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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
3„unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. Juni 2024 wiederherzustellen, soweit der Kundgebungsort nicht auf der angemeldeten Fläche O. in B. U. liegen soll“,
4hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu der von der Antragstellerin begehrten Änderung der angegriffenen Entscheidung. Sie stellen die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend infrage, es spreche bei summarischer Prüfung Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der allein noch streitbefangenen Auflage Nr. 1 des am 24. Juni 2024 vom Antragsgegner erlassenen Bescheides. Das gilt auch bei rechtsschutzfreundlicher Anwendung der Darlegungsanforderungen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin die geplante Versammlung bereits am 2. Juni 2024 angemeldet und deshalb den Zeitdruck im Beschwerdeverfahren nicht zu vertreten hat.
5Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris Rn. 15.
6Mit der Auflage Nr. 1 hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Durchführung des für die Zeit vom 26. Juni 2024 bis zum 3. Juli 2024 mit dem Thema „Demokratie und Klimagerechtigkeit statt Rechtsruck (Campen für Demokratie)“ angemeldeten „Protest-Camps“ auf den „X. O.“ in B.-U. untersagt und als alternativen Versammlungsort die Fläche „G.-straße“ in B.-F. zugewiesen. Das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug dieser Auflage überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Bei summarischer Prüfung stellt sich die Auflage Nr. 1 als rechtmäßig dar (dazu I.) und es besteht ein besonderes Vollzugsinteresse (dazu II.).
7I. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 VersG NRW kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Ist eine versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben.
8Vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17, vom 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris Rn. 17, vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris Rn. 9 und 13, und vom 26. April 2001 - 1 BvQ 8/01 -, juris Rn. 11 f.
9Geht es – wie hier – um die Verlegung der Versammlung von dem angemeldeten an einen anderen Ort, ist zu berücksichtigen, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach Art. 8 Abs. 1 GG prinzipiell auch die Auswahl des Orts und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst ist. Die Behörde hat im Normalfall lediglich zu prüfen, ob durch die Wahl des konkreten Versammlungsorts Rechte anderer oder sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, kann der Veranstalter die Bedenken durch eine Modifikation des geplanten Ablaufs ausräumen oder aber es kommen versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen. Art. 8 Abs. 1 GG und dem aus ihm abgeleiteten Grundsatz versammlungsfreundlichen Verhaltens der Versammlungsbehörde entspricht es, dass auch bei Auflagen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters im Rahmen des Möglichen respektiert wird. Ferner ist von Bedeutung, ob durch die Auflage die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit beseitigt werden kann, ohne den durch das Zusammenspiel von Motto und geplantem Veranstaltungsort geprägten Charakter der Versammlung – ein Anliegen ggf. auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen am wirksamsten zur Geltung zu bringen – erheblich zu verändern.
10Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 ‑ 1 BvR 699/06 -, juris Rn. 64; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2022 - 15 B 562/22 -, juris Rn. 10 m.w.N.
11Diesen Anforderungen wird die Auflage Nr. 1 aller Voraussicht nach gerecht. Die ihr zu Grunde liegende Einschätzung des Antragsgegners begegnet jedenfalls insoweit keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken, als der von der Antragstellerin begehrte Versammlungsort auf den X. im O. (Gelände des „R. B.“ am 18. Mai 2024) nicht den erforderlichen Platz für eine unter Brandschutzgesichtspunkten sichere Durchführung des geplanten Protest-Camps mit bis zu 4.000 Teilnehmenden bieten dürfte. Die Auflage Nr. 1 führt eine praktische Konkordanz zwischen dem Versammlungsrecht der Antragstellerin aus Art. 8 Abs. 1 GG und den Sicherheitsinteressen zum Schutz der Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herbei. Gegenüber der zur Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Personen erforderlichen Verlegung des Protest-Camps hat die Gestaltungsfreiheit der Antragstellerin, über den Ort der geplanten Versammlung grundsätzlich frei entscheiden zu können, zurückzutreten.
121. Der Antragsgegner hat für den Einsatz der von der Antragstellerin angezeigten Hilfsmittel zur Versammlung (laut Anmeldung: Feldküchen, Sanitäranlagen und Waschgelegenheiten, Personenschlafzelte, Versorgungs- und Veranstaltungszelte, Solarstrominsel und Strominfrastruktur einschließlich Generatoren, Soundanlage, Pavillons, Bierzeltgarnituren) eine benötigte Fläche von mindestens 20.000 m² ermittelt. Ausweislich der Bescheidbegründung zur Auflage Nr. 1 hat er insoweit neben den geplanten Aufbauten auf die freizuhaltenden Abstandsflächen sowie Flucht- und Rettungswege abgestellt, wie sie in den Auflagen des Bescheides unter Nr. 5 „Brandschutzrechtliche Vorgaben sowie Regelungen zu Rettungs- und Fluchtwegen“ festgesetzt sind. Danach sind insbesondere Zeltabschnittsflächen auf maximal 1.600 m² zu begrenzen und Zufahrtsflächen mit einer Mindestbreite von 3 m zu gewährleisten (Auflage Nr. 5.2.). Darüber hinaus müssen Zeltplätze in Brandabschnitte von jeweils bis zu 20 Zelte unterteilt und 5 m breite Schutzstreifen zwischen den einzelnen Abschnitten eingehalten werden (Auflage Nr. 5.3). Dass der so ermittelte Flächenbedarf von (mindestens) 20.000 m² fehlerhaft berechnet sein könnte, hat die Antragstellerin weder geltend gemacht noch drängen sich hierfür sonst Anhaltspunkte auf.
