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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Antragsteller begehrt im Wege der Normenkontrolle die Feststellung, dass die wegen der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2022 in Kraft gewesenen Schutzmaßnahmen bei Versammlungen im Freien unwirksam waren. Zu dieser Zeit veranstaltete der Antragsteller nach eigenen Angaben in Nordrhein-Westfalen regelmäßig Versammlungen.
3Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) erließ am 3. Dezember 2021 die auf die §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 3 bis 8 i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 6 und 24 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) gestützte Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) (GV. NRW. S. 1246b). Diese Coronaschutzverordnung – im Folgenden: CoronaSchVO a. F. – wurde in der Folgezeit mehrfach geändert, zuletzt durch Änderungsverordnung vom 29. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1464a). Die danach gültige Fassung enthielt unter anderem folgende Regelungen:
4„§ 3
5Maskenpflicht
6(1) An folgenden Orten ist mindestens eine medizinische Maske (sogenannte OP-Maske) zu tragen:
7[…]
83. im Freien bei Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes mit mehr als 750 Personen,
9[…]“
10„§ 4
11Zugangsbeschränkungen, Testpflicht
12(1) 1Die folgenden Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten dürfen aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse über die in § 1 Absatz 3 genannten Faktoren nur noch von immunisierten oder getesteten Personen in Anspruch genommen, besucht oder als Teilnehmenden ausgeübt werden:
13[…]
141.a. Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes im öffentlichen Raum im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 Teilnehmenden unter Ausnahme von solchen Versammlungen, bei denen voraussichtlich die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern sichergestellt ist,
15[…]“
16Die Verordnung trat nach § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO a. F. mit Ablauf des 12. Januar 2022 außer Kraft.
17Am 11. Januar 2022 erließ das MAGS die wiederum auf die §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 3 bis 8 i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 6 und 24 IfSG gestützte neue Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) (GV. NRW. S. 2b). Die Neufassung der Coronaschutzverordnung trat am 13. Januar 2022 in Kraft und war ursprünglich bis zum 9. Februar 2022 befristet (vgl. § 9 Abs. 1 CoronaSchVO). Sie regelte unter anderem:
18„§ 3
19Maskenpflicht
20(1) 1An folgenden Orten ist mindestens eine medizinische Maske (sogenannte OP-Maske) zu tragen:
21[…]
222Darüber hinaus richtet sich im Freien bei Veranstaltungen und Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske nach der Zugangsregelung für die jeweilige Veranstaltung oder Versammlung gemäß den folgenden Maßgaben:
2331. Haben alle Personen unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis Zugang zu der Veranstaltung oder Versammlung, ist mindestens eine medizinische Maske zu tragen.
2442. Haben nur getestete oder immunisierte Personen Zugang zu der Veranstaltung oder Versammlung ist nur bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern mindestens eine medizinische Maske zu tragen.
2553. Haben nur immunisierte Personen Zugang, besteht keine Pflicht zum Tragen einer Maske, sondern es gelten nur die Empfehlungen nach § 2 Absatz 1.
266Die für die Veranstaltung oder Versammlung verantwortlichen Personen haben die teilnehmenden Personen über die geltenden Regelungen zu informieren und bei Verstößen auf die Einhaltung hinzuweisen.
27(2) Abweichend von Absatz 1 kann auf das Tragen einer Maske ausnahmsweise verzichtet werden
28[…]
299. zur notwendigen Einnahme von Speisen und Getränken,
3010. in sonstigen Fällen, wenn das Ablegen der Maske unter Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern nur wenige Sekunden dauert,
3111. bei der Kommunikation mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen,
32[…]
3312a. bei Vortragstätigkeiten unter Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen sowie bei anderen Tätigkeiten, die nur ohne das Tragen einer Maske ausgeübt werden können (Spielen von Blasinstrumenten und ähnliches),
34[…]
3516. von Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können; das Vorliegen der medizinischen Gründe ist durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, welches auf Verlangen vorzulegen ist.
36(3) 1Kinder bis zum Schuleintritt sind von der Verpflichtung zum Tragen einer Maske ausgenommen. 2Soweit Kinder vom Schuleintritt bis zum Alter von 13 Jahren aufgrund der Passform keine medizinische Maske tragen können, ist ersatzweise eine Alltagsmaske zu tragen.
37(4) Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Maske nicht beachten, sind von der Nutzung der betroffenen Angebote, Einrichtungen und Dienstleistungen durch die für das Angebot, die Einrichtung oder Dienstleistung verantwortlichen Personen auszuschließen.“
38„§ 4
39Zugangsbeschränkungen, Testpflicht
40(1) 1Die folgenden Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten dürfen nur noch von immunisierten oder getesteten Personen in Anspruch genommen, besucht oder als Teilnehmenden ausgeübt werden:
41[…]
421a. Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes im öffentlichen Raum im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 Teilnehmenden,
43[…]
44(4) 1Beschäftigte, ehrenamtlich eingesetzte und andere vergleichbare Personen, die in den in Absatz 1 bis 3 genannten Bereichen tätig sind und dabei Kontakt zu Gästen, Kundinnen und Kunden oder Nutzerinnen und Nutzern der Angebote oder untereinander haben, müssen immunisiert oder getestet sein. […]
45[…]
46(6) 1Die Nachweise einer Immunisierung oder negativen Testung sind bei allen Personen in den Absätzen 1 bis 3 genannten Einrichtungen und Angeboten von den für diese Einrichtungen und Angebote verantwortlichen Personen oder ihren Beauftragten zu kontrollieren und mit einem amtlichen Ausweispapier abzugleichen. 2Bei Kindern und Jugendlichen, die noch nicht über ein amtliches Ausweispapier verfügen, genügt ersatzweise die Glaubhaftmachung der Identität durch Erklärung und Ausweispapier der Eltern, Schülerausweis oder ähnliches. 3Zur Überprüfung digitaler Impfzertifikate soll die vom Robert Koch-Institut herausgegebene CovPassCheck-App verwendet werden. 4Die Kontrollen müssen grundsätzlich beim Zutritt erfolgen; eine alternative vollständige Kontrolle aller Personen erst innerhalb der Einrichtungen oder des Angebots ist nur auf der Grundlage eines dokumentierten und überprüfbaren Kontrollkonzeptes zulässig. 5Bei der Inanspruchnahme oder Ausübung dieser Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten sind der jeweilige Immunisierungs- oder Testnachweis und ein amtliches Ausweispapier mitzuführen und auf Verlangen den jeweils für die Kontrolle verantwortlichen Personen vorzuzeigen. 6Personen, die den erforderlichen Nachweis und den Identitätsnachweis nicht vorzeigen, sind von der Nutzung oder Ausübung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Angebote, Einrichtungen, Veranstaltungen und Tätigkeiten durch die für das Angebot, die Einrichtung oder Veranstaltung verantwortlichen Personen auszuschließen.
47[…]
48(7) 1Bei Schülerinnen und Schülern ab 16 Jahren wird der Testnachweis durch eine Bescheinigung der Schule ersetzt. 2Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren gelten aufgrund ihres Alters als Schülerinnen und Schüler und benötigen weder einen Testnachweis noch eine Schulbescheinigung.
49(8) 1Wenn eine Zugangskontrolle bei Veranstaltungen oder Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes im Freien aufgrund des Veranstaltungscharakters nicht erfolgen kann, haben die für die Veranstaltung verantwortlichen Personen auf das Erfordernis eines Immunitätsnachweises beziehungsweise eines Immunitäts- oder Negativtestnachweises in Einladungen und durch Aushänge hinzuweisen und nachweislich stichprobenartige Überprüfungen durchzuführen. 2In dem Hygienekonzept der Veranstaltung muss auch die Umsetzung der Kontrollpflichten dargestellt werden; Veranstalter und Behörde stimmen auf dieser Grundlage ein Zusammenwirken ihrer Kontrollen ab.
50[…]“
51Die nachfolgenden Änderungen der Coronaschutzverordnung durch Änderungsverordnungen vom 15. Januar 2022 (GV. NRW. S. 24a), 19. Januar 2022 (GV. NRW. S. 24b), 2. Februar 2022 (GV. NRW. S. 48a), 3. Februar 2022 (GV. NRW. S. 48b), 8. Februar 2022 (GV. NRW. S. 48c) – mit der auch die Geltungsdauer bis zum 9. März 2022 verlängert wurde –, 16. Februar 2022 (GV. NRW. S. 100a), 18. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122a) und 25. Februar 2022 (GV. NRW. S. 146a) betrafen inhaltlich nicht die vorzitierten Regelungen.
52Mit der Änderungsverordnung vom 2. März 2022 (GV. NRW. S. 160a), in Kraft getreten am 4. März 2022, verlängerte das MAGS die Geltungsdauer der Verordnung bis zum 19. März 2022. Zugleich hob es § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 CoronaSchVO auf und gab § 4 CoronaSchVO – soweit hier von Relevanz – folgende Fassung:
53„§ 4
54Zugangsbeschränkungen, Testpflicht
55(1) 1Die folgenden Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten dürfen nur noch von immunisierten oder getesteten Personen in Anspruch genommen, besucht oder als Teilnehmenden ausgeübt werden:
56[…]
571a. Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes im öffentlichen Raum im Freien bei gleichzeitig mehr als 1 000 Teilnehmenden, wobei die zuständige Behörde eine Ausnahme von der Zugangsvoraussetzung zulassen kann, wenn dafür die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske angeordnet wird,
58[…]
59(4) 1Beschäftigte, ehrenamtlich eingesetzte und andere vergleichbare Personen, die in den in Absatz 1 und 3 genannten Bereichen tätig sind und dabei Kontakt zu Gästen, Kundinnen und Kunden oder Nutzerinnen und Nutzern der Angebote oder untereinander haben, müssen immunisiert oder getestet sein. […]
60[…]
61(6) 1Die Nachweise einer Immunisierung oder negativen Testung sind bei allen Personen in den Absätzen 1 und 3 genannten Einrichtungen und Angeboten von den für diese Einrichtungen und Angebote verantwortlichen Personen oder ihren Beauftragten zu kontrollieren und mit einem amtlichen Ausweispapier abzugleichen. 2Zur Überprüfung digitaler Impfzertifikate soll die vom Robert Koch-Institut herausgegebene CovPassCheck-App verwendet werden. 3Die Kontrollen müssen grundsätzlich beim Zutritt erfolgen; eine alternative vollständige Kontrolle aller Personen erst innerhalb der Einrichtungen oder des Angebots ist nur auf der Grundlage eines dokumentierten und überprüfbaren Kontrollkonzeptes zulässig. 4Bei der Inanspruchnahme oder Ausübung dieser Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten sind der jeweilige Immunisierungs- oder Testnachweis und ein amtliches Ausweispapier mitzuführen und auf Verlangen den jeweils für die Kontrolle verantwortlichen Personen vorzuzeigen. 5Personen, die den erforderlichen Nachweis und den Identitätsnachweis nicht vorzeigen, sind von der Nutzung oder Ausübung der in den Absätzen 1 und 3 genannten Angebote, Einrichtungen, Veranstaltungen und Tätigkeiten durch die für das Angebot, die Einrichtung oder Veranstaltung verantwortlichen Personen auszuschließen.
62[…]
63(7) 1Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren sind von den Anforderungen der vorstehenden Absätze ausgenommen. 2Sie werden jedoch bei der Ermittlung der höchstens zulässigen Anzahl von gleichzeitig anwesenden oder teilnehmenden Personen mitberücksichtigt.
64(8) 1Wenn eine Zugangskontrolle bei Veranstaltungen oder Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes im Freien aufgrund des Veranstaltungscharakters nicht erfolgen kann, haben die für die Veranstaltung verantwortlichen Personen auf das Erfordernis eines Immunitätsnachweises beziehungsweise eines Immunitäts- oder Negativtestnachweises in Einladungen und durch Aushänge hinzuweisen und nachweislich stichprobenartige Überprüfungen durchzuführen. 2In dem Hygienekonzept der Veranstaltung muss auch die Umsetzung der Kontrollpflichten dargestellt werden; Veranstalter und Behörde stimmen auf dieser Grundlage ein Zusammenwirken ihrer Kontrollen ab.
65[…]“
66Die weitere Änderungsverordnung vom 9. März 2022 (GV. NRW. S. 250a) ließ die vorstehenden Regelungen unberührt. Mit der nachfolgenden Änderungsverordnung vom 18. März 2022 (GV. NRW. S. 286a) wurde § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO mit Wirkung vom darauffolgenden Tag aufgehoben. Entsprechend der mit dieser Änderungsverordnung ebenfalls geregelten Verlängerung der Geltungsdauer trat die Coronaschutzverordnung mit Ablauf des 2. April 2022 außer Kraft.
67Der Antragsteller suchte bereits zwischenzeitlich am 7. Januar 2022 um vorläufigen Rechtsschutz nach. Seinen Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 (Sätze 2 bis 4) CoronaSchVO, soweit die Regelungen die Maskenpflicht für Versammlungen nach Art. 8 GG im Freien betreffen, sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO vorläufig außer Vollzug zu setzen, lehnte der Senat mit Beschluss vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE - ab. Das Bundesverfassungsgericht nahm die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 25. Januar 2022 - 1 BvR 159/22 - nicht zur Entscheidung an.
68Der Antragsteller hat ebenfalls bereits am 7. Januar 2022 den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Den ursprünglich (sinngemäß) auf die Feststellung der Unwirksamkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO a. F. zielenden Antrag hat der Antragsteller nach deren Außerkrafttreten und dem Inkrafttreten der Neufassung umgestellt und auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 (Sätze 2 bis 4) CoronaSchVO, soweit die Regelungen die Maskenpflicht für Versammlungen nach Art. 8 GG im Freien betreffen, sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO bezogen.
69Zur Begründung des Normenkontrollantrags trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor:
70Der auch nach Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften weiterhin zulässige Antrag sei begründet. Die Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien habe die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verletzt. Die Regelung sei unverhältnismäßig gewesen. Es sei bereits fraglich, ob die Maskenpflicht zur Verringerung der Infektionsgefahren geeignet gewesen sei. Ihr Nutzen sei wissenschaftlich nicht erwiesen gewesen. Zudem habe die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung im Freien nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen gegen Null tendiert. Jedenfalls habe es an der Erforderlichkeit der Regelung gefehlt, weil das Einhalten eines Mindestabstands von 1,5 Metern ein milderes, ebenso wirksames Mittel dargestellt habe. Auch hätte ein Aufruf zum freiwilligen Maskentragen erfolgen können. Dieser hätte zwar bei den Teilnehmern von Demonstrationen gegen die Corona-Politik mutmaßlich nur geringe Erfolgsaussichten gehabt. Der angestrebte Gesamtnutzen hätte gleichwohl zu einem erheblichen Teil erreicht werden können, weil dem Aufruf erwartbar eine relevante Zahl jener Bürgerinnen und Bürger Folge geleistet hätte, die die Corona-Maßnahmen für (weitgehend) angemessen erachtet hätten. Dies sei zumindest im Rahmen der Angemessenheit zu berücksichtigen gewesen. Die nur vage Aussicht auf einen geringen positiven Effekt habe den Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen können, weil dieser nicht bloß vollkommen geringfügig gewesen sei. Der Eingriff in die Grundrechte sei vielmehr von einigem Gewicht gewesen. Durch die Maskenpflicht sei das Recht der Teilnehmer, das eigene äußere Erscheinungsbild selbstverantwortlich zu bestimmen, beeinträchtigt worden. Hiermit seien neben Erschwernissen bei der ungehinderten Atmung Einschränkungen unter anderem in der Kommunikation und sozialen Interaktion einhergegangen, da die Maske die untere Gesichtshälfte verdeckt habe. Diese Beeinträchtigung sei von Relevanz, weil die Möglichkeit einer offenen Kommunikation als Mittel der kollektiven Meinungskundgabe den Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit betreffe. Der Kernbereich der Versammlungsfreiheit sei bei sich gegen die Maskenpflicht richtenden Versammlungen wesentlich betroffen gewesen, da die Teilnehmer hierzu gerade die Maßnahme zu befolgen gehabt hätten, der der Protest gegolten habe. Dies habe sie einem innerpsychischen Konflikt ausgesetzt.
