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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wird und vorliegt. Die Klägerin stützt ihren Antrag auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO. Keiner dieser Gründe liegt vor.
3I. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen des von der Klägerin gerügten Verfahrensmangels zuzulassen. Die Klägerin macht geltend, in der Umdeutung des Klagebegehrens durch das Verwaltungsgericht aufgrund ihres Schriftsatzes vom 19. April 2024 liege ein Verfahrensfehler. Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts sei die darin begehrte Auskunft aus dem Gewerberegister gerade kein neuer Streitgegenstand. Vielmehr sei sowohl außergerichtlich als auch mit dem Klagebegehren von Anfang an Streitgegenstand die Mitteilung von Geburtsdatum und Geburtsort des Schuldners B. J. gewesen und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte diese Auskunft aus dem Melderegister oder dem Gewerberegister erteile. Das habe ihr Prozessbevollmächtigter mit dem Schriftsatz vom 19. April 2024 nochmals ausdrücklich klargestellt.
4Die hiermit (sinngemäß) erhobene Rüge einer Verletzung des § 88 VwGO durch das Verwaltungsgericht greift nicht durch. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 ‑ 3 C 11.16 ‑ juris Rn. 14, Beschluss vom 13. Januar 2012 ‑ 9 B 56.11 ‑ juris Rn. 7 f.
6Nach diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht den Umfang des Klagebegehrens der Klägerin rechtsfehlerfrei ermittelt, indem es den wörtlichen Antrag der anwaltlich vertretenen Klägerin aus der Klageschrift vom 13. Dezember 2022, ihr „Auskunft entsprechend § 755 und § 802 Abs. 1 ZPO über Geburtsdatum und Geburtsort des B. J., I.-Str. 2, 00000 O. zu geben“ dahingehend ausgelegt hat, dass sie von der Beklagten eine erweiterte Melderegisterauskunft über Geburtsdatum und Geburtsort des B. J. begehre. Dabei ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, die von der Klägerin angeführten Vorschriften § 755 und § 802 Abs. 1 ZPO vermittelten ihr keinen eigenen Auskunftsanspruch gegenüber der Beklagten, weil sie Ermittlungs- sowie Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers regelten. Sodann hat das Verwaltungsgericht aus den Gesamtumständen verfahrensfehlerfrei geschlossen, dass die Klägerin eine erweiterte Melderegisterauskunft gemäß § 45 BMG begehre, weil sie vor Klageerhebung einen Antrag auf Auskunftserteilung beim Einwohnermeldeamt der Beklagten gestellt und so hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht habe, die Auskunft aus dem Melderegister zu begehren. Vor diesem Hintergrund war das Verwaltungsgericht auch nicht verpflichtet, den durch einen Rechtsanwalt gestellten Klageantrag auch als das Begehren auf eine Auskunftserteilung aus dem örtlichen Gewerbemelderegister zu verstehen.
7Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das sodann in dem Schriftsatz vom 19. April 2024 geäußerte Begehren der Klägerin nach einer Auskunftserteilung aus dem örtlichen Gewerbemelderegister der Beklagten werde von dem ursprünglichen Streitgegenstand nicht umfasst, lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler, insbesondere keine verfahrensfehlerhafte Auslegung oder Umdeutung des Klagebegehrens, erkennen. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch (Klagebegehren) sowie den zugrundeliegenden Sachverhalt (Klagegrund) bestimmt.
8BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 ‑ 4 C 7.18 ‑ juris Rn. 10, Beschluss vom 25. Juni 2009 ‑ 9 B 20.09 ‑ juris Rn. 4.
9Hiernach lag ein neuer Streitgegenstand in dem als Reaktion auf den rechtlichen Hinweis des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2024 erfolgten Vortrag der Klägerin, Ziel ihrer Klage sei auch eine Auskunftserteilung auf Grundlage einer etwaigen Gewerbeanmeldung des B. J. unter der angegebenen Adresse, die dessen Geburtsdatum und den Geburtsort enthalten müsse. Entsprechend der Feststellung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der begehrten Auskunftserteilung aus dem örtlichen Gewerbemelderegister im Verhältnis zum ursprünglichen Auskunftsbegehren aus dem Einwohnermelderegister um ein „aliud“ und damit um ein neues Begehren. Dieser zusätzliche Streitgegenstand hätte entsprechend der zutreffenden Feststellung des Verwaltungsgerichts nur im Wege einer zulässigen Klageänderung gemäß § 91 VwGO in das Verfahren einbezogen werden können, dessen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht als nicht gegeben erachtet hat. Eine Verfahrensfehlerhaftigkeit dieser Annahme macht die Klägerin weder geltend noch ist eine solche ersichtlich.
10II. Aus der Zulassungsbegründung der Klägerin ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel in diesem Sinn bestehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
11Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. Juli 2021 ‑ 1 BvR 2356/19 ‑ juris Rn. 23, vom 16. April 2020 ‑ 1 BvR 2705/16 ‑ juris Rn. 21, und Beschluss vom 18. Juni 2019 ‑ 1 BvR 587/17 ‑ juris Rn. 28 ff.; VerfGH NRW, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 ‑ VerfGH 82/20.VB-2 ‑ juris Rn. 19, und vom 17. Dezember 2019 ‑ VerfGH 56/19.VB-3 ‑ juris Rn. 17 ff., jeweils m. w. N.
12Nach diesem Maßstab ergeben sich aus der Zulassungsbegründung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei hinsichtlich der begehrten erweiterten Melderegisterauskunft unbegründet und hinsichtlich des neuen Streitgegenstands einer Auskunftserteilung aus dem örtlichen Gewerbemelderegister mangels gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässiger Klageänderung unzulässig. Auf die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der erweiterten Melderegisterauskunft geht die Klägerin mit der Zulassungsbegründung nicht ein. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO stellt die Klägerin auch die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Auskunftserteilung aus dem Gewerbemelderegister nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
14Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
15Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).