Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Versetzungskonferenz kommt bei der Prognoseentscheidung über die Nichtversetzung einer Schülerin oder eines Schülers ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt festzustellen, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Versetzungskonferenz von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
Der Zweck der Versetzungsentscheidung, einen Schüler nur dann zu versetzen, wenn er die Leistungsanforderungen der bisherigen Klasse oder Jahrgangsstufe erfüllt hat, würde vereitelt, wenn der Schüler allein auf Grund eines Verfahrensfehlers ‑ hier Anhörungsmangel ‑ versetzt würde. Verfahrensfehler sind demnach grundsätzlich nicht geeignet, einen Anspruch auf vorläufige Versetzung in die nächsthöhere Klasse oder Jahrgangsstufe zu begründen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe. Diese Gründe rechtfertigen es nicht, dem Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO unter Änderung des angefochtenen Beschlusses stattzugeben und den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerin zu 1. im Schuljahr 2024/2025 vorläufig am Unterricht der Klasse 3 der Y.schule D. teilnehmen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2 ZPO). Sie haben keinen Anspruch darauf, dass die Versetzungskonferenz der Y.schule D. die Antragstellerin zu 1. unter Aufhebung der Nichtversetzungsentscheidung im Zeugnis vom 3. Juli 2024 zum Schuljahr 2024/2025 vorläufig am Unterricht der Klasse 3 teilnehmen lässt.
3Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW wird eine Schülerin oder ein Schüler nach Maßgabe der Ausbildungs- und Prüfungsordnung in der Regel am Ende des Schuljahres in die nächsthöhere Klasse versetzt, wenn die Leistungsanforderungen der bisherigen Klasse erfüllt sind. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 AO-GS beschließt die Versetzungskonferenz nach Anhörung der Eltern oder auf deren Antrag, dass die Schülerin oder der Schüler ein drittes Jahr in der Schuleingangsphase verbleibt, wenn sie oder er noch nicht für die Klasse 3 geeignet ist. Dies ist der Fall, wenn nach Einschätzung der Versetzungskonferenz die Schülerin oder der Schüler voraussichtlich nicht erfolgreich in der Klasse 3 mitarbeiten kann und die Versetzungsbedingungen am Ende der Klasse 3 nicht erfüllen wird. Der Versetzungskonferenz kommt bei der Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. September 2015 ‑ 19 A 2068/13 ‑ juris Rn. 8 und vom 22. Oktober 2014 ‑ 19 B 971/14 ‑ juris Rn. 2; Bülter/Lücke-Deckert/Wahl-Weber, Ausbildungsordnung Grundschule mit Ausbildungsordnung sonderpädagogischer Förderung ‑ AO-GS ‑ Die Bildungsgänge in der Grundschule, Handbuch und Kommentar für die Schulpraxis, 9. Auflage 2017, Teil 7, Punkt 8: „Drittes Schulbesuchsjahr in der Schuleingangsphase“.
5Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt festzustellen, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Versetzungskonferenz von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. September 2015 ‑ 19 A 2068/13 ‑ juris Rn. 8 und vom 22. Oktober 2014 ‑ 19 B 971/14 ‑ juris Rn. 2; Bülter/Lücke-Deckert/Wahl-Weber, a. a. O., Teil 7, Punkt 8.5: „Verfahrensfehler“.
7Nach diesen Maßstäben bleiben die Rügen der Beschwerde ohne Erfolg.
8Dies gilt zunächst für die Rüge, die Nichtversetzung der Antragstellerin zu 1. in die Klasse 3 sei mangels ordnungsgemäßer Anhörung ihrer Eltern, der Antragstellerin zu 2. und des Antragstellers zu 3., verfahrensfehlerhaft. Selbst wenn man zugunsten der Antragsteller unterstellt, dass keine ordnungsgemäße Anhörung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG NRW stattgefunden hat, läge darin kein Verfahrensfehler, der den geltend gemachten Anspruch auf vorläufige Teilnahme am Unterricht der Klasse 3 begründen könnte. Der Zweck der Versetzungsentscheidung, eine Schülerin oder einen Schüler nur dann in die nächsthöhere Klasse zu versetzen, wenn sie oder er für die Klasse 3 geeignet ist (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 AO-GS), wäre vereitelt, wenn die Schülerin oder der Schüler allein aufgrund eines Verfahrensfehlers versetzt würde.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Dezember 2003 ‑ 19 B 2561/03 ‑ juris Rn. 5, vom 13. Februar 2002 ‑ 19 B 1601/01 ‑ juris Rn. 9 und vom 23. November 2001 ‑ 19 B 1480/01 ‑ juris Rn. 2.