71Die Zugangsbeschränkung für bestimmte Versammlungen auf immunisierte, d. h. insbesondere geimpfte, oder getestete Personen habe Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. PCR-Tests seien nicht für diagnostische Zwecke zugelassen und ungeeignet gewesen, eine akute Virusinfektion bzw. die Ansteckungsfähigkeit eines Patienten nachzuweisen. Letzteres habe auch das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin 39/2020 vom 24. September 2020 mit der Feststellung eingeräumt, dass der mittels PCR-Untersuchung erfolgte Nachweis des SARS-CoV-2-Genoms keinen unmittelbaren Beleg der Ansteckungsfähigkeit eines Patienten darstelle. Nach den dortigen Angaben des RKI hätten Daten auf ein Verhältnis von 10:1 bis 100:1 zwischen genomischer SARS-CoV-2-RNA und infektiösen Viruspartikeln hingewiesen. Laut RKI habe es zwingend weiterer diagnostischer Schritte bedurft, um eine mögliche Ansteckungsfähigkeit abzuschätzen. Es sei also wahrscheinlich gewesen, dass von 100 positiv getesteten Personen nur einige wenige infektiös gewesen seien. Dies hätten auch Zahlen des RKI aus dem Epidemiologischen Bulletin 2/2021 vom 14. Januar 2021 bestätigt, wonach von 30 Millionen getesteten Personen lediglich 750.000, also 2,5 Prozent, typische Symptome einer Viruserkrankung aufgewiesen hätten. Zudem habe nach Angaben des RKI der positive Vorhersagewert, d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem positiven Testergebnis tatsächlich infiziert sei, lediglich 28,78 Prozent betragen. Auch die World Health Organization (WHO) habe vor dem erhöhten Risiko „falscher“ PCR-Testergebnisse gewarnt und darauf hingewiesen, dass ein positives Testergebnis durch weitere Erhebungen zu untermauern sei. Die fehlende Eignung der PCR-Tests sei zudem durch zahlreiche – im Einzelnen benannte – Hersteller und Experten sowie Studien bestätigt worden. Daraus folge zugleich, dass sich durch einen PCR-Test kein „Krankheitsverdächtiger“ oder „Ansteckungsverdächtiger“ im Sinne von § 2 Nr. 5 bzw. 7 IfSG ermitteln lasse.
72Auch die den Zugang zu den Versammlungen ermöglichende COVID-19-Impfung sei ungeeignet gewesen und habe keine Ungleichbehandlung geimpfter und ungeimpfter Personen rechtfertigen können. Eine Impfung habe weder vor einer Infektion bzw. Erkrankung geschützt noch zu einer sterilen Immunität (Immunität, bei der ein Krankheitserreger durch die immune Person nicht an Dritte weitergegeben werden kann) geführt. Nach damaligen Angaben des RKI habe nicht genau quantifiziert werden können, in welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziere. Zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 habe das RKI einen Satz von seiner Homepage entfernt, wonach durch die Impfung das Risiko einer Virusübertragung in dem Maße reduziert werde, dass Geimpfte zur Weiterverbreitung des Virus nur noch wenig beitrügen. Nach wissenschaftlicher Datenlage habe bezüglich der Ansteckungsgefahr kein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften bestanden. Eine wissenschaftliche Studie der Universität Harvard sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen steigenden COVID-19-Fällen und der Impfquote keine Korrelation bestehe. Zahlreiche – konkret benannte – Meldungen, auch des RKI, hätten „Impfdurchbrüche“ bestätigt. Asymptomatisch Infizierte hätten einen besseren Schutz als geimpfte Personen aufgewiesen. Impfungen seien auch nicht nötig gewesen, um das Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu retten, weil jederzeit ausreichend Intensivbetten zur Verfügung gestanden hätten. Dieser auch durch renommierte Wissenschaftszeitungen bestätigten geringen Wirksamkeit der Impfung hätten deutlich überwiegende Risiken gegenübergestanden. Aus Statistiken zur Übersterblichkeit habe sich ergeben, dass die Impfungen mindestens drei- bis viermal so tödlich gewesen seien wie COVID-19. Die Impfungen hätten sich auch sonst negativ auf die Volksgesundheit ausgewirkt. Es sei nicht absehbar gewesen, welche Schäden die Impfungen langfristig verursachen könnten. Der Impfstoff von Pfizer/BioNTech habe Inhaltsstoffe enthalten, deren Verwendung nicht den rechtlichen Vorgaben entsprochen habe. Eine Studie habe deren Ungeeignetheit sowie besondere Gefährlichkeit belegt. Es sei nicht tragbar gewesen, Menschen unter diesen Umständen einem Impfdruck auszusetzen. Dies habe erst recht mit Blick darauf gegolten, dass die Impfungen bei der seinerzeit aktuellen, deutlich ungefährlicheren Omikron-Variante eine noch geringere Wirksamkeit gezeigt hätten. Hinzu komme, dass jeder Zugang zu der Impfung gehabt habe, sich also eigenverantwortlich habe entscheiden können, den vermeintlichen oder tatsächlichen Schutz in Anspruch zu nehmen oder nicht. Im Falle der Wirksamkeit der Impfung seien Ungeimpfte nicht schutzwürdig gewesen; im Falle der Unwirksamkeit habe kein Anlass für eine Ungleichbehandlung bestanden.
73Die angegriffenen Regelungen beruhten auf politischer Willkür, nicht auf medizinischen Gegebenheiten. Das RKI sei eine politisch abhängige obere Bundesbehörde, die nicht auf medizinischer Grundlage, sondern aufgrund von politischen Weisungen entschieden habe. Dies belegten die – auszugsweise beigefügten – RKI-Protokolle.
74Der Antragsteller beantragt,
75festzustellen, dass § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 (GV. NRW. S. 2b) in den bis zum 3. März 2022 geltenden Fassungen, soweit die Regelungen die Maskenpflicht für Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes im Freien betrafen, unwirksam war,
76festzustellen, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 (GV. NRW. S. 2b) in den bis zum 18. März 2022 geltenden Fassungen unwirksam war.
77Der Antragsgegner beantragt,
78den Antrag abzulehnen.
79Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Gründe des Beschlusses des erkennenden Senats vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE - im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
80Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des zugehörigen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes 13 B 33/22.NE, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie der mit gerichtlicher Verfügung vom 10. Oktober 2024 benannten Erkenntnisquellen Bezug genommen.
81Entscheidungsgründe:
82Der Normenkontrollantrag ist zulässig – A. –, aber unbegründet – B. –.
83A. Der Antrag ist zulässig.
84I. Die Antragsänderung in Form der Umstellung des zunächst gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a der Coronaschutzverordnung vom 3. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1246b) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1464a) gerichteten Antrags auf § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 der Coronaschutzverordnung vom 11. Januar 2022 (GV. NRW. S. 2b) – im Folgenden: CoronaSchVO – in den bis zum 3. März 2022 geltenden Fassungen, soweit die Regelungen die Maskenpflicht für Versammlungen nach Art. 8 GG im Freien betrafen, sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO in den bis zum 18. März 2022 geltenden Fassungen ist nach § 91 Abs. 1 VwGO analog infolge konkludenter Zustimmung des Antragsgegners im Sinne von § 91 Abs. 2 VwGO zulässig. Unabhängig davon ist sie auch sachdienlich, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt.
85II. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthaft. Bei der Coronaschutzverordnung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende andere Rechtsvorschrift, für deren Überprüfung das Oberverwaltungsgericht in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO zuständig ist.
86III. Der Antragsteller ist antragsbefugt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Er hat hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffenen Rechtsvorschriften bzw. deren Anwendung in einer eigenen Rechtsposition verletzt wurde.
87Vgl. dazu z. B. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2019 ‑ 3 BN 2.18 ‑, juris, Rn. 11.
88Der Antragsteller veranstaltete nach eigenen Angaben in dem Zeitraum, in dem die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Rechtsvorschriften in Kraft waren, in Nordrhein-Westfalen regelmäßig Versammlungen. Da die Regelungen Voraussetzungen für die Veranstaltung von bzw. Teilnahme an Versammlungen aufstellten, erscheint es auf der Grundlage seines Vortrags zumindest als möglich, dass der Antragsteller hierdurch jedenfalls in seiner Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) verletzt war.
89IV. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die angegriffenen Vorschriften nicht mehr in Kraft sind. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Verordnungsregelungen unwirksam gewesen sind.
90Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann.
91Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 -, juris, Rn. 16, und vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 13 f., m. w. N.
92Danach ist ein schützenswertes Interesse des Antragstellers an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen anzuerkennen. Die in den Coronaverordnungen enthaltenen Ge- oder Verbote sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie typischerweise auf kurze Geltung angelegt sind mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft treten, bevor ihre Rechtmäßigkeit in Verfahren der Hauptsache abschließend gerichtlich geklärt werden kann.
93Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Februar 2022 ‑ 1 BvR 1073/21 -, juris, Rn. 25, vom 15. Juli 2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris, Rn. 9, und vom 3. Juni 2020 - 1 BvR 990/20 -, juris, Rn. 8.
94Dies trifft auch auf die verfahrensgegenständlichen Regelungen zu, die lediglich vom 13. Januar bis zum 3. bzw. 18. März 2022 galten. Zudem macht der Antragsteller mit seinem bereits während der Geltungsdauer der angegriffenen Verordnungsregelungen anhängig gewesenen Normenkontrollantrag Beeinträchtigungen insbesondere seines Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG geltend, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelungen rechtfertigt.
95B. Der Normenkontrollantrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO im hier angegriffenen Umfang sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO unwirksam waren. Die Regelungen beruhten auf einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage – I. – und waren formell – II. – und materiell rechtmäßig – III. –.
96I. Rechtsgrundlage für die verfahrensgegenständlichen Regelungen war § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 und 4 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der zuletzt durch Artikel 1 und 2 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5162) geänderten Fassung.
97Nach § 32 Satz 1 IfSG können die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Sie können gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG unter anderem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.
98Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs.1 Satz 1 und 2 IfSG unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs.1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite auch – wie hier gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO – (Nr. 3) die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) und (Nr. 4) die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in den oder bei den in § 28a Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 genannten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen sein, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind. Hierzu gehören auch die in § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG („Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzüge[n], Versammlungen sowie religiöse[n] oder weltanschauliche[n] Zusammenkünfte[n]“) genannten (Aufzüge und) Versammlungen,
99vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, in: BT-Drs. 20/15, S. 30; Bericht des Hauptausschusses, in: BT-Drs. 20/89, S. 13,
100für die § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO entsprechende Zugangsbeschränkungen vorsieht.
101Diese Ermächtigungsgrundlage genügte zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt den aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an Regelungstiefe und Bestimmtheit. Dies hat der Senat bereits mehrfach hinsichtlich § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 IfSG für die im November 2020 sowie im Frühjahr 2021 geltenden Fassungen entschieden.
102Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 2024 ‑ 13 D 37/21.NE -, juris, Rn. 76 ff., m. w. N.
103Hier gilt nichts Anderes. Auch der Antragsteller erhebt insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
104II. Die Coronaschutzverordnung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen.
1051. Das MAGS war für ihren Erlass zuständig. § 32 Satz 1 IfSG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung ermächtigte die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Diese Ermächtigung konnten die Landesregierungen nach Satz 2 der Vorschrift auf andere Stellen übertragen. Von dieser Befugnis hat die Landesregierung durch § 13 IfSBG-NRW vom 14. April 2020 (GV. NRW. S. 218b) in der zuletzt durch Gesetz vom 26. November 2021 (GV. NRW. S. 1193d) geänderten Fassung – ein verordnungsvertretendes Gesetz i. S. v. Art. 80 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GG – Gebrauch gemacht.
1062. Die verfahrensgegenständliche Verordnung war auch mit der nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 IfSG erforderlichen allgemeinen Begründung versehen. Die Begründungspflicht dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, und damit insbesondere der Verfahrensrationalität und der Legitimationssicherung. Sie soll als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleisten. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen, ohne dass insoweit eine empirische und umfassende Erläuterung geschuldet wäre. Sie ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen.
107Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, in: BT-Drs. 19/24334, S. 74; siehe dazu BVerwG, Urteil vom 18. April ‑ 3 CN 7.22 -, juris, Rn. 19.
108Diesen Anforderungen war Genüge getan. In der auf der Homepage des MAGS veröffentlichten fortgeschriebenen Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 11. Januar 2022 erläuterte der Verordnungsgeber zur seinerzeit herrschenden Infektionslage, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen damit zu rechnen sei, dass sich die Omikron-Variante zeitnah flächendeckend durchsetze. Damit einher gehe ein deutlicher Anstieg der 7-Tages-Inzidenz mit der Folge, dass trotz einer reduzierten Hospitalisierungsrate das Risiko einer Überlastung des Gesundheitswesens und der kritischen Infrastruktur erneut ansteige. Das RKI schätze die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt als sehr hoch ein. Es sei mit einer schlagartigen Erhöhung der Infektionszahlen zu rechnen. Vor diesem Hintergrund müsse es weiterhin darum gehen, die Infektionsrisiken möglichst effizient zu begrenzen. Da nach allen bisher verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen auch bei der Omikron-Variante eine Impfung zumindest einen erheblichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen biete, seien bei immunisierten Personen nach wie vor geringere Schutzmaßnahmen vertretbar und geboten. Allerdings seien zur Begrenzung einer unkontrollierten Ausbreitung der Omikron-Variante weiterhin auch für immunisierte Personen in besonders risikobehafteten Situationen zusätzliche Beschränkungen erforderlich. Bei der Maskenpflicht handele es sich um eine der elementaren Schutzpflichten, die wegen der in besonderem Maße ansteckenden Omikron-Variante unter bestimmten Umständen sowie unter Beachtung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch im Freien geregelt werde. Bei der Ausgestaltung der Zugangsbeschränkungen, insbesondere in Form von 2G- und 3G-Regelungen, sei nicht nur dem Infektionsrisiko, sondern vor allem auch der Bedeutung der geregelten Bereiche Rechnung getragen worden.
109Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 1 ff., 18 ff., 23 ff., abrufbar unter
110https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf.
111Zu nachfolgenden Änderungsverordnungen führte der Verordnungsgeber aus, der langsamen und fortschreitenden Entspannung des Infektionsgeschehens solle durch ein stufenweises Vorgehen Rechnung getragen werden, das Lockerungen der Schutzmaßnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsehe. Es solle gerade in Anbetracht des nach wie vor bestehenden Risikos steigender Hospitalisierungszahlen vorsichtig und schrittweise vorgegangen werden, um die durch die ergriffenen Schutzmaßnahmen erzielten Erfolge nicht zu gefährden.
112Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 4 ff., abrufbar unter
113https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf.
1143. Die verfahrensgegenständliche Verordnung genügte auch dem gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG entsprechend geltenden Befristungserfordernis aus § 28a Abs. 5 IfSG. Danach ist die zeitliche Geltungsdauer von einer auf Grundlage des § 32 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 und § 28a Absatz 1 IfSG erlassenen Verordnung zeitlich zu befristen, wobei die Geltungsdauer grundsätzlich vier Wochen beträgt und verlängert werden kann. Diese Vorgabe ist dem Umstand geschuldet, dass die Regelungen unter Berücksichtigung der neuen Entwicklungen der Coronapandemie fortgeschrieben werden müssen. Dabei ist stets unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots und unter Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen zu prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen noch aufrechtzuerhalten sind oder eine Lockerung verantwortet werden kann.
115Vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 74.
116Diese Vorgaben wurden eingehalten. Die Coronaschutzverordnung vom 11. Januar 2022 (GV. NRW. S. 2b) war gemäß ihrem § 9 Abs. 1 zunächst bis zum 9. Februar 2022 befristet. In der Folgezeit wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung der Pandemieentwicklung im hier maßgeblichen Zeitraum zwei Mal, aber jeweils nicht länger als um vier Wochen, verlängert.
117Durch Art. 1 Nr. 6a der Änderungsverordnung vom 8. Februar 2022 (GV. NRW. S. 48c) bis zum 9. März 2022 und Art. 1 Nr. 8a der Änderungsverordnung vom 2. März 2022 (GV. NRW. S. 160a) bis zum 19. März 2022.
118III. Die angegriffenen Regelungen waren auch materiell rechtmäßig. Die sich aus § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 und 3 i. V. m. Abs. 3 und 6 IfSG ergebenden materiellen Voraussetzungen waren erfüllt – 1. –. Sowohl § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO im hier angegriffenen Umfang – 2. – als auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO – 3. – waren (auch sonst) mit höherrangigem Recht vereinbar.
1191. Die sich aus § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 und 3 i. V. m. Abs. 3 und 6 IfSG ergebenden materiellen Voraussetzungen waren erfüllt
120a) Voraussetzung für den Erlass von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten ist gemäß § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden (vgl. § 2 Nr. 4 bis 7 IfSG) oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Diese Voraussetzung lag sowohl bei Erlass als auch während der gesamten Geltungsdauer der hier zu beurteilenden Verordnungsregelungen vor. Bei der Coronavirus-Krankheit COVID-19 handelt es sich um eine übertragbare Krankheit gemäß § 2 Nr. 3 IfSG. Das SARS-CoV-2-Virus hatte sich auch im Frühjahr 2022 noch in ganz Nordrhein-Westfalen verbreitet, so dass dort unter anderem eine Vielzahl hieran erkrankter Personen festgestellt worden war.
121b) Dass der Verordnungsgeber nach § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG nur notwendige Schutzmaßnahmen erlassen durfte, stellte keine zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung dar, sondern unterstrich die Geltung des ohnehin zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 -, juris, Rn. 12.
123Nichts Anderes gilt für den Verweis in § 28a Abs. 7 Satz 1 CoronaSchVO darauf, dass die gewählte Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich sein muss.
124c) Die angegriffenen Schutzmaßnahmen standen auch in Einklang mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 28a Abs. 3 IfSG, der hier gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG entsprechend galt. Dies gilt selbst dann, wenn die verfahrensgegenständlichen Regelungen nicht als Maßnahme zum präventiven Infektionsschutz im Sinne von § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG, sondern als weitergehende Schutzmaßnahme im Sinne von § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG zu qualifizieren waren.
125Nach § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG sollen weitergehende Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. Wesentlicher Maßstab für weitergehende Schutzmaßnahmen ist nach Satz 4 insbesondere die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Weitere Indikatoren wie die unter infektionsepidemiologischen Aspekten differenzierte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen sollen gemäß Satz 5 bei der Bewertung des Infektionsgeschehens berücksichtigt werden.
126Nach diesen Vorgaben war es weder geboten, dass der Verordnungsgeber – wie dies andere Bundesländer gemacht haben – ein an die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz geknüpftes Stufenmodell wählen musste, noch verlangte § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG, dass die Infektionsschutzmaßnahmen zwingend abhängig von einer bestimmten Hospitalisierungsinzidenz sind. Der Bundesgesetzgeber ließ dem Verordnungsgeber weitreichenden Spielraum hinsichtlich der Art und Weise der Berücksichtigung der 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz, indem er – anders als noch in der bis zum 14. September 2021 geltenden Fassung des § 28a Abs. 3 IfSG für die 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen – keine Vorgaben machte, bei welcher Hospitalisierungsinzidenz Maßnahmen welchen Umfangs oder welcher Intensität zu treffen sind.
127Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. März 2022 - 13 B 28/22.NE -, juris, Rn. 27, vom 2. März 2022 - 13 B 195/22.NE -, juris, Rn. 33 und vom 18. Februar 2022 - 13 B 203/22.NE -, juris, Rn. 29; siehe zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2022 - 13 B 16/22.NE -, juris, Rn. 39 ff.
128Die vom Verordnungsgeber bei der Entscheidungsfindung herangezogenen Faktoren entsprachen hiernach den durch § 28a Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 IfSG vorgegebenen Maßstäben. In Einklang mit den oben genannten Vorgaben würdigte der Verordnungsgeber im Rahmen seiner fortlaufend aktualisierten Begründung zur Coronaschutzverordnung jeweils insbesondere die aktuelle Belastungssituation in den Krankenhäusern – auch unter Berücksichtigung von Personalausfällen – sowie die allgemeine Infektionslage. Dabei richtete er besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Infektionszahlen in den älteren Altersgruppen, die ein erhöhtes Risiko hatten, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Dass er insoweit Infektionsschutzmaßnahmen auch unter Berücksichtigung des Umstands noch aufrechterhalten hat, dass die seinerzeitige Infektionsentwicklung und die Zahl der COVID-Patientinnen und -Patienten in den Krankenhäusern erwarten ließen, dass es bei Beibehaltung grundsätzlicher Schutzmaßnahmen nicht mehr zu einer Überlastung der Kliniken und der kritischen Infrastruktur kommen würde, stellt noch keinen Widerspruch zu den Vorgaben aus § 28a Abs. 3 IfSG dar, da hierdurch ein plötzlicher Wiederanstieg der Infektionszahlen vermieden werden sollte, bei dem insbesondere zu befürchten gewesen wäre, dass in der Folge auch die Krankenhausbelegung erheblich ansteigen würde.
129Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 1 ff., abrufbar unter
130https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf.
131Vor diesem Hintergrund war die Hospitalisierungsinzidenz – unabhängig von einer durch den Bundesgesetzgeber vorgegebenen Mindesthöhe – während der gesamten Geltungsdauer der hier zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Verordnungsregelungen wesentlicher Maßstab für die ergriffenen Schutzmaßnahmen.
1322. Die Maskenpflicht nach § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO war im hier angegriffenen Umfang (auch sonst) mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere Art. 8 Abs. 1 GG – a) –, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – b) –, Art. 2 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 Abs. 1) GG – c) – und Art. 3 Abs. 1 GG – d) –.
133a) Die in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO geregelte Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien verletzte nicht die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.
134(aa) Allerdings griff die Regelung in den Schutzgehalt von Art. 8 Abs. 1 GG ein.
135Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.
136Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. November 2020 - 1 BvQ 135/20 -, juris, Rn. 6, m. w. N.
137Die in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO normierte Verpflichtung, während einer für alle Personen zugänglichen Versammlung jederzeit sowie im Falle des auf getestete oder immunisierte Personen beschränkten Zugangs nur bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern (mindestens) eine medizinische Maske (sogenannte OP-Maske) zu tragen, stellte aufgrund ihrer zugangsbeschränkenden Wirkung (vgl. § 3 Abs. 4 CoronaSchVO) sowie zusätzlich auch deshalb einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar, weil sie im Falle der Befolgung die Art des Auftretens der Versammlungsteilnehmer einschränkte.
138Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 306 ff.
139(bb) Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit durch § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
140Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann die Versammlungsfreiheit für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter zulässig, zu denen insbesondere das Grundrecht Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehört. Insoweit trifft den Staat überdies eine grundrechtliche Schutzpflicht, in deren Kontext auch zahlreiche zur Bekämpfung der Coronapandemie von Bund, Ländern und Gemeinden ergriffene Infektionsschutzmaßnahmen standen. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens erforderlich machte, konnten zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden. Als solche kam auch eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Betracht.
141Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. August 2020 ‑ 1 BvQ 94/20 -, juris, Rn. 14, 16; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 312 ff., jeweils m. w. N.
142Dies vorausgeschickt stellten die auf Grund von § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 IfSG erlassenen Regelungen zur Maskenpflicht in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO eine verfassungsgemäße Schranke der Freiheit, sich unter freiem Himmel zu versammeln, dar. Insbesondere waren sie verhältnismäßig.
143(aaa) Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Regelungen zur Verfolgung der durch die Verordnungsermächtigung vorgegebenen Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen waren, kam dem Verordnungsgeber beim Erlass von Infektionsschutzregeln zur Bekämpfung einer neuartigen globalen Pandemie ein Einschätzungsspielraum zu. Es ist zu überprüfen, ob die zugrundeliegenden Annahmen auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruhen. Je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten des Normgebers, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, kann die gerichtliche Kontrolle dabei von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Geht es um schwerwiegende Grundrechtseingriffe, dürfen Unklarheiten in der Bewertung von Tatsachen grundsätzlich nicht ohne Weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen. Jedoch kann sich auch die Schutzpflicht des Staates auf dringende verfassungsrechtliche Schutzbedarfe beziehen. Sind wegen Unwägbarkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnislage die Möglichkeiten des Verordnungsgebers begrenzt, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, genügt es daher, wenn er sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert. Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kommt es nicht auf die tatsächliche spätere Entwicklung an, sondern lediglich darauf, ob die Prognose des Verordnungsgebers sachgerecht und vertretbar war. Voraussetzung dafür ist nicht, dass es – z. B. bei der Frage der Wirkung einer Maßnahme – hierfür zweifelsfreie empirische Nachweise gibt. Eine zunächst verfassungskonforme Regelung kann allerdings später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen nicht mehr tragen. Fehlt ein gesicherter Erkenntnisstand, kann sich die Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers mit der Zeit auch dadurch verengen, dass er nicht hinreichend für einen Erkenntnisfortschritt Sorge trägt. Je länger eine unter Nutzung von Prognosespielräumen geschaffene Regelung in Kraft ist und sofern der Verordnungsgeber fundiertere Erkenntnisse hätte erlangen können, umso weniger kann er sich auf seine ursprünglichen, unsicheren Prognosen stützen.
144Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 188 ff., mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einem solchen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers sowie dazu, dass diese Grundsätze auf den Verordnungsgeber zu übertragen sind.
145Ob die Prognosen des Verordnungsgebers in der erforderlichen Weise auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruhten und das Prognoseergebnis plausibel war, unterliegt dabei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung.
146Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 ‑ 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 59 (zur Eignung).
147Aufschluss darüber, ob der Verordnungsgeber widerspruchsfrei und auch sonst plausibel seinen Spielraum ausgeübt hat, hat regelmäßig die von § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG geforderte allgemeine Begründung zu geben,
148vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 ‑ 3 CN 2.21 -, juris, Rn. 19; siehe auch VerfGH NRW, Beschluss vom 18. Februar 2022 ‑ 20/22.VB-2 -, juris, Rn. 71,
149ohne dass die gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsvorschriften auf die dort angeführten Gesichtspunkte beschränkt ist,
150vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2024 - 3 CN 7.22 -, juris, Rn. 19.
151(bbb) Unter Zugrundelegung des aufgezeigten Prüfungsmaßstabs war die verfahrensgegenständliche Regelung verhältnismäßig. Sie verfolgte einen legitimen Zweck – (1) – und war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet – (2) –, erforderlich – (3) – und angemessen – (4) –.
152(1) Die Maskenpflicht nach § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO diente einem legitimen Zweck.
153Der Verordnungsgeber verfolgte mit den in der Coronaschutzverordnung vom 11. Januar 2022 erlassenen Maßnahmen einschließlich der in der verfahrensgegenständlichen Vorschrift geregelten Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien nach der oben bereits näher wiedergegebenen Verordnungsbegründung,
154vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 1 ff., abrufbar unter
155https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf,
156im Einklang mit der Verordnungsermächtigung (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG) das Ziel, angesichts der bevorstehenden flächendeckenden Ausbreitung der Omikron-Variante das Infektionsgeschehen einzudämmen, um nachhaltig Gefahren für Leben und Gesundheit und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems abzuwenden. Der Schutz dieser überragend wichtigen Gemeinwohlbelange ist zudem – nach dem ebenfalls bereits oben Ausgeführten – ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.
157Die Annahme des Verordnungsgebers, es habe eine erhebliche Gefahrenlage für diese Schutzgüter bestanden, die sein Handeln erforderlich machte, beruhte auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen.
158Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass Deutschland seit Anfang November 2021 von der vierten Infektionswelle der Pandemie erfasst worden war, die Zahlen von nahezu 500 Infektionen sowie über 13 Hospitalisierungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen („7-Tage-Inzidenz“ bzw. „Hospitalisierungen“), eine Intensivbettenauslastung von knapp unter 90 % sowie bis zu 2.500 wöchentliche COVID-19-Todesfälle mit sich gebracht brachte.
159Vgl. zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 ‑, juris, Rn. 157 f.; siehe ferner die entsprechenden, auf Daten des RKI beruhenden Übersichten auf der vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Website https://infektionsradar.gesund.bund.de/de/covid.
160Kurz vor dem Jahreswechsel lag die 7-Tage-Inzidenz mit über 200 Infektionsfällen noch immer auf einem auch in den vorangegangenen drei Pandemiewellen kaum erreichten Niveau.
161Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 28., 29. und 30. Dezember 2021, jeweils S. 1, abrufbar unter
162https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2021/Archiv_Dez_2021.html?nn=13490888.
