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§ 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO (für den Landschaftsausschuss) sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW (für die Fachausschüsse) regeln eine „Wahl“ und kein von einer Wahlentscheidung losgelöstes Benennungs- oder Besetzungsrecht. Diese Wahl kann nur eine freie sein.
Die Vorschriften begründen keine Verpflichtung der einzelnen Mitglieder der Landschaftsversammlung, eine von einer Fraktion vorgeschlagene Person als Nachfolger eines ausgeschiedenen Ausschussmitglieds zu wählen oder sich zumindest mehrheitlich der Stimme zu enthalten, um die Wahl zu ermöglichen.
Das der Fraktion eingeräumte Vorschlagsrecht ist darauf beschränkt, dass sie im Sinne der formalen Gleichheit einen Nachfolgekandidaten zur Wahl stellen kann und dass diese Wahl ordnungsgemäß, insbesondere frei von Rechtsmissbrauch, durchgeführt wird.
Eine gerichtliche Überprüfung einzelner Wahlergebnisse darauf hin, ob die Ablehnung der vorgeschlagenen Person durch sachliche Gründe getragen ist, ist grundsätzlich ausgeschlossen. Mit den Grundsätzen einer freien Wahl wäre es unvereinbar, wenn eine Fraktion ein Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte, wenn die einzelnen Wahlberechtigten oder das wählende Gremium insgesamt verpflichtet wären, ihre Wahlentscheidung (nachträglich) zu begründen, und wenn die Entscheidung der Mehrheit auf ihre Legitimität hin überprüfbar wäre. Auch Maßnahmen, die dazu führen würden, dass einzelne Wahlberechtigte unmittelbar oder mittelbar verpflichtet wären, ihre Wahlabsicht oder Stimmenabgabe - etwa in einem „formellen oder informellen Verständigungsverfahren“ - zu begründen, kommen nicht in Betracht.
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eine Fraktion in der beklagten Landschaftsversammlung. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Beklagten über die abgelehnte Wahl von Nachfolgern, die die Klägerin für den Landschaftsausschuss sowie verschiedene Fachausschüsse der Beklagten vorgeschlagen hat.
3In der Sitzung der Beklagten vom 23. September 2022 beantragte die Klägerin mit dem Antrag Nr. 15/69 die Nachbesetzung frei gewordener Sitze in mehreren Ausschüssen. Die vorgeschlagenen Personen waren mit einer Ausnahme bisher nicht Mitglieder der Beklagten oder bereits als solche bestellte sachkundige Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Antrag Nr. 15/73 beantragte die Klägerin ergänzend die Nachbesetzung weiterer zwischenzeitlich frei gewordener Ausschusssitze. Bei den für diese Positionen vorgeschlagenen Personen handelte es sich jeweils um Mitglieder der Beklagten. Über beide Anträge entschieden die Mitglieder der Beklagten im Wege der verbundenen Einzelwahl. Den Antrag Nr. 15/69 lehnten sie ab. Dem Antrag 15/73 stimmten sie zu. Das Ergebnis dieser Abstimmungen bestätigte die Beklagte durch Beschluss.
4Mit Schreiben vom 7. Oktober 2022 beanstandete die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (im Folgenden: LVR) die Ablehnung der mit dem Antrag Nr. 15/69 benannten Umbesetzungen gemäß § 19 Abs. 1 Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LVerbO).
5In der Sitzung der Beklagten vom 9. November 2022 beantragte die Klägerin mit zum Antrag Nr. 15/69 wortgleichen Antrag Nr. 15/69/1, die abgelehnten Nachbesetzungen zu beschließen. Vor der Abstimmung führte ein Mitglied der Fraktion „Die FRAKTION“ unter anderem aus, der als sachkundiger Bürger (stellvertretendes Mitglied) vorgeschlagene Kandidat für den Finanz- und Wirtschaftsausschuss gehöre zum „ehemaligen Führungskader von Pro NRW“, die als sachkundige Bürgerin (stellvertretendes Mitglied) vorgesehene Kandidatin sei eine „stark mit der „Identitären Bewegung verwobene“ Persönlichkeit. Für die anstehende Wahl sei er seinem Gewissen verpflichtet und werde trotz der Beanstandung gegen den Antrag stimmen. Die Abstimmung wurde erneut als verbundene Einzelwahl durchgeführt und der Antrag Nr. 15/69/1 abgelehnt. Auch dieses Ergebnis bestätigte die Beklagte durch Beschluss.
6Mit Schreiben vom 10. November 2022 bat die Direktorin des LVR das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD NRW) gemäß § 19 Abs. 1 Satz 5 LVerbO um eine Entscheidung zur Ablehnung der beantragten Umbesetzungen in den Sitzungen der Beklagten vom 23. September und 9. November 2022.
7Am 29. Januar 2023 hat die Klägerin Klage erhoben.
8Mit Verfügung vom 24. Februar 2023 hob das MHKBD NRW die Beschlüsse der Beklagten vom 23. September und 9. November 2022 zu den Anträgen Nr. 15/69 und Nr. 15/69/1 auf (Nr. 1). Es ordnete an, dass die Beklagte auf Vorschlag der Klägerin bis zum 1. April 2023 Ersatzmitglieder für das ausgeschiedene ordentliche Mitglied und das ausgeschiedene stellvertretende Mitglied im Landschaftsausschuss (Nr. 2) sowie die sechs ausgeschiedenen stellvertretenden Mitglieder in den Fachausschüssen (Nr. 3) wähle. Schließlich ordnete es die sofortige Vollziehung an (Nr. 4). Die Beklagte erhob gegen diese Verfügung Klage - VG Köln 4 K 1531/23 - und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - VG Köln 4 L 538/23 -. Im Erörterungstermin zum Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erklärten die Vertreter der Beklagten und des MHKBD NRW, die anstehende Wahl zur Nachbesetzung der Ausschüsse solle als Einzelwahl durchgeführt werden. Der Vertreter des MHKBD NRW hob die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf. Das Verfahren wurde - wie in der Folge auch das Klageverfahren - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
9In der Sitzung der Beklagten vom 31. März 2023 stellte die Klägerin zur Nachbesetzung der noch freien Ausschusssitze den Antrag 15/69/2, der für einzelne Positionen wegen eines Todesfalls und einer Mandatsniederlegung geändert worden war, im Übrigen aber den Anträgen Nrn. 15/69 und 15/69/1 entsprach. Die Mitglieder der Beklagten entschieden über den Antrag im Wege der Einzelwahl. Von den insgesamt 14 beantragten Neubesetzungen beschlossen sie elf antragsgemäß. Die Nachbesetzung des stellvertretenden Mitglieds im Finanz- und Wirtschaftsausschuss, des stellvertretenden Mitglieds im Betriebsausschuss Jugendhilfe Rheinland sowie des stellvertretenden Mitglieds im Ausschuss für digitale Entwicklung und Mobilität lehnten sie ab. Unter dem Tagesordnungspunkt 3.1 nahmen einzelne Mitglieder der Beklagten zu dem Wahlergebnis Stellung.
10Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht weiter die Feststellung begehrt, dass die Ablehnung der von ihr vorgeschlagenen Nachbesetzungen rechtswidrig war. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, weil sie einen Anspruch auf Nachwahl unter dem Gesichtspunkt der Spiegelbildlichkeit habe. Die Beklagte könne sich nicht auf ein „Kontrollrecht“ berufen; die zur Nach- bzw. Ersatzwahl gestellten Kandidaten müssten den Mitgliedern der Beklagten nicht zusagen. Vielmehr sei die Beklagte nach der LVerbO und der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: GO NRW) verpflichtet, die vorgeschlagenen Nachfolger zu wählen. Die Ersatzwahl diene allein der nachträglichen Sicherstellung des ursprünglichen Proportionalitätsprinzips mit dem ihm kohärenten Minderheitenschutz. Der Begriff „Wahl“ sei im Grunde nicht treffend. Ein „Auswahlrecht“ bestehe gerade nicht. Die Freiheit des Mandats stehe dem nicht entgegen, denn sie sei durch die Gesetzesbindung der Mandatsträger begrenzt.
11Die Klägerin hat schriftsätzlich zunächst beantragt,
12festzustellen, dass die in der Sitzung vom 9. November 2022 unter Ziffer 3.1. erfolgte Ablehnung des Umbesetzungsantrages Nr. 15/69/1 rechtswidrig war.
13Mit Schriftsatz vom 24. April 2023 hat sie beantragt,
14festzustellen, dass die in der Sitzung vom 31. März 2023 unter Top 4.2. in den Unterpunkten
15- stellvertretendes Mitglied Finanz- und Wirtschaftsausschuss,
16- stellvertretendes Mitglied Betriebsausschuss Jugendhilfe Rheinland sowie
17- stellvertretendes Mitglied Ausschuss für digitale Entwicklung und Mobilität
18erfolgte Teilablehnung des Antrages Nr. 15/69/2 rechtswidrig war.