13Die von der Antragstellerin angemeldete, in der eingereichten Planskizze dargestellte Versammlungsfläche im O. erfüllt diese Raumanforderungen ersichtlich nicht. Sie ist nach den – unwidersprochen gebliebenen – Ermittlungen des Antragsgegners lediglich etwa 17.254 m² groß, so dass die Einhaltung des in den Auflagen unter Nr. 5 des Bescheides zum Schutz von Leib und Leben von Personen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) geregelten Sicherheitskonzepts nicht gewährleistet wäre.
14Demgegenüber bietet die Fläche „G.-straße“ mit einer – vom Antragsgegner wiederum unbeanstandet ermittelten – Größe von insgesamt 25.000 m² voraussichtlich genügend Platz, damit die Versammlung mit bis zu 4.000 Teilnehmenden unter Einhaltung sämtlicher Sicherheitsanforderungen gemäß den Auflagen unter Nr. 5 des Bescheides möglichst gefahrlos stattfinden kann.
152. Die hiergegen gerichteten Einwände des Beschwerdevorbringens führen zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung.
16a) Die Antragstellerin gesteht selbst ausdrücklich zu (S. 7 der Beschwerdebegründung), dass sie den brandschutzrechtlichen Vorgaben zu erforderlichen Rettungswegen Folge leisten wolle. Eine Außervollzugsetzung der hierzu und zum weiteren Brandschutz einschlägigen Auflagen unter Nr. 5 des Bescheides hat sie nicht beantragt; diese sind vollziehbar und einzuhalten.
17b) Es kann unbeschadet dessen aber auch nicht festgestellt werden, dass die vom Antragsgegner verfügten Anforderungen an die Breite freizuhaltender Rettungs- und Fluchtwege sowie an Abstandsflächen zwischen einzelnen Zeltabschnitten unverhältnismäßig und deswegen rechtswidrig wären.
18Diese Regelungen beruhen auf der vom Antragsgegner eingeholten fachlichen Einschätzung der örtlichen Feuerwehr. Sie sollen den ungehinderten Einsatz von Rettungskräften in Notfällen auf dem gesamten Versammlungsgelände sicherstellen. Zudem dienen ein 5 m breiter Schutzstreifen und die zahlenmäßige Begrenzung einzelner Zeltabschnitte dem Zweck, ein Übergreifen von Flammen im Falle eines Brandausbruchs möglichst effektiv zu verhindern. Die Sinnhaftigkeit dieses Konzepts erschließt sich ohne weiteres in Ansehung des Umstands, dass ein Zeltlager bei lebensnaher Betrachtungsweise stets mit gesteigerten Brandrisiken einhergeht. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die regelmäßig zum Einsatz kommenden, leicht brennbaren Materialien (Zeltstoff, Schlafsäcke u.Ä.) sowie den typischerweise zu erwartenden Einsatz von Brennstoffen etwa zum Aufwärmen von Speisen (z.B. Gaskocher) und Getränken oder zum Zwecke der Beleuchtung (z.B. Gaslampen).
19Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob bei anderweitigen von der Antragstellerin beispielhaft angeführten Veranstaltungen auf gleichermaßen „platzraubende“ Auflagen zum Brandschutz verzichtet wird. Ungeachtet der Frage, inwieweit solche Veranstaltungen wie etwa Musikfestivals ohne entsprechende Auflagen mit brandschutzrechtlichen Grundsätzen vereinbar sind, stellte dies jedenfalls nicht das hier in Rede stehende – zumal von der Antragstellerin nicht angefochtene – Sicherheitskonzept im Bescheid des Antragsgegners infrage.
20c) Eine Inanspruchnahme der unter dem 19. Juni 2024 zusätzlich für den Aufbau von Schlafzelten angemeldeten Wiesen auf der L. ist nicht in Betracht zu ziehen. Eine entsprechende Nutzung hat der Antragsgegner jedenfalls mit der nachvollziehbaren Erwägung ausgeschlossen, dass die allein vorhandene, über eine schmale Brücke führende Zufahrt den Einsatz von Feuerwehrfahrzeugen mit mehr als 12 t Gesamtgewicht nicht ermöglicht. Der Umstand, dass die L. ein beliebtes Naherholungsgebiet ist und diese Fläche auch für anderweitige Veranstaltungen mit nennenswerter Anzahl von Personen genutzt wird, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die vom Antragsteller insoweit angeführten Beispiele (April-Abend mit Straßentheater, Licht Musik und Kunst sowie ein Wohltätigkeitslauf) sind mit einem mehrtägigen Zeltlager gerade unter dem Gesichtspunkt von Brandgefahren nicht vergleichbar.
