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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch die Berichterstatterin, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO nur die fristgerecht dargelegten Gründe. Diese rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller zum Schuljahr 2024/2025 in die Klasse 5 des O.-Gymnasiums P. aufzunehmen, hilfsweise über seinen Antrag auf Aufnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
4Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine schon erstinstanzlich erhobenen Einwände weiter, das von der Schulleiterin bei der Aufnahmeentscheidung von ihr herangezogene Auswahlkriterium „ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen“ sei verfassungswidrig und hätte nicht angewendet werden dürfen (I.), das Auswahl- und Losverfahren sei wegen etwaiger rechtswidriger Mehrfachanmeldungen von Schülern fehlerhaft (II.), und, die Schulleiterin habe zu seinem Nachteil einen Jungen und ein Mädchen rechtswidrig als Härtefälle aufgenommen (III.). Diese Rügen bleiben insgesamt erfolglos.
5I. Das gilt zunächst für die Rüge, die Schulleiterin hätte das Auswahlkriterium „ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen“ nicht heranziehen dürfen, weil es verfassungswidrig sei und nicht hätte angewandt werden dürfen. § 1 Abs. 2 Nr. 2 APO-S I führe nur „Mädchen“ und „Jungen“ auf, obwohl im Personenstandsgesetz „divers“ als Geschlecht angegeben werden könne. § 1 Abs. 2 Nr. 2 APO-S I sei daher aufgrund der Diskriminierung diverser Menschen nicht anwendbar.
6Mit diesem Beschwerdevorbringen ist eine Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 APO-S I nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 APO-S I geforderte gleichmäßige Aufnahme von Mädchen und Jungen, einer Aufnahme von Kindern diversen Geschlechts nicht entgegensteht, sondern gleichzeitig zu dieser verwirklicht werden kann. Soweit sich der Antragsteller für seine hiervon abweichende Rechtsauffassung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Beschluss vom 17. August 2023 ‑ 39 L 387/23 -) beruft, nach der das im Berliner Schulrecht für Schulaufnahmeverfahren nicht geregelte Auswahlkriterium „gleichmäßiges Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern“ im Falle seiner Existenz verfassungswidrig wäre, weil es gegen den in Art. 10 Abs. 1 und 2 der Verfassung von Berlin normierten Gleichheitsgrundsatz und gegen das Verbot, Menschen wegen ihres Geschlechts zu bevorzugen oder zu benachteiligen, verstoßen würde,
7vgl. VG Berlin, Beschluss vom 17. August 2023 ‑ 39 L 387/23 -, juris, Rn. 13 ff., mit einer vergleichbaren Hilfserwägung zur vormaligen Rechtslage im Berliner Schulrecht auch bereits: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2017 ‑ OVG 3 S 74.17 -, juris, Rn. 10 ff.,
8schließt sich der Senat dieser Auffassung für das nordrhein-westfälische Schulrecht nicht an. Der Schulleiter kann im Falle einer Anmeldung von einem oder mehreren Kindern diversen Geschlechts im Rahmen des ihm bei der Schulaufnahmeentscheidung eingeräumten Ermessens die von dem Antragsteller befürchtete Bevorzugung (oder Benachteiligung) von Kindern wegen ihres Geschlechts durch eine sachgerechte Verfahrensgestaltung ohne Weiteres vermeiden. Die von dem Antragsteller in diesem Zusammenhang weiterhin angeführte Entscheidung des Amtsgerichts Münster (Vorlagebeschluss vom 14. April 2021 ‑ 22 III 34/20 -) ist für die Frage der Verfassungswidrigkeit von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 APO-S I unergiebig. Das Amtsgericht Münster erachtet § 45b Abs. 1 Satz 1 PStG für verfassungswidrig, soweit der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nur intersexuelle Personen erfasst und ihnen die Änderung einer Geschlechtsangabe in einem deutschen Personenstandseintrag erlaubt, eine solche Änderung aber etwa transsexuellen Personen verwehrt.
9Vgl. AG Münster, Vorlagebeschluss vom 14. April 2021 ‑ 22 III 34/20 -, juris, Rn. 58 ff.
10Dass dieser rechtlichen Bewertung Bedeutung für die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 APO-S I zukommen könnte, ergibt sich weder aus dem Beschwerdevorbringen noch ist dies sonst ersichtlich.
11II. Erfolglos macht der Antragsteller weiterhin geltend, es sei von einem rechtswidrigen Aufnahmeverfahren auszugehen, weil seinem Prozessbevollmächtigten zugetragen worden sei, dass es am E.-Gymnasium I. und am Z: gymnasium B. rechtswidrige Mehrfachanmeldungen von Schülern gegeben habe.
12Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend festgestellt, dass die nicht weiter konkretisierte Behauptung des Antragstellers von Mehrfachanmeldungen keinen zureichenden Anhaltspunkt für die Annahme bietet, die Schulleiterin könnte bei der Aufnahmeentscheidung Schüler berücksichtigt haben, die sich entgegen § 1 Abs. 1a Satz 2 APO-S I Schüler zusätzlich an mindestens einer der beiden von dem Antragsteller namentlich benannten Gymnasien angemeldet haben. Insoweit fehlt jeglicher substantiierter Sachvortrag zu etwaigen Fällen einer behaupteten Mehrfachanmeldung, dessen es insbesondere deshalb zur Glaubhaftmachung des geltend gemachten Verfahrensfehlers bedarf, weil der Verordnungsgeber durch die Aufnahme von § 1 Abs. 1a in die APO-S I mit Wirkung vom 7. Dezember 2022 mit dessen Satz 2 das Verbot der Mehrfachanmeldung und mit Satz 1 die Vorlage des Original-Anmeldescheins zur Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Schulaufnahmeantrag erklärt hat. Damit ist rechtlich sichergestellt, dass die Eltern ihr Kind nur mit dem Original des Anmeldescheins an einer weiterführenden Schule anmelden können.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juli 2023 ‑ 19 B 737/23, 19 E 499/23 -, juris, Rn. 5 bis 7 unter Bezugnahme auf MSB NRW, Begründung der Änderungsverordnung, LT-Vorlage 18/266 vom 19. Oktober 2022, S. 4 f.
14Weder dem Beschwerdevorbringen noch den dem Senat vorliegenden Akten lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass in einem für die vorliegende Entscheidung relevanten Aufnahmeverfahren eines anderen Kinders eine den genannten Voraussetzungen nicht genügende Mehrfachanmeldung erfolgt ist.
15III. Keinen Erfolg hat der Antragsteller schließlich mit dem Einwand, die Schulleiterin habe rechtswidrig einen Jungen und ein Mädchen als Härtefälle aufgenommen, und dadurch den Antragsteller, der wegen einer „vergleichbaren Vorgeschichte“ wie der Junge ebenfalls als Härtefall aufgenommen werden müsse, benachteiligt.
16Eine Benachteiligung des Antragstellers unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten gegenüber den beiden nachträglich im Widerspruchsverfahren überkapazitär aufgenommenen Kindern ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller anders als diese beiden Kinder im Verwaltungsverfahren gegenüber der Schulleiterin keine Berücksichtigung als Härtefall geltend gemacht, sondern sich erstmals im Beschwerdeverfahren auf das Vorliegen eines Härtefalls berufen hat. Die hierfür zur Begründung angeführten Tatsachen lagen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung am O. Gymnasium P. vor. Der nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens begehrten Aufnahme des Antragstellers als Härtefall steht daher bereits die rechtsfehlerfreie Erschöpfung der Aufnahmekapazität entgegen.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. August 2023 ‑ 19 B 858/23 -, juris, Rn. 6,
18Ungeachtet dessen könnte der Antragsteller eine ebenfalls überkapazitäre Berücksichtigung als Härtefäll unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten im Falle einer rechtswidrigen Platzvergabe an die beiden Schüler für sich nicht beanspruchen. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf „Gleichheit im Unrecht".
19BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 ‑ 6 C 5.04 ‑, juris, Rn. 25; Beschluss vom 21. Januar 2010 ‑ 5 B 63/09 -, juris, Rn. 9.
20Im Übrigen ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen auch ansonsten nicht, dass der Antragsteller unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten einen Anspruch auf eine Aufnahme als Härtefall haben könnte. Sein Beschwerdevorbringen bietet keinen zureichenden Anhaltspunkt für die Annahme, dass in seinem Fall Gesichtspunkte von solchem Gewicht vorliegen, dass das Ermessen der Schulleiterin deshalb im Sinne einer zwingenden Einstufung als Härtefall reduziert wäre.
21Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls und Ermessensausübung des Schulleiters: OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 ‑ 19 B 1153/18 ‑, juris, Rn. 21 m. w. N.
22Schließlich könnte der Antragsteller aus der aus seiner Sicht rechtswidrigen Ermessensentscheidung der Schulleiterin hinsichtlich der beiden anerkannten Härtefälle auch nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil aufgrund der überkapazitären Platzvergabe an diese beiden Schüler auch im Falle der Rücknahme dieser Aufnahmeentscheidungen kein verfügbarer Schulplatz frei würde.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
24Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 40, 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Bedeutung der Schulaufnahme für den Antragsteller, auf die es nach § 47, § 52 Abs. 1 GKG für die Streitwertfestsetzung ankommt, bestimmt der Senat in ständiger Ermessenspraxis mit der Hälfte des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG für jedes betroffene schulpflichtige Kind, also 2.500,00 Euro.
25OVG NRW, Beschlüsse vom 15. April 2024 ‑ 19 E 148/24 ‑, juris, Rn. 3, vom 4. August 2023 ‑ 19 B 858/23 ‑, juris, Rn. 9, vom 31. August 2022 ‑ 19 B 945/22 ‑, NVwZ-RR 2022, 941, juris, Rn. 16.
26Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).