10Anhaltspunkte, von diesem Grundsatz, der insbesondere auch die Möglichkeit der Heilung eines Anhörungsfehlers im Verlaufe des Klageverfahrens in den Blick nimmt,
11Vgl. Bülter/Lücke-Deckert/Wahl-Weber, a. a. O., Teil 7, Punkt 8.5: „Verfahrensfehler“,
12abzuweichen, bestehen vorliegend nicht. Daher kann offenbleiben, ob ‑ wie vom Verwaltungsgericht angenommen und im Einzelnen begründet ‑ die erforderliche Anhörung im Rahmen des Elterngesprächs am 2. Mai 2024 mit der Klassenlehrerin stattgefunden hat.
13Auf keinen durchgreifenden Beurteilungsfehler führt aber auch die mit der Beschwerde im Kern erhobene Rüge, die Nichtversetzung der Antragstellerin zu 1. in die Klasse 3 beruhe auf einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums der Zeugnis- und Versetzungskonferenz.
14Die Versetzungskonferenz hat die prognostische Einschätzung, die Antragstellerin zu 1. sei noch nicht für die Klasse 3 geeignet, weder auf der Grundlage eines unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalts getroffen noch hat sie dabei anerkannte Bewertungsmaßstäbe wie das Willkürverbot missachtet.
15Ohne Erfolg bleibt der Einwand, der Antragsgegner habe seinen Beurteilungsspielraum für die Annahme einer mangelnden Eignung der Antragstellerin zu 1. für die Klasse 3 rechtsfehlerhaft ausgefüllt oder er sei insoweit "zumindest beweisfällig" geblieben, weil das Protokoll der Zeugnis- und Versetzungskonferenz vom 11. Juni 2024 hierfür keine tragfähige Begründung enthalte und bei dem auf der nächsten Seite ohne Verfasser und in anderer Schriftart als das Protokoll zur Akte genommenen Schreiben nicht erkennbar sei, inwiefern dessen "Ausführungen überhaupt Bestandteil der Erörterungen der Versetzungskonferenz" gewesen seien. Zwar weisen die Antragsteller insoweit zutreffend auf die in diesem Schreiben fehlende Angabe eines Verfassers und auf die andere Schriftart hin. Die Aktenführung deutet jedoch offenkundig darauf hin, dass es sich bei diesem Schreiben um einen - wenngleich nicht als solchen explizit gekennzeichneten - Anhang zum Protokoll der Versetzungskonferenz handelt, auf den unter "TOP 2: Zeugniskonferenz" ausdrücklich verwiesen wird ("2b Frau K. s. Anhang"). Das Schreiben ist selbst mit "Zeugniskonferenz am 11.06.2024" überschrieben. Es betrifft die Kinder der zuletzt von der Antragstellerin zu 1. besuchten Klasse 2b, die zusätzliche Förderung benötigen, "indem sie das dritte Jahr in der Eingangsstufe verbleiben". Unter Ziffer 1 des Schreibens sind Ausführungen betreffend die Antragstellerin zu 1. enthalten. Die fehlende Angabe eines Verfassers und die Schriftart des Schreibens begründen keine hinreichenden Anhaltspunkte für dessen unterbliebene Berücksichtigung im Rahmen der Versetzungskonferenz. An den Inhalt dieses Schreiben knüpfen im Übrigen erkennbar die Ausführungen im Zeugnis der Antragstellerin zu 1. an, das im Verwaltungsvorgang auf der folgenden Seite wiedergegeben ist und die Nichtversetzungsentscheidung verbrieft.
