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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Aus den vom Senat allein zu prüfenden Gründen, die der Kläger im Zulassungsverfahren vorgebracht hat, ergibt sich nicht, dass die Berufung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen ist. Die geltend gemachten Zulassungsgründe werden nicht hinreichend dargelegt und/oder liegen nicht vor.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme seiner Kinder sowie auf Gewährung vollständiger Akteneinsicht in die Vorgänge des Jugendamts gerichtet ist, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Die Feststellungsklage bleibe deswegen ohne Erfolg, weil die am 9. Dezember 2021 durchgeführte Inobhutnahme der Söhne des Klägers rechtmäßig gewesen sei. Das Jugendamt des Beklagten habe an jenem Nachmittag aufgrund der ihm bis dahin bekannten Informationen hinreichende Gründe für eine Inobhutnahme der Kinder gehabt. Die Fachkräfte des Jugendamts hätten aufgrund der getrennt geführten Gespräche davon ausgehen müssen, dass bei beiden Kindern eine Gefahr für die Kindesentwicklung bestanden habe. Denn die Kinder hätten unabhängig voneinander den Inhalt der dem Jugendamt zugegangenen anonymen Meldung im Wesentlichen bestätigt und von regelmäßigen Schlägen im Elternhaus, insbesondere durch die Kindesmutter, berichtet. Aus einer solchen Missachtung des sich aus § 1631 Abs. 2 BGB ergebenden Rechts der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung resultiere eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls. Die Fachkräfte des Jugendamts seien auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine rechtzeitige Einschaltung des Familiengerichts nicht möglich gewesen sei. Diese Frage habe sich für sie am 9. Dezember 2021 erst gestellt, nachdem das von ihnen nach der Befragung der Kinder an diesem Tag beabsichtigte Gespräch mit dem Kläger und seiner Ehefrau wegen deren aggressiver Reaktion nicht zustande gekommen und die Situation eskaliert sei. Die Entscheidung des Jugendamts, die Kinder nach dem Abbruch des Klärungsgesprächs nicht bis zum Ergehen einer vorläufigen familiengerichtlichen Entscheidung vorübergehend in der Obhut der Eltern zu belassen, erweise sich angesichts der schon am Vormittag des 9. Dezember 2021 festgestellten Kindesgefährdung und angesichts der Reaktion der Eltern als ohne weiteres nachvollziehbar. Die Prognose des Jugendamts, dass den Kindern ansonsten eine Schädigung ihres körperlichen oder seelischen Wohls gedroht hätte, lasse keine Einschätzungsfehler erkennen. Auch die vom Jugendamt des Beklagten im Vorfeld der Inobhutnahme am Vormittag des Tages durchgeführten isolierten Gespräche mit den Söhnen des Klägers seien auf Grundlage von § 8a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII rechtmäßig erfolgt. Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Inobhutnahme ergäben sich ferner nicht aus dem weiteren Verhalten des Jugendamts nach dem 9. Dezember 2021.
5Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung vollständiger Akteneinsicht in die die Inobhutnahme betreffenden Vorgänge des Jugendamts. Soweit es dem Kläger um Akteninhalte gehe, die keine Rückschlüsse auf die Identität der anonymen Melder zuließen und die keine anvertrauten Daten nach § 65 SGB VIII enthielten, fehle der Klage bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger sei insoweit nicht auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes angewiesen gewesen, da der Beklagte ihm eine vollständige Akteneinsicht vor Klageerhebung nicht verwehrt hätte. Hinsichtlich derjenigen Aktenteile, die Rückschlüsse auf die Identität des anonymen Melders bzw. der Melderin zuließen und/oder anvertraute Daten nach § 65 SGB VIII enthielten, fehle es an einem durchsetzbaren Akteneinsichtsanspruch des Klägers. Ein solcher folge zunächst nicht aus § 25 Abs. 1 SGB X. Unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt als Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens anzusehen sei, stehe einem entsprechenden Anspruch jedenfalls § 25 Abs. 3 SGB X entgegen. Der Kläger könne sein Begehren auf Einsichtnahme in diejenigen Aktenbestandteile, die Rückschlüsse auf die Identität des anonymen Melders bzw. der Melderin zuließen und die anvertraute Daten nach § 65 SGB VIII enthielten, ferner nicht auf § 4 Abs. 1 IFG NRW stützen. Ebenso wenig könne der Kläger verlangen, dass über dieses Akteneinsichtsgesuch aufgrund fehlerfrei ausgeübten Ermessens entschieden werde. Die Regelung des § 25 Abs. 3 SGB X, wonach sich die Akteneinsicht nicht auf solche Vorgänge erstrecken dürfe, die wegen berechtigter Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim zu halten seien, sei auch anzuwenden auf den außerhalb eines Verwaltungsverfahrens bestehenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einsichtsbegehren. Das in § 65 Abs. 1 SGB VIII geregelte besondere Verbot der Weitergabe überlagere für seinen Regelungsbereich die allgemeinen Bestimmungen über eine Akteneinsicht.