163Unmittelbar vor Erlass der Coronaschutzverordnung vom 11. Januar 2022 berichtete das RKI sodann, dass sich der (infolge des Auslaufens der vierten Delta-Welle) zuletzt abnehmende Trend der wöchentlichen Fallzahlen in der 52. Kalenderwoche (des Jahres 2021) nicht weiter fortgesetzt habe. Insbesondere in den nordwestlichen Bundesländern seien z. T. deutliche Anstiege der Fallzahlen zu verzeichnen gewesen. Der hohe Infektionsdruck in der Bevölkerung bleibe bestehen. Die Belastung der Intensivstationen sei durch die Vielzahl schwer an COVID-19 erkrankter Personen weiterhin hoch. Es könne weiterhin zu regionalen Kapazitätsengpässen im intensivmedizinischen Bereich kommen. In der 52. Kalenderwoche sei in Deutschland immer noch der überwiegende Anteil der Infektionen durch die Delta-Variante verursacht worden. Allerdings steige die Zahl und der Anteil der Fälle mit Infektion durch die besorgniserregende Variante Omikron in den letzten Wochen sehr rasch an. In den nächsten Wochen werde mit einer starken Zunahme von Infektionen mit der auch bei Geimpften und Genesenen leichter übertragbaren Omikron-Variante gerechnet. Erste Studien deuteten auf einen geringeren Anteil an Hospitalisierten im Vergleich zu Infektionen mit der Delta-Variante bei Infizierten mit vollständiger Impfung bzw. Auffrischimpfung hin. Für eine abschließende Bewertung der Schwere der Erkrankungen durch die Omikron-Variante sei die Datenlage aber noch nicht ausreichend. Das RKI schätzte die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Ursächlich hierfür sei das Auftreten und die rasante Verbreitung der Omikron-Variante, die sich nach derzeitigem Kenntnisstand (aus anderen Ländern) deutlich schneller und effektiver verbreite als die bisherigen Virusvarianten. Dadurch sei mit einer schlagartigen Erhöhung der Infektionsfälle zu rechnen und es könne zu einer schnellen Überlastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche kommen. Die Infektionsgefährdung wurde für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesenen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt. Diese Einschätzung könne sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.
164Vgl. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 6. Januar 2022, S. 3, abrufbar unter
165https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-01-06.pdf?__blob=publicationFile.
166Durfte hiernach der Verordnungsgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung einen dringenden Handlungsbedarf zum Schutz der genannten Rechtsgüter annehmen, so änderte sich daran auch im weiteren Verlauf der Geltungsdauer der hier zu überprüfenden Verordnungsregelung bis zum 4. März 2022 nichts.
167Mitte Februar 2022 lag die 7-Tage-Inzidenz bei rund 1.500, die Zahl der Hospitalisierungen insgesamt bei gut sechs Fällen pro 100.000 Einwohnern, innerhalb der Altersgruppe ab 60 Jahren bei knapp zwölf. Im Verhältnis zum Vortag wurden weitere rund 240 Personen als verstorben gemeldet.
168Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 10. Februar 2022, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-10-de.pdf?__blob=publicationFile.
169Das RKI konstatierte, dass sich Deutschland mit mehr als eine Million in der 5. Kalenderwoche 2022 gemeldeten Neuinfektionen mitten in der fünften Welle der COVID-19-Pandemie befinde, der Höhepunkt sei noch nicht erreicht. Es herrsche weiter ein hoher Infektionsdruck in der Bevölkerung. Die Hospitalisierungsinzidenzen und die Belegungskapazitäten im Intensivregister zeigten, dass es in den letzten Wochen nicht zu einer Entspannung nach Ausklingen der vierten (Delta‑)Welle gekommen sei. Stattdessen bleibe die Zahl der Krankenhaus-Neuaufnahmen auf einem konstanten Niveau bzw. steige zuletzt wieder an. Dieser, durch die aktuelle (Omikron-)Welle bedingte, Anstieg sei allerdings im Verhältnis zum Anstieg der Fallzahlen und Neuinfektionen eher moderat und schwächer als in den ersten vier COVID-19-Wellen. Dies sei einerseits auf die gegen schwere Krankheitsverläufe sehr gut wirksame Impfung und andererseits auf die grundsätzlich geringere Krankheitsschwere bei Infektionen durch die Omikron-Variante zurückzuführen. Aktuell könne eine mögliche hohe Belastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche durch weiter steigende Erkrankungszahlen noch nicht vollkommen ausgeschlossen werden.
170Vgl. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 10. Februar 2022, S. 3, abrufbar unter
171https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-10.pdf?__blob=publicationFile.
172In seinem letzten vor Aufhebung von § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO veröffentlichten „Wöchentlichen Lagebericht“,
173vgl. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 24. Februar 2022, S. 3, abrufbar unter
174https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-24.pdf?__blob=publicationFile,
175berichtete das RKI, in der 7. Kalenderwoche 2022 seien erneut über eine Million COVID-19-Fälle übermittelt worden, der Scheitelpunkt der fünften Welle der COVID-19-Pandemie scheine aber überschritten. In nahezu allen Bundesländern seien die Inzidenzen wieder gesunken. Es herrsche jedoch weiterhin ein sehr hoher Infektionsdruck in der Bevölkerung. Die Hospitalisierungsinzidenzen und die Belegungskapazitäten im Intensivregister zeigten, dass es in den letzten Wochen zu einem erneuten Anstieg der Neuaufnahmen gekommen sei, der allerdings im Verhältnis zur Höhe der Fallzahlen und Neuinfektionen moderat und schwächer als in den ersten vier COVID-19-Wellen sei. Die Belastung der ITS-Bettenkapazität sei im Vergleich zur Vorwoche nahezu unverändert, weiter hoch. Die Omikron-Variante sei in Deutschland die dominierende SARS-CoV-2-Variante, wobei der Anteil der Sublinie BA.1 derzeit 75 % betrage und der Anteil von BA.2 weiter angestiegen sei auf 24 %. Aufgrund der leichteren Übertragbarkeit der Omikron-Sublinie BA.2 könne eine deutlich langsamere Abnahme oder erneute Zunahme der Fallzahlen nicht ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Faktor für den weiteren Verlauf sei, wie stark infektionsrelevante Kontakte im Rahmen der geplanten Lockerungen zunehmen.
176Zu dieser Zeit war die 7-Tage-Inzidenz auf 1.265 Fälle pro 100.000 Einwohner gesunken. Die Zahl der Hospitalisierungen insgesamt wie auch innerhalb der Altersgruppe ab 60 Jahren sowie die Anzahl der im Verhältnis zum Vortag als verstorben gemeldeten Personen entsprach im Wesentlichen den am 10. Februar 2022 vom RKI mitgeteilten Werten.
177Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 24. Februar 2022, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-24-de.pdf?__blob=publicationFile.
178Auch wenn damit spätestens Ende Februar 2022 nach Einschätzung des RKI eine Überlastung des Gesundheitssystems und weiterer Versorgungsbereiche nicht mehr konkret drohte, musste der Verordnungsgeber Infektionsschutzmaßnahmen nicht für entbehrlich halten. Er durfte vielmehr von der Volatilität der Infektionszahlen sowie davon ausgehen, dass das seinerzeitige, insgesamt etwas weniger kritische Infektionsniveau nicht naturgegeben durch ein ungehindertes Infektionsgeschehen erreicht, sondern voraussichtlich maßgeblich durch Infektionsschutzmaßnahmen beeinflusst worden war, es demnach zur Verhinderung eines plötzlichen Wiederanstiegs der Infektionszahlen und der damit verbundenen Gefahren für das Gesundheitssystem insgesamt jedenfalls vorübergehend noch der Beibehaltung von Schutzmaßnahmen bedurfte. Zudem durfte der Verordnungsgeber berücksichtigen, dass aufgrund der nach den vom RKI mitgeteilten Daten weiterhin massiven Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit gerade für die besonders gefährdete Gruppe vulnerabler Personen fortbestand, die sich nach der seinerzeitigen Erkenntnislage angesichts eines reduzierten und schneller abnehmenden Impfschutzes allenfalls eingeschränkt gegen eine Infektion schützen konnten.
179Vgl. zur Gefahrenlage sowie zur Schutzbedürftigkeit vulnerabler Personen im Zeitraum zwischen Dezember 2021 und April 2022 auch BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 ‑, juris, Rn. 157 ff., 161 ff., 164, 217 f., 228 f., 240 f.
180Der Verordnungsgeber durfte sich bei der Beurteilung der Infektionslage auch insbesondere auf die vom RKI – der gemäß § 4 IfSG nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen – ausgewerteten Erkenntnisse stützen. Durch seine Aufgabe, die Erkenntnisse zu einer übertragbaren Krankheit durch Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren, verfügt es über eine besondere fachliche Expertise bei der Risikoeinschätzung und -bewertung einer übertragbaren Krankheit.
181Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 178; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 55 ff., sowie Beschluss vom 7. Juli 2022 ‑ 1 WB 2.22 -, juris, Rn. 90.
182Dessen Bewertungen durften vom Verordnungsgeber wie ein Sachverständigengutachten bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Auch die Gerichte dürfen ihre Feststellungen hierauf gründen. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn die Erkenntnisse und Bewertungen des RKI, auf die sich der Verordnungsgeber gestützt hatte, nach der maßgeblichen ex ante-Sicht auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufgewiesen hätten.
183Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 57.
184Solche hat weder der Antragsteller dargelegt noch sind sie ansonsten ersichtlich. Zur Begründung solcher Mängel kann der Antragsteller sich nicht erfolgreich auf den Inhalt der – für den hier relevanten Zeitraum zwar (noch) nicht vom RKI auf seiner Internetseite veröffentlichten, sondern von externer Stelle zum Download angebotenen (vgl. https://rki-transparenzbericht.de/), aber wohl echten,
185vgl. VG Osnabrück, Vorlagebeschluss vom 3. September 2024 - 3 A 224/22 -, juris, Rn. 115; siehe zum Inhalt der Protokolle im Einzelnen ebd., Rn. 118 ff.,
186und vom Antragsteller auszugsweise vorgelegten – Protokolle des Krisenstabs des RKI stützen. Auf deren Inhalt käme es nur an, wenn diese Protokolle dem Verordnungsgeber bei Erlass der streitgegenständlichen Verordnung zugänglich gewesen wären.
187Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. September 2024 - 13 D 236/20.NE -, juris, Rn. 116, und vom 29. Mai 2024 - 13 D 261/20.NE -, juris, Rn. 130; in diesem Sinne auch OVG M.-V., Urteil vom 16. April 2024 - 1 K 779/20 OVG -, juris, Rn. 49; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. April 2024 - 1 S 278/23 -, juris, Rn. 417.
188Hiervon ist allerdings mit Blick darauf, dass es sich um rein interne, ursprünglich nicht zur Veröffentlichung vorgesehene Protokolle gehandelt hat, nicht auszugehen. Entsprechend hat auch der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass der Verordnungsgeber von den Protokollen und ihrem Inhalt keine Kenntnis hatte. Im Übrigen ergeben sich aber auch bei einer Sichtung der vom Antragsteller vorgelegten sowie in der Entscheidung des VG Osnabrück wiedergegebenen Protokollinhalte aus dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Hinweise darauf, dass die der Beurteilung der Gefährdungslage zugrunde liegenden maßgeblichen Erkenntnisse etwa zur Entwicklung der Infiziertenzahlen, zur Altersstruktur unter den Infizierten, zur Art der Ausbruchsgeschehen, zur Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten, zur Anzahl der intensivmedizinisch behandelten und der verstorbenen Personen etc. fehlerhaft waren. Solche konkreten Anhaltspunkte hat auch der Antragsteller nicht aufgezeigt.
189(2) Die verfahrensgegenständliche Maskenpflicht war auch geeignet, um die aufgezeigten Zwecke zu verfolgen. Für die Eignung genügt bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den Normzweck zu erreichen. Die Eignung setzt insbesondere entgegen der (sinngemäßen) Auffassung des Antragstellers nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt.
190Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 185 f., m. w. N.
191Die Eignungsprognose des Verordnungsgebers muss allerdings auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruhen und das Prognoseergebnis plausibel sein.
192Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 ‑ 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 59.
193Dies war der Fall. Der Verordnungsgeber ging ausweislich der Begründung,
194vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 18 f., abrufbar unter
195https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf,
196davon aus, dass auch im Freien Infektionsgefahren durch Tröpfchen- und Aerosolübertragungen bestehen, wenn Menschen gehäuft auf engem Raum zusammenkommen und dort für einen gewissen Zeitraum verweilen, denen mit dem Tragen einer Maske entgegengewirkt werden kann.
197Diese Eignungsprognose ist nicht zu beanstanden. Sie beruhte auf der von wissenschaftlichen Erkenntnissen des RKI gedeckten Grundannahme, dass sich das Coronavirus bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Aerosole werden nach den vom RKI zusammengestellten Erkenntnissen beim Atmen und Sprechen, aber noch stärker beim Schreien und Singen, ausgeschieden; beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich vermehrt größere Partikel. Neben einer steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zu einer verstärkten Freisetzung beitragen. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln jeglicher Größe im Umkreis von ein bis zwei Metern um eine infektiöse Person herum erhöht. Eine Maske (Mund-Nasen-Schutz oder Mund-Nasen-Bedeckung) kann das Risiko einer Übertragung durch Partikel jeglicher Größe im unmittelbaren Umfeld um eine infizierte Person reduzieren.
198Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Ziffer 2: Übertragungswege, Stand: 26. November 2021, abrufbar unter
199https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888#doc13776792bodyText2.
200Das höchste Infektionsrisiko besteht demnach bei direktem Kontakt ohne weiteren Schutz. Befindet sich eine Person ungeschützt in der Atemwolke einer infizierten Person in einem Abstand von 1,5 Metern, besteht bereits nach fünf Minuten eine Ansteckungswahrscheinlichkeit von 100 %. Es ist hierbei unerheblich, ob die Situation im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfindet, wobei Luftbewegungen, die die Luft von der infizierten Person wegblasen, die Übertragungswahrscheinlichkeit senken.
201Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 193, unter Auswertung der im dortigen Verfahren eingeholten Stellungnahmen sachkundiger Dritter.
202Demgemäß hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Mund-Nasen-Bedeckungen geeignet waren, Infektionsrisiken zu reduzieren.
203Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. Mai 2024 - 13 D 37/21.NE -, juris, Rn. 280 ff., und vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 239 ff., jeweils m. w. N. auch zur wissenschaftlichen Erkenntnislage.
204Dies gilt auch für Versammlungen im Freien, bei denen das Ansteckungsrisiko durch direkten Kontakt ebenfalls in besonderem Maße besteht. Die Dynamiken in einer großen Menschenmenge gewährleisten nicht die Einhaltung von Mindestabständen zwischen den Teilnehmern. Im Übrigen kann auch bei Versammlungen mit geringeren Teilnehmerzahlen nicht stets und hinreichend verlässlich davon ausgegangen werden, dass die erforderlichen Mindestabstände eingehalten werden. Da die Teilnehmer auch bei kleineren Versammlungen regelmäßig laut rufen bzw. singen, können sie verstärkt Aerosole ausstoßen, die bei Unterschreitung des Mindestabstands zu Ansteckungen gegenüber anderen Teilnehmern, aber auch gegenüber Dritten führen können.
205Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 320 ff., m. w. N.; siehe zum Infektionsrisiko bei Großveranstaltungen im Freien ferner OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2022 - 13 B 203/22.NE -, juris, Rn. 67 ff.