19In der mündlichen Verhandlung hat sie beantragt,
20festzustellen, dass die in der Sitzung vom 9. November 2022 unter Ziffer 3.1. erfolgte Ablehnung des Umbesetzungsantrages Nr. 15/69/1 der Klägerin rechtswidrig war,
21hilfsweise
22festzustellen, dass die in der Sitzung vom 31. März 2023 unter Top 4.2. in den Unterpunkten
23- stellvertretendes Mitglied Finanz- und Wirtschaftsausschuss,
24- stellvertretendes Mitglied Betriebsausschuss Jugendhilfe Rheinland sowie
25- stellvertretendes Mitglied Ausschuss für digitale Entwicklung und Mobilität
26erfolgte Teilablehnung des Antrages Nr. 15/69/2 rechtswidrig war.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat den im Schriftsatz vom 24. April 2024 formulierten Antrag sowie die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge der Klägerin als Klageänderungen angesehen und diesen widersprochen. Im Übrigen hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Klägerin ihr Rechtsschutzziel mit der Leistungsklage verfolgen müsse. In Bezug auf den ursprünglichen Antrag fehle der Klägerin zudem das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie den dort in Bezug genommenen Antrag Nr. 15/69/1 nicht mehr weiterverfolge. Soweit die Nachbesetzung in der Sitzung vom 31. März 2023 antragsgemäß beschlossen worden sei, habe die Klägerin auch weder ein Feststellungs- noch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die Klage sei auch unbegründet. Eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, die von der Klägerin vorgeschlagenen Personen zu wählen, bestehe nicht. Die maßgeblichen Vorschriften der LVerbO und der GO NRW sähen eine „Wahl“ vor. Der Begriff sei eindeutig und bedeute Entscheidungsfreiheit. Aus dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ergebe sich nichts anderes. Sollte er auf die Beklagte als Gemeindeverband anwendbar sein, verpflichte er jedenfalls nicht zu einem bestimmten Wahlverhalten, sondern betreffe allein das Wahlverfahren. In Bezug auf sachkundige Bürgerinnen und Bürger kollidierte eine Wahlpflicht mit dem Demokratieprinzip noch stärker als dies in Bezug auf Kandidatinnen und Kandidaten der Fall sei, die bereits Mitglieder der Beklagten seien. Letztere seien durch ihre Wahl zur Landschaftsversammlung gemäß § 7b LVerbO grundsätzlich legitimiert. Den als sachkundige Bürgerinnen und Bürgern vorgeschlagenen Personen fehle eine solche demokratische Legitimierung. Ihre Auswahl durch die Fraktionen unterliege keiner Beschränkung, sodass die Klägerin bei einer Wahlpflicht letztlich nahezu jede(n) der ca. 9,7 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner des Verbandsgebiets zum Ausschussmitglied bestimmen könnte. Schließlich sei die Wahl der drei weiterhin abgelehnten Personen nicht im Interesse der Beklagten, weil diese nicht auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stünden.
30Mit Urteil vom 15. Juni 2023 hat das Verwaltungsgericht der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
31Sollte die Rückkehr der Klägerin zu ihrem ursprünglich angekündigten und nunmehr (weiterhin oder erneut) als Hauptantrag gestellten Antrag eine Klageänderung sein, sei diese jedenfalls sachdienlich. Der geänderte Antrag sei geeignet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen, und ziehe keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich.
32Die Klage sei mit dem Hauptantrag zulässig und begründet. Die Ablehnung des Antrags Nr. 15/69/1 in der Sitzung vom 9. November 2022 sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe die vorgeschlagene Nachbesetzung nicht allein auf Grundlage der durchgeführten Abstimmung ablehnen dürfen.
33Zwar folge aus § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO (für den Landschaftsausschuss) und § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW (für die Fachausschüsse) keine Verpflichtung der einzelnen Mitglieder der Beklagten, eine von der Klägerin vorgeschlagene Person als Nachfolger für einen frei gewordenen Ausschusssitz zu wählen oder sich zumindest mehrheitlich der Stimme zu enthalten. Dies folge schon aus dem Wortlaut der Regelungen, die eine „Wahl“ vorsähen. Wahlen zeichneten sich gerade durch Wahlfreiheit aus. Das dort geregelte Vorschlagsrecht sei allein ein Initiativrecht, das die Möglichkeit eröffne, das Wahlverfahren in Gang zu setzen. Auch die systematische Auslegung lasse nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber eigentlich ein Bestimmungsrecht der Fraktionen habe regeln wollen. Denn beide Gesetze sähen für bestimmte Konstellationen eine „Bestellung“ oder „Bestimmung“ von Mitgliedern vor und bezeichneten dies jeweils entsprechend (so § 12 Abs. 3 Satz 2 LVerbO, § 58 Abs. 1 Satz 7, Abs. 5 Satz 5 GO NRW). Für das Verständnis einer in den einschlägigen Bestimmungen angeordneten (freien) Wahl streite schließlich auch die in § 15 Abs. 1 LVerbO geregelte Freiheit des Mandats der Mitglieder der Beklagten. Eine abweichende Sichtweise sei auch nicht aufgrund des von der Klägerin angeführten Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes geboten. Ob dieser Grundsatz für die Ausschüsse der Landschaftsversammlung gelte, könne dahinstehen. Jedenfalls treffe er keine Aussage zum Wahlergebnis, sondern betreffe allein die tatsächliche Chancengleichheit bei der Ausgestaltung des Wahlverfahrens, deren Verletzung die Klägerin nicht geltend mache. Schließlich zeige auch die Gesetzeshistorie, dass ein verpflichtendes Wahlergebnis mit § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW nicht intendiert sei. Die Regelung sei ursprünglich in § 35 Abs. 3 GO NRW a. F. aufgenommen worden. Gleichzeitig sei § 35 Abs. 2 GO NRW a. F. um einen neuen Satz 3 ergänzt worden, nach dem Nein-Stimmen nunmehr gültige Stimmen seien. Dies lege die Annahme nahe, dass es bei den Wahlen auch auf „Nein“-Stimmen ankomme, mithin auch eine Nicht-Wahl in Betracht komme.
34Gleichwohl habe die Beklagte das in § 12 Abs. 2 Satz 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW angelegte Recht auf tatsächliche Chancengleichheit der Klägerin als Ausprägung des in diesen Regelungen niedergelegten Minderheitsschutzes verletzt. Nach der erfolglos durchgeführten Wahl habe sie nicht ohne Weiteres durch verfahrensbeendenden Beschluss feststellen dürfen, dass die Wahl bzw. der ihr zugrundeliegende Antrag abgelehnt sei. Vielmehr sei sie gehalten gewesen, durch geeignete verfahrensmäßige Vorkehrungen, etwa im Rahmen eines formellen oder informellen Verständigungsverfahrens, sicherzustellen, dass das Recht der Klägerin auf tatsächliche Chancengleichheit weder durch ihr eigenes Verhalten noch durch das Verhalten einer oder mehrerer anderer Fraktionen bzw. einer Mehrheit von Abgeordneten beeinträchtigt werde.
35Den gesetzlichen Regelungen liege erkennbar die gesetzgeberische Absicht zugrunde, das durch die ursprüngliche Wahl zur Besetzung des Landschaftsausschusses sowie der Fachausschüsse geschaffene Kräfteverhältnis der Fraktionen oder Gruppen in dem jeweiligen Ausschuss auch im Falle des Ausscheidens von Ausschussmitgliedern für die gesamte Wahlperiode aufrecht zu erhalten. Deshalb knüpfe das Vorschlagsrecht für die Nachfolge nicht an die konkrete Fraktions- oder Gruppenzugehörigkeit des Mitglieds im Zeitpunkt dessen Ausscheidens an, sondern an die ursprüngliche Fraktions- oder Gruppenzugehörigkeit im Zeitpunkt der Ausschusswahlen. Ein dauerhaftes Freibleiben von Ausschusssitzen sei der GO NRW und der LVerbO grundsätzlich fremd Nach der Gesetzesbegründung zu § 35 Abs. 2 Satz 3 GO NRW a. F. solle nach dieser Regelung ein ausgeschiedenes Ausschussmitglied durch ein nachfolgendes Mitglied ersetzt werden, ohne dass es eines einstimmigen Ratsbeschlusses oder aber der Auflösung und anschließenden Neuwahl der Ausschussmitglieder bedürfe. § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 LVerbO ordne allein für den Fall, dass die vorschlagsberechtigte Gruppe zu einem Vorschlag nicht in der Lage sei oder das ausgeschiedene Mitglied (bzw. der Stellvertreter) keiner Gruppe angehört habe, an, dass ein Sitz unbesetzt bleibe. Im Nachbesetzungsverfahren bedürfe es deshalb eines wirksamen Minderheitsschutzes, der die praktische Durchsetzung der Nachfolge sicherstelle. Allein auf die in freier Wahl getroffene Mehrheitsentscheidung könne es nicht ankommen. Denn im Wahlverfahren könnten nur die Mehrheitsfraktionen die Nachfolge in den Ausschuss sicherstellen, während die von den Minderheitsfraktionen vorgeschlagenen Nachfolger von der Zustimmung der Mehrheit abhängig seien.