6I. Dem setzt das Zulassungsvorbringen nichts entgegen, was auf ernstliche Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führt.
7Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen weder hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme (dazu 1.) noch hinsichtlich der Frage eines Anspruchs des Klägers auf die begehrte Akteneinsicht (dazu 2.).
81. Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einer Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme ausgegangen ist.
9a) Die Annahme, dass im Zeitpunkt der Inobhutnahme eine dringende Gefahr für das Wohl der Kinder i. S. v. § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII vorgelegen habe, zieht der Kläger nicht in Zweifel.
10Eine Gefahr im jugendhilferechtlichen Sinn ist - wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht - dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung im Rahmen der prognostischen ex-ante-Betrachtung bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens der Eintritt des Schadens hinreichend wahrscheinlich ist. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit verlangt einerseits nicht Gewissheit, dass der Schaden eintreten wird. Andererseits genügt die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts grundsätzlich nicht zur Annahme einer Gefahr. Dabei ist allerdings zu beachten, dass hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit insbesondere mit Blick auf das betroffene Schutzgut differenziert werden muss: Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, umso geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit zu stellen sind. Wo es um den Schutz besonders hochwertiger Schutzgüter geht, kann deshalb auch schon eine entfernte Möglichkeit eines Schadens die begründete Befürchtung seines Eintritts auslösen. Von Letzterem ist im Jugendhilferecht regelmäßig auszugehen.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom, vom 22. Dezember 2017 - 12 B 1553/17 -, juris Rn. 11, vom 7. November 2007 - 12 A 635/06 -, juris Rn. 9, und vom 27. Februar 2007 - 12 B 72/07 -, juris Rn. 30 ff., jeweils m. w. N.
12Eine Gefahr für das Kindeswohl liegt vor, wenn eine Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen ist, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt; typische Anwendungsfälle sind Kindesmisshandlung, sexuelle Gewalt und Vernachlässigung.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Oktober 2019- 12 B 448/19 -, juris Rn. 17, vom 20. Dezember 2016 - 12 B 1262/16 -, juris Rn. 17, und vom 8. November 2006 - 12 B 2077/06 -, juris Rn. 10, m. w. N.
14Der Umstand, dass die Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII das Vorliegen einer "dringenden" Gefahr voraussetzt, begründet für den anzuwendenden Gefahrenbegriff keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen. Eine "dringende Gefahr" besteht zwar nicht schon bei einer "bevorstehenden" oder "drohenden" Gefahr, aber auch nicht erst bei einer "unmittelbar bevorstehenden Gefahr".
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Oktober 2019- 12 B 448/19 -, juris Rn. 19, und vom 7. November 2007- 12 A 635/06 -, juris Rn. 13, jeweils m. w. N.
16Dies zugrunde gelegt, zeigt der Kläger nicht ansatzweise auf, dass und warum das Verwaltungsgericht nicht von einer im maßgeblichen Zeitpunkt der Inobhutnahme bestehenden dringenden Gefahr für das Wohl der Kinder hätte ausgehen dürfen.
17Die insoweit von Kläger vertretene Auffassung, "dass Inobhutnahmen aus der Schule/Kindergarten/Drittunterbringung sich als grds. unzulässig darstellen, weil dort das Kindeswohl grds. gesichert und nicht gefährdet ist, da dem Kindergarten/Schule ansonsten die Erlaubnis gem. § 45 SGB Vlll entzogen werden müsste", geht an der maßgeblichen Erwägung des Verwaltungsgerichts vorbei. Maßgeblich für das Verwaltungsgericht war eine sich aus den Gesprächen mit den Kindern ergebende Gefahrenlage, die mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Abholung durch die Kindeseltern für die damit zwangsläufig eintretende elterliche Aufsicht, also für die Zeit nach dem Schul- bzw. Kindergartenaufenthalt angenommen wurde.