206Dem setzt der Antragsteller nichts Durchgreifendes entgegen. Anders als er unter Bezugnahme auf das in einem Bußgeldverfahren ergangene Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 5. August 2021 - 2 Cs 12 Js 47757/20 -, juris, meint, tendiert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung im Freien nicht gegen Null. Vielmehr hat auch der im dortigen Verfahren vom Amtsgericht befragte Sachverständige gerade bei größeren Menschenansammlungen mit geringen Abständen im Freien eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 jedenfalls dann nicht mit letzter Gewissheit ausschließen können, wenn sich Personen für längere Zeit unmittelbar dicht gegenüberstehen und hierbei beim Sprechen, Niesen oder Husten winzige Viruspartikel durch die Atemluft ausstoßen (Rn. 68). Dass das Ansteckungsrisiko – wissenschaftlich unstreitig – in Innenräumen deutlich höher ist, ändert daran nichts.
207(3) Die in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO geregelte Maskenpflicht war auch erforderlich. Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen.
208Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 203, m. w. N.
209Die Einschätzung des Verordnungsgebers, die angegriffene Maßnahme sei während ihrer Geltungsdauer erforderlich gewesen, ist nicht zu beanstanden. Zunächst handelt es sich bei der Maskenpflicht um ein Mittel, das seinerseits milder war als eine Untersagung von Versammlungen oder die Beschränkung des Zugangs zu ihnen auf immunisierte und/oder getestete Personen bzw. durch die Vorgabe einer Höchstteilnehmerzahl. Der Verordnungsgeber hat seinen Einschätzungsspielraum auch nicht dadurch überschritten, dass er sich nicht auf die Anordnung eines Mindestabstandsgebots bzw. darauf beschränkt hat, die Verpflichtung zum Tragen einer Maske auch in Fällen, in denen alle Personen unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis Zugang zu der Versammlung haben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO), nur bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern anzuordnen. Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber aus Effektivitätsgründen in einem gewissen Umfang typisieren und pauschalieren darf. Er durfte daher in Rechnung stellen, dass es sich bei (auch ortsfesten) Versammlungen typischerweise um ein dynamisches Geschehen handelt, das auf Kommunikation nach Innen und nach Außen angelegt ist und in einem Umfeld stattfindet, in dem es von anderen wahrgenommen wird. Ausgehend davon war es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass die durchgehende Einhaltung des Mindestabstands zwischen den Versammlungsteilnehmern, aber auch an den Rändern der Versammlung zu Dritten wie etwa (interessierten) Passanten nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet war.
210Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 324.
211Dass der Verordnungsgeber das daraus resultierende Risiko gleichwohl in anderen Fällen – anknüpfend an das seiner Einschätzung nach vom Teilnehmerkreis ausgehende Infektionsrisiko (vgl. § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 CoronaSchVO) und damit im Einklang mit den selbst zu Grunde gelegten Prämissen – bewusst hingenommen hat, ist hier unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Regelungen irrelevant.
212Auch der vom Antragsteller vorgeschlagene Aufruf zum freiwilligen Tragen einer Maske stellte keine sachlich gleichwertige Alternativmaßnahme dar, weil danach das Maskentragen letztlich in das Belieben der Versammlungsteilnehmer gestellt worden wäre. Gerade bei Teilnehmern von gegen die Corona-Politik gerichteten Demonstrationen hätte der Aufruf – wie der Antragsteller selbst einräumt – prognostisch nur geringe Aussicht auf Befolgung gehabt. Dementsprechend hätte der Aufruf auch dann nicht zu einer gegebenenfalls bei der Angemessenheit zu berücksichtigenden relevanten Verringerung der Infektionsgefahren geführt, wenn ihm – wie der Antragsteller meint – eine größere Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern Folge geleistet hätte, die die Corona-Maßnahmen für (weitgehend) angemessen erachtet haben.
213(4) Die verfahrensgegenständliche Regelung war auch während ihrer gesamten Geltungsdauer verhältnismäßig im engeren Sinne.
214Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Regelung verbundene Mehrwert für die Eindämmung des Infektionsgeschehens nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht. Es ist in diesem Fall aus den oben zum Einschätzungsspielraum gemachten Erwägungen Aufgabe des Verordnungsgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird ein Handeln des Normgebers umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
215Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 216, m. w. N.
216Der Verordnungsgeber hat den ihm auch bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Maßnahme zustehenden Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Zwar schränkte § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO die Versammlungsfreiheit ein, weil sie den Zugang zu Versammlungen unter den dort genannten Umständen von dem Tragen einer Maske abhängig machte (vgl. § 3 Abs. 4 CoronaSchVO), die zugleich Einfluss auf die Art des Auftretens der Versammlungsteilnehmer genommen hat. Sie stellte indes einen verhältnismäßig geringen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Sie ließ die Möglichkeit zur Durchführung einer Versammlung als solche unberührt. Eine zulässige Teilnahme an der Versammlung setzte für sich genommen – wie sich auch aus den nachfolgenden Ausführungen unter b) und c) ergibt – nur die Hinnahme gewisser, mit dem Tragen einer Maske verbundener Unannehmlichkeiten voraus. Nicht eingeschränkt wurde ferner die Freiheit des Veranstalters, den Ort, den Zweck und das Programm der Veranstaltung selbstbestimmt festzulegen. Den Versammlungsteilnehmern wurde durch das Tragen der Maske auch die Äußerung bestimmter Meinungen weder verboten noch aufgezwungen. Sprechchöre und Gesang sind auch mit einer Maske möglich. Auch war die grundsätzlich unterschiedslos geltende Pflicht zum Tragen der Maske nicht mit der Äußerung einer bestimmten Meinung – wie einem Gutheißen der Maskenpflicht – verbunden, so dass sie sich selbst bei Demonstrationen gegen die Maskenpflicht als verhältnismäßig geringer Eingriff in die Versammlungsfreiheit erwies.
217Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 327 ff., m. w. N.
218Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Maske bei Versammlungen im Freien nur abgestuft, anknüpfend an das nach Einschätzung des Verordnungsgebers von dem jeweiligen Teilnehmerkreis ausgehende Infektionsrisiko galt (vgl. § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 CoronaSchVO). Auch sah die Verordnung Ausnahmen für Personen vor, die von der Maskenpflicht in besonderem Maße beeinträchtigt worden wären. Dies galt für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können (§ 3 Abs. 2 Nr. 16 CoronaSchVO), sowie für Kinder bis zum Schuleintritt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO); Kindern vom Schuleintritt bis zum Alter von 13 Jahren war es zudem erlaubt, ersatzweise eine Alltagsmaske zu tragen, soweit sie aufgrund der Passform keine medizinische Maske tragen konnten (§ 3 Abs. 3 Satz 2 CoronaSchVO). Aber auch in bestimmten Situationen, in denen das Tragen einer Maske besondere Belastungen mit sich brachte, sah die Verordnung Ausnahmen vor. Dies galt etwa zur notwendigen Einnahme von Speisen und Getränken (§ 3 Abs. 2 Nr. 9 CoronaSchVO) sowie in sonstigen Fällen, wenn das Ablegen der Maske unter Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern nur wenige Sekunden dauerte (§ 3 Abs. 2 Nr. 10 CoronaSchVO). Zudem berücksichtigte die Verordnung die versammlungstypischen Kommunikationserfordernisse. So konnte nicht nur bei der Kommunikation mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen auf das Tragen einer Maske verzichtet werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 11 CoronaSchVO), sondern insbesondere auch allgemein bei Redebeiträgen, sofern ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten wurde (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 12a CoronaSchVO).
219Wenn man ferner bedenkt, dass Versammlungen unter freiem Himmel nicht unerhebliche Infektionsrisiken geborgen haben und dies hochrangige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit bedroht hat, hat der Verordnungsgeber mit der Anordnung einer abgestuften Maskenpflicht einen angemessenen Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden hochwertigen Rechtsgütern gefunden, bei dem die Durchführung von Versammlungen grundsätzlich unter geringfügigen Einschränkungen möglich blieb, damit einhergehende Infektionsrisiken jedoch reduziert wurden.
220Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2023 - 13 D 283/20.NE -, juris, Rn. 334.
221b) Die in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO geregelte Maskenpflicht verletzte auch nicht das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der von ihr betroffenen Versammlungsteilnehmer.
222Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob überhaupt ein zielgerichtet mittelbarer,
223vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. -, juris, Rn. 72, sowie vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 113,
224Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorliegt. In Betracht kommt allenfalls ein geringfügiger Grundrechtseingriff, weil nach den während des insoweit maßgeblichen Zeitraums der Geltungsdauer der verfahrensgegenständlichen Maßnahme verfügbaren Erkenntnissen erhebliche Gesundheitsschäden durch das Tragen einer Maske nicht zu befürchten waren. Insbesondere bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass dadurch Beschwerden oder Beeinträchtigungen hervorgerufen wurden, die entweder schwerwiegend waren oder längere Zeit fortwirkten. Soweit in Einzelfällen etwa aufgrund bestimmter Vorerkrankungen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch das – bei Versammlungen aufgrund der typischerweise geringeren Dauer ohnehin eher seltene – mehrstündige Tragen von Masken ernsthaft zu befürchten waren, hatte dem der Verordnungsgeber durch § 3 Abs. 2 Nr. 16 CoronaSchVO in einer Weise Rechnung getragen, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ausschloss. Denn danach galt die Maskenpflicht nicht für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen konnten. Die den Betroffenen zum Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit durch die Vorschrift auferlegte Nachweispflicht durch ein ärztliches Zeugnis war zumutbar und auch sonst grundrechtlich unbedenklich. Hinzu kommt, dass auf das Tragen einer Maske zur notwendigen Einnahme von Speisen und Getränken (§ 3 Abs. 2 Nr. 9 CoronaSchVO) sowie in sonstigen Fällen verzichtet werden konnte, wenn das Ablegen der Maske unter Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern nur wenige Sekunden dauerte (§ 3 Abs. 2 Nr. 10 CoronaSchVO). Kinder bis zum Schuleintritt waren nach § 3 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO gänzlich von der Maskenpflicht ausgenommen; Kindern vom Schuleintritt bis zum Alter von 13 Jahren war es zudem erlaubt, ersatzweise eine Alltagsmaske zu tragen, soweit sie aufgrund der Passform keine medizinische Maske tragen konnten (§ 3 Abs. 3 Satz 2 CoronaSchVO). Dass Versammlungsteilnehmern hierdurch nicht ausgeschlossene schwere Gesundheitsgefahren gedroht hätten, ist ausgehend von den seinerzeit verfügbaren Erkenntnissen nicht ersichtlich. Dies hat der Senat bereits für das Frühjahr 2021 und bezogen auf Grundschüler entschieden.
225Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 2024 - 13 D 37/21.NE -, juris, Rn. 106 ff., 118 ff., m. w. N.
226Dass dies für die Teilnehmer einer Versammlung im Freien im Frühjahr 2022 anders gewesen sein könnte, hat der Antragsteller nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht erkennbar.
227Der hiernach allenfalls geringfügige Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit wäre aus den vorstehenden Erwägungen jedenfalls gerechtfertigt gewesen.
228c) Die verfahrensgegenständliche Regelung verletzte auch nicht das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG in dessen Ausprägungen als allgemeine Handlungsfreiheit und als allgemeines Persönlichkeitsrecht.
229Durch die verfahrensgegenständliche Maskenpflicht wurde nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), sondern allenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit eingegriffen. Insoweit beeinträchtigt sie allenfalls das typischerweise durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützte Recht, die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds in bestimmten Situationen vollständig frei zu bestimmen. Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung der engeren Persönlichkeitssphäre liegt in der bloßen Pflicht, während der Teilnahme an einer Versammlung eine Maske zu tragen, nicht.
230Vgl. ausführlich zur Maskenpflicht in Grundschulen OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 2024 ‑ 13 D 37/21.NE -, juris, Rn. 357 ff., m. w. N.
231Der demnach (allenfalls) vorliegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit war – zudem unterstellt, dass diese hier nicht bereits durch Art. 8 Abs. 1 GG verdrängt wird – aus den vorstehenden Erwägungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
232d) Die Regelungen in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO verstießen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
233Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
234Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. -, juris, Rn. 155 f., und vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 u. a. -, juris, Rn. 96 ff., m. w. N.
235Dieser Maßstab galt – innerhalb des von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage abgesteckten Rahmens – auch für den Verordnungsgeber.
236Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2024 ‑ 3 CN 3.22 ‑, juris, Rn. 46.
237Unter Zugrundelegung dessen verstießen die Regelungen in § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Verordnungsgeber hat die darin geregelte Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien nach der Verordnungsbegründung,
238vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 19 f., abrufbar unter
239https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf,
240einer abgestuften Systematik zugeführt, um der herausragenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit Rechnung zu tragen. Dabei hat er sich an dem seiner Einschätzung nach jeweils bestehenden Grad der Infektionsgefahr orientiert. Die danach vorgenommene Differenzierung war durch Sachgründe gerechtfertigt. Der Test- oder Immunisierungsnachweis als Zugangsvoraussetzung zu einer Versammlung bot nach den seinerzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Schutzvorkehrung, die es aus Sicht des Verordnungsgebers gerechtfertigt erscheinen lassen durfte, die Maskenpflicht insoweit großzügiger zu handhaben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 4 CoronaSchVO: nur bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern) als in Fällen, in denen der Zugang allen Personen unabhängig von einem Test- oder Immunisierungsnachweis möglich war (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO). Ebenso war es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber für Versammlungen, zu denen nur immunisierte Personen Zugang hatten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 5 CoronaSchVO), keine Maskenpflicht (auch nicht bei Unterschreitung eines Mindestabstands von 1,5 Metern) vorsah, sondern sich insoweit auf die Empfehlungen nach § 2 Abs. 1 CoronaSchVO beschränkte.
241(aa) Die Besserstellung von Versammlungen, an denen nur immunisierte, d. h. vollständig geimpfte oder genesene Personen (vgl. § 2 Abs. 8 CoronaSchVO) teilnehmen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 5 CoronaSchVO), konnte auf die Grundannahmen gestützt werden, dass nach den zu der Zeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Impfung sowohl in einem relevanten – wenngleich reduzierten und mit der Zeit abnehmenden – Maße vor einer Infektion auch mit der Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 schützt und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beiträgt als auch einen erheblichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bietet.