36Die Beklagte müsse daher Vorsorge treffen, dass vorgeschlagene Kandidaten nicht aus sachwidrigen Gründen abgelehnt würden. Sachliche Gründe könnten sich aus der LVerbO ergeben. So bestimme § 12 Abs. 1 Satz 1 LVerbO, dass die Mitgliedschaft im Landschaftsausschuss nur Mitgliedern der Landschaftsversammlung zukommen dürfe. In die Fachausschüsse könnten auch andere Bürgerinnen und Bürger aus dem Gebiet des Landschaftsverbands gewählt werden. Diese müssten aber nach § 13 Abs. 3 Satz 2 LVerbO durch Fachwissen oder Verwaltungserfahrung eine besondere Eignung aufweisen. Zudem dürfe die Zahl dieser sog. sachkundigen Bürger in den einzelnen Ausschüssen jeweils die der vertretenen Mitglieder der Landschaftsversammlung nicht erreichen (§ 13 Abs. 3 Satz 3 LVerbO). Darüber hinaus möge es weitere, aus der LVerbO abzuleitende Gründe geben, die die Ablehnung der Nachfolge in Bezug auf bestimmte Personen begründen könnten. Dies zu ermitteln, sei zuvörderst Aufgabe und Pflicht der Beklagten. Sollte eine beantragte Nachbesetzung nicht erfolgen , bedürfe der Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens einer näher begründenden Entscheidung der Beklagten, bei der ihr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukomme. Der so verstandene Minderheitenschutz stehe in einem allenfalls mittelbaren Spannungsverhältnis zum freien Mandat des einzelnen Abgebordneten. § 12 Abs. 2 Satz 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW verpflichteten unmittelbar allein die Beklagte. Eine direkte Verpflichtung einzelner Mandatsträger, eine bestimmte Wahlentscheidung zu treffen, enthielten die Vorschriften nicht. Bei abgelehnter Wahl dürften sich die Fraktionen sowie ihre Mitglieder gleichwohl nicht dem aus diesen folgenden Minderheitsschutz verschließen. Sie seien - unter Berücksichtigung ihres freien Mandats - gehalten, bei dem von der Beklagten durchzuführenden Nachbesetzungsverfahrens mitzuwirken, um eine konsensuale Lösung zu finden.
37Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Verfahrens obliege allein der Beklagten. Verpflichtende Vorgaben enthielten weder die LVerbO noch sonstige Regelungen. So stehe es der Beklagten frei, die beabsichtigte Konsensfindung zum Beispiel durch eine Einschaltung des Ältestenrats, der Fraktionsvorsitzenden oder eines im Einzelfall individuell besetzen Gremiums anzustreben. Zielsetzung müsse es sein, mit einer Beteiligungsmöglichkeit aller Fraktionen einen sachlich begründeten Konsens für die erfolglose Nachbesetzung zu finden und dabei eine Beeinträchtigung der Wahl durch sachwidrige, von den Gründen des eingeräumten Wahlrechts nicht getragene politische Einschätzungen zu verhindern. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die einzelnen Mitglieder der Landschaftsversammlung mit Blick auf ihr freies Mandats nicht gezwungen werden könnten, in öffentlicher Debatte über die Gründe der Ablehnung Rechenschaft abzulegen, wenngleich es jedem Mitglied freistehe, Erklärungen zur Wahl abzugeben. Jedenfalls müsse die Beklagte aber sicherstellen, dass das Recht auf Chancengleichheit der Fraktionen nicht ohne zwingende Gründe durch das Verhalten einer Mehrheit beeinträchtigt werde. Hierzu müsse sie im Rahmen des Verständigungsverfahrens sachwidrigen Blockaden mit verfahrensmäßigen Vorkehrungen entgegenwirken. Diese Vorkehrungen müssten geeignet sein, das mit einer Einschätzungsprärogative verbundene Vorschlagsrecht der Fraktionen sowie die Beurteilungsermächtigung ihrer Mitglieder bei der Wahl der vorgeschlagenen Nachfolger zu einem Ausgleich zu bringen. Zeigten sich Schwierigkeiten bei der konkreten Nachbesetzung eines Ausschusses, z. B. weil vorgeschlagene Nachfolger aus sachlichen Gründen keine Mehrheit fänden, könne die Beklagte im Rahmen des Verständigungsverfahrens auch gehalten sein, auf einen abweichenden Vorschlag geeigneter und mehrheitsfähiger Nachfolger durch die betroffene Fraktion hinzuwirken. Da der aus § 12 Abs. 2 Satz 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW abzuleitende Minderheitsschutz kein absolutes Bestimmungsrecht über die Nachfolge vermittele, bestehe auch eine Verpflichtung der betroffenen Fraktion, aktiv an der Konsensfindung mitzuwirken. Die endgültige Ablehnung einer vorgeschlagenen Person könne im konkreten Einzelfall auch aus dem Verhalten der betroffenen Fraktion selbst, insbesondere einer Verweigerung der zielorientierten Beteiligung an der Konsensfindung, begründet sein. Fehle es an einer zielorientierten Beteiligung, stehe die gescheiterte Wahl der von Gesetzes wegen beabsichtigten verhältnismäßigen Ausschussnachbesetzung nicht entgegen. In diesem Fall entledige sich die betroffene Fraktion des Minderheitenschutzes durch ihr eigenes - vor dem Hintergrund der gebotenen verhältnismäßigen Ausschussnachbesetzung als missbräuchlich zu bewertendes – Verhalten. Die Annahme missbräuchlichen Verhaltens einer Fraktion liege dabei umso näher, je weniger sie bereit sei, an einer Lösung mitzuwirken.
38Sei das Verständigungsverfahren erfolglos durchgeführt worden, müsse die Beklagte die endgültige Ablehnung des Wahlvorschlags begründen. Hierfür gebe es - unter Wahrung des Wahlgeheimnisses der einzelnen Mitglieder - verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel könne über den Ablehnungsgrund, etwa die fehlende Eignung der vorgeschlagenen Person, in einem hiermit zu beauftragenden Gremium vorberaten oder in einer Sitzung der Beklagten debattiert werden, in der einzelne Abgeordnete oder Fraktionen Erklärungen abgäben. Auch eine Stellungnahme der Direktorin des LVR nach Beratung mit den Fraktionen sei möglich. Stehe am Ende des Verständigungsverfahrens eine Nichtwahl, die auf einer nicht konsensbezogenen Mitwirkung der Mehrheitsfraktionen oder ihrer Mitglieder beruhe, schließe sich - erst dann - das Verfahren an, die Nachbesetzung im Wege der Kommunalaufsicht gemäß § 27 Abs. 1 und 2 LVerbO durchzusetzen.
39Ein Verständigungsverfahren nach diesen Grundsätzen habe die Beklagte nicht durchgeführt.
40Diesem Ergebnis stehe nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 - 2 BvR 9/20 - zur Wahl von Stellvertretern des Präsidenten des 19. Bundestages entgegen. Zwar lehne das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ein Verständigungsverfahren, das sicherstelle, dass das Recht auf Chancengleichheit der Fraktionen nicht ohne zwingenden Grund durch das Wahlverhalten der Mehrheit beeinträchtigt werde, ausdrücklich ab. Die auf die Wahl zu Stellvertretern des Präsidenten des Bundestags bezogenen Aussagen seien auf das vorliegende Verfahren aber schon deshalb nicht übertragbar, weil es sich bei der Beklagten um ein Organ der Exekutive handele und deshalb das freie Mandat ihrer Mitglieder einer strengeren Gesetzesbindung unterliege als dasjenige der Mitglieder des Bundestags. Diese Gesetzesbindung sei vor dem Hintergrund der von § 12 Abs. 2 Satz 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW beabsichtigten Grundentscheidung einer verhältnismäßigen Ausschussnachbesetzung zu lesen.
41Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend:
42Die Klage sei sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag aus den im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Gründen unzulässig. Sie sei außerdem unbegründet. Die Ablehnung des Antrags Nr. 15/69/1 in der Sitzung der Beklagten vom 9. November 2022 sei rechtmäßig gewesen.