18Im Übrigen beschränkt sich das Zulassungsvorbringen hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl im Wesentlichen auf die bloßen Behauptungen, eine solche "so dringende Gefahr" habe zu dem Zeitpunkt der Inobhutnahme nicht bestanden und die Fachkräfte des Jugendamts seien "nach den vorher mit den Kindern geführten Gesprächen" zu Unrecht davon ausgegangen, dass "eine Gefahr für die Kindesentwicklung bestanden habe und die Kinder unabhängig voneinander den wesentlichen Inhalt der anonymen Meldung bestätigt und von regelmäßigen Schlägen im Elternhaus insbesondere von der Kindesmutter berichtet hätten". Eine Auseinandersetzung mit den konkreten Angaben der Kinder findet nicht im Ansatz statt. Soweit der Kläger ausführt, dass er selbst nichts mit Übergriffen der Kindesmutter zu tun gehabt habe und man ihm die Kinder daher hätte unterstellen müssen, legt er nicht ansatzweise dar, dass trotz seiner Berufstätigkeit und von den Kindern geschilderter überwiegender Abwesenheit eine Überlassung allein an ihn möglich gewesen wäre und dass er weitere Gewaltanwendungen seiner Frau gegenüber den Kindern verlässlich hätte verhindern können.
19b) Ausgehend von dem Beginn der aus der ex-ante-Sicht des Jugendamts bevorstehenden Gefahrenlage - nämlich bei Mitnahme der Kinder durch ihre Eltern - legt der Kläger auch nicht dar, dass entgegen § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII und entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts eine familiengerichtliche Entscheidung rechtzeitig hätte eingeholt werden können.
20Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht nicht auf die Möglichkeit einer vorherigen Anrufung des Familiengerichts, sondern darauf abgestellt, ob eine familiengerichtliche Entscheidung - etwa im Wege der einstweiligen Anordnung - noch rechtzeitig hätte ergehen können, um der Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Mit Blick darauf, dass der Schutz des Kindes ein Abwarten der Entscheidung des Familiengerichts nicht erlaubt, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2022 - 12 A 1402/18 -, juris Rn. 130; vgl. auch Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 42 Rn. 34, 37.
22Zwar muss mit Blick auf das Bestehen eines - vom Kläger hervorgehobenen - gerichtlichen Bereitschaftsdienstes auch der Familiengerichte jedenfalls grundsätzlich vor einer Inobhutnahme versucht werden, eine familiengerichtliche Entscheidung einzuholen.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2022- 12 A 1402/18 -, juris Rn. 134; Bay.VGH, Beschluss vom 9. Januar 2017 - 12 CS 16.2181 -, juris Rn. 14; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 26. April 2018- 1 LZ 238/17 -, juris Rn. 6; Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 42 Rn. 34; vgl. im Ergebnis ebenso OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2018 - 12 E 210/18 -, juris Rn. 7.
24Soweit die Anordnung sorgerechtlicher Maßnahmen durch das Familiengericht eine Sachverhaltsermittlung und -prüfung voraussetzt, die in der Regel auch eine nicht sofort zu leistende Anhörung der Kinder (§ 159 Abs. 1 FamFG), der Eltern (§ 160 Abs. 1 FamFG) und des Jugendamts (§ 162 Abs. 1 FamFG) erfordert,
25dies betonend: OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 4. März 2016 - OVG 6 S 60.15 -, juris Rn. 4,
26folgt daraus nichts grundsätzlich Abweichendes. Denn das Familiengericht kann die einstweilige Anordnung insbesondere bei einem dringenden Bedürfnis nach sofortigem Einschreiten bei einer Gefahrenlage für das Kind - wie der Kläger zu Recht anführt - auch ohne Durchführung des Erörterungstermins und - etwa bei Gefahr im Verzug (vgl. §§ 159 Abs. 3 Satz 2, 160 Abs. 4, 162 Abs. 1 Satz 2 FamFG) - insbesondere auch ohne vorherige Anhörung erlassen.
27Vgl. im Einzelnen dazu Hammer, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 157 Rn. 32 f.; Berneiser, in: Salgo/Lack, Verfahrensbeistandschaft, 4. Aufl. 2020, § 157 FamFG Rn. 1651 f.