21d) Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fläche „G.-straße“ für die zweckmäßige Durchführung der Versammlung der Antragstellerin ungeeignet wäre.
22aa) Eine verkehrliche Erschließung erscheint nach Aktenlage gesichert. Die besagte Fläche ist von einem weitläufigen Wegenetz eingerahmt, dass in östlicher Richtung etwa an die Dahlhauser Straße angebunden ist. Die Breite der Wege entlang der Dahlhauser Straße sowie weiter in südwestliche Richtung abzweigend beträgt jeweils mindestens 3 m (gemessen nach TIM online). Sie sind demnach mit Lkw oder kleineren Transportfahrzeugen grundsätzlich befahrbar. Dass diese Fläche mit Kraftfahrzeugen schlechter zu befahren und erreichen wäre als diejenige auf den X. im O., kann nicht angenommen werden. Auf jener Versammlungsfläche wäre das Befahren der Wiesen zur Anlieferung und Abholung von Aufbauten gleichfalls erforderlich. Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass ein Erreichen der Versammlungsfläche durch Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten erschwert, geschweige denn, wie die Antragstellerin meint, „deutlich“ erschwert werde.
23Da der Antragsgegner in seinem Bescheid bereits eine Kooperation mit der Antragstellerin dahingehend angekündigt hat, dass der genaue Aufstellort von Hilfsmitteln auf dem Veranstaltunsggelände vor Ort abgesprochen werden soll (vgl. S. 2 des Bescheides), ist auch von der praktischen Durchführbarkeit der Versammlung auf der erst kurzfristig zugewiesenen Alternativfläche „G.-straße“ auszugehen.
24bb) Nichts anderes gilt mit Blick darauf, dass sich der alternativ zugewiesene Ort zur Erreichung des kommunikativen Anliegens der geplanten Versammlung als weniger geeignet erweisen könnte. Auch wenn die Fläche „G.-straße“ weniger stark durch Anwohner und sonstige Personen frequentiert und deswegen die öffentliche Aufmerksamkeit für das thematische Anliegen schwieriger zu erreichen sein sollte, wäre dies – so denn diese Annahme der Antragstellerin zutrifft – jedenfalls aus Gründen des vorrangigen Schutzes von Rechtsgütern aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hinzunehmen. Gemessen hieran liegt keine so erhebliche Prägung durch den angemeldeten Veranstaltungsort vor, dass die Versammlung schon durch die Verlegung auf die Alternativfläche in ihrem Charakter unzumutbar beeinträchtigt wäre. Die Antragstellerin verfügt nach wie vor über die Möglichkeit, die Versammlung dem äußeren Ablauf nach wie im Wesentlichen geplant durchzuführen. Insbesondere ist aber auch nicht ersichtlich, dass die Wahl des Ortes über die gewünschte Aufmerksamkeit von Passanten und Anwohnern in B.-U. hinaus mit dem angemeldeten Thema der Meinungsbildung inhaltlich in besonderer Weise verknüpft wäre. Ein weitergehender Zusammenhang lässt sich dabei auch nicht auf den zeitgleich stattfindenden Parteitag der AfD stützen, denn sowohl die X. im O. als auch das G.-straße weisen keine besondere räumliche Nähe zum Ort des Parteitags, der Grugahalle in B., auf.
25Zu einer gesteigerten Bedeutung der X. im O. als Versammlungsort führt auch nicht das Vorbringen, es solle bis zu 300 Teilnehmenden ermöglicht werden, sich an einer für den 29. Juni 2024 in B.-U. geplanten Demonstration zu beteiligen. Dieses Vorhaben wird jedenfalls durch die Zuweisung des alternativen Standorts in B.-F. weder unmöglich noch unzumutbar erschwert.
26cc) Ohne Erfolg weist die Antragstellerin schließlich auf mögliche Angriffe durch die Gruppierung „Steeler Jungs“ hin. Es obliegt den zuständigen Polizei- und Ordnungsbehörden, etwaige Gefahren für die Versammlung und deren Teilnehmende aufgrund einer Begehung von Straftaten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern. Im Übrigen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, dass gerade die alternativ zugewiesene Versammlungsfläche im Randbereich von B.-F. als „Streifgebiet“ dieser Gruppierung anzusehen und gewaltsame Angriffe auf Teilnehmende des Protest-Camps konkret zu befürchten sein sollten. Dementsprechend ist auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Verlegung des Versammlungsorts allein wegen des „Rufs des Stadtteils“ potentielle Versammlungsteilnehmende erheblich abschrecken könnte.
273. Ob der Ausschluss der Ruhwiesen im O. auch aufgrund von Überschwemmungsgefahren gerechtfertigt sein könnte, bedarf nach alledem keiner Entscheidung.
28II. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse gegeben ist. Die Auflage Nr. 1 dient der Abwehr einer Gefahr für die hochrangigen Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
30Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).