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Einer Aufnahme aus Härtegründen auf der Grundlage von erst nach der Aufnahmeentscheidung eingetretenen Umständen steht regelmäßig die rechtsfehlerfreie Erschöpfung der Aufnahmekapazität entgegen.
Die Schulleiterin übt ihr Ermessen fehlerfrei aus, wenn sie in Anwendung des Aufnahmekriteriums Leistungsheterogenität (§ 1 Abs. 2 Satz 3 APO-S I) im Fach Deutsch lediglich die Gesamtnote heranzieht.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch die Berichterstatterin, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO nur die fristgerecht dargelegten Gründe. Diese rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller in die Klasse 5 der Gesamtschule D. aufzunehmen, hilfsweise über seinen Aufnahmeantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
4Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine schon erstinstanzlich erhobenen Einwände weiter, hinsichtlich der von der Schulleiterin vorgenommenen Reduzierung der Kapazitäten von 29 auf 27 Schülerinnen und Schüler pro Klasse fehle es an einer Ermessensentscheidung (I.), die Schulleiterin habe ihn, den Antragsteller, als Härtefall berücksichtigen müssen (II.), und schließlich seien bei der Berechnung des Notendurchschnitts für die Leistungsgruppen die Teilleistungsnoten im Fach Deutsch zu berücksichtigen (III.). Diese Rügen bleiben erfolglos.
5I. Das gilt zunächst für seine Rüge unter Nr. 2 der Beschwerdebegründung, mit welcher der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Einwand weiterverfolgt, hinsichtlich der von der Schulleiterin vorgenommenen Reduzierung der Kapazitäten von 29 auf 27 Schülerinnen und Schüler pro Klasse fehle es an einer Ermessensentscheidung der Schulleiterin. Das Verwaltungsgericht hat dazu zutreffend festgestellt, dass aus der unter dem 7. Februar 2024 verfassten schriftlichen Darstellung des Verfahrensablaufs hervorgehe, dass die Schulleiterin das ihr in Anwendung von § 46 Abs. 4 SchulG NRW i. V. m. § 6 Abs. 5 Satz 3 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW bei der Entscheidung über die Unterschreitung des Bandbreitenhöchstwerts von 29 ‑ hier mit der der Herabsetzung um zwei Schüler auf 27 - zustehende Ermessen ausgeübt habe. Aus dieser Darstellung ergebe sich nämlich, dass sie bei der Festlegung der zu vergebenden Plätze zunächst von 29 Plätzen je Klasse ausgegangen sei und diesen Wert wegen der Aufnahme von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf 27 Plätze je Klasse abgesenkt habe. Der mit der Beschwerde dagegen allein vorgetragene Umstand, das genannte Schriftstück weise keine Unterschrift der Schulleiterin auf, begründet bereits in der Sache nicht den geltend gemachten Ermessensausfall. Ein Unterschriftserfordernis ist für die Entscheidung nach § 46 Abs. 4 SchulG NRW i. V. m. § 6 Abs. 5 Satz 3 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW nicht normiert. Auch die sonstigen Umstände lassen nicht darauf schließen, die Schulleiterin habe sich gebunden gefühlt oder sie selbst habe keine Ermessensentscheidung getroffen. Vielmehr belegt die genannte detaillierte Darstellung des Verfahrensablaufs in Zusammenschau mit den weiteren Umständen, dass die Schulleiterin eine eigene Entscheidung über die Schülerzahlreduzierung getroffen hat. Dies betrifft insbesondere das an die Schulleiterin gerichtete Schreiben des Schulträgers vom 13. März 2024, mit dem dieser das Einvernehmen mit der Reduzierung des Klassenfrequenzrichtwerts wegen der Aufnahme der Kinder mit Förderbedarf erklärt und das offensichtlich eine entsprechende Anfrage der Schulleiterin beantwortet.
6II. Die vom Antragsteller begehrte bevorzugte Berücksichtigung bei der Platzvergabe als Härtefall nach § 1 Abs. 2 Satz 1 APO-S I, die er erstmals mit der Widerspruchseinlegung vom 19. Februar 2024 geltend gemacht hat, hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei zurückgewiesen. Als Härtegrund hat der Antragsteller unter Beifügung der ärztlichen Bescheinigung der Dr. med. T. vom 15. Februar 2024 angeführt, er sollte wegen einer schweren Erkrankung der Mutter einen Platz an einer „heimatnahen“ Schule erhalten, weil die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel vom Wohnort aus nicht zufriedenstellend sei, so dass bei einem Schulbesuch in größerer Entfernung soziale Kontakte „auf der Strecke“ blieben. Dass der Antragsgegner darin keinen Härtefall gesehen hat, weil die Schulweglänge auch unter Berücksichtigung des Einzelfalls nicht unzumutbar sei, ist nicht ermessensfehlerhaft. Nichts Abweichendes ergibt sich aus der unter Bezugnahme auf die Bescheinigung des PD Dr. med. L. vom 15. Februar 2024 ‑ danach sei die Mutter des Antragstellers im Rahmen auftretender Schübe ihrer Erkrankung in der Regel nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen ‑ weiter angeführten fehlenden Möglichkeit der Mutter, die Schule für Elternsprechtage oder in Notfällen aufsuchen zu können. Dass dies gerade den Besuch der Gesamtschule D. verlangt, ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Vater des Antragstellers, wie mit der Beschwerde weiter geltend gemacht, einer Vollzeittätigkeit in N. nachgeht. Die vorgelegte Bescheinigung des Arbeitgebers vom 20. Februar 2024 lässt weder erkennen, dass der Vater in Notfällen nicht seinen Arbeitsplatz verlassen könnte, noch, dass die Arbeitszeiten mit der Wahrnehmung von Elternsprechtagen generell unvereinbar wären. Dass, wie der Antragsteller weiter einwendet, in der Vergangenheit „weit weniger gravierende Fälle“ in N. zur Bejahung von Härtefällen geführt hätten, hat das Verwaltungsgericht zu Recht für die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Schulleiterin als irrelevant angesehen.