28Von dem Versuch, vor einer etwaigen eigenen Maßnahme eine Entscheidung des Familiengerichts einzuholen, kann in Ausnahmefällen - entgegen der Auffassung des Klägers - aber jedenfalls dann abgesehen werden, wenn die Gefahr für das Kindeswohl so dringend ist, dass selbst die Kontaktaufnahme mit dem Familiengericht und die Klärung, bis wann mit einer Entscheidung zur rechnen ist, so lange dauert, dass die Gefahr nicht mehr rechtzeitig abgewendet werden könnte.
29Vgl. auch - vom Kläger unzutreffend für eine gegenteilige Aussage herangezogen - Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, Stand: 14. April 2022, § 42 Rn. 108; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 26. April 2018 - 1 LZ 238/17 -, juris Rn. 6.
30Darüber hinaus kann vom Grundsatz des vorherigen Versuchs der Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung womöglich auch in Gefährdungslagen abgewichen werden, in denen innerhalb weniger Stunden ein Handeln des Jugendamts gefordert ist.
31Offen lassend OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2022 - 12 A 1402/18 -, juris Rn. 142.
32Damit und mit der entsprechenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts setzt sich der Kläger nicht in einer den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise auseinander. Er behauptet zunächst lediglich, "eine einstweilige Anordnung hätte noch zeitig ergehen können, wenn die Beklagte das gewollt hätte". Gerade wenn ein Gespräch der Jugendamtsmitarbeiter mit den Kindeseltern nicht zustande gekommen sei, hätte die Beklagte das Familiengericht erst recht einschalten müssen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, es gebe "bei den Familiengerichten […], das hätte auch das VG Arnsberg wissen müssen, einen Notdienst, der sofort eine Entscheidung getroffen hätte", geht er schon nicht näher auf die bis zu einer erwarteten Mitnahme der Kinder durch die Eltern zur Verfügung stehende Zeit ein. Stattdessen bemüht er ohne Auseinandersetzung mit der konkreten Situation schlichte Unterstellungen, wonach die Beklagte das bis 16:00 Uhr geöffnete Familiengericht nicht eingeschaltet habe, "weil sie Angst hatte, dass sie nicht ans Ziel kommt und einfach in der Weise bewusst gesetzeswidrig vorgegangen ist. Strafrechtlich wäre an einer Freiheitsberaubung der Kinder zu denken". Soweit der Kläger meint, "es wäre auch überhaupt kein Problem gewesen, wenn diese sogenannten Fachkräfte nach ihrem Abbruch des Gesprächs und der angeblichen Reaktion der Eltern und des von ihr behaupteten Kindeswohlgefährdung trotzdem die Kinder bei den Eltern bis zur Entscheidung des Familiengerichts zu belassen" hätten, verkennt er, dass aus der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Beklagten und auch des Verwaltungsgerichts aus der ex-ante-Sicht der Behörde gerade im Belassen der Kinder bei den Eltern die dringende Gefahr gesehen worden ist. Dementsprechend musste ein familiengerichtliches Verfahren in der Akutsituation auch nicht vorab abgewartet werden, um den Kindeseltern zu ermöglichen, in diesem "eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abzugeben".
33Soweit der Kläger im Hinblick auf die aus Sicht des Beklagten anzunehmende Gefahrenlage meint, es gehe "nicht um eine Misshandlung von Kindern, sondern um die Frage der Rechtfertigung des Züchtigungsrechts, unter der Prämisse, dass der Kläger sich nichts vorzuwerfen hat", verkennt er bereits den vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Grundsatz der gewaltfreien Erziehung gemäß § 1631 Abs. 2 BGB, der mit den zugrundeliegenden Wertungen auch bei der Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung i. S. v. § 1666 BGB zu berücksichtigen ist.
34Vgl. BT-Drucks. 14/1247, S. 5.
35Zudem übersieht er, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht nach den Beschreibungen in der anonymen Meldung und nach den Schilderungen der Kinder - in vertretbarer Weise - von regelmäßigen, also jederzeit drohenden Gewaltanwendungen gegenüber den Kindern ausgegangen sind, die zu einer deutlich wahrnehmbaren Belastung der Kinder geführt und eine Gefahr für die Kindesentwicklung begründet hätten.