43Weder die LVerbO noch die GO NRW enthielten eine ausdrückliche Verpflichtung, nach einer erfolgslos durchgeführten (Ausschuss-)Wahl weitere Verfahrensschritte, etwa ein Verständigungsverfahren, durchzuführen. Eine solche Verpflichtung könnte sich (allenfalls) aus einer gesetzlichen Regelung ergeben, die das Organisationsermessen, das den kommunalen Vertretungsorganen in Bezug auf ihre Verfahrensangelegenheiten zustehe, einschränke. Eine entsprechende Regelung gebe es aber nicht. Die Ausschussnachbesetzung sei durch Wahl vorzunehmen. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen unterscheide sich damit von der etwa in Sachsen-Anhalt, wo in Bezug auf sachkundige Bürgerinnen und Bürger ein Bestimmungsrecht der Fraktionen und - diesem folgend - eine nur deklaratorische Feststellung durch den Rat vorgesehen sei. Die Wahl sei mit der Feststellung des Stimmergebnisses beendet. Für die Annahme des Verwaltungsgerichts, vor dieser Feststellung des Wahlergebnisses seien weitere Verfahrensschritte, etwa ein Verständigungsverfahren, durchzuführen, sei kein Raum. Eine (Minderheits-)Fraktion habe auch kein Recht darauf, dass das kommunale Vertretungsorgan die von ihr vorgeschlagenen Erst- oder Alternativkandidaten tatsächlich wähle. Die Mitglieder seien in ihrer Wahlentscheidung frei. Folglich bestehe auch keine Verpflichtung des kommunalen Vertretungsorgans ein Verständigungsverfahren durchzuführen, um die Wahl der vorgeschlagenen Personen letztlich doch zu erreichen. Indem das Verwaltungsgericht eine solche Verpflichtung „konstruiere“, umgehe es die Freiheit der Wahl. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts werde nicht durch Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 26. Januar 1996 - Vf. 15-I-95 - bekräftigt, nach der die Wahlfreiheit der Abgeordneten des Sächsischen Landtags hinsichtlich der Wahl der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission durch das aus der Sächsischen Verfassung abgeleitete Gebot der formalen Gleichheit der Fraktionen eingeschränkt sei. Das Bundesverfassungsgericht sei für die Freiheit von Bundestagsabgeordneten bei der Wahl von Stellvertretern des Bundestagspräsidenten anderer Ansicht. Auch etwa die Verfassungsgerichte der Länder Brandenburg (Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -) und Berlin (Beschluss vom 16. Mai 2023 - 59/22 -) seien dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof ausdrücklich nicht gefolgt. Im Übrigen folge aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch allgemein, dass es mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sei, die Freiheit einer Wahlentscheidung einzuschränken. Für Ausschusswahlen eines kommunalen Vertretungsorgans sei dies auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 9. Dezember 2009 - 8 C 17.08 -, und vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.93 -) geklärt. Die durchgängige Repräsentanz einer Fraktion im Landschaftsausschuss und in den Fachausschüssen sei im Regelfall auch in Anbetracht der vom Gesetzgeber für die Nachbesetzung geregelten Wahl während der gesamten Wahlperiode gesichert. Bei der Erstbesetzung der Ausschüsse durch Listenwahl könnten auch stellvertretende Mitglieder zur Wahl gestellt werden. So sei vorliegend auch verfahren worden. Ergänzend komme hinzu, dass sich die Fraktionen in der konstituierenden Sitzung vom 22. Januar 2021 darauf verständigt hätten, dass für die Fachausschüsse neben den benannten Stellvertretern im Vertretungsfall alle übrigen Mitglieder der Fraktionen – einschließlich der sachkundigen Bürgerinnen und Bürger – in alphabetischer Reihenfolge die Stellvertretung wahrnähmen.
44Im Übrigen sei die Durchführung eines Verständigungsverfahrens jedenfalls kein geeignetes Mittel, eine Nachbesetzung sicherzustellen. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, es gebe sachliche (legitime) und sachwidrige (nicht legitime) Gründe, eine Person nicht zu wählen, gehe fehl. Die LVerbO regele lediglich Wählbarkeitsvoraussetzungen und gesetzliche Qualifikationsmerkmale, deren Klärung im Einzelfall kein Verständigungsverfahren erfordere. Mit seinen Ausführungen zur Pflicht und zu den Möglichkeiten, ein Verständigungsverfahren durchzuführen, habe das Verwaltungsgericht die Augen vor der politischen Realität verschlossen. Dem Rechtsstreit liege ein typischer politischer Konflikt zugrunde. Die von der Klägerin aufgestellte Liste habe in den Sitzungen vom 23. September und 9. November 2022 die erforderliche Mehrheit deshalb nicht erhalten, weil aus Sicht der Mehrheit zweifelhaft erscheine, dass die vorgeschlagenen Kandidaten X. , C. und C1. auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stünden. Sie genössen daher nicht das Vertrauen der gesetzlich erforderlichen Mehrheit. Im Übrigen seien die Mitglieder eines kommunalen Vertretungsorgans nicht verpflichtet, die Beweggründe ihrer Wahlentscheidung zu offenbaren. Eine Konsensfindung, wie sie dem Verwaltungsgericht im Rahmen eines Verständigungsverfahrens vorschwebe, setze aber einen Austausch über die von der Mehrheit getragenen Ablehnungsgründe voraus. Ohne eine Offenbarungspflicht sei ein solcher Austausch nicht gewährleistet. Dass die Mehrheit ihre Ablehnungsgründe freiwillig bekanntgebe, sei unrealistisch. Sie müsse dann nämlich - die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegt - mit einer gerichtlichen Überprüfung ihrer einmal offenbarten Ablehnungsgründe rechnen. Das dem Verwaltungsgericht vorschwebende Verständigungsverfahren werde nur dazu führen, dass die vorschlagende Fraktion auf die Wahl ihrer Kandidaten beharre, weil ihrer Ansicht nach keine „sachlichen“ Ablehnungsgründe vorlägen, während die Mitglieder der Mehrheitsfraktionen ihre Ablehnungsgründe für sich behielten.
45Ebenfalls rechtsfehlerhaft sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte müsse die endgültige Ablehnung einer Wahl begründen. Eine solche Verpflichtung sei weder gesetzlich geregelt noch folge sie aus dem Demokratieprinzip. Die Beklagte könnte sie auch nicht erfüllen, weil die Mitglieder der Mehrheitsfraktionen nicht gehalten seien, ihre Wahlentscheidung zu begründen. Unzutreffend sei schließlich der Hinweis des Verwaltungsgerichts, nach einem Scheitern des Verständigungsverfahrens könne die Wahl der vorgeschlagenen Person im Wege der Kommunalaufsicht durchgesetzt werden. Da keine Wahlpflicht bestehe, liege in der Nichtwahl vorgeschlagener Kandidaten auch kein rechtswidriges Verhalten der Mitglieder des kommunalen Vertretungsorgans.
46Die Beklagte beantragt,
47das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Juni 2023 zu ändern und die Klage abzuweisen.
48Die Klägerin beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Sie bezieht sich auf die Gründe des angegriffenen Urteils und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Ablehnung der von ihr gestellten Umbesetzungsanträge sei rechtswidrig gewesen, sei inzwischen auch in anderen Zusammenhängen bestätigt worden. Das Verwaltungsgericht Halle habe mit Urteil vom 4. August 2023 - 3 A 180/20 HAL - festgestellt, dass die mit einem sog. rechtsextremen Hintergrund einzelner, als sachkundige Bürger benannter Personen begründete Ablehnung durch den Rat rechtswidrig gewesen sei. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung habe das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 30. Oktober 2023 - 4 L 222/23.Z - abgelehnt. Der in diesen Entscheidungen zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke, dass gesetzeswidrige Differenzierungskriterien der Bestätigung eines Wahlvorschlags nicht entgegenstehen dürften, sei auf die nordrhein-westfälische Rechtslage übertragbar. Ihr, der Klägerin, stehe das Recht zu, Kandidaten für die Nachfolge zu benennen. Durch die ohne tragfähige Begründung auf Spekulationen gestützte „Nichtwahl“ sei sie in ihrem Recht auf effektive Opposition betroffen. Die Begründungslosigkeit zeige, dass das negative Wahlergebnis zuvor in „Hinterzimmergesprächen“ abgestimmt worden sei. Ein solcher „Negationszwang“ verstoße gegen den Grundsatz der Organtreue. Das allein auf eine „Wahlverhinderung“ angelegte Verhalten sei nicht als freie, dem Demokratieprinzip entsprechende Wahlentscheidung anzusehen. Aufgrund der „destruktiven Negationsentscheidung“ sei der Wahlakt noch nicht abgeschlossen. Das Recht, Kandidaten für die Nachfolge im Ausschuss vorzuschlagen, begründe eine alleinige Bestimmungsmacht der Fraktion. Ihr Vorschlag dürfe nur aus sachlichen Gründen abgelehnt werden, die in einem demokratischen Wahlverfahren tragfähig seien. Den anderen Fraktionen stehe keine „Aufsicht“ darüber zu, dass sie nur ihnen genehme Kandidaten benenne. Dass eine vorgeschlagene Person einer anderen politischen Richtung zuzuordnen sei, dürfe ihrer Wahl nicht entgegenstehen. Die bestehende Konfliktlage sei „intraorganschaftlich durch ein gremienbezogenes Verständigungsverfahren“ aufzulösen. Verweigere sich die Beklagte dem weiterhin, sei die Wahl der von ihr vorgeschlagenen Personen durch die Aufsichtsbehörde durchzusetzen. Hierzu sei auf die Verfahren 1 K 3476/22 und 1 K 2692/22 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf zu verweisen.
51Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren VG Köln 4 K 1531/23 und 4 L 523/23 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
52E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
53Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
54A. Keiner Entscheidung bedarf, ob die Klägerin mit dem Hauptantrag ihre Klage (erneut) geändert hat oder in Reaktion auf den von der Beklagten erklärten Widerspruch lediglich zu ihrem ursprünglichen Antrag zurückgekehrt ist. Eine Klageänderung wäre jedenfalls sachdienlich und damit nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Sachdienlich i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Klageänderung regelmäßig dann, wenn sie die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen, und keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich zieht.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 2019‑ 15 A 2751/15 -, juris, Rn. 52, m. w. N.
56Beide Voraussetzungen sind erfüllt, da mit der erneuten Umstellung des Antrags kein neuer Streitstoff zur Entscheidung gestellt wird.
57Die mit dem Stellung des Hilfsantrags erklärte Klageänderung ist ebenfalls sachdienlich. Die streitigen Rechtsfragen, ob und ggf. inwieweit § 12 Abs. 2 Satz 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 5 GO NRW eine „Pflichtwahl“ anordnen oder die nicht erfolgreiche Wahl einer zur Nachfolge vorgeschlagenen Person eine gesetzlich nicht geregelte Pflicht zur Durchführung eines Verständigungsverfahrens auslöst, stellen sich bei einer Entscheidung über den Hilfsantrag ebenso wie bei einer Entscheidung über den (ursprünglichen bzw. erneut geänderten) Hauptantrag.
58B. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig.
59Sie ist als allgemeine Feststellungsklage im Rahmen eines kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits statthaft, denn dem Begehren der Klägerin liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO zugrunde. Ein solches ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt, sondern umfasst ebenso die Rechtsverhältnisse zwischen Organen oder Organteilen juristischer Personen.
60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2022 ‑ 15 A 662/02 -, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
61Die Beteiligten streiten darüber, ob § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO (für die Besetzung des Landschaftsausschusses) bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW (für die Besetzung der Fachausschüsse) eine Pflicht der Beklagten begründet, die von der Klägerin für die Ausschussnachbesetzung vorgeschlagenen Personen zu wählen und ein entsprechendes Wahlergebnis zu bestätigen. Damit steht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Organteil und der Beklagten als Organ des LVR in Rede.
62Der Statthaftigkeit der Feststellungsklage steht - anders als die Beklagte meint - nicht der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, weil die Klägerin ihr Begehren möglicherweise auch im Wege der Leistungsklage verfolgen könnte. Für das Kommunalverfassungsstreitverfahren ist die Feststellungsklage alternativ zur allgemeinen Leistungsklage statthaft. Denn § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfährt eine teleologische Reduktion, soweit es - wie hier - um Klagen gegen die öffentliche Hand geht und keine Umgehung der besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage droht.
63Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1970 - VI C 8.69 -, juris, Rn. 12; Dietlein, in: Dietlein/Heusch, BeckOK Kommunalrecht NRW, Stand: 1. Juni 2024, Systematische Einführung zum Kommunalrecht Deutschlands, Rn. 173.
64Der Klägerin steht die für die Feststellungsklage zu fordernde Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO,
65vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 -, juris, Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 26. November 2022 - 15 A 662/02 -, juris, Rn. 4 f., m. w. N.,
66zu. Sie macht ein wehrfähiges Recht auf Mitwirkung an der Nachbesetzung freigewordener Ausschusssitze aus § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW geltend, dessen Verletzung durch die Ablehnung ihrer Wahlvorschläge in den Sitzungen der Beklagten vom 9. November 2022 und 31. März 2023 zumindest möglich erscheint.
67Es besteht ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Streiten die Beteiligten - wie hier - um ein vergangenes Rechtsverhältnis, kommt im Kommunalverfassungsstreitverfahren ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht. Anerkannte Fallgruppen eines berechtigten Feststellungsinteresses sind danach das Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr, das Rehabilitationsinteresse zur Beseitigung einer fortbestehenden Diskriminierung sowie typischerweise sich kurzfristig erledigende, indes hinreichend gewichtige Beeinträchtigungen von Organrechten.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2020 ‑ 15 A 3460/18 -, juris, Rn. 145 ff., m. w. N.
69Die Klägerin kann sich jedenfalls auf eine konkrete Wiederholungsgefahr berufen. Eine solche setzt die hinreichend wahrscheinliche Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zulasten der klagenden Partei ergehen wird. Dabei müssen im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen, wie sie der erledigten Entscheidung oder Maßnahme zu Grunde gelegen haben.
70Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Oktober 2024 ‑ 15 A 1811/22 -, juris, Rn. 40 f., und vom 17. November 2020 ‑ 15 A 3460/18 -, juris, Rn. 151, jeweils m. w. N.
71Danach ist eine Widerholungsgefahr schon mit Blick auf die weiterhin freien, auch in der Sitzung der Beklagten vom 31. März 2023 nicht durch eine positive Wahlentscheidung nachbesetzten Ausschusssitze anzunehmen. In Bezug auf diese Positionen sind in absehbarer Zeit erneut Wahlen erforderlich. Die Klägerin wird, so hat sie sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingelassen, voraussichtlich an ihren Wahlvorschlägen festhalten. Deren erneute Ablehnung wie schon in den Sitzungen der Beklagten vom 9. November 2022 und 31. März 2023 ist hinreichend wahrscheinlich.
72Vor diesem Hintergrund fehlt der Klägerin auch nicht das ihr von der Beklagten abgesprochene allgemeine Rechtsschutzbedürfnis an der beantragten Feststellung.
73C. Die Klage ist mit dem Hauptantrag aber unbegründet. Der Beschluss der Beklagten über die Ablehnung des Umbesetzungsantrags Nr. 15/69/1 in der Sitzung der Beklagten vom 9. November 2022 war rechtmäßig.
74§ 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO (für den Landschaftsausschuss) sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW (für die Fachausschüsse) sind nicht dadurch verletzt, dass die Mitglieder der Landschaftsversammlung den Antrag Nr. 15/69/1 der Klägerin mehrheitlich abgelehnt haben und die Beklagte dieses Wahlergebnis ohne Durchführung eines Verständigungsverfahrens durch Beschluss festgestellt hat. Diese Vorschriften begründen keine „Pflichtwahl“ (dazu I.). Die wehrfähige Rechtsposition der Fraktion oder Gruppe ist darauf beschränkt, dass sie Kandidaten vorschlagen kann und die Wahl ordnungsgemäß, insbesondere frei von Rechtsmissbrauch, durchgeführt wird (dazu II.).
75I. § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW begründen - wie auch vom Verwaltungsgericht angenommen - keine Verpflichtung der einzelnen Mitglieder der Beklagten, eine von der Klägerin vorgeschlagene Person als Nachfolger eines ausgeschiedenen Ausschussmitglieds zu wählen oder sich zumindest mehrheitlich der Stimme zu enthalten, um die Wahl zu ermöglichen.
76Das folgt schon aus dem Wortlaut der Regelungen. Sowohl § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO als auch § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW sehen für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens eines Ausschussmitglieds oder Stellvertreters vor, dass die Landschaftsversammlung auf Vorschlag der Fraktion oder Gruppe, die den Ausgeschiedenen vorgeschlagen hatte, einen Nachfolger wählt. Die LVerbO und die GO NRW sehen damit ausdrücklich eine „Wahl“ und kein von einer Wahlentscheidung losgelöstes Benennungs- oder Besetzungsrecht der Fraktionen oder Gruppen vor. Diese Wahl kann nur eine freie sein. Wahlen zeichnen sich gerade durch die Freiheit der Entscheidung aus, wenngleich die Wählbarkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängen kann. Der mit einer Wahl einhergehende legitimatorische Mehrwert könnte nicht erreicht werden, wenn es eine Pflicht zur Wahl eines bestimmten Kandidaten gäbe.
77Vgl. zu Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Urteil vom 18. September 2024 - 2 BvE 1/20, 2 BvE 10/21 -, juris, Rn. 116, und Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 31, jeweils m. w. N.; zu § 1 Abs. 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Härtefallkommission: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2023 ‑ 3 Bf 250/21.Z -, juris, Rn. 38; zu § 24 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 106.
78Die Fraktion oder Gruppe hat lediglich ein Vorschlagsrecht. Dem Begriff des „Vorschlags“ ist immanent, dass er keine rechtliche Bindungswirkung hat.
79Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 37; zu Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und 6 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes Bayern: Bay. VerfGH, Entscheidung vom 18. Juli 2024 - Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 77; zu § 24 des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 124.
80Aus der Entstehungsgeschichte der oben genannten Vorschriften folgt nichts anderes. Die Regelungen über die Wahl von Nachfolgern ausgeschiedener Ausschussmitglieder wurden durch das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994 (GV. NRW 1994 S. 270) in § 35 Abs. 3 Satz 5 GO NRW a. F. (vgl. Art. I Nr. 23 Buchst. c) und § 10 Abs. 4 Satz 5 LVerbO a. F. (vgl. Art. III Nr. 7 Buchst. b) aufgenommen. Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs,
81vgl. LT-Drs. 11/4983, S. 32, 105 der dargestellten Änderungen sowie S. 14 und 34 der Begründung,
82sollten sie lediglich eine Regelungslücke schließen und die Nachfolge ohne einstimmigen Beschluss des Vertretungsgremiums oder Auflösung des Ausschusses mit anschließender Neuwahl sämtlicher Ausschussmitglieder ermöglichen. Sie verknüpfen die Fraktions- oder Gruppenzugehörigkeit des ausgeschiedenen Mitglieds mit der Berechtigung zum Vorschlag des Nachfolgers und sehen die „Wahl“ lediglich dieses Kandidaten vor.
83Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. November 2002 ‑ 15 A 662/02 -, juris, Rn. 23 ff.
84Anhaltspunkte, die dafürsprechen könnten, diese „Wahl“ solle verpflichtend ausgestaltet sein, ergeben sich daraus nicht. Der Sinnzusammenhang der vorgenommenen Änderungen spricht vielmehr für das Gegenteil. Gleichzeitig mit der Änderung des § 35 Abs. 3 GO NRW a. F. und des § 10 Abs. 4 LVerbO a. F. wurden die in § 35 Abs. 2 GO NRW a. F. und § 10 Abs. 3 LVerbO a. F. enthaltenen Regelungen des Wahlverfahrens (heute: § 50 Abs. 2 Satz 3 GO NRW, § 10 Abs. 4 Satz 3 LVerbO) um einen weiteren Satz ergänzt, wonach auch Nein-Stimmen als gültige Stimmen gelten (vgl. Art. I Nr. 23 Buchst. a, Art. 3 Nr. 7 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994). In der amtlichen Begründung heißt es dazu, durch diese Änderung werde die bisher umstrittene Frage der Gültigkeit von Nein-Stimmen, die insbesondere bei Wahlen mit nur einem vorgeschlagenen Kandidaten eine Rolle spiele, eindeutig geregelt.
85Vgl. LT-Drs. 11/4983, S. 14 der Begründung.
86Damit ging es dem Gesetzgeber erkennbar darum, selbst bei nur einem vorgeschlagenen Kandidaten eine freie, auch ablehnende Entscheidung des Gremiums ermöglichende Wahl sicherzustellen. Dafür, dass er den Begriff der „Wahl“ in dem nachfolgenden, gleichzeitig geänderten Absatz anders - im Sinne einer „Pflichtwahl“ oder eines Benennungs- oder Besetzungsrechts der Fraktion oder Gruppe - hätte verstanden wissen wollen, ist nichts ersichtlich.
87Im Übrigen hätte eine solche Absicht im Gesetzeswortlaut auch keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Rechtsstaatliche Anforderungen an die Normbestimmtheit gebieten, für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift auf den in ihr zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers abzustellen, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, nicht jedoch auf die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe. Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung regelmäßig nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die ansonsten nicht ausgeräumt werden können. In den Gesetzesmaterialien dokumentierte (etwaige) Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen können nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden.
88Vgl. BVerfG, Urteile vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299 (312) = juris, Rn. 56, und vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 -, BVerfGE 144, 20 (212 f.) = juris, Rn. 555, m. w. N.; VerfGH NRW, Beschluss vom 16. Juni 2020 - VerfGH 65/19-VB-3 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 21. März 2024 - 11 D 133/20.NE -, juris, Rn. 248.
89Der Objektivierung eines (etwaigen) gesetzgeberischen Willens, die Freiheit der Wahl einzuschränken, bedürfte es in § 35 Abs. 3 Satz 5 GO NRW a. F., § 10 Abs. 4 Satz 5 LVerbO a. F. (heute § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW, § 10 Abs. 5 LVerbO) auch mit Blick auf das Demokratieprinzip und das freie Mandat der Mitglieder der Landschaftsversammlung. Gemäß § 15 Abs. 1 LVerbO handeln die Mitglieder der Landschaftsversammlung ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung; an Aufträge sind sie nicht gebunden. Eine Wahlentscheidung ist in besonderem Maße Ausdruck einer individuellen Überzeugung. Dem freien Mandat der Mitglieder der Landesversammlung entspricht deshalb grundsätzlich die freie Wahl.
90Dass § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW und § 10 Abs. 5 LVerbO eine freie Wahl regeln, untermauert eine systematische Betrachtung. Denn sowohl die GO NRW als auch die LVerbO sehen für andere Ausschusspositionen keine „Wahl“, sondern ausdrücklich die (Nach-)Besetzung aufgrund einer „Benennung“ oder „Bestimmung“ durch die Fraktionen oder Gruppen vor. Gemäß § 12 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 LVerbO sind Fraktionen, die im Landschaftsausschuss nicht vertreten sind, berechtigt, ein Ratsmitglied oder einen sachkundigen Bürger zu „benennen“, das bzw. der von der Landschaftsversammlung zum beratenden Mitglied „bestellt“ wird. Eine entsprechende Regelung enthält § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NRW für die Ausschüsse des Rates. Scheidet ein Ausschussvorsitzender oder sein Stellvertreter während der Wahlperiode aus, „bestimmt“ die Fraktion, der er angehört, ein Ratsmitglied zum Nachfolger (§ 13 Abs. 4 Sätze 5 und 6 LVerbO, § 58 Abs. 5 Satz 5 und 6 GO NRW).
91Das Benennungsrecht nach § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NRW – und gerade keine Wahlregelung – war Gegenstand des von der Klägerin angeführten, durch Klagerücknahme beendeten Verfahrens 1 K 2692/22 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf.
92Vgl. VG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 15. August 2022 - 1 K 2692/22 -, abrufbar unter: https://www.vg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/archiv/2022/index.php (zuletzt abgerufen am 19. November 2024).
93Zu einer mit § 12 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 LVerbO und § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NRW vergleichbaren Regelung verhält sich auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung zur Rechtslage in Sachsen-Anhalt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 4. August 2023 - 3 A 180/20 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Oktober 2023 - 4 L 222/23.Z - geben für einen Anspruch auf eine - einem „Vorschlag“ verbindlich folgende - „Wahl“ nichts her. Diese Entscheidungen betreffen gerade keine „Wahl“-Regelung, sondern das die Vertretung bindende Recht der Fraktionen, sachkundige Einwohner als Mitglieder der beratenden Ausschüsse zu „benennen“ (§ 49 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 5 KVG LSA). Die sich danach ergebende Ausschussbesetzung stellt die Gemeindevertretung - gerade ohne Wahlakt - durch Beschluss fest (§ 49 Abs. 3 Satz 3 KVG LSA).
94Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Oktober 2023 - 4 L 222/23.Z -, juris, Rn. 9 ff.
95Schließlich führt die Auslegung nach dem Sinn und Zweck von § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO bzw. § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW nicht auf eine Verpflichtung der Beklagten, die als Nachfolger vorgeschlagene Person zu wählen. Eine solche Pflicht lässt sich insbesondere nicht mit dem Argument begründen, die Vorschriften dienten der Wahrung des Proportionalitätsprinzips und dem ihm inhärenten Minderheitenschutz.
96Vgl. so aber Plückhahn/Faber, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, GO, Stand: Juli 2024, § 50, Nr. 6.12, S. 34; van Bahlen/Clausmeyer, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, LVerbO, Stand: September 2023, § 12, Nr. 2, S. 3.
97Dabei kann dahinstehen, ob das Proportionalitätsprinzip im Sinne des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes für die Ausschüsse einer Landschaftsversammlung überhaupt gilt,
98vgl. dagegen: OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2011 - 15 A 693/11 -, juris, Rn. 6 ff.; VG Köln, Urteil vom 2. Februar 2011 - 4 K 915/10 -, juris, Rn. 79 f., 56 ff.; zur Wahl von Mitgliedern des Magistrats nach hessischem Recht: BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 8 C 18.08 -, juris, Rn. 22 ff.,
99denn jedenfalls stünde dieses Prinzip einer (Nach-)Besetzung im Wege der freien Wahl nicht entgegen. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt nicht absolut. Ein Wahlsystem kann und muss die Spiegelbildlichkeit nicht in letzter Konsequenz herstellen. Wird mit Mehrheit abgestimmt, ist ein bestimmtes Wahlergebnis nicht zu gewährleisten. Dem Proportionalitätsprinzip ist lediglich bei der Gestaltung des Wahlverfahrens Rechnung zu tragen.
100Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 1997 - 2 BvE 4/95 -, juris, Rn. 78; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 -, juris, Rn. 19 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 101; VG Köln, Urteil vom 17. Februar 2016 - 4 K 774/15 -, juris, Rn. 106.
101Dem ist durch das Vorschlagsrecht der Fraktionen oder Gruppen genügt.
102Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. März 2022 ‑ 2 BvE 9/20 - juris, Rn. 27, und vom 17. September 1997 - 2 BvE 4/95 -, juris, Rn. 78; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 ‑ 78/21 -, juris, Rn. 101.
103II. Das der Fraktion oder Gruppe nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW eingeräumte Vorschlagsrecht ist darauf beschränkt, dass sie im Sinne der formalen Gleichheit einen Nachfolgekandidaten zur Wahl stellen kann und dass diese Wahl ordnungsgemäß, insbesondere frei von Rechtsmissbrauch, durchgeführt wird.
104Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerfG, Urteile vom 14. Januar 1986 - 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84 -, juris, Rn. 150 m. w. N., und vom 18. September 2024 - 2 BvE 1/20, 10/21 -, juris, 133; zu § 24 des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes und der brandenburgischen Landesverfassung: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 130; zu Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und 6 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes Bayern und der bayerischen Landesverfassung: Bay. VerfGH Entscheidung vom 18. Juli 2024 - Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 77, 82.
1051. Die dem freien Mandat nach § 15 Abs. 1 LVerbO entsprechende freie Wahl ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Ein Wahlakt unterliegt grundsätzlich keiner über Verfahrensfehler und das Verbot des Rechtsmissbrauchs hinausgehenden gerichtlichen Kontrolle, weswegen sein Ergebnis auch keiner Begründung oder Rechtfertigung bedarf.
106Vgl. zu Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Urteil vom 18. September 2024 - 2 BvE 1/20, 2 BvE 10/21 -, juris, Rn. 116, 133, und Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 31, jeweils m. w. N.; zu § 1 Abs. 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Härtefallkommission: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2023 ‑ 3 Bf 250/21.Z -, juris, Rn. 38, 43; zu § 24 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 125.
107Eine gerichtliche Überprüfung einzelner Wahlergebnisse - oder auch mehrerer in ihrer Gesamtheit - darauf hin, ob die Ablehnung der vorgeschlagenen Person durch sachliche Gründe getragen ist, ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine freie Wahl ist dem politischen Prozess überantwortet, der sich einer rechtlichen Kategorisierung und Bewertung im Allgemeinen entzieht. Mit ihren Grundsätzen wäre es unvereinbar, wenn eine Fraktion oder Gruppe ein Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte, wenn die einzelnen Wahlberechtigten oder das wählende Gremium insgesamt verpflichtet wären, ihre Wahlentscheidung (nachträglich) zu begründen, und wenn die Entscheidung der Mehrheit grundsätzlich auf ihre Legitimität hin überprüfbar wäre. Auch Maßnahmen, die dazu führen würden, dass einzelne Wahlberechtigte unmittelbar oder mittelbar verpflichtet wären, ihre Wahlabsicht oder Stimmenabgabe - etwa in einem „formellen oder informellen Verständigungsverfahren“ - zu begründen, kommen nicht in Betracht.
108Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 33; zu § 24 des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes und der brandenburgischen Landesverfassung: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 125; zu Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und 6 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes Bayern und der bayerischen Landesverfassung: Bay. VerfGH Entscheidung vom 18. Juli 2024 - Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 78 f.
109Die Maßstäbe, die insbesondere das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. März 2022 im Zusammenhang mit der Wahl von Stellvertretern des Bundestagspräsidenten aufgestellt hat, sind auf die hier streitige Wahl von Mitgliedern der Ausschüsse einer Landschaftsversammlung übertragbar. Ob es sich um eine in der Verfassung vorgesehene Wahl handelt oder der Gesetzgeber auf einfachgesetzlicher Ebene eine Wahl geregelt hat, rechtfertigt keine unterschiedliche Bewertung.
110Vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 18. Juli 2024 - Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 79.
111Nichts anderes folgt aus der in § 15 Abs. 1 Satz 1 LVerbO vorausgesetzten Gesetzesbindung des freien Mandats der Mitglieder der Beklagten. Eine die Freiheit der Wahl und damit des Mandats einschränkende gesetzliche Regelung, aus der sich die rechtliche Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens ergeben könnte, hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, folgt eine solche Einschränkung aus § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW gerade nicht. Schon der Wortlaut der Regelungen gibt dafür, wie ausgeführt, nichts her. Mit Blick auf ihren Sinn und Zweck ist zwar richtig, dass den Vorschriften erkennbar die Absicht des Gesetzgebers zugrunde liegt, das durch die ursprüngliche Wahl der Ausschussmitglieder geschaffene Kräfteverhältnis der Fraktionen oder Gruppen nach dem Ausscheiden eines Mitglieds im Sinne des Proportionalitätsprinzips aufrechtzuerhalten. Das wird daraus deutlich, dass die einschlägigen Bestimmungen über das Vorschlagsrecht zur Nachbesetzung an die Gruppen- oder Fraktionszugehörigkeit des ausgeschiedenen Mitglieds im Zeitpunkt der ursprünglichen Wahl anknüpfen, mit der Folge, dass ein eventueller zwischenzeitlicher Austritt oder Wechsel des ausgeschiedenen Mitglieds unerheblich ist. Dieses Ziel verfolgt der Gesetzgeber, wie ausgeführt, aber nicht absolut, sondern lediglich mit einem Vorschlagsrecht der Fraktion oder Gruppe und macht es ausdrücklich abhängig von der (freien) Wahlentscheidung der Mitglieder der Landschaftsversammlung. Aus dem gleichen Grund ergibt sich eine Einschränkung der Wahlfreiheit auch nicht daraus, dass dem Gesetzgeber erkennbar in besonderer Weise daran gelegen gewesen sei, dass ein ausgeschiedenes Mitglied tatsächlich ersetzt werde, und er ein Freibleiben von Ausschusssitzen in § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 LVerbO nur für den Fall vorgesehen habe, dass die vorschlagsberechtigte Gruppe zu einem Vorschlag nicht in der Lage ist oder das ausgeschiedene Mitglied keiner Gruppe angehörte. Auch wenn der Gesetzgeber eine solche Absicht gehabt haben mag, hat er für die Nachbesetzung lediglich ein proportionales Vorschlagsrecht geregelt und sie ohne Einschränkung unter den Vorbehalt der Wahl gestellt. Gelingt eine Wahl nicht, bleibt die Position grundsätzlich unbesetzt, solange nicht ein von der vorschlagsberechtigten Fraktion oder Gruppe einzubringender Personalvorschlag die erforderliche Mehrheit erreicht.
112Vgl. BVerfG, Urteil vom 18. September 2024 ‑ 2 BvE 1/20, 2 BvE 10/21 -, juris, Rn. 119, und Beschluss vom 22. März 2022 ‑ 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 37.
113Diese Möglichkeit ist Wahlregelungen immanent. Es bestehen zumal keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Ausschüsse der Beklagten die ihnen übertragenen Aufgaben selbst unter diesen Bedingungen nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen könnten.
114Vgl. entsprechend BVerfG, Urteil vom 18. September 2024 - 2 BvE 1/20, 2 BvE 10/21 -, juris, Rn. 119, und Beschluss vom 22. März 2022 ‑ 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 37; Bay. VerfGH, Entscheidung vom 18. Juli 2024 ‑ Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 74.
115Darauf, dass die Beklagte im Fall der (noch) nicht gelungenen Nachbesetzung frei gewordener Sitze in den Fachausschüssen außerdem die von den Fraktionen getroffene Vertretungsregelung anwendet,
116vgl. zu dieser Möglichkeit jedenfalls für eine kurze Übergangzeit: Kallerhoff, in: Dietlein/Heusch, BeckOK KommunalR NRW, Stand: 1. Juni 2024, § 58 GO, Rn. 21, m. w. N.,
117kommt es nicht an.
1182. Vor diesem Hintergrund scheidet auch das vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 26. Januar 1996,
119vgl. zu § 16 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes und der sächsischen Landesverfassung: Sächs. VerfGH, Urteil vom 26. Januar 1996 ‑ Vf. 15-I-95 -, juris, Rn. 34 ff.; ebenso zu § 25 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes und der Thüringer Landesverfassung: Thüringer VerfGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 ‑ 106/20 -, juris, Rn. 36 ff.,
120als rechtlich verbindlicher Verfahrensschritt geforderte „formelle oder informelle Verständigungsverfahren“ aus, das die Wahlberechtigten unmittelbar oder mittelbar verpflichtete, ihre Wahlentscheidung oder Stimmabgabe offenzulegen oder zu begründen. Könnte eine Fraktion oder Gruppe im Wege solcher prozeduralen Vorkehrungen auch nur mittelbar bestimmte Kandidaten durchsetzen, ginge dies über ihr Vorschlagsrecht hinaus und wäre die gesetzlich geregelte Wahl ihres Sinns entleert.
121Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 33, 35; zu § 24 des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes und der brandenburgischen Landesverfassung: VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 - 78/21 -, juris, Rn. 129; zu § 25 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt und der Landesverfassung Sachsen-Anhalt, LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Dezember 2023 - LVG 30/22 -, juris, Rn. 100 ff.; zur Geschäftsordnung des baden-württembergischen Landtags und der baden-württembergischen Landesverfassung: VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Februar 2024 ‑ 1 GR 21/22 -, juris, Rn. 90; zu Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und 6 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes Bayern und der bayerischen Landesverfassung: Bay. VerfGH Entscheidung vom 18. Juli 2024 - Vf. 36-IVa-22 -, juris, Rn. 81; zum Hamburgischen Gesetz über die Härtefallkommission nach § 23a des Aufenthaltsgesetzes: OVG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2023 ‑ 3 Bf. 250/21.Z -, juris, Rn. 77.