242Diese Annahmen waren während der gesamten Geltungsdauer der hier zu beurteilenden Regelungen nicht zu beanstanden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits hinsichtlich des Schutzes einer Impfung vor einer Infektion sowie der Reduzierung des Transmissionsrisikos für den Zeitraum zwischen Dezember 2021 und April 2022 entschieden,
243vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 ‑, juris, Rn. 173 f., 184 f., 238 f., unter Auswertung der im dortigen Verfahren eingeholten Stellungnahmen sachkundiger Dritter; von einer Erschwerung der Transmission des Erregers ausgehend auch BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22 -, juris, Rn. 62,
244gilt aber auch bezüglich des Schutzes vor schweren Krankheitsverläufen. Das RKI führte seinerzeit aus, es gebe bislang kaum Studien, die den Schutz der Impfstoffe vor schwerer Erkrankung unter der Omikron-Variante untersuchen. Einige Studien gäben aber Hinweise auf den Schutz der Impfung vor symptomatischer Erkrankung (d. h. positiver PCR-Test und mindestens ein COVID-19-typisches Symptom) oder vor jeglicher Infektion (d. h. positiver PCR-Test und alle Krankheitsverläufe inklusive asymptomatisch). Die bisherigen Studien zeigten, dass die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung gegenüber jeglicher Infektion und gegenüber symptomatischer Infektion mit der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante reduziert sei. Die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung gegenüber Hospitalisierung scheine bei Infektion mit der Omikron-Variante zwar reduziert, aber immer noch gut zu sein. Auch über die Transmission unter Omikron gebe es bisher keine ausreichenden Daten; sie scheine bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion unklar bleibe.
245Vgl. exemplarisch Robert Koch-Institut, COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ), Was ist bisher über die Impfstoffwirksamkeit gegen die Omikron-Variante bekannt?, Stand: 24. Januar 2022, zitiert nach: OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2022 ‑ 13 B 16/22.NE -, juris, Rn. 73 f., sowie Stand: 11. März 2022, zitiert nach: OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2022 - 13 B 28/22.NE -, juris, Rn. 87 f.
246Diese Einschätzung sah das RKI auch durch einen Vergleich der COVID-19-Inzidenzen in der ungeimpften Bevölkerung mit den COVID-19-Inzidenzen in der geimpften Bevölkerung sowie durch eine Schätzung der Impfeffektivität mittels der sogenannten Impfdurchbrüche bestätigt. Zusammengefasst bestätigten die nach Impfstatus dargestellten Inzidenzen, die Anzahl und Verteilung der Impfdurchbrüche sowie die nach der Screening-Methode berechneten Impfeffektivitäten die hohe Wirksamkeit der eingesetzten COVID-19-Impfstoffe. Auch aktuell bei Dominanz der Omikron-Variante könne für vollständig geimpfte Personen aller Altersgruppen – und insbesondere für Personen mit Auffrischimpfung – weiterhin von einem sehr guten Impfschutz gegenüber einer schweren COVID-19-Erkrankung ausgegangen werden. Weiterhin zeige sich für ungeimpfte Personen aller Altersgruppen ein deutlich höheres Risiko für eine COVID-19-Erkrankung, insbesondere für eine schwere Verlaufsform.
247Vgl. wiederum exemplarisch Robert Koch-Institut, Wöchentliche Lageberichte zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 3. Februar 2022, S. 23 ff., abrufbar unter
248https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile, sowie Stand: 10. März 2022, S. 23 ff., abrufbar unter
249https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-10.pdf?__blob=publicationFile.
250Im Hinblick auf die Gleichstellung von genesenen mit geimpften Personen konnte sich der Verordnungsgeber in vertretbarer Weise auf die seinerzeitige Einschätzung des RKI stützen, laut der nach einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion üblicherweise ein (mit der Zeit abnehmender und individuell schwankender) Schutz vor erneuter SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19 bestehe. Eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion induziere in der Regel einen individuellen Schutz vor einem schweren Verlauf bei erneuter SARS-CoV-2-Infektion (sog. Reinfektion). Studien belegten, dass der infektionsvermittelte Schutz vor einer schweren Reinfektion höher sei als der vor einem asymptomatischen bzw. milden Verlauf einer Reinfektion. Ein ähnliches Phänomen sei beim impfinduzierten Schutz zu beobachten, wo üblicherweise der Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen deutlich höher und langanhaltender sei als der vor milden Erkrankungen. Die Studien bezögen sich auf Personen, deren Genesenenstatus überwiegend auf frühere Infektionen mit der Delta-Variante zurückzuführen sei. Über das Ausmaß und die Dauer des Schutzes nach einer Infektion mit der Omikron-Variante (Vorinfektion mit der Omikron-Variante und Risiko der Reinfektion mit der Omikron-Variante) lägen aktuell noch keine Daten vor.
251Vgl. Robert Koch-Institut, Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise, Stand: 3. Februar 2022, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis-old.html.
252(bb) Durfte hiernach der Verordnungsgeber Versammlungen privilegieren, an denen nur immunisierte Personen teilnehmen, weil diese nach der damaligen Erkenntnislage sich seltener infizierten, von ihnen ein geringeres Transmissionsrisiko ausging und sie vor schweren Krankheitsverläufen erheblich besser geschützt waren als nichtimmunisierte Personen, so war es ihm unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht verwehrt, eine weitere Abstufung der Maskenpflicht anhand des Kriteriums vorzunehmen, ob neben immunisierten ausschließlich (nichtimmunisierte, aber [negativ]) getestete Personen Zugang zu der Versammlung haben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 4 CoronaSchVO). Getestete Personen in diesem Sinne sind Personen, die über ein negatives Ergebnis eines höchstens 24 Stunden zurückliegenden Antigen-Schnelltests oder eines höchstens 48 Stunden zurückliegenden PCR-Tests verfügen (vgl. § 2 Abs. 8a CoronaSchVO).
253Insbesondere war der damit für eine großzügigere Handhabung der Maskenpflicht vorausgesetzte Testnachweis für nicht immunisierte Personen als Zugangsvoraussetzung zu einer Versammlung grundsätzlich geeignet, um nicht erkannte Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu entdecken und damit infolge des Ausschlusses des Infizierten von der Versammlung deren Teilnehmer vor einer Ansteckung durch die infizierte Person zu schützen.
254(aaa) Die Bedenken des Antragstellers an der „Eignung“ von PCR-Tests (Polymerase-Chain-Reaction-Tests) teilt der Senat nicht. Bei diesen handelt es sich um ein bereits seinerzeit vom Großteil der Wissenschaft anerkanntes Instrument, das als „Goldstandard“ für die Diagnostik von SARS-CoV-2 galt,
255vgl. nur Paul-Ehrlich-Institut, COVID-19-Tests: NAT-Test gilt als Goldstandard, Stand: 23. März 2020, abrufbar unter
256https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2020/200323-covid-19-nat-tests.html; siehe auch den vom Antragsteller vorgelegten Artikel: Robert Koch-Institut, Abwägung der Dauer von Quarantäne und Isolierung bei COVID-19, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 39/2020, S. 3 ff. (8), abrufbar unter
257https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/39_20.pdf?__blob=publicationFile,
258und im Übrigen bis heute gilt,
259vgl. Robert Koch-Institut, Hinweise zur Testung von Patientinnen und Patienten auf SARS-CoV-2, Direkter Erregernachweis durch RT-PCR, Allgemein, Stand: 20. Dezember 2023, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html?nn=13490888#doc13490982bodyText14.
260Weder bestanden durchgreifende Zweifel an der Validität der Tests noch änderte der Umstand, dass ein positiver PCR-Test nicht notwendigerweise bedeutete, dass die Person im Zeitpunkt der Testung (schon oder noch) infektiös, also ansteckend, war, etwas an ihrer Tauglichkeit, Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu entdecken und damit das Ansteckungs- und Verbreitungsrisiko zu minimieren.
261Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 2024 - 13 D 37/21.NE -, juris, Rn. 241, m. w. N.; siehe ausführlich dazu und zum Folgenden: OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2021 - 13 B 991/21 -, juris, Rn. 7 ff., m. w. N. auch zur wissenschaftlichen Erkenntnislage.
262Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass von einer geringen Viruslast in einer Probe auch nicht stets darauf geschlossen werden kann, dass von dem Betroffenen keine Infektionsgefahren ausgehen (werden). Wie ansteckend eine Person für andere ist, hängt neben der Viruslast der infizierten Person auch von vielen weiteren Faktoren ab, etwa der seit Symptombeginn verstrichenen Zeit, dem klinischen Verlauf, der Art des Kontakts, dem individuellen Verhalten, der Umgebung sowie der Dauer und der Durchführung übertragungsreduzierender Maßnahmen (AHA+L-Regel – Abstand, Hygiene, Maske im Alltag und Lüften). Je länger und je intensiver (enger) der Kontakt, desto höher ist die Übertragungswahrscheinlichkeit auch bei geringer Viruslast. Weiter ist zu beachten, dass es sich bei dem PCR-Test um eine Momentaufnahme handelt. Typischerweise steigt die Viruslast ab einem bestimmten Zeitpunkt nach erfolgter Infektion an, im weiteren Verlauf der Erkrankung reduziert sie sich wieder. Jedenfalls ohne Berücksichtigung der Begleitumstände ist bei einer geringen Viruslast deswegen auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass ein Patient im weiteren Verlauf nach der Probenentnahme nicht noch infektiös wird.
263Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2021 ‑ 13 B 991/21 -, juris, Rn. 40 ff., m. w. N. der wissenschaftlichen Erkenntnisse des RKI; siehe ferner Robert Koch-Institut, Erfassung der SARS-CoV-2-PCR-Testzahlen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 24/2021, S. 3 ff. (7 f.), abrufbar unter
264https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/24_21.pdf?__blob=publicationFile.
265Die hiergegen erhobenen Einwände des Antragstellers dringen nicht durch. Soweit er sich auf Angaben des RKI bezieht, erfasst er Daten und Bewertungen unzutreffend (Anteil der positiv getesteten Personen, die für COVID-19 bedeutsame Symptome aufweisen) bzw. zieht (zusätzlich) aus ihnen unzutreffende Schlüsse (neben dem Vorgenannten noch aus dem Verhältnis zwischen nachgewiesener genomischer SARS-CoV-2-RNA und infektiösen Viruspartikeln). Zudem zieht er Berechnungen heran, die bezogen auf die von Antigentests erreichte Sensitivität und Spezifität ermittelt wurden. Die im Übrigen angeführten Aussagen von Herstellern und Experten sowie Studien lassen nicht erkennen, dass die oben genannten bzw. in Bezug genommenen, die „Eignung“ der PCR-Tests stützenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und Bewertungen des RKI erkennbare Mängel aufgewiesen hätten. Vielmehr beruft sich der Antragsteller insoweit im Wesentlichen auf wissenschaftliche „Minderheitsmeinungen“ oder reißt Aussagen aus dem Zusammenhang.
266Vgl. zur Zuverlässigkeit der Diagnostik des SARS-CoV-2-Virus mittels PCR-Tests etwa auch BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22 ‑, juris, Rn. 150 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15. Januar 2021 - 1 S 4180/20 ‑, juris, Rn. 30 ff., m. w. N.
267(bbb) Im Ergebnis nichts Anderes gilt hinsichtlich der Eignung der den PCR-Tests durch den Verordnungsgeber insoweit gleichgestellten Antigen-Schnelltests, deren Vorzug darin bestand, dass sie sich mit deutlich weniger Aufwand und Infrastruktur durchführen lassen sowie ein Ergebnis in kurzer Zeit liefern.
268Vgl. Robert Koch-Institut, Was ist bei Antigentests zur Eigenanwendung (Selbsttests) zum Nachweis von SARS-CoV-2 zu beachten?, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 8/2021, S. 3 ff. (3), abrufbar unter
269https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/08_21.pdf?__blob=publicationFile; Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2021, S. 14 ff. (15), abrufbar unter
270https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile.
271Dem stand nicht entgegen, dass ein negatives Antigentestergebnis eine Ansteckungsfähigkeit nicht sicher ausschließen konnte. Antigentests sind weniger sensitiv als PCR-Tests. Die Sensitivität (Empfindlichkeit) eines Tests drückt aus, wie gut der Test in der Lage ist, das Virus nachzuweisen. Je sensitiver der Test, desto höher ist der Anteil der tatsächlich infizierten Personen, der bei den Testungen erkannt wird. Zum damaligen Zeitpunkt standen auf dem deutschen Markt Antigentests zur Verfügung, die in unabhängigen Validierungsstudien Sensitivitäten zwischen 40 und 80 % gezeigt hatten.
272Vgl. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2021, S. 14 ff. (16), abrufbar unter
273https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile.
274Auch wenn damit naturgemäß nicht jeder Infizierte erkannt werden konnte, ermöglichten es danach auch Antigen-Schnelltests, jedenfalls einen nicht unerheblichen Teil der Infizierten herauszufiltern und damit die Versammlungsteilnehmer vor einer Ansteckung durch infizierte Personen zu schützen. Hinzu kommt, dass sich die Tests nach den seinerzeitigen Erkenntnissen des RKI,
275vgl. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2021, S. 14 ff. (16), abrufbar unter
276https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile,
277als umso zuverlässiger erwiesen, je höher die Viruslast in der Probe war. Dementsprechend konnten die Antigen-Schnelltests nach damaligem Wissensstand stark infektiöse Personen relativ zuverlässig identifizieren.
278Vgl. ausführlich zur Geeignetheit der Testpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 - 13 D 102/21.NE -, juris, Rn. 211 ff., insb. 226 ff.
2793. Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO geregelten Zugangsbeschränkungen zu Versammlungen im Freien waren (auch sonst) mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verletzten insbesondere weder Art. 8 Abs. 1 GG – a) – noch andere Freiheitsgrundrechte – b) – noch Art. 3 Abs. 1 GG – c) –.
280a) Die durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO aufgestellte Beschränkung des Zugangs zu Versammlungen im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. später 1.000 Teilnehmenden auf immunisierte oder getestete Personen verletzte nicht die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG. Der darin liegende Eingriff war verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Regelung verfolgte einen legitimen Zweck – (aa) – und war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet – (bb) –, erforderlich – (cc) – und angemessen – (dd) –.
281(aa) Die Regelung verfolgte den oben aufgezeigten legitimen Zweck, nachhaltig Gefahren für Leben und Gesundheit sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems abzuwenden. Dabei trug die Annahme des Verordnungsgebers, für diese Schutzgüter bestehe eine sein Handeln erforderlich machende Gefahrenlage über den Zeitraum der Geltung von § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO hinaus auch bis zur Aufhebung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO mit Wirkung vom 19. März 2022.
282Der Verordnungsgeber ging Anfang März 2022 davon aus, dass die seinerzeitige Infektionsentwicklung und die weiter sinkende Zahl der COVID-Patientinnen und ‑Patienten in den Krankenhäusern erwarten ließen, dass es aktuell bei Beibehaltung grundsätzlicher Schutzmaßnahmen nicht mehr zu einer Überlastung der Kliniken und kritischen Infrastruktur kommen werde. Die jetzt vorgenommenen Lockerungen könnten vertreten werden, ohne jedoch unvermittelt und gleichzeitig von allen Schutzmaßnahmen und insbesondere Zugangsregelungen Abstand zu nehmen. Es solle weiterhin ein plötzlicher Wiederanstieg der Infektionszahlen vermieden werden, bei dem insbesondere zu befürchten wäre, dass in der Folge auch die Krankenhausbelegung ansteigen würde.
283Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 8 f., abrufbar unter
284https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf.