7Seine Berücksichtigung als Härtefall kann der Antragsteller schließlich nicht mit Erfolg darauf stützen, dass er, wie er erstmalig im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend macht, unter einer Anpassungsstörung mit depressiven Zügen leide. Es ist bereits offen, ob die geltend gemachte Erkrankung das Ermessen der Schulleiterin bei der Einstufung als Härtefall im Sinn einer vorrangigen Aufnahme des Antragstellers reduzieren würde. Unabhängig davon hat sich die Erkrankung ausweislich der Bescheinigung der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Frau Dr. W. vom 4. Juni 2024 erst im laufenden Verfahren infolge der Ablehnung seiner Aufnahme an der gewünschten Schule in einer Weise verstärkt, die zur Behandlungsbedürftigkeit geführt hat, so dass einer nachträglichen Aufnahme jedenfalls die rechtsfehlerfreie Erschöpfung der Aufnahmekapazität entgegensteht.
8III. Erfolglos bleibt schließlich die Rüge des Antragstellers, bei der Anwendung des Kriteriums Leistungsheterogenität (§ 1 Abs. 2 Satz 3 APO-S I) habe die Schulleiterin im Rahmen der Bildung der Leistungsgruppen zur Berechnung des Notendurchschnitts (auf der Grundlage des Zeugnisses des 1. Halbjahres der Klasse 4) das Fach Deutsch nicht allein mit der Gesamtnote einbeziehen dürfen, sondern hätte das arithmetische Mittel der Teilleistungsnoten (Sprachgebrauch, Lesen, Rechtschreiben) berücksichtigen müssen.
9Wie ein ausgewogenes Verhältnis der Gruppen hinsichtlich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Schüler zu bilden ist, ist weder gesetzlich noch durch Rechtsverordnung geregelt. Das Auswahlkriterium der Leistungsheterogenität soll ausgehend von dem Auftrag der Gesamtschule, in einem differenzierten Unterrichtssystem Bildungsgänge zu ermöglichen, die zu allen Schulabschlüssen führen (§ 17 SchulG NRW), gewährleisten, dass in den Eingangsklassen der Gesamtschule Schüler mit unterschiedlichem Leistungsniveau vertreten sind und dass zwischen Schülern mit geringerem und Schülern mit höherem Leistungsniveau ein ausgewogenes Verhältnis besteht.
10OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 ‑ 19 A 2303/17 ‑ juris, Rn. 56, Beschlüsse vom 13. Juli 2010 ‑ 19 B 1009/10 ‑, juris, Rn. 7, vom 19. August 2004 ‑ 19 B 1579/04 ‑, juris, Rn. 10.
11Dabei liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Schulleiters, wie er der Zielsetzung des Aufnahmekriteriums der Leistungsheterogenität im Einzelnen Rechnung trägt.
12Vgl. zur Bildung der Vergleichsgruppen OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2019 ‑ 19 A 2303/17 ‑, a. a. O., Rn. 51 m. w. N.
13Damit im Einklang steht die Ermessensausübung der Schulleiterin, im Fach Deutsch lediglich die Gesamtnote heranzuziehen. Dem steht insbesondere nicht die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren geäußerte Annahme entgegen, der Lehrer in der Klasse 4 könne „willkürlich vollkommen vom arithmetischem Mittel der Teilnoten abweichen“, weshalb der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt sei. Selbst ein unterstellter singulär auftretender Fehler im Einzelfall wäre nicht geeignet, die Heranziehung der Gesamtnote bei der Anwendung des Kriteriums der Leistungsheterogenität insgesamt als sachwidrig oder sonst ungeeignet einzustufen.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Bedeutung der Schulaufnahme für den Antragsteller, auf die es nach § 47, § 52 Abs. 1 GKG für die Streitwertfestsetzung ankommt, bestimmt der Senat in ständiger Ermessenspraxis in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Sonderbeilage Januar, S. 11) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit der Hälfte des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG für jedes betroffene schulpflichtige Kind, also 2.500,00 Euro.
16OVG NRW, Beschlüsse vom 31. August 2022 ‑ 19 B 945/22 ‑, NVwZ-RR 2022, 941, juris, Rn. 16, vom 25. August 2022 ‑ 19 B 956/22 ‑, juris, Rn. 17, vom 17. März 2022 ‑ 19 B 56/22 ‑, juris, Rn. 10, jeweils m. w. N.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).