Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2023 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht hinreichend dargelegt.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende, bisher in der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG setzt voraus, dass eine solche Frage herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss der Zulassungsantrag konkret auf ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2024 ‑ 19 A 1678/24.A -, juris, Rn. 5 f., m. w. N.
5Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2018 ‑ 16 A 1351/14.A -, juris, Rn. 7 f.
7Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Fragen,
8„1. Inwiefern sind nach Bangladesch rückkehrende Personen derzeit in der Lage das Existenzminimum zu erwirtschaften?
92. Inwiefern besteht für nach Bangladesch rückkehrende Asylantragsteller die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung infolge von politischer Inhaftierung?“,
10nicht gegeben.
11Mit seinen Ausführungen zur ersten Frage legt der Kläger nicht dar, dass diese Frage in ihrer Allgemeinheit einer grundsätzlichen Klärung im Berufungsverfahren zugänglich wäre. Nach seinen eigenen Ausführungen ist insofern die persönliche Situation zu berücksichtigen. Der Kläger zeigt auch nicht auf, dass die Frage unabhängig von weiteren Umständen, wie etwa dem Alter, dem Ausbildungsstand, der familiären Unterstützung sowie der Anzahl der zu versorgenden Personen beantwortet werden könnte. Auch dem von ihm genannten Bericht von ACCORD aus August 2023 können keine allgemeingültigen Aussagen zur Möglichkeit der Existenzsicherung in Bangladesch entnommen werden. Die vom Kläger angeführte Aussage zur erforderlichen Erhöhung der Mindestlöhne bezieht sich (nur) auf Arbeiter in der Textilbranche (dort S. 108). Die ebenfalls angesprochene Lebensmittelunsicherheit war laut der in jenem Bericht (S. 109) zitierten Auskunft des Welternährungsprogramms aus Juli 2023 u. a. zeitlich bedingt (Besonderheiten im Konsumverhalten während des Ramadans) und hing nicht unwesentlich davon ab, in welchem Sektor jemand arbeitete und in welcher Einkommensschicht er sich befand. Dass sich aus dem Bericht ergibt, dass Rückkehrer nach Bangladesch nicht in der Lage sind, dort ihr Existenzminimum zu erwirtschaften, zeigt der Kläger nicht auf.
12Die Nennung einschlägiger Erkenntnisquellen, die eine existenzielle Gefährdung von Rückkehrern belegen könnten, ist auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Dem Senat liegen keine Informationen vor, die ohne Weiteres dafür sprechen, dass allein wegen schwieriger Lebensverhältnisse in Bangladesch die in § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebenen Gefahren zu gewärtigen sein könnten. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. August 2024 (Stand: August 2024, S. 20 f.). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich danach in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert. Nach einem starken Wiederanstieg in der Covid-19-Pandemie erwartet die Weltbank für 2024 eine Verringerung der extremen Armutsquote auf 9,54 %, d. h. weniger als vor der Pandemie. Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen bzw. subventionierte Lebensmittel ausgegeben. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht. In Bangladesch ist letztendlich die familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung für die Rückkehrer maßgeblich und dient als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase. Rückkehrer sind aufgrund der großen Familien, enger und weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse sowie noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen regelmäßig nicht auf sich allein gestellt. Des Weiteren ist dem Lagebericht (S. 20 f.) zu entnehmen, dass es in Bangladesch Organisationen gibt, die sich der Bedürfnisse von Arbeitsmigranten nach ihrer Rückkehr annehmen und auch bei zurückgeführten Personen aktiv werden. Zusätzlich zu diesen Organisationen betreut die Internationale Organisation für Migration (IOM) Personen, die nach Bangladesch zurückkehren. Ihre Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft sowie u. a. die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Die IOM leistet auch praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. Für unfreiwillige Rückkehrer existiert ein von der Europäischen Union finanziertes Projekt, welches über die IOM und das Bangladesh Rural Advancement Committee (BRAC) die Reintegration von Rückkehrern gewährleistet. Ein weiteres Projekt von Frontex, welches ebenfalls mit BRAC arbeitet, erweitert das Unterstützungsangebot bei der Rückkehr und Reintegration.
13Auch das Zulassungsvorbringen zur zweiten Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Der in Bezug genommenen Meldung von Amnesty International vom 7. September 2020 kann schon nicht entnommen werden, dass rückkehrenden Asylantragstellern generell die Gefahr einer Inhaftierung in Bangladesch droht. Soweit zunächst über das Schicksal von 219 Personen berichtet wird, die nach ihrer Rückkehr nach Bangladesch inhaftiert wurden, ist zu berücksichtigen, dass ihnen laut Bericht gemein war, dass sie im Ausland arbeiteten und vor ihrer Abschiebung ins Heimatland in jenen Ländern im Gefängnis waren. Die Hintergründe der Inhaftierung 81 weiterer Personen, die in Vietnam gearbeitet hatten, werden in der Meldung vom 7. September 2020 dagegen schon nicht benannt.
14Dass rückkehrenden Asylantragstellern generell die Gefahr einer Inhaftierung in Bangladesch drohte, liefe auch den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen zuwider, wonach bisher nicht bekannt geworden ist, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrags staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem so genannten „General Diary“ gebeten. Hierbei handelt es sich ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. Der IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Im Rahmen von Sammelflügen werden die Rückkehrer von der Immigrationsbehörde nach Ankunft registriert. Aufgrund diverser Bemühungen, bessere Unterstützung für Rückkehrende gewährleisten zu können und das Migrationsmanagement zu verbessern, hat die Regierung mit Unterstützung der IOM sogar eine digitale Plattform namens Returning Migrants Management of Information System (ReMiMIS) etabliert, um Daten der Rückkehrer zu erheben und Dienstleistungen gezielter anbieten zu können.
15Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volkrepublik Bangladesch vom 30. August 2023 (Stand: Juli 2023), S. 22; ebenso Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. August 2024, S. 22.
16Vor diesem Hintergrund ist der vom Kläger in Bezug genommene Artikel des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vom 9. April 2020 zu den Maßnahmen in den Gefängnissen in Bangladesch zum Schutz Inhaftierter vor COVID-19 ohne Relevanz für das vorliegende Verfahren.
17Der darüber hinaus angeführte Bericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist unter der vom Kläger angegebenen Internetadresse schon nicht abrufbar. Aufgrund der alleinigen Bezeichnung „Bangladesch, Justiz“ und der fehlenden näheren Darlegung seines Inhalts ist dem Senat eine Bestimmung des nicht übersandten Berichts nicht möglich.
18Mit dem Vorbringen, dass es (für ihn individuell) strafschärfende Auswirkungen habe, dass er im Rahmen des Verfahrens über Korruption innerhalb der studentischen Bewegung in Bangladesch berichtet habe, legt der Kläger keine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Fragen dar.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83b AsylG.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).