36Dass sich - was der Kläger rügt - die Mitarbeiter des Jugendamts die Frage einer rechtzeitig möglichen Einschaltung des Familiengerichts erst gestellt hätten, nachdem das anvisierte Gespräch mit den Kindeseltern wegen deren aggressiver Reaktion nicht zustande gekommen und die Situation eskaliert sei, ist nicht zu beanstanden. Die vom Beklagten nach Aktenlage in fachlich vertretbarer Weise getroffene Annahme, dass den Kindern erhebliche Gefahr drohe, wenn sie mit ihren Eltern die jeweilige Einrichtung verließen, hat sich erst 25 Minuten vor Schulschluss des Kindes S. aufgrund der zuvor mit den Kindern geführten Gespräche ergeben. Hält das Jugendamt eine Inobhutnahme für erforderlich, bedarf es nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII der Prüfung nach Buchstabe b) der Regelung, ob eine familiengerichtliche Entscheidung rechtzeitig eingeholt werden kann, nur dann, wenn entgegen der alternativ im vorrangigen Buchstaben a) aufgestellten Voraussetzung die Personensorgeberechtigten widersprechen. Dies konnte sich erst in dem angedachten Gespräch mit mindestens einem sorgeberechtigten Elternteil ergeben, in welchem die Mitarbeiter des Beklagten auch weitere Möglichkeiten und familiäre Ressourcen besprechen wollten. Dies verkennt der Kläger, soweit er meint, der Beklagte habe bereits vorab entschieden, dass etwa ein Verbleib der Kinder bei Verwandten oder Freunden oder "andere Maßnahmen zur Abwendung der Inobhutnahme auch nicht Betracht kommen". Auch sein Einwand, es sei "einfach unzulässig, unnötigerweise Zeit ablaufen zu lassen, ohne sich um eine familiengerichtliche Entscheidung zu bemühen", und "dass die Beklagte von vornherein nicht die Absicht bestanden hatte, die Entscheidung durch das Familiengericht einzuholen", geht an diesem Geschehensablauf vorbei. Selbst wenn sich beim Jugendamt - "womöglich schon am Vormittag des 09.12.2012" - die "Meinung verfestigt" haben sollte, "dass die Kinder nicht mehr in der Familie verbleiben könnten", war bereits nach der gesetzlichen Konzeption des § 42 Abs. 1 SGB VIII zunächst zu klären, ob die Kindeseltern einer Inobhutnahme zu widersprechen; erst bei Feststellung eines solchen Widerspruchs hätte es grundsätzlich der Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung bedurft. Dementsprechend vermag der Kläger auch mit seinen weiteren - unzutreffenden - Erwägungen, dass die Inobhutnahme bereits zwischen 12:00 und 12:30 Uhr erfolgt sei, weil die Kinder da de facto in der Obhut des Jugendamts gewesen seien, nicht durchzudringen.
37Soweit der Kläger hervorhebt, dass ihm am Tag der Inobhutnahme vom Jugendamt telefonisch gesagt worden sei, dass er auf keinen Fall zur Schule bzw. zu Kindergarten fahren solle, führt dies nicht auf ernstliche Richtigkeitszweifel. Wie sich aus dem Aktenvermerk des Beklagten vom 13. Dezember 2021 ergibt, ist der Kläger mittags am 9. Dezember 2021 telefonisch über die Pläne des Jugendamts informiert worden, worauf er ausgerastet sei und mitgeteilt habe, auf dem Weg zum Kindergarten zu sein. An dieses Verhalten des Klägers am Telefon sowie an das Verhalten der vor Ort in der Schule anwesenden Kindesmutter knüpfen erkennbar auch die Angaben an, die der Beklagte zu seinem am nächsten Tag beim Familiengericht gestellten Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge formuliert hat und die der Kläger schlicht - ohne nähere Darlegung des Gesprächsverlaufs aus seiner Sicht - als "wahrheitswidrigen Vortrag" darstellt.
38Dass die Jugendamtsmitarbeiter nach dem Telefonat mit dem Kläger ein persönliches Gespräch mit ihm nicht mehr für zielführend hielten, sondern auf das bedrohliche Verhalten schnell - durch Verbringen von S. auf die Dienststelle und Weiterfahrt zum Kindergarten sowie durch telefonische Information des Kindergartens und Hinzuziehung der Polizei - reagiert haben, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Insbesondere war aufgrund des aggressiven und bedrohlichen Verhaltens des Klägers nicht zu erwarten, durch ein Gespräch mit ihm eine Inobhutnahme vermeiden zu können. Dass in der Kürze der Zeit nach dem Telefonat mit dem Kläger bis zu dessen zu erwartenden Erscheinen entweder am Kindergarten oder womöglich auch an der Schule eine Kontaktaufnahme mit dem Familiengericht und die Klärung, bis wann mit einer Entscheidung zur rechnen ist, aus damaliger Sicht nicht mehr möglich gewesen wäre, liegt bereits auf der Hand und wird durch das klägerische Vorbringen auch nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise angezweifelt. Warum "das Familiengericht […] bei dem Sachverhalt und der Behauptung der Beklagten erst recht [hätte] eingeschaltet werden müssen", erschließt sich danach nicht und wird vom Kläger nicht näher dargelegt. Vor diesem Hintergrund verfängt auch der weitere Einwand des Klägers nicht, dass bei der späteren Inobhutnahme von Yasin am Kindergarten "weder ein Klärungsgespräch noch ein Hilfsangebote oder sonstige anderweitige Informationen einzuholen geplant waren". An der bereits zuvor beim Telefonat mit ihm eskalierten Situation gehen ebenso die weiteren Erwägungen des Klägers vorbei, wonach die Polizei doch vor den Fachkräften des Jugendamts am Kindergarten eingetroffen sei.