285Diese Gefahrenbeurteilung, nach der dem Pandemiegeschehen weiterhin mit gewissen Schutzmaßnahmen und insbesondere Zugangsregelungen begegnet werden müsse, ist auf der Grundlage des oben bereits Ausgeführten nicht zu beanstanden. Insbesondere beruhte sie nach wie vor auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen. Das RKI berichtete zu dieser Zeit,
286vgl. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 3. März 2022, S. 3 f., abrufbar unter
287https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-03.pdf?__blob=publicationFile,
288von einem weiterhin sehr hohen Infektionsdruck in der Bevölkerung, der nur langsam zurückgehe. Während die 7-Tage-Inzidenzen in allen Altersgruppen bis 65 Jahre gesunken seien, sei bei allen Personen ab 65 Jahren ein weiterer, wenn auch abgeschwächter Anstieg zu verzeichnen gewesen. In dieser Altersgruppe stehe der Scheitelpunkt der fünften Welle noch bevor. Auch die Zahl der Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und in medizinischen Behandlungseinrichtungen sei weiterhin angestiegen. Die Hospitalisierungsinzidenzen und die Belegungskapazitäten im Intensivregister zeigten, dass es in den letzten Wochen während der Omikron-Welle zu einer Zunahme der Neuaufnahmen gekommen sei. Inzwischen sinke die Zahl der Aufnahmen mit schweren Krankheitsverläufen in den jüngeren Altersgruppen, steige aber nach wie vor in der Altersgruppe der ab 80-Jährigen an. Der durch die (Omikron-)Welle bedingte Anstieg sei allerdings im Verhältnis zur Höhe der Fallzahlen und Neuinfektionen moderat und schwächer als in den ersten vier COVID-19-Wellen. Dies sei einerseits auf die gegen schwere Krankheitsverläufe sehr gut wirksame Impfung und andererseits auf die grundsätzlich geringere Krankheitsschwere bei Infektionen durch die Omikron-Variante zurückzuführen. Aufgrund der leichteren Übertragbarkeit der Omikron-Sublinie BA.2, deren Anteil in der 7. Kalenderwoche auf 38 % angestiegen sei, könne eine deutlich langsamere Abnahme oder erneute Zunahme der Fallzahlen nicht ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Faktor für den weiteren Verlauf sei, wie stark infektionsrelevante Kontakte im Rahmen der geplanten Lockerungen zunehmen.
289Am 3. März lag die 7-Tage-Inzidenz bei 1.174 Fällen, die Zahl der Hospitalisierungen insgesamt bei 6,36 Fällen pro 100.000 Einwohnern, innerhalb der Altersgruppe ab 60 Jahren bei 13,45. Im Verhältnis zum Vortag wurden weitere rund 270 Personen als verstorben gemeldet.
290Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 3. März 2022, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2022/2022-03-03-de.pdf?__blob=publicationFile.
291In der Folge stiegen die Infektionszahlen wieder an. So lag die 7-Tage-Inzidenz am 15. März 2022 bereits bei 1.585 gemeldeten Fällen, die Hospitalisierungsrate insgesamt bei 7,21 und bezogen auf die Altersgruppe ab 60 Jahren bei 15,45. Die Zahl der im Verhältnis zum Vortag als verstorben gemeldeten Personen betrug mehr als 280.
292Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 15. März 2022, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2022/2022-03-15-de.pdf?__blob=publicationFile.
293Vor diesem Hintergrund konstatierte das RKI Mitte März 2022, d. h. unmittelbar vor Aufhebung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO,
294vgl. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 17. März 2022, S. 3 f., abrufbar unter
295https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-17.pdf?__blob=publicationFile,
296es komme derzeit wieder zu einem deutlichen Anstieg der übermittelten Fälle. Die Zahl aktuell Erkrankter mit einer COVID-19-bedingten akuten Atemwegserkrankung (ARE) in der Bevölkerung werde auf 1,5 bis 2,7 Millionen geschätzt. Es herrsche weiterhin ein sehr hoher Infektionsdruck in der Bevölkerung. In allen Altersgruppen stiegen die 7-Tage-Inzidenzen erneut an. Die Hospitalisierungsinzidenzen zeigten, dass es in den letzten Wochen während der Omikron-Welle zu einer Zunahme der Zahl von Hospitalisierungen gekommen sei. Auch die Belastung der ITS-Bettenkapazität sei im Vergleich zur Vorwoche leicht gestiegen. Insgesamt sei die Zunahme der schweren Krankheitsverläufe trotz der sehr hohen Infektionszahlen während der Omikron-Welle weiterhin moderat und deutlich schwächer im Verhältnis zur Höhe der Fallzahlen und Neuinfektionen als während der ersten vier COVID-19-Wellen. Auch die mit Omikron assoziierten Todesfälle blieben bisher auf einem niedrigeren Niveau. Der weitere Verlauf der Pandemie hänge davon ab, ob sich größere Teile der Bevölkerung weiterhin verantwortungsbewusst verhalten bzw. in welchem Umfang mögliche infektionsrelevante Kontakte zunehmen.
297Vgl. zur Gefahrenlage bis April 2022 auch BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 ‑, juris, Rn. 164, 240 f.
298(bb) Zur Verfolgung des genannten Zwecks war die angegriffene Regelung geeignet, weil – wie ausgeführt – die Annahmen nicht zu beanstanden waren, dass auch bei der Omikron-Variante eine Impfung in einem relevanten Maße vor einer Infektion schützt, zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beiträgt sowie einen erheblichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bietet und die Testnachweispflicht wesentlich dazu beitragen kann, das potentielle Ansteckungs- und Verbreitungsrisiko zu verringern.
299(cc) Die Zugangsbeschränkungen waren auch erforderlich. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, ein milderes, aber gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels stehe nicht zur Verfügung, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere stellten die Verpflichtung zum Tragen einer Maske sowie die Anordnung eines einzuhaltenden Mindestabstands von 1,5 Metern zumindest deshalb keine gleich wirksamen Mittel dar, weil nicht feststand, dass deren durchgehende Einhaltung jedenfalls bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. später 1.000 Teilnehmenden mit hinreichender Sicherheit gewährleistet war. Insoweit durfte sich der Verordnungsgeber auch auf Erfahrungen stützen, die er im Umgang mit der früheren Bestimmung gewonnen hatte, nach der die Zugangsbeschränkungen nicht zur Anwendung kamen, wenn voraussichtlich die Einhaltung des Mindestabstands sichergestellt war. Diese Vorauseinschätzung habe sich als nicht praktikabel erwiesen, weil die Einhaltung des Mindestabstands häufig in der Praxis nicht erfolgt sei, selbst wenn sie theoretisch und aus der vorausschauenden Perspektive möglich gewesen wäre.
300Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 25, abrufbar unter
301https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf.
302Im Übrigen galten anfangs entweder Maskenpflicht oder Mindestabstandsgebot ohnehin schon zusätzlich bei Versammlungen, zu denen nur getestete oder immunisierte Personen Zugang hatten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 4 CoronaSchVO).
303Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verordnungsgeber mit der Änderungsverordnung vom 2. März 2022 (GV. NRW. S. 160a) § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 CoronaSchVO aufhob und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO dahin änderte, dass die Zugangsbeschränkungen erst bei gleichzeitig mehr als 1.000 Teilnehmenden gelten, wobei die zuständige Behörde eine Ausnahme von der Zugangsvoraussetzung zulassen kann, wenn dafür die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske angeordnet wird. Denn damit räumte der Verordnungsgeber nicht ein, dass ihm bereits zuvor mildere, aber gleich wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr reagierte er nach der Verordnungsbegründung,
304vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 25, abrufbar unter
305https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf,
306(lediglich) auf die seiner Einschätzung nach weniger kritische Infektionslage, die diese Regelungen (nunmehr) zulasse.
307(dd) Die verfahrensgegenständliche Regelung war schließlich auch während ihrer gesamten Geltungsdauer verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Verordnungsgeber hat den ihm hierfür eingeräumten Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt. Er musste zwar berücksichtigen, dass die Zugangsbeschränkungen einen nicht unerheblichen Grundrechtseingriff darstellen – (aaa) –. Zugleich durfte er aber verfassungsrechtlich beanstandungsfrei annehmen, dass die Beschränkungen dem dringlichen Schutz von Rechtsgütern von überragender Bedeutung dienen – (bbb) –. In der Abwägung hat der Verordnungsgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit den Zugangsbeschränkungen verfolgten Belangen und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden – (ccc) –.
308(aaa) Die durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO aufgestellte Beschränkung des Zugangs zu Versammlungen im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. später 1.000 Teilnehmenden auf immunisierte oder getestete Personen griff mit nicht unerheblichem Gewicht in die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG ein.
309Dieses Eingriffsgewicht ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Belastungen, die mit der Testnachweispflicht als Mindestanforderung für die zulässige Teilnahme an Versammlungen einhergingen.
310(1) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der mit der Testnachweispflicht für sich genommen verbundene Grundrechtseingriff nicht schwer wog.
311Die Testnachweispflicht ließ die Möglichkeit zur Durchführung einer Versammlung als solche sowie deren Modalitäten unberührt und knüpfte den Zugang für nichtimmunisierte Personen lediglich an die Vorlage eines Nachweises eines negativen Testergebnisses. Angebote zur Durchführung eines hierfür genügenden Antigen-Schnelltests (vgl. § 2 Abs. 8a CoronaSchVO) waren im maßgeblichen Zeitraum landesweit niedrigschwelllig erreichbar und kostenfrei. Das Aufsuchen einer Teststation setzte je nach Erreichbarkeit und Öffnungsdauer allenfalls geringe Vorplanungen und organisatorischen Aufwand voraus und stellte sich im Wesentlichen als bloße Lästigkeit dar.
312Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 16. März 2022 - 13 B 28/22.NE -, juris, Rn. 111, und vom 7. Februar 2022 - 13 B 16/22.NE -, juris, Rn. 119; siehe zum Anspruch asymptomatischer Personen auf (kostenfreie) Testung mittels PoC-Antigen-Test („Bürgertestung“): § 4a Coronavirus-Testverordnung (TestV) i. d. F. vom 12. November 2021, die bis zum 31. März 2022 in Kraft war.
313Ebenso wog die durch die Durchführung eines Coronatests hervorgerufene Beeinträchtigung der körperlichen Integrität nicht schwer. Sie war nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität. Denn sie beschränkte sich auf die Vornahme des Abstrichs in der Regel aus dem Nasenraum durch Einführen des Abstrichstäbchens. Die damit verbundene Entnahme von Körperzellen, um diese einem Erregernachweis zu unterziehen, stellte für sich genommen einen marginalen Eingriff in die körperliche Integrität dar. Er beschränkte sich letztlich auf die mit der Abnahme des Abstrichs verbundenen bloßen Unannehmlichkeiten.
314Vgl. zur Coronatestpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 - 13 D 102/21.NE ‑, juris, Rn. 256 ff., m. w. N.
315Auch die mit der Nachweispflicht (vgl. § 4 Abs. 6 und 8 CoronaSchVO) verbundene Offenlegung von privaten Daten beschwerte die Versammlungsteilnehmer nicht merklich.
316Vgl. zur Coronatestpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 - 13 D 102/21.NE ‑, juris, Rn. 272.
317Denn diese beschränkte sich auf die bloße Vorlage des Nachweises eines negativen Testergebnisses und dessen Abgleich mit einem amtlichen Ausweispapier (vgl. § 4 Abs. 6 Satz 1 CoronaSchVO) und dürfte ohnehin in der Regel nur stichprobenartig durchzuführen gewesen sein (vgl. § 4 Abs. 8 Satz 1 CoronaSchVO). Weiter eingriffsmildernd kommt noch hinzu, dass die Zugangskontrollen nach den vorgenannten Bestimmungen von den für die Versammlung verantwortlichen Personen, also die Versammlungsleitung (vgl. § 5 VersG NRW), oder ihre Beauftragten, also gerade nicht durch staatliche Behörden und ihre Beschäftigten,
318vgl. zu damit einhergehenden potentiellen „Einschüchterungswirkungen“ BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, juris, Rn. 131; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2020 - 15 B 950/20 -, juris, Rn. 12,
319durchzuführen waren. Umgekehrt wog auch die damit einhergehende Belastung für die für die Versammlung verantwortlichen Personen nicht schwer, weil sich diese regelmäßig auf eine bloße Hinweispflicht sowie die Durchführung stichprobenartiger Überprüfungen beschränkte.
320Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2022 - 13 B 33/22.NE -, juris, Rn. 85.
321(2) Eingriffsvertiefend kommen allerdings die Nachteile hinzu, die mit einem positiven Testergebnis einhergingen.
322So waren durch das Erfordernis der Vorlage eines negativen Testnachweises Personen von der zulässigen Teilnahme an Versammlungen ausgeschlossen, deren Test positiv ausfiel. Hierzu gehörten nicht nur infizierte Personen, sondern auch solche, deren Test „falsch positiv“ ausgefallen war, d. h. die tatsächlich nicht infiziert waren.
323Hinsichtlich der danach ausgeschlossenen Personen handelte es sich um einen erheblichen und bezogen auf einzelne Versammlungen wohl auch für nicht infizierte Personen irreversiblen Grundrechtseingriff, weil der Antigen-Schnelltest nicht mehr als 24 Stunden vor Versammlungsbeginn (vgl. § 2 Abs. 8a CoronaSchVO), typischerweise aber wohl in einem noch deutlich kürzeren Zeitabstand zur Versammlung durchgeführt wurde und dementsprechend das Ergebnis der bestätigenden Testung mittels eines (kostenfreien) PCR-Tests (vgl. § 4b TestV i. d. F. vom 12. November 2021 und 11. Februar 2022, § 3 Abs. 3 Corona-Test-und-Quarantäneverordnung [CoronaTestQuarantäneVO] i. d. F. vom 24. November 2021),
324vgl. zur Verlässlichkeit der PCR-Tests („[b]ei korrekter Durchführung […] und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse […] sehr geringe[n] Zahl falsch-positiver Befunde“): Robert Koch-Institut, Erfassung der SARS-CoV-2-PCR-Testzahlen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 24/2021, S. 3 ff. (7), abrufbar unter
325https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/24_21.pdf?__blob=publicationFile,
326in aller Regel nicht mehr rechtzeitig vorgelegen haben dürfte. Jedoch betraf die letztgenannte Konstellation nur vergleichsweise wenige Fälle.
327Zwar kann der Anteil falsch positiver Testergebnisse an den positiven Testergebnissen von Antigentests unter bestimmten Umständen verhältnismäßig hoch sein. Ob dies der Fall ist, hängt neben der Sensitivität und Spezifität der Tests von der sogenannten Vortestwahrscheinlichkeit ab. Das bedeutet, dass der Anteil falsch positiver Ergebnisse an den insgesamt positiven Ergebnissen umso geringer ist, je höher der Anteil der tatsächlich infizierten an den insgesamt getesteten Personen ist.
328Vgl. Lein u. a., Testergebnisse richtig einordnen, in: Deutsches Ärzteblatt 117 (2020), Heft 47, A 2304 f. mit einer Übersicht des Robert Koch-Instituts „Corona-Schnelltest-Ergebnisse verstehen“, abrufbar unter
329https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=216859.