122Es ist zudem nicht ersichtlich, welche konkreten verfahrensmäßigen Vorkehrungen geeignet wären sicherzustellen, dass die Ablehnung eines Kandidaten nicht aus „sachwidrigen“ Gründen erfolgt, ohne dadurch zugleich - ohne gesetzliche Grundlage - die Freiheit der Wahl und das freie Mandat (§ 15 LVerbO) einzuschränken.
123Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 34; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. September 2023 ‑ 78/21 -, juris, Rn. 128; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Dezember 2023 - LVG 30/22 -, juris, Rn. 102 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2023 - 3 Bf. 250/21.Z -, juris, Rn. 77.
124Demgegenüber kann nicht darauf verwiesen werden, die Wahl geeigneter Maßnahmen, „etwa im Rahmen eines formellen oder informellen Verständigungsverfahrens“, obliege der Beklagten.
125Vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 34.
1263. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat die Beklagte den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 LVerbO sowie § 10 Abs. 5 LVerbO i. V. m. § 50 Abs. 3 Satz 7 GO NRW genügt. Dafür, dass die von der Klägerin beanstandete mehrheitliche Ablehnung ihrer Wahlvorschläge verfahrensfehlerhaft oder rechtsmissbräuchlich erfolgt ist, gibt es keine Anhaltspunkte. Hinweise auf eine der formalen Gleichheit zuwiderlaufende Handhabung des Vorschlagsrechts der Klägerin oder auf eine unfaire oder illoyale Durchführung der Wahlvorgänge bestehen nicht.
127Vgl. zu diesen Ausprägungen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 - 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 45.
128Die Beklagte verfolgt gegenüber der Klägerin insbesondere keine generelle Blockadehaltung. Für eine treuwidrige Absicht, der Klägerin eine Nachbesetzung der ihr zustehenden Ausschusssitze unmöglich zu machen, gibt es keine belastbaren Anzeichen. Die Konstellation unterscheidet sich wesentlich von denjenigen, über die der Sächsische und der Thüringer Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hatten. Dort legten das Wahlverhalten der Plenumsmehrheit und die Äußerungen einzelner Wahlberechtigter ein treuwidriges Abstimmungsverhalten zumindest nahe.
129Vgl. Sächs. VerfGH, Urteil vom 26. Januar 1996 ‑ Vf. 15-I-95 -, juris, Rn. 4; Thüringer VerfGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 106/20 -, juris, Rn. 3 („dass ‚wir nach wie vor der Meinung sind, dass eine Partei wie die AfD […] nicht in eine Parlamentarische Kontrollkommission gehört‘ und dass ‚es völlig unerheblich [ist], welche Personen […] benannt werden‘“).
130Damit sind die vorliegenden Wahlvorgänge nicht vergleichbar. Bei den in der Sitzung der Beklagten vom 31. März 2023 durchgeführten Einzelwahlen hat die Plenumsmehrheit elf der insgesamt 14 von der Klägerin vorgeschlagenen Personen gewählt. Davon, dass die Beklagte die von der Klägerin vorgeschlagenen Kandidaten allein aufgrund ihrer Partei- und/oder Fraktionszugehörigkeit abgelehnt hat, kann keine Rede sein.
131Auch die Stellungnahmen, die Mitglieder der Beklagten zu den Wahlvorgängen abgegeben haben, geben für ein treuwidriges Verhalten nichts her. Die Einlassung des Mitglieds der Fraktion „Die FRAKTION“ in der Sitzung vom 9. November 2022 lässt Bedenken an der Eignung insbesondere zweier namentlich genannter Personen erkennen, die im Einzelnen begründet werden. Für eine Blockadehaltung, im Sinne einer Absicht, Personen allein deshalb nicht wählen zu wollen, weil sie von der Klägerin vorgeschlagen wurden, gibt diese Einlassung nichts her. Im Gegenteil lässt sie eine Bereitschaft erkennen, alternativ von der Klägerin vorzuschlagende Personen, „die weniger nah einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz stehen“, als sachkundige Bürger zu wählen. Entsprechendes gilt für die Erörterung des Wahlergebnisses in der Sitzung vom 31. März 2024. K. S. (SPD) erläuterte an die Klägerin gerichtet, die Mehrheit der Versammlung habe „als gute Demokraten“ dem Antrag Nr. 15/73 zugestimmt und damit die Bereitschaft dokumentiert, zu gewährleisten, dass bereits mandatierte Personen solche ersetzten, die ihr Mandat in einem bestimmten Ausschuss niedergelegt hätten. Bei dem abgelehnten Antrag Nr. 15/69 gehe es aber darum, bislang nicht mandatierten Personen erstmals ein Mandat als sachkundige Bürgerinnen und Bürger zu erteilen. Die Kommunalverfassung sehe „aus gutem Grund“ eine Wahl vor, und die Wahlberechtigten könnten nicht zur Wahl gezwungen werden, wenn - wie hier - Personen vorgeschlagen würden, die „bislang nicht viel mit der Einhaltung demokratischer Prinzipien und Gepflogenheiten zu tun“ gehabt hätten. Dazu verweise er „auch“ auf eine Veröffentlichung im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom selben Tag. Deshalb gelte: „Umbesetzung ja, mit diesen bislang mandatslosen Personen nein“. Diese Ausführungen fanden ausweislich der Niederschrift den Beifall der Fraktionen von SPD, CDU, der Grünen, der Linken und der FRAKTION. S. F. (CDU) - auch jeweils unter Beifall der genannten Fraktionen - verwies auf das freie Mandat und ebenfalls auf den angeführten Zeitungsartikel, der eine verfassungsfeindliche Gesinnung zweier der vorgeschlagenen Personen zum Ausdruck bringe. Es obliege der Klägerin, als sachkundige Bürger Personen vorzuschlagen, die „im guten Sinne Mitglied einer Landschaftsversammlung sein wollen“ und sich der demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlten. D. C2. (Grüne) erklärte, sie könne sich, auch im Namen ihrer Fraktion, den Ausführungen der Versammlungsmitglieder S. und F. „100%ig anschließen“. Sie übe die Wahl im Sinne des freien Mandats nach ihrem Gewissen aus. Die von der Klägerin vorgeschlagenen Personen halte sie nicht für geeignet, ein Mandat in einer Landschaftsversammlung zu übernehmen.
132Die Klägerin ging auf diese Stellungnahmen nicht im Einzelnen ein. Eines ihrer (vorschlagsgemäß gewählten) Mitglieder erklärte im Wesentlichen, die Sondersitzung sei nur einberufen worden, um der Klägerin zu schaden. Die vorgeschlagenen Umbesetzungen sollten - so sehe es auch die Aufsichtsbehörde - nicht erneut verhindert werden. Damit hat gerade die Klägerin, nicht die Beklagte, eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Ziel einer den Interessen der Landschaftsversammlung dienenden Konfliktlösung verweigert. Dieser Eindruck wird durch die Angaben der Landesdirektorin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestärkt. Sie hat ausgeführt, dass zur Vorbereitung von Beschlussfassungen auch Gespräche mit den einzelnen Fraktionen stattfänden, wenn diese einen entsprechenden Bedarf anmeldeten. Die Klägerin habe vor keinem der Wahlvorgänge ein solches Gespräch initiiert.
133III. Die Ablehnung des Umbesetzungsantrags Nr. 15/69/1 in der Sitzung der Beklagten vom 9. November 2022 verstößt ferner nicht gegen den von der Klägerin angeführten, (auch) im Verhältnis der kommunalen Organe und Organteile zueinander geltenden Grundsatz der Organtreue.
134Die Pflicht zur Organtreue wurzelt in dem verfassungsrechtlichen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sowie in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Daraus folgt die Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns,
135vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2021 - 15 A 2079/19 -, juris, Rn. 56 f., m. w. N.,
136insbesondere der Blockade oder Behinderung anderer Organe und Organteile. Positiv gewendet verpflichtet der Grundsatz der Organtreue sämtliche Organe und Organteile, sich loyal zu verhalten, gegenseitig Rücksicht zu nehmen und ihre jeweiligen Kompetenzen so auszuüben, dass der rechtliche Status der anderen Organe oder Organteile geachtet und deren Willensbildung in dem durch Rechtsvorschriften gebildeten Rahmen zur Entfaltung gebracht wird.
137Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Mai 2022 - 1 K 1296/21 -, juris, Rn. 51, 59.
138Für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen auch in diesem Sinne fehlt es, wie ausgeführt, an tragfähigen Anhaltspunkten.
139IV. Ebenso nicht festzustellen ist die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung eines aus dem Demokratieprinzip und der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gewaltenteilung folgenden Rechts auf effektive Opposition.
140Vgl. dazu: BVerfG, Urteil vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14 -, juris, Rn. 85 ff., m. w. N.
141Auch in dieser Ausprägung geht der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Minderheit nicht dahin, diese vor Sachentscheidungen der Mehrheit und den Ergebnissen freier Wahlen zu bewahren.
142Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 ‑ 2 BvE 9/20 -, juris, Rn. 41 ff.
143D. Aus den vorstehenden Gründen ist der zulässige Hilfsantrag der Klägerin ebenfalls unbegründet.