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Der hervorgehobenen Bedeutung der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde als untrennbar mit der Einbürgerung verbundener, das Einbürgerungsverfahren abschließender und nur in Ausnahmefällen rückabzuwickelnder Rechtsakt, der zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt, entspricht es, den Streitwert in einem auf Aushändigung der Einbürgerungsurkunde gerichteten Verfahren wie in einem auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichteten Verfahren mit dem doppelten Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG pro Einbürgerungsbewerber festzusetzen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2Das Oberverwaltungsgericht entscheidet nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG über die Beschwerde durch den Berichterstatter, weil der angefochtene Streitwertbeschluss in Ziffer 2 des Einstellungsbeschlusses vom 6. August 2024 eine Berichterstatterentscheidung im Sinn des § 87a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ist.
3Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2024 ‑ 19 E 246/24 ‑ juris Rn. 1; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 87a Rn. 11; a. A. Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL, Stand: Januar 2024, § 87a VwGO Rn. 33a.
4Eine Übertragung des Beschwerdeverfahrens an den Senat nach § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG kommt nicht in Betracht, weil es weder besondere Schwierigkeiten aufweist noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
5Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller die Herabsetzung des vom Verwaltungsgericht auf 10.000,00 Euro festgesetzten Streitwerts auf ein Viertel des Auffangwerts erstrebt, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das vom Antragsteller im Hinblick auf das Inkrafttreten der Regelungen des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts vom 22. März 2024 (BGBl. I Nr. 104) zur generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit betriebene Verfahren, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, ihm ohne Nachweis der Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit die Einbürgerungsurkunde auszuhändigen, zu Recht auf 10.000,00 Euro festgesetzt. Die für die Bestimmung des Streitwerts nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Bedeutung der mit dem Begehren auf Aushändigung der Einbürgerungsurkunde umschriebenen Sache entspricht derjenigen eines auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichteten Begehrens.
6Mit der Aushändigung der von der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde ausgefertigten Einbürgerungsurkunde wird nach § 16 Satz 1 StAG die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt besitzt der Einbürgerungsbewerber die Ausländereigenschaft, auch wenn er bereits alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt. Die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde ist ein zusätzlich zu der materiellen Einbürgerungsentscheidung hinzutretender Rechtsakt, der im Interesse der Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr verbindlich und zweifelsfrei feststellt, dass mit dem Zeitpunkt der Aushändigung der Urkunde die darin bezeichnete Person wirksam die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde ist für die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband und damit im Ergebnis auch für den Erwerb (vgl. § 3 Nr. 5 StAG) der durch sie vermittelten deutschen Staatsangehörigkeit konstitutiv.
7Vgl. Berlit, in: ders., GK-StAR, § 16 StAG Rn. 6 ff., insb. Rn. 10, Stand Oktober 2009; Marx, in Berlit, GK-StAR, § 35 StAG Rn. 32, Stand: Dezember 2014; Hailbronner, in: ders./Kau/Gnatzy/Weber, Staatsangehörigkeitsrecht, 7. Auflage 2022, § 16 StAG Rn. 3.
8Ist die Einbürgerung mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde wirksam geworden, ist sie allerdings wegen ihrer Auswirkungen auf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen. Die einmal mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde wirksam bewirkte Einbürgerung und damit auch die auf diesem Wege erworbene deutsche Staatsangehörigkeit bleibt regelmäßig lebenslang bestehen. Ein verfassungsrechtlich nach Art. 16 Abs. 1 GG zulässiger Verlust der mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde wirksam verliehenen deutschen Staatsangehörigkeit käme nur noch aus den in § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StAG aufgezählten Gründen in Betracht. Erst dann käme eine Herausgabe der Einbürgerungsurkunde nach § 52 Satz 2 i. V. m. Satz 1 VwVfG NRW in Betracht. Insbesondere kann eine rechtswidrige Einbürgerung seit dem am 12. Februar 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158), nicht zuletzt um der "Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit",
9BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑ juris Rn. 49 a. E., Rn. 91; siehe dazu Kießling, "Die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit", Der Staat 54 (2015), S. 1 (8 ff.),
10Rechnung zu tragen, nach § 35 Abs. 1 StAG nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme ist zudem nur innerhalb Zehnjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zulässig.
11Vgl. BT-Drs. 16/10528, S. 6 f., 8.
12Dieser hervorgehobenen Bedeutung der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde als untrennbar mit der Einbürgerung verbundener, das Einbürgerungsverfahren abschließender und nur in Ausnahmefällen rückabzuwickelnder Rechtsakt, der zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt, entspricht es, den Streitwert in einem auf Aushändigung der Einbürgerungsurkunde gerichteten Verfahren in gleicher Höhe wie in einem auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichteten Verfahren festzusetzen. Die Bedeutung einer Einbürgerung bemisst der Senat in ständiger Praxis in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 11) mit dem doppelten Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG für jeden Kläger.
13OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2024 ‑ 19 E 246/24 ‑ juris Rn. 16 f., m. w. N.
14Eine Reduzierung des Streitwertes ist nicht deshalb geboten, weil ein Einbürgerungsbewerber, wie hier der Antragsteller, die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verfolgt. Die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde führt mit der Bewirkung der Einbürgerung und der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit zu einer (vollständigen) Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. Nr. 1.5 des o. g. Streitwertkatalogs). Eine vorläufige oder vorübergehende Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kommt mit Blick auf die damit verbundene Einbürgerung nicht in Betracht. Daher ist es ohne Belang, ob der Einbürgerungsbewerber die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde auf der Grundlage eines einstweiligen Anordnungs- oder eines Hauptsacheverfahrens begehrt.
15Eine Streitwertreduzierung ist auch nicht nach dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Senatsbeschluss 2. August 2002 ‑ 19 E 729/02 ‑ (n. v.) geboten. Soweit der Senat darin für ein im Verfahren der einstweiligen Anordnung verfolgtes Begehren auf Aushändigung einer ‑ bereits ausgestellten, aber aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts vom Antragsgegner einbehaltenen Einbürgerungsurkunde ‑ eine hälftige Reduzierung des Streitwerts angenommen hat, kann dahinstehen, ob der Senat für solche Fälle weiter der damaligen Begründung folgt, dass die "Verpflichtung des Antragsgegners", dem Antragsteller die Einbürgerungsurkunde auszuhändigen, "eine vorläufige [bleibt], weil allein in einem Hauptsacheverfahren abschließend zu klären ist, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, die ihm auf Grund der einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht vorläufig ausgehändigte Einbürgerungsurkunde zu behalten". Denn jedenfalls ist die dem vorgenannten Senatsbeschluss zugrundeliegende Konstellation einer nur aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts einbehaltenen Einbürgerungsurkunde mit der vorliegenden nicht vergleichbar.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
17Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.