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Zu dem nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzenden Vermögen eines Beteiligten gehört auch ein etwaiger Anspruch gegen die Eltern auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses.
Ob ein solcher Anspruch besteht, richtet sich nach dem deutschem Unterhaltsrecht aufgrund von Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen sowie Art. 3 des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht.
Die Obliegenheit der Übermittlung einer Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern entfällt nicht, weil der Kläger Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezieht. Für die Anrechnung des Elterneinkommens im Rahmen der Bundesausbildungsförderung sind nach § 24 Abs. 1 BAföG grundsätzlich nicht die gegenwärtigen, sondern die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil er bis zum Abschluss des Klageverfahrens nicht dargetan hat, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 117 ZPO).
4Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Da das Bundesministerium der Justiz Vordrucke für die Erklärung eingeführt hat, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO, PKHFV vom 6. Januar 2014, BGBl. I S. 34). Der Vordruck muss vollständig ausgefüllt werden. Ist der Vordruck in wesentlichen Punkten unvollständig ausgefüllt oder widersprechen die Angaben in der Erklärung den sonstigen Angaben des Beteiligten, ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen. Bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller muss dabei nicht auf das verfahrensrechtliche Erfordernis des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO hingewiesen werden.
5Vgl. BFH, Urteil vom 17. Januar 2001 – XI B 76-78/00 u. a. – juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 27. Oktober 2022 – 18 E 473/22 –, juris, Rn. 3 ff., m. w .N.
6Ausgehend hiervon kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht, da der Kläger keine vollständig und zutreffend ausgefüllte formularmäßige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.
7In Abschnitt C des amtlichen PKH-Formulars heißt es: „Haben Sie Angehörige, die Ihnen gegenüber gesetzlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind (auch wenn tatsächlich keine Leistungen erfolgen)? z. B. Mutter, Vater, …“. Zu dem nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzenden Vermögen eines Beteiligten gehört auch ein etwaiger Anspruch gegen die Eltern auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses. Entgegen der Angabe „Nein“ des Klägers kommt ein solcher Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern jedenfalls dem Grunde nach ernsthaft in Betracht. Dementsprechend hätte der Kläger entsprechende Angaben machen und hierzu ein weiteres PKH-Formular mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern übermitteln müssen.
8Die Prüfung, ob ein solcher Anspruch besteht, richtet sich nach dem deutschem Unterhaltsrecht. Gemäß Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (i. d. F. der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1937 vom 10. Dezember 2018) bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die – wie Deutschland – durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht gebunden sind, nach jenem Protokoll. Nach Art. 3 dieses Protokolls ist grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten – hier also des im Bundesgebiet lebenden Klägers – maßgeblich; das Haager Protokoll findet nach seinem Art. 2 unabhängig davon Anwendung, ob die beteiligten Personen Angehörige eines Vertrags- oder Mitgliedstaats sind.
9Vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13. September 2021 – 13 UF 89/18 –, juris, Rn. 36; vgl. im Ergebnis auch OVG NRW, Beschluss vom 4. November 2020 – 18 E 675/20 –, S. 4 f., n. v.
10Ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses steht nach dem deutschen Unterhaltsrecht gegebenenfalls einem volljährigen Kind in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 BGB zu, das sich – wie hier – noch in der Ausbildung befindet und bislang keine selbständige Lebensstellung erreicht hat, wenn es einen Rechtsstreit in einer – wie hier – wichtigen persönlichen Angelegenheit anstrebt und die Eltern in zumutbarer Weise in der Lage sind, den Prozesskostenvorschuss, ggf. in Raten, zu zahlen.
11Vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2004 – XII ZA 6/04 –, juris, Rn. 13 bis 20; BVerwG, Beschluss vom 18. März 1993 – 9 B 7.93 –, juris, Rn. 1; OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2020 – 18 E 675/20 – n. v., S. 4, vom 7. April 2017 – 13 E 5/17 –, juris, Rn. 3 f., vom 11. Mai 2009 – 18 A 462/09 –, juris, Rn. 42 ff., und vom 26. November 1998 – 19 E 612/98 –, juris, Rn. 1 ff.
12Hiernach kommt ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Eltern für das vorliegende Verfahren in Betracht.
13Zur Prüfung, ob die Eltern des Klägers auch in zumutbarer Weise in der Lage sind, den Prozesskostenvorschuss zu zahlen, bedurfte es einer entsprechenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Insbesondere unter Berücksichtigung des Hinweises im Prozesskostenhilfe-Formular war die Obliegenheit der Übermittlung einer Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern für einen nicht anwaltlich vertretenen Prozessbeteiligten und erst Recht für die Prozessbevollmächtigten zu erkennen.
14Diese Obliegenheit entfällt nicht deshalb, weil der Kläger nach seinen – nicht belegten – Angaben Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezieht. Das folgt schon daraus, dass für die Anrechnung des Elterneinkommens im Rahmen der Bundesausbildungsförderung grundsätzlich nach § 24 Abs. 1 BAföG die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend sind, während bei der Entscheidung über Prozesskostenhilfe die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse relevant sind. Dass der Bewilligung von Bundesausbildungsförderung an den Kläger abweichend die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse der Eltern nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG zugrunde gelegt worden wären, ist nicht geltend gemacht.
15Da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht dargetan worden sind, käme eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch dann nicht in Betracht, wenn die fehlenden Angaben nun noch nachgeholt würden.
16Vgl. BFH, Urteil vom 17. Januar 2001 – XI B 76-78/00 u. a. – juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2006 – 18 E 760/06 –, juris, Rn. 8.
17In der Folge kann offenbleiben, ob einer rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch entgegensteht, dass das Klageverfahren mittlerweile rechtskräftig beendet ist durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2024 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts, gegen das der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt hat.
18Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).