16Ferner greift der Einwand der Beschwerde nicht durch, dass die Nichtversetzung der Antragstellerin zu 1. in die Klasse 3 mit der Sprachentwicklungsverzögerung und der Feststellung, die Antragstellerin zu 1. spreche "am liebsten dann", "wenn sie sich sicher" sei, auf veralteter Tatsachengrundlage beruhe, weil dies jedenfalls gegenwärtig nicht mehr zutreffe. Die Antragsteller berufen sich insoweit auf einen seit der Einschulung der Antragstellerin zu 1. ihrer Ansicht nach festzustellenden Zugewinn an Selbstvertrauen im Verhalten gegenüber Mitschülern, deren freiwillige Meldung zum Vortrag eines auswendig gelernten Gedichts, das Sprechen einer Fürbitte beim Erntedankfest am Mikrofon, Wortmeldungen bei Autorenlesungen in der Stadtbibliothek und das Auftreten als "Wortführer[in]" beim Spielen, ohne insoweit jedoch eine nähere zeitliche Konkretisierung vorzunehmen. Des ungeachtet lässt sich nicht feststellen, dass diese positive Entwicklung der Antragstellerin zu 1. nicht bei der allein der Versetzungskonferenz vorbehaltenen Entscheidung nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 AO-GS berücksichtigt worden ist. Zudem stellt dies die Annahme der Versetzungskonferenz, die Antragstellerin zu 1. benötige trotz ihrer zweifelsfrei erheblichen Fortschritte weitere sprachliche Förderung in der Schuleingangsphase, um erfolgreich am Unterricht der Klasse 3 teilzunehmen, nicht durchgreifend in Frage.
17Entsprechendes gilt für das weitere Vorbringen der Beschwerde zu der von der Antragstellerin zu 1. im Verhältnis zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern benötigten Bearbeitungszeit, zum regelmäßigen Mangel hinreichend konkreter Anweisungen durch die schulische Lehrkraft, zu dem aus Langeweile bearbeiteten und als einfach empfundenen Mathe-Förderheft sowie zu dem eigeninitiativ bearbeiteten Schreibschriftheft. Es liegt in der Natur der Sache, dass in die Bewertung des Leistungs- und Entwicklungsstands der Antragstellerin zu 1. und der Prognose ihrer Eignung für die nächsthöhere Klasse sowohl positive als auch negative Einzelbeobachtungen einfließen, die anschließend im Rahmen des der Versetzungskonferenz zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Gesamtbewertung von ihr zu gewichten sind. Soweit die Antragsteller mit dem Beschwerdevortrag offenkundig eine eigene, vornehmlich den von ihnen genannten positiven Aspekten Rechnung tragende Gewichtung vornehmen, blenden sie dies aus und verkennen, dass nicht sie, sondern allein das Gremium nach § 50 Abs. 2 SchulG NRW eine alle im zweiten Halbjahr der Klasse 2 zu Tage getretenen Leistungen und Entwicklungen mit Blick auf die Anforderungen in Klasse 3 zu bewerten hat. Ihr diesbezügliches Vorbringen belegt auch nicht, dass die Nichtversetzungsentscheidung auf einem unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalt beruht.
18Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Nichtversetzungsentscheidung sachwidrige Erwägungen zugrunde liegen. Fehl geht insoweit der Einwand der Beschwerde, der Antragstellerin zu 1. könne "kaum zum Vorwurf" gemacht werden, dass sie es bevorzuge, in einem störungsfreien Umfeld zu arbeiten, welches durch das "Zurücksetzen" in der Klasse 2 ohnehin nicht zu erreichen sei. Diese Rüge geht am Kern der in Bezug genommenen Aussage vorbei, die ersichtlich dazu dient, die Wertung der Mitwirkung der Antragstellerin zu 1. im Unterricht zu untermauern und das Gesamtbild ihrer Schulleistung abzurunden, ohne hiermit ein vorwerfbares Verhalten zu kritisieren.
19Ohne rechtliche Relevanz für die vorliegende Entscheidung ist schließlich der Umstand, dass der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1. für zweieinhalb Wochen nach den Sommerferien in der Klasse 3 beschult hat. Weder ist die Versetzungskonferenz von ihrer Nichtversetzungsentscheidung zwischenzeitlich abgerückt noch ergeben sich hieraus sonstige rechtliche Konsequenzen. Der Antragsgegner hat die kurzzeitige Teilnahme der Antragstellerin zu 1. am Unterricht der Klasse 3 plausibel damit erklärt, dass die Schulleiterin davon ausgegangen ist, vor einer endgültigen Entscheidung der Gerichte stünde den Eltern ein Wahlrecht zu. Die Beschulung der Antragstellerin zu 1. in der Klasse 3 kann im Übrigen weder aufgrund widersprüchlichen Verhaltens noch nach Selbstbindungsgrundsätzen einen Anspruch der Antragsteller begründen, die Antragstellerin zu 1. vorläufig am Unterricht der Klasse 3 teilnehmen zu lassen. Ebenso wenig wie das Verbot widersprüchlichen Verhaltens vermitteln die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf Wiederholung oder Perpetuierung eines rechtsfehlerhaften Zustandes.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
22Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).