39Soweit der Kläger schildert, seinem Prozessbevollmächtigten sei das Jugendamt der Beklagten bekannt und es sei "nicht das erste Mal, dass in einer solchen gesetzeswidrigen Weise agiert wird", beschränkt er sich auf haltlose, durch nichts näher untermauerte Pauschalvorwürfe ohne jeglichen Bezug zum hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt. Sein Vergleich mit "einer Diktatur, wie […] der ehemaligen DDR, in der auch Kinder einfach den Eltern weggenommen wurden", ist ebenso abwegig wie seine weitere Unterstellung, dem Verwaltungsgericht sei es mit dem Unterlassen einer - ihm nach § 124a Abs. 1 VwGO nur im Falle grundsätzlicher Bedeutung oder einer beabsichtigten Abweichung von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung möglichen - Berufungszulassung darum gegangen, eine Überprüfung seines Urteils zu verhindern.
402. Auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die auf vollständige Akteneinsicht gerichtete Klage abzuweisen, zieht der Kläger mit seinem Vorbringen nicht ernstlich in Zweifel.
41Mit den dezidierten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen setzt er sich bereits nicht annähernd auseinander. Seine pauschale Aussage, sein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht sei "allein damit begründet", dass ihm "sonst keine effektive Rechtsverteidigung möglich ist", und sein bloßer Verweis auf die - hier mit Blick auf den Vorrang des Sozialverwaltungsverfahrensrecht ohnehin nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende - Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sowie auf eine angebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, genügen erkennbar nicht für eine den Anforderungen entsprechende Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel. Gleiches gilt hinsichtlich der pauschalen Erwägungen des Klägers, dass vollständige Akteneinsicht für einen erforderlichen "Vortrag betreffend der Anonymen Meldung" unerlässlich sei und dass bei einer anonymen Meldung davon auszugehen sei, "dass derjenige, der die Meldung unternommen hat, auch nicht kenntlich ist".
42Soweit der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die "im Antragsschriftsatz […] vom 16.02.2022 ausdrücklich erbetene Akteneinsicht nicht gewährt, sondern alsbald noch Vorlage der Akten durch die Antragsgegnerin eine Entscheidung in der Sache getroffen" habe, betrifft dies nicht die im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO maßgebliche Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung über einen Akteneinsichtsanspruch gegen den Beklagten, sondern beinhaltet die Rüge eines Verfahrensmangels i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt der Verletzung rechtlichen Gehörs. Eine solche Gehörsverletzung scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger den Akteneinsichtsantrag (auch in der mündlichen Verhandlung) als Sach- bzw. Verpflichtungsantrag gestellt hat, ohne zuvor eine Akteneinsichtsgewährung durch das Gericht zu begehren.
432. Soweit der Kläger über die Richtigkeitszweifel und die konkludente Rüge von Verfahrensfehlern in der Gestalt einer Verletzung rechtlichen Gehörs sich auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 5 VwGO beruft, unterlässt er jegliche Darlegung. Er beschränkt er sich auf die bloße Behauptung des Vorliegens dieser Zulassungsgründe und ergänzt diese durch Verweise in Klammerzusätzen, die in der Zulassungsbegründung keine Entsprechung finden. Soweit er damit auf seine Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verweisen will, ersetzt dies nicht eine Darlegung zu den weiteren geltend gemachten Zulassungsgründen. Auch hinsichtlich des im Zusammenhang mit ernstlichen Richtigkeitszweifeln erhobenen Einwands des Klägers, das Verwaltungsgericht habe den "