330Davon ausgehend dürfte jedoch der Anteil der falsch positiven Ergebnisse in der damaligen Infektionslage mit 7-Tage-Inzidenzen von zum Teil deutlich über 1.000,
331siehe ferner zur Entwicklung des Anteils positiver PCR-Testungen, der bis Anfang März 2022 auf über 50 % der erfassten Tests anstieg: Robert Koch-Institut, Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), Stand: 17. März 2022, S. 30, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-03-17.pdf?__blob=publicationFile,
332nicht besonders hoch gewesen sein, so dass ein positives Ergebnis eine zumindest deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit bedeutete, mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert zu sein. Zudem war das Risiko für Getestete, bei einer Testung ein falsch positives Resultat zu erhalten, insgesamt – abhängig von der Spezifität des Tests – relativ gering, weil nicht infizierte Personen stets ganz überwiegend richtig negativ getestet werden.
333Vgl. zur Veranschaulichung z. B. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2021, S. 14 ff., insbesondere die Graphiken auf S. 21 oben, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile.
334Hinzu kamen die mit einem positiven Ergebnis für den Einzelnen verbundenen weiteren Nachteile, insbesondere die sich anschließende Absonderung bzw. Quarantäne (vgl. §§ 12 ff. CoronaTestQuarantäneVO). Deren belastende Wirkung beruhte indes auf anderen – hier nicht zur gerichtlichen Überprüfung gestellten – Rechtsnormen, die durch die von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO aufgestellte Testnachweispflicht (insofern) lediglich ausgelöst wurde; zumindest bei falsch positiv getesteten Personen waren die nachteiligen Folgen aufgrund der Kontrolltestung (siehe oben) auch nur von kurzer Dauer.
335(3) Das Gewicht des Grundrechtseingriffs wurde dadurch erhöht,
336vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 223 f., 290, 295; BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2023 ‑ 3 CN 1.22 -, juris, Rn. 46, und vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 -, juris, Rn. 79,
337dass er zu der abgestuften Maskenpflicht nach § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO hinzutrat und Versammlungen auch schon vor deren Erlass Einschränkungen unterworfen waren, zuletzt durch die den hier angegriffenen vergleichbaren Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO a. F. vom 3. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1246b) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1464a).
338(4) Die Intensität des Eingriffs war jedoch in mehrfacher Weise abgemildert.
339So ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Zugangsbeschränkungen erst bei Versammlungen bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. später 1.000 Teilnehmenden galten, d. h. viele Versammlungen weiterhin nichtimmunisierten Personen auch ohne Vorlage eines negativen Testnachweises offen standen. Zudem räumte der Verordnungsgeber mit der Neufassung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO mit Wirkung vom 4. März 2022 den zuständigen Behörden die Möglichkeit ein, eine Ausnahme von der Zugangsvoraussetzung zuzulassen, wenn dafür die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske angeordnet wird.
340Darüber hinaus stand bereits seit spätestens Mitte des Jahres 2021 grundsätzlich jedem Bürger die Möglichkeit offen, sich mittels eines zugelassenen Impfstoffs gegen COVID-19 immunisieren zu lassen und dadurch der angegriffenen Zugangsbeschränkung (absehbar) nicht mehr zu unterliegen. Zugelassene Impfstoffe standen zu dieser Zeit in ausreichender Menge zur Verfügung. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG lag durchgehend vor.
341Vgl. Robert Koch-Institut, STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung, alle Beschlüsse der STIKO für die Empfehlung der COVID-19-Impfung sowie zu deren Aktualisierung sind abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Impfempfehlung-Zusfassung.html; vgl. näher: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 153 ff.
342Die von dem Antragsteller geltend gemachten grundsätzlichen Bedenken an der Sicherheit der zugelassenen COVID-19-Impfstoffe teilt der Senat nicht. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen, den seinerzeitigen Erkenntnisstand zusammenfassenden und bewertenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts,
343vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 222 bis 227, 242,
344Bezug. Die hiergegen gerichteten Einwände des Antragstellers sind unsubstantiiert. So bieten etwa weder die angeführten Statistiken zur Übersterblichkeit oder zum Auftreten von lebensbedrohlichen Erkrankungen wie u. a. Herzinfarkte und Schlaganfälle noch Studien zur Verschlechterung der Volksgesundheit einen greifbaren Anhaltspunkt für das Bestehen von Impfrisiken, die das insoweit federführende Paul-Ehrlich-Institut in seinen vom Bundesverfassungsgericht umfassend ausgewerteten fortlaufenden Sicherheitsberichten nicht erfasst und gegebenenfalls die Ständige Impfkommission zum Anlass für angepasste Impfempfehlungen genommen haben könnten. Nichts Anderes gilt für den Impfstoff Comirnaty von Pfizer/BioNTech, gegen den sich der Antragsteller speziell wendet. Im Übrigen handelt es sich dabei lediglich um einen von mehreren im hier relevanten Zeitraum zugelassenen Impfstoffen, über deren Einsatz die zu impfende Person spätestens ab Aufhebung der Impfpriorisierung im Sommer 2021 im Rahmen der Verfügbarkeit frei wählen konnte.
345(bbb) Demgegenüber verfolgte der Verordnungsgeber mit den Zugangsbeschränkungen zu Versammlungen im Freien in Gestalt des Lebens- und Gesundheitsschutzes sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung, zu deren Schutz er nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist.
346Der Verordnungsgeber durfte – wie bereits ausgeführt – auch annehmen, dass während der gesamten Geltungsdauer der hier zu beurteilenden Regelung insoweit dringender Handlungsbedarf bestand, weil das infolge der unmittelbar vorangegangenen vierten Pandemiewelle ohnehin noch stark ausgeprägte Infektionsgeschehen mit Beginn der fünften (Omikron-)Welle ab Anfang Januar 2022 erneut und in zuvor unbekanntem Ausmaß mit 7-Tage-Inzidenzen von zum Teil deutlich über 1.000 an Fahrt aufnahm. Zugleich waren Krankenhäuser und intensivmedizinische Kapazitäten weiterhin stark ausgelastet. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gravierenden und teils irreversiblen Folgen zu berücksichtigen, die eine weitere unkontrollierte Virusverbreitung für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen gehabt hätte. Der Verordnungsgeber wusste aus den Erfahrungen in den vorangegangenen Infektionswellen, dass bei einem bestimmten Anteil der Infizierten die Erkrankung schwer verlief, bei manchen auch trotz Behandlung tödlich. Er musste also davon ausgehen, dass ein sich stark ausbreitendes Infektionsgeschehen zwangsläufig zu Todesfällen führen würde. Eine ungehindert zunehmende Viruszirkulation hätte insbesondere deutlich mehr Angehörige vulnerabler Personengruppen der Gefahr einer schweren Erkrankung oder sogar des Todes ausgesetzt, vor der sie sich selbst nicht vollständig effektiv durch eine Impfung schützen konnten, weil diese vielfach nur einen reduzierten und schneller abnehmenden Impfschutz bot. Unbeschadet eines im Durchschnitt milderen Krankheitsverlaufs unter der Dominanz der Omikron-Variante hatte sich nach dem seinerzeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisstand nichts daran geändert, dass für vulnerable Personen weiterhin eine besondere und gegenüber der Allgemeinbevölkerung herausgehobene Gefahr bestand, schwer oder sogar tödlich an COVID-19 zu erkranken. Durch die Eindämmung der Infektionen sollten zudem die Krankenhauskapazitäten hierfür, aber auch für aus anderen Gründen als einer COVID-19-Erkrankung hospitalisierungsbedürftige Patienten bereitgehalten werden.
347Vgl. zur Schutzbedürftigkeit vulnerabler Personen für den auch hier maßgeblichen Zeitraum: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 217 f., 228 f., 240 f.
348(ccc) In der Abwägung hat der Verordnungsgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit den Zugangsbeschränkungen verfolgten Belangen und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden.
349Er hat einerseits der herausragenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit dadurch Rechnung getragen, dass er trotz der damit verbundenen Infektionsrisiken die Möglichkeit zur Durchführung einer Versammlung als solche sowie deren Modalitäten (mit Ausnahme der zeitweilig geltenden gestuften Maskenpflicht nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO) unberührt ließ und auch für nichtimmunisierte Personen den Zugang offen hielt. Dem von ihm gleichfalls sicherzustellenden Schutz vor einer unkontrollierten Verbreitung des Coronavirus ist er andererseits dadurch gerecht geworden, dass er ab gleichzeitig mehr als zunächst 750 Teilnehmenden den Zugang für nichtimmunisierte Personen an die Vorlage eines Nachweises eines negativen Testergebnisses knüpfte. Angesichts der greifbaren Gefahr für die verfolgten Gemeinwohlbelange sowie deren überragender Bedeutung ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber die mit der Testnachweispflicht verbleibende Eingriffsintensität als im Verhältnis weniger gewichtig bewertet und dabei insbesondere auch in Kauf genommen hat, dass hierdurch – in vergleichsweise wenigen Fällen – Personen die zulässige Teilnahme an Versammlungen verwehrt wurde, die tatsächlich nicht infiziert waren.
350Zur Zumutbarkeit der mit der so ausgestalteten Testnachweispflicht einhergehenden grundrechtlichen Beschränkungen trägt es bei, dass die Regelung im Zuge der weiteren, von dem Verordnungsgeber sukzessive als weniger kritisch eingeschätzten Entwicklung des Infektionsgeschehens Lockerungen unterlag, die in ein stufenweises Gesamtvorgehen eingebettet waren. So hat der Verordnungsgeber – nachdem er mit der Änderungsverordnung vom 18. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122a) bereits erste Lockerungsmaßnahmen umgesetzt hatte – mit der am 4. März 2022 in Kraft getretenen Änderungsverordnung vom 2. März 2022 (GV. NRW. S. 160a) – neben weiteren Lockerungen – die Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien nach § 3 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 CoronaSchVO aufgehoben und mit der Neufassung von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO die Personenzahl, ab der die Testnachweispflicht für nichtimmunisierte Personen greift, auf mehr als 1.000 gleichzeitig Teilnehmende angehoben. Zugleich hat er den zuständigen Behörden die Möglichkeit eingeräumt, eine Ausnahme von der Zugangsvoraussetzung zuzulassen, wenn dafür die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske angeordnet wird. Darüber hinaus stellte er bereits zu diesem Zeitpunkt das Auslaufen der Schutzmaßnahmen für den 19. März 2022 in Aussicht. Dem kam er im Hinblick auf die hier zu beurteilende Regelung dann auch mit Änderungsverordnung vom 18. März 2022 (GV. NRW. S. 286a) nach.
351Schließlich hat der Verordnungsgeber auch in Bezug auf die zahlenmäßige Festlegung der Grenze, ab wieviel gleichzeitig Teilnehmenden die Testnachweispflicht greifen sollte, den ihm eingeräumten Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Denn diese ist erkennbar Ausdruck seines von der jeweils aktuellen Lage des Infektionsgeschehens ausgehenden Bemühens, die gegenläufigen Interessen zum Ausgleich zu bringen, d. h. einen weitgehend ungehinderten Zugang zu Versammlungen zu ermöglichen und zugleich den Infektionsgefahren zu begegnen, die das Zusammentreffen einer großen Anzahl von Personen – auch unter Berücksichtigung der An- und Abreisekontakte sowie der Kontakte rund um das eigentliche Versammlungsgeschehen – auch im Freien mit sich bringt.
352Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 11. Januar 2022 in der konsolidierten Fassung vom 2. März 2022, S. 25, abrufbar unter
353https://www.mags.nrw/system/files/media/document/file/220307_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_vom_02.03.2022.pdf; siehe zur zahlenmäßigen Festlegung einer Kapazitätsgrenze für Großveranstaltungen im Freien: OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2022 - 13 B 203/22.NE -, juris, Rn. 138 ff.
354b) Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a CoronaSchVO geregelten Zugangsbeschränkungen zu Versammlungen im Freien bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. 1.000 Teilnehmenden verletzten auch keine anderen Freiheitsgrundrechte.
355Die Regelung griff zielgerichtet mittelbar in das Recht der Versammlungsteilnehmer ab einem Alter von 16 Jahren (vgl. § 4 Abs. 7 CoronaSchVO) auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Die COVID-19-Schutzimpfung wirkte durch das Einbringen eines Stoffes und die damit verbundenen Nebenwirkungen auf die körperliche Integrität der Betroffenen ein. Bei der Durchführung von Coronatests in Form der Vornahme eines Abstrichs aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum wurde ebenfalls die körperliche Integrität beeinträchtigt. Zwar hinderten die Verordnungsbestimmungen nicht daran, auf die Schutzimpfung sowie die Durchführung von Coronatests zu verzichten. Dadurch wäre eine gegenständliche Einwirkung auf die körperliche Integrität vermieden gewesen. Allerdings knüpfte die Regelung an die Wahrnehmung dieser grundrechtlich geschützten Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nachteilige Folgen, die nach Zielsetzung und Gewicht einem unmittelbaren staatlichen Eingriff entsprachen, indem sie in dem Fall den Zugang zu Versammlungen bei gleichzeitig mehr als 750 bzw. 1.000 Teilnehmenden verwehrte (vgl. auch § 4 Abs. 6 und 8 CoronaSchVO).
356Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. -, juris, Rn. 72 f., 77 ff. (zur Masernschutzimpfung), sowie vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 113 f. (zum Impfnachweis bzgl. COVID-19); siehe ferner zur unbedingt geltenden Coronatestpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 ‑ 13 D 102/21.NE -, juris, Rn. 107 ff., m. w. N.
357Zudem griffen die Regelungen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein, weil die Versammlungsteilnehmer ab einem Alter von 16 Jahren (vgl. § 4 Abs. 7 CoronaSchVO) u. a. Gesundheitsdaten preisgeben mussten (vgl. § 4 Abs. 6 und 8 CoronaSchVO).
358Vgl. zur Coronatestpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 - 13 D 102/21.NE ‑, juris, Rn. 121 ff., m. w. N.
359Die Eingriffe sind aus den vorstehenden Erwägungen allerdings ebenfalls gerechtfertigt gewesen. Dabei ist auch hier insbesondere zu berücksichtigen, dass nichtimmunisierte Personen eine Schutzimpfung durch die Vorlage eines negativen Testnachweises vermeiden konnten und der diesbezügliche Eingriff in die körperliche Integrität nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität war.
360Vgl. zur Coronatestpflicht an Schulen OVG NRW, Urteil vom 13. November 2023 - 13 D 102/21.NE ‑, juris, Rn. 256 ff., m. w. N.; ebd., Rn. 272, auch zum dort als lediglich moderat einzustufenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
361c) Die verfahrensgegenständliche Regelung verstieß schließlich auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
362Die Besserstellung von immunisierten sowie (nichtimmunisierten, aber [negativ]) getesteten Personen war durch Sachgründe gerechtfertigt, da – wie bereits ausgeführt – die Annahmen nicht zu beanstanden waren, dass immunisierte Personen sich seltener infizierten, von ihnen ein geringeres Transmissionsrisiko ausging und sie vor schweren Krankheitsverläufen erheblich besser geschützt waren sowie die Testnachweispflicht das potentielle Ansteckungs- und Verbreitungsrisiko wesentlich minimierte.
363Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
364Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
365Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.