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Der angegriffene Beschluss wird geändert. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000 Euro und für den im Erörterungstermin vom 12. Dezember 2023 geschlossenen gerichtlichen Vergleich auf die Wertstufe von bis zu 16.000 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat und über die nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist lediglich im Umfang der Änderung der Wertfestsetzung des Verwaltungsgerichts durch den vorliegenden Beschluss begründet, im Übrigen hingegen unbegründet.
2Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren richtet sich hier grundsätzlich nach § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag des Klägers aus dem Klageverfahren ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Gegenstandswert von 5.000,00 Euro anzunehmen.
3Hinsichtlich des mit dem ursprünglichen Klageantrag verfolgten Begehrens der Aufhebung der Überleitungsanzeige vom 23. September 2022 hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass der Sach- und Streitstand vorliegend keine genügenden Anhaltspunkte zur Bestimmung des Gegenstandswerts bietet. Solche Anhaltspunkte folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid (potentielle) Schenkungsrückforderungsansprüche der Mutter der Klägerin gegen diese auf pflegewohngeldrechtlicher Grundlage "bis maximal zur Höhe der seit Kostenübernahme entstandenen […] Pflegewohngeldaufwendungen" auf sich übergeleitet hat und diese mit 9.910,85 Euro zuzüglich ab November 2022 monatlich laufender 409,76 Euro beziffert sowie den Umfang der übergeleiteten potentiellen Ansprüche mit über 180.000 Euro angegeben hat.
4Die Bedeutung des Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige nach § 93 Abs. 2 SGB XII ergibt sich nicht aus der Höhe des übergeleiteten, den Auffangwert übersteigenden Anspruchs. Denn in diesem Verfahren wird nicht geklärt, ob und in welcher Höhe der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht und durchsetzbar ist. Eine Überleitungsanzeige ist nur dann rechtswidrig, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs evident ausgeschlossen ist. Die Wirkung der allein verfahrensgegenständlichen Überleitungsanzeige beschränkt sich auf die Überleitung des (möglichen) Anspruchs als solchen und den daraus folgenden Wechsel der Gläubigerstellung. Auf das Bestehen und die Höhe des übergeleiteten Anspruchs hat die Überleitungsanzeige keinen Einfluss.
5Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Oktober 2020 - 12 E 793/20 -, juris Rn. 5, vom 20. Februar 2018 - 12 E 98/18 -, juris Rn. 9, und vom 11. Januar 2018 - 12 E 748/17 -, juris Rn. 5; so auch für eine Streitwertfestsetzung nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 GKG: LSG NRW, Beschlüsse vom 23. August 2021 - L 20 SO 20/20 -, juris Rn. 63, und vom 24. Juni 2015 - L 9 SO 408/14 B -, juris Rn. 14 ff., m. w. N.; im Ergebnis auch BSG, Beschlüsse vom 13. Juli 2023 - B 8 SO 15/22 R -, juris Rn. 24, und vom 25. April 2013 - B 8 SO 104/12 B -, juris Rn. 11.
6Hieran hält der Senat auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens fest und nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf die vorstehend zitierte Senatsrechtsprechung und führt ergänzend aus:
7Entgegen der Behauptung in der Beschwerdeschrift hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht angeführt, "dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Überleitungsanzeige lediglich im Rahmen der Evidenzprüfung erfolgen würde". Vielmehr hat es zutreffend den vorstehenden Rechtsprechungsgrundsatz wiedergegeben, wonach eine Überleitungsanzeige "nur dann rechtswidrig [ist], wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs evident ausgeschlossen ist". Es geht entgegen dem Beschwerdevorbringen also nicht um die Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit der Überleitungsanzeige, sondern um die Offensichtlichkeit des Nichtbestehens des übergeleiteten Anspruchs.
8Ob ein stattgebendes Urteil, das aus Sicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erwarten gewesen wäre, dazu geführt hätte, "dass die mit der streitgegenständlichen Überleitungsanzeige behaupteten und übergeleiteten Ansprüche verjährt gewesen wären", ist ohne Belang. Wie vorstehend ausgeführt, hat die Überleitungsanzeige selbst auf das Bestehen, die Höhe und Durchsetzbarkeit des übergeleiteten Anspruchs keinen Einfluss. Ungeachtet dessen blenden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus, dass eine "Verjährung" als rechtshemmende Einrede nur bei Erhebung vom (Zivil-)Gericht zu berücksichtigen wäre und dass die Frage, wann die Verjährungsfrist bei einem Schenkungsrückforderungsanspruch beginnt und auf welche Kenntnis abzustellen ist, umstritten und höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist.
9Vgl. Roth, SGb 2022, 475 (479), m. w. N.; für ein Abstellen auf die Kenntnis des Sozialhilfeträgers im Falle einer Überleitung vgl. auch Linsler, in: juris-PK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 528 (Stand 01.02.2023) Rn. 59.
10Soweit mit der Beschwerde stattdessen auf die in § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB normierte Ausschlussfrist abgestellt werden sollte, die in der Rechtsprechung auch als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung angesehen wird,
11vgl. Linsler, in: juris-PK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 529 (Stand 01.02.2023) Rn. 13; Roth, NZFam 2018, 961 (962),
12verfängt auch dies nicht. Denn die Vorschrift stellt darauf ab, ob im Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit (nicht: im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Überleitungsanzeige) die Zehnjahresfrist ab Vollzug der Schenkung abgelaufen ist. Eine Bedürftigkeit der Heimbewohnerin i. S. v. § 529 Abs. 1 Alt. 2 BGB wird - unabhängig vom Ausgang des Verwaltungsrechtsstreits betreffend die Überleitungsanzeige - spätestens in dem Zeitpunkt eingetreten sein, als sie die notwendigen Heimkosten nicht mehr hinreichend begleichen konnte. Eine erst im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entstehende Möglichkeit einer Einrede der Klägerin bzw. einer rechtshemmenden Einwendung gegen die Schenkungsrückforderungsansprüche wäre im Übrigen auch deswegen unerheblich für die Wertfestsetzung, da für diese der Zeitpunkt der den Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, maßgeblich ist (§ 40 GKG).
13Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, es könne nicht zugunsten der Beklagten gewertet werden, dass diese "ohne Obergrenze auch in Hinblick auf gegebenenfalls zukünftige Ansprüche hier Schenkungsansprüche von nahezu 200.000,00 € geltend gemacht" hat, verkennen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass es bei der Wertbestimmung für die Rechtsanwaltsgebühren nur um das klägerische Interesse im zugrunde liegenden Verfahren und nicht um die Redlichkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns geht. Ungeachtet dessen übersehen sie, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid eine Begrenzung der Überleitung auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ausdrücklich vorgenommen hat ("bis maximal zur Höhe").
14Hinsichtlich des im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht geschlossenen verfahrensbeendenden Vergleichs ist der Gegenstandswert indes höher festzusetzen, da der Regelungsgehalt des Vergleichs über die Beendigung des an sich auf Aufhebung der Überleitungsanzeige gerichteten Klageverfahrens hinausgeht und da für die anwaltliche Einigungsgebühr nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG der diesbezüglich festgesetzte Wert maßgebend ist.
15In dem Vergleich hat sich die Klägerin zu einer Zahlung von 4.000 Euro an die Beklagte verpflichtet, womit nach der Einigung alle Ansprüche "aus der Überleitungsanzeige […] abgegolten und erledigt" sein sollten. Damit haben die Beteiligten der Sache nach - unabhängig von der letztlich nicht erfolgten Aufhebung der ursprünglich nur streitgegenständlichen Überleitungsanzeige - eine Regelung über die zivilrechtlichen Ansprüche getroffen, die die Beklagte bei Bestandskraft der Überleitungsanzeige gegen die Klägerin geltend machen wollte. Der Senat erachtet es in dieser Konstellation für sachgerecht, auf den Betrag abzustellen, der im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses maximal auf Grundlage der Überleitungszeige von der Beklagten hätte verlangt werden können. Mit Blick auf die Begrenzung der - hier allein streitgegenständlichen - pflegewohngeldrechtlichen Überleitungsanzeige auf die Höhe der tatsächlichen pflegewohngeldrechtlichen Aufwendungen der Beklagten, ist dieser Betrag in der Wertstufe bis 16.000 Euro (9.910,85 Euro bis einschließlich Oktober 2022 zzgl. des monatlichen Pflegewohngeld - anfangs 409,76 Euro - bis einschließlich Dezember 2023) zu verorten. Da sich das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, eine solche Forderung abzuwenden, mit dem - vorgelagerten - wirtschaftlichen Interesse an der Aufhebung der Überleitungsanzeige überschneidet, nimmt der Senat insoweit keine Addition der Werte für den (Mehr-)Vergleich und für den ursprünglichen Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor, sondern setzt hinsichtlich des Vergleichs allein den höheren Wert an.