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Nach § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV muss der Teilnehmer, d. h. der Antragsteller, die Fahrerlaubnis der Klasse B in dem Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor einer Zuteilung der Schlüsselzahl 196 ununterbrochen besessen haben. Es genügt nicht, dass er die Fahrerlaubnis der Klasse B insgesamt mindestens fünf Jahre lang, aber innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren vor der Zuteilung der Schlüsselzahl 196 mit Unterbrechungen besessen hat.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Das Amtsgericht Bonn entzog der Klägerin wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit Urteil vom 2. April 2019 die Fahrerlaubnis u. a. der Klasse B, nachdem ihr Führerschein am 26. Dezember 2018 von der Staatsanwaltschaft Bonn beschlagnahmt worden war. Die Fahrerlaubnis für u. a. die Klasse B wurde ihr am 16. Dezember 2019 neu erteilt.
3Die Klägerin beantragte zuletzt mit Schreiben vom 16. September 2021 bei der Beklagten, gemäß § 6b FeV die Schlüsselzahl 196 in ihre Fahrerlaubnis einzutragen. Sie fügte ihrem Antrag u. a. eine Teilnahmebescheinigung einer Fahrschule vom 28. Juni 2021 zu einer Fahrerschulung nach Anlage 7b zu § 6b Abs. 3 und 4 FeV bei.
4Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23. September 2021 (der Klägerin zugestellt am 25. September 2021) ab, der Klägerin die Schlüsselzahl 196 zuzuteilen. Zur Begründung führte sie an, § 6b FeV setze voraus, dass der Teilnehmer die Fahrerlaubnis der Klasse B seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen besitze. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Es seien keine Gründe dafür erkennbar, der Klägerin die Schlüsselzahl im Rahmen der der Behörde zustehenden Ermessensentscheidung gleichwohl ausnahmsweise zuzuteilen. Für diesen Bescheid setzte die Beklagte Gebühren und Auslagen in Höhe von 95,32 Euro fest.
5Die Klägerin hat am 25. Oktober 2021 Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Fahrerlaubnis vor der Entziehung über 30 Jahre lang innegehabt zu haben. Mit Blick auf ihre langjährige Fahrerfahrung erfülle sie die Voraussetzungen des § 6b FeV trotz der zeitweiligen Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.
6Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
71. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. September 2021 zu verpflichten, die Schlüsselzahl 196 in ihren Führerschein der Klasse B einzutragen,
82. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag auf Eintragung der Schlüsselzahl 196 in ihren Führerschein der Klasse B unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, sowie
93. die im Bescheid vom 23. September 2021 ergangene Kostenentscheidung aufzuheben.
10Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat den in Rede stehenden Bescheid verteidigt und sich dazu auf den Erlass des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2020 ‑ III B 2 – 21‑01/4.1 ‑ betreffend die Voraussetzungen für die Zuteilung der Schlüsselzahl 196 berufen.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Mai 2022 abgewiesen (der Klägerin zugestellt am 7. Juni 2022). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 6b FeV lägen nicht vor, weil die Klägerin ihre Fahrerlaubnis der Klasse B in dem Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor der begehrten Zuteilung der Schlüsselzahl 196 nicht ununterbrochen besessen habe. Da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, bleibe auch der Hilfsantrag ohne Erfolg. Die Gebührenfestsetzung im angegriffenen Bescheid sei rechtmäßig.
14Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung am 20. Juni 2022 eingelegt und führt zur Begründung mit am 29. Juli 2022 eingegangenem Schriftsatz im Wesentlichen aus: Sie besitze ihre Fahrerlaubnis der Klasse B seit mindestens fünf Jahren im Sinne des § 6b FeV. Dessen Wortlaut sei nicht eindeutig. Die streng wörtliche Auslegung der gesetzlichen Formulierung „wenn der Teilnehmer seit mindestens fünf Jahren die Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt“ des Verwaltungsgerichts werde der rechtlichen Bedeutung sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf die Systematik der Fahrerlaubnis-Verordnung, wonach der Verordnungsgeber zwischen den Fällen unterschieden habe, dass ein Antragsteller eine Fahrerlaubnis ununterbrochen innehaben oder nur für einen gewissen Zeitraum besessen haben müsse, gehe fehl. Das Verwaltungsgericht nehme dazu auf § 48 Abs. 4 Nr. 5 Var. 2 FeV Bezug, beachte aber nicht, dass es in § 48 FeV nicht um die generelle Erlaubnis betreffend eine weitere Fahrerlaubnisklasse gehe, sondern um die erweiterte Nutzungsmöglichkeit der schon vorhandenen Fahrerlaubnisklasse B zur Fahrgastbeförderung. Aus der abweichenden Formulierung einer Besitzdauer einer Fahrerlaubnis in § 6b FeV könne nicht ohne Weiteres der Rückschluss gezogen werden, dass der Verordnungsgeber hier etwas anderes im Sinn gehabt habe als in anderen Normen der Fahrerlaubnis-Verordnung. Dieser habe die jeweiligen Anforderungen an Zeitpunkte oder Besitzdauern von Fahrerlaubnissen in einzelnen Erlaubnisvorschriften (etwa bei § 6b Abs. 1 Satz 2, § 48 und § 48a FeV) gerade nicht einheitlich formuliert, sondern innerhalb der jeweiligen Norm eine Ausdrucksweise gewählt, die vermeintlich den konkreten Sinn und Zweck der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzung am verständlichsten zum Ausdruck bringe, und teilweise in ähnlich gelagerten Konstellationen unterschiedliche Formulierungen verwendet. Dies ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte einzelner Normen der Fahrerlaubnis-Verordnung. Anders als bei § 48a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 FeV finde sich in der Gesetzesbegründung zu § 6b FeV kein Erfordernis des ununterbrochenen Besitzes wieder. Vielmehr stelle die Gesetzesbegründung auf eine gewisse, grundlegende Fahrerfahrung ab. Diese werde fingiert, wenn ein Antragsteller fünf Jahre lang eine Fahrerlaubnis besessen habe. Ein fünfjähriger ununterbrochener Besitz der Fahrerlaubnis biete für die intendierte Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit allerdings keinen Mehrwert, weil eine langjährige Fahrerfahrung nicht verloren gehe, wenn die Fahrerlaubnis zwischenzeitlich nicht vorgelegen haben sollte. Dafür spreche auch § 20 Abs. 1 Satz 2 FeV, wonach eine Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung in der Regel ohne erneute Fahrerlaubnisprüfung erteilt werden dürfe. Die grundlegende Fahrerfahrung sei zudem Mitvoraussetzung für das erfolgreiche Absolvieren der theoretischen und praktischen Fahrerschulung nach Anlage 7b zur FeV. Mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift sei § 6b FeV schlicht ungenau formuliert. Wäre es dem Verordnungsgeber darauf angekommen, dass ein Antragsteller während eines Zeitraums von fünf Jahren vor der Eintragung der Schlüsselzahl 196 regelmäßig am Verkehr teilgenommen und damit die grundlegende Fahrerfahrung erworben hätte, hätte er dies konkret und eindeutig in der Norm verankert. Die normeigene Systematik des § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV, der normeigene Kontext und die Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen in den Absätzen 2 bis 5 sprächen ebenfalls gegen die Auslegung des Verwaltungsgerichts. Der Verordnungsgeber gehe davon aus, dass die in der Fahrerschulung erworbenen bzw. nachgewiesenen Kenntnisse innerhalb eines Jahres erhalten blieben (vgl. § 6b Abs. 5 FeV). Mit Blick darauf sei es weder vorstellbar noch verhältnismäßig, dass bei Anwendung derselben Norm ein weniger als ein Jahr betragender zeitweiliger Verlust der Fahrerlaubnis, die die Klägerin ansonsten fast 30 Jahre lang besessen habe, dazu führen solle, dass ihr die vom Verordnungsgeber geforderte grundlegende Fahrerfahrung abgesprochen werden solle. Es liege eine Ungleichbehandlung vor, wenn eine potentiell wesentlich verkehrsgefährdendere Fahrerlaubnis nach § 20 FeV in der Regel ohne zusätzliche Nachweise erneut erteilt werde, während die Erlaubnis, ein Kraftrad der Klasse A1 zu führen, mit der Begründung versagt werde, es lägen Bedenken in Bezug auf fehlende Fahrpraxis und Verkehrssicherheit vor.
15Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
16das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. Mai 2022 - 6 K 5450/21 - abzuändern und
171. die Beklagte unter Aufhebung des unter dem Aktenzeichen 33‑422‑11/21 ergangenen Bescheids vom 23. September 2021 dazu zu verurteilen, die Schlüsselzahl 196 in ihren Führerschein der Klasse B einzutragen,
182. hilfsweise und für den Fall, dass eine Spruchreife nicht gegeben sein sollte, die Beklagte dazu zu verurteilen, ihren Antrag auf Eintragung der Schlüsselzahl 196 in ihren Führerschein der Klasse B neu und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, sowie
193. die im Bescheid vom 23. September 2021 zu ihren Lasten ergangene Kostenentscheidung in Höhe einer Gebühr von 95,32 Euro aufzuheben.
20Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag.
21Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
22Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
23Entscheidungsgründe
24Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
25Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B mit der Schlüsselzahl 196 gemäß § 6b FeV (dazu I.) noch einen Anspruch auf Neubescheidung ihres entsprechenden Antrags (dazu II.). Die Gebühren- und Auslagenfestsetzung im Bescheid vom 23. September 2021 ist rechtlich nicht zu beanstanden (dazu III.).
26I. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, ihr die Fahrerlaubnis der Klasse B gemäß § 6b FeV mit der Schlüsselzahl 196 zu erteilen; der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27Nach § 6b Abs. 1 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnis der Klasse B mit der Schlüsselzahl 196 für näher bestimmte Krafträder erteilt werden. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass die Schlüsselzahl 196 nur zugeteilt werden darf, wenn der Teilnehmer bereits seit mindestens fünf Jahren die Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt.
28Da die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2023 - 3 C 10.22 -, juris, Rn. 11 (zur Klage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis),
30die Fahrerlaubnis der Klasse B noch nicht wieder seit fünf Jahren ununterbrochen besitzt, weil diese ihr erst am 16. Dezember 2019 neu erteilt worden ist, erfüllt sie die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV nicht.
31Diese Vorschrift ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat – dahingehend zu verstehen, dass der Teilnehmer, d. h. der Antragsteller, die Fahrerlaubnis der Klasse B in dem Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor einer Zuteilung der Schlüsselzahl 196 ununterbrochen besessen haben muss. Das Innehaben der Fahrerlaubnis muss also seit mindestens fünf Jahren andauern. Es genügt nicht, dass der Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klasse B insgesamt mindestens fünf Jahre lang, aber innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren vor der Zuteilung der Schlüsselzahl 196 mit Unterbrechungen besessen hat.
32Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 6b FeV, Rn. 3; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022, Stand: 11. April 2023, § 6b FeV, Rn. 35.
33Dieses Verständnis ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Präposition „seit“ bedeutet „von einem bestimmten Zeitpunkt, Zeitraum an bis zur Gegenwart [des Sprechers] andauernd“.
34Vgl. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, abrufbar unter https://www.dwds.de/wb/seit, zuletzt abgerufen am 26. November 2024.
35Sie dient zur Angabe des Zeitpunkts, zu dem, oder der Zeitspanne, bei deren Beginn ein noch anhaltender Zustand oder Vorgang begonnen hat.
36Vgl. Duden, Onlinewörterbuch, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/seit_von_da_an_spaeter_als, zuletzt abgerufen am 26. November 2024.
37Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber entgegen dieser Wortbedeutung einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren gemeint haben könnte, der auch aus einer Addition mehrerer kürzerer Zeiträume mit zwischenzeitlichen Unterbrechungen bestehen könnte, also nicht mindestens fünf Jahre vor der Zuteilung der Schlüsselzahl begonnen hat und ununterbrochen andauert, oder einen Fünfjahreszeitraum, der zeitlich schon länger zurückliegt, sind nicht ersichtlich.
38Der Umstand, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung differenziert zwischen der Anforderung, dass ein Zustand seit einem bestimmten Zeitpunkt besteht (und noch andauert),
39vgl. § 6 Abs. 3b FeV: seit mindestens zwei Jahren besitzt, § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV: seit mindestens fünf Jahren […] besitzt, § 15 Abs. 3 Satz 1 FeV: seit mindestens zwei Jahren Inhaber […] ist, § 48 Abs. 4 Nr. 5 Var. 1 FeV: seit mindestens zwei Jahren – […] seit mindestens einem Jahr – besitzt, § 48a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 FeV: muss mindestens seit fünf Jahren Inhaber […] sein,
40und derjenigen, dass ein Zustand innerhalb eines näher bestimmten Zeitraums bestanden hat (und nicht mehr andauern muss),
41vgl. § 48 Abs. 4 Nr. 5 Var. 2 FeV: innerhalb der letzten fünf Jahre besessen hat,
42spricht ebenfalls dafür, dass der Verordnungsgeber von dem oben angeführten Begriffsverständnis der Präposition „seit“ ausgegangen ist. Der Hinweis der Klägerin, dass § 48 FeV im Gegensatz zu § 6b FeV nicht die generelle Erlaubnis des Betriebs eines weiteren Kraftfahrzeugtyps, sondern die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung in einem Kraftfahrzeug betreffe, für das die Fahrerlaubnis bereits vorliege, ändert nichts daran, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung zwischen den genannten Anforderungen unterscheidet.
43Auch Sinn und Zweck von § 6b FeV gebieten es nicht, entgegen dem Wortlaut der Vorschrift den Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B über insgesamt fünf Jahre genügen zu lassen, wenn der Fünfjahreszeitraum nicht unmittelbar vor der Zuteilung der Schlüsselzahl liegt, etwa weil die Fahrerlaubnis zwischenzeitlich entzogen worden war. § 6b FeV setzt Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 vom 30. Dezember 2006, S. 18) um, wonach die Mitgliedstaaten für das Führen von Fahrzeugen in ihrem Hoheitsgebiet festlegen können, dass Krafträder der Klasse A1 unter den Führerschein der Klasse B fallen. Der Verordnungsgeber wollte die Regelung an den Vorgaben für die Schlüsselzahl B96 und denen anderer Mitgliedstaaten orientieren. Um aus Verkehrssicherheitsgründen eine grundlegende Fahrerfahrung vor Zuteilung dieser Schlüsselzahl sicherzustellen, bestimmte er das Mindestalter von 25 Jahren, den Fahrerlaubnisbesitz von fünf Jahren und eine Fahrerschulung innerhalb eines Jahres vor Eintragung der Schlüsselzahl.
44Vgl. BR-Drs. 574/19, S. 8.
45Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben sich Fahrerlaubnisinhaber, die – neben den weiteren Voraussetzungen der Norm – ihre Fahrerlaubnis der Klasse B seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen besitzen, bei generalisierender und typisierender Betrachtung als beständig erwiesen und ein ausreichendes Vertrauen in ein dauerhaft mit der Verkehrssicherheit zu vereinbarendes Fahren aufgebaut, so dass die Eintragung der Schlüsselzahl 196 unter erleichterten Voraussetzungen möglich erscheint, ohne die Verkehrssicherheit erheblich zu beeinträchtigen. Dieses Vertrauen wird durch eine Entziehung der Fahrerlaubnis erschüttert. Unabhängig davon spricht gegen die Auffassung der Klägerin auch, dass sich § 6b FeV keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, unter welchen konkreten Voraussetzungen (wie lange zurückliegend?) eine frühere fünfjährige Fahrerfahrung noch genügen könnte, um aus ihr die aktuelle bzw. grundlegende Fahrerfahrung des Antragstellers ableiten zu können.
46Der Klägerin ist zuzugestehen, dass der Verordnungsgeber die von ihm für erforderlich gehaltene grundlegende Fahrerfahrung auch durch andere tatbestandliche Voraussetzungen hätte gewährleisten können und dass die Fahrerfahrung einer Person, die jahrzehntelang regelmäßig Kraftfahrzeuge geführt hat, der aber zeitweilig die Fahrerlaubnis entzogen war, größer sein kann als diejenige einer Person, die erst seit fünf Jahren die Fahrerlaubnis besitzt und wenig fährt. Bei der Einschätzung, unter welchen Voraussetzungen die Schlüsselzahl 196 einem Inhaber der Fahrerlaubnis der Klasse B mit Blick auf die Verkehrssicherheit zugeteilt werden darf, steht dem Verordnungsgeber im Rahmen der Ermächtigung allerdings ein gewisser Spielraum zu, innerhalb dessen er grundsätzlich typisieren und pauschalieren darf.
47Vgl. BVerwG, Teilurteil vom 25. September 2008 ‑ 3 C 8.07 ‑, juris, Rn. 24, m. w. N. (zum Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers), und Beschluss vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 -, juris, Rn. 5, m. w. N. (zu Typisierung und Pauschalierung).
48Dass dieser im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVG eröffnete Spielraum hier in rechtswidriger Weise überschritten worden sein könnte, ist nicht erkennbar, zumal es der Klägerin nicht verwehrt ist, die Fahrerlaubnis der Klasse A1 vor Ablauf von fünf Jahren seit der Neuerteilung ihrer Fahrerlaubnis der Klasse B zu erwerben, indem sie die dafür regulär vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.
49Der Hinweis der Klägerin, dass nach § 6b Abs. 5 FeV die in der Fahrerschulung gemäß Anlage 7b der FeV erworbenen bzw. nachgewiesenen Fahrkenntnisse eine „Haltbarkeitsdauer“ von einem Jahr hätten, zeigt keinen Widerspruch zu der hier vertretenen Auslegung von § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV auf. Die Fünfjahresfrist beruht auf der Annahme, dass Fahrerlaubnisinhaber – neben weiteren Voraussetzungen – nach Ablauf dieses Zeitraums über hinreichende Fahrerfahrung verfügen, um Kraftfahrzeuge einer anderen Klasse unter erleichterten Voraussetzungen führen zu dürfen. Demgegenüber betreffen die in der Fahrerschulung gemäß Anlage 7b der FeV nachgewiesenen Fahrkenntnisse diese weiteren Voraussetzungen, also Kenntnisse, die der Fahrerlaubnisinhaber während des Fünfjahreszeitraums nicht erwerben konnte. Die genannte Fahrerschulung soll sicherstellen, dass er über theoretische und praktische Mindestkenntnisse zu diesen Fahrzeugen verfügt, bevor er sie führen darf. Für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Unterbrechungen des in § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV genannten Fünfjahreszeitraums ohne Bedeutung sein könnten, gibt § 6b Abs. 5 FeV nichts her.
50Die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung zwischen der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach § 20 FeV und der Zuteilung der Schlüsselzahl 196 nach § 6b FeV verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da es im einen Fall um die Neuerteilung einer zuvor innegehabten Fahrerlaubnis geht und im anderen Fall um die Erlaubnis, zusätzlich Fahrzeuge einer anderen Klasse führen zu dürfen, liegen schon keine wesentlich gleichen Sachverhalte vor.
51II. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf erneute Entscheidung über ihren Antrag nach § 6b FeV (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 Satz 2 FeV sind aus den vorstehenden Gründen nicht erfüllt, so dass die Schlüsselzahl der Klägerin danach nicht zugeteilt werden darf. Unabhängig davon, ob der Behörde in einem solchen Fall überhaupt noch Ermessen zusteht, sind die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 23. September 2021, wonach keine Gründe erkennbar seien, aus denen der Klägerin die Zuteilung ausnahmsweise zustehen könne, rechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
52III. Der Klageantrag zu 3. hat keinen Erfolg. Die Gebühren- und Auslagenfestsetzung ist aus den im erstinstanzlichen Urteil (dort S. 13 f.) angeführten zutreffenden Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt (vgl. § 130b Satz 2 VwGO) und gegen die die Klägerin nur eingewandt hat, dass die rechtswidrige Verweigerung der Eintragung keine Gebührenfolge auslösen dürfe, rechtmäßig.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
55Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionsgründe vorliegt.