisierenden Betrachtung unerheblich.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2015 – 1 B 1104/15 –, juris, Rn. 11, und vom 12. Juni 2014 – 1 B 271/14 –, juris, Rn. 28. Im Ergebnis ebenso: Bay VGH, Beschluss vom 8. Juni 2020 – 3 ZB 19.2442 –, juris, Rn. 21, 35, und Schl.-H. OVG, Beschluss vom 21. Juni 2021 – 2 MB1/21 –, juris, Rn. 14, 22.
17Der nach diesen Maßgaben zu bestimmende Jahresbetrag ist wegen der im Eilverfahren nur begehrten vorläufigen Sicherung auf die Hälfte zu reduzieren. Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu ermittelnde Jahresbetrag beläuft sich hier angesichts des innegehabten Amtes der Besoldungsgruppe A 15 BBesO (OFA) und bei Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 6 für das maßgebliche Jahr 2024 auf 87.929,72 Euro (Januar und Februar 2024 jeweils 6.849,46 Euro, für die übrigen Monate jeweils 7.423,08 Euro). Die Hälfte hiervon ist der festgesetzte Wert.
18Die Festsetzung des Streitwerts für das am 15. Mai 2024 eingeleitete Beschwerdeverfahren beruht auf den vorzitierten, die erstinstanzliche Festsetzung betreffenden Vorschriften sowie zusätzlich auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG und folgt denselben Grundsätzen wie die korrigierte erstinstanzliche Festsetzung.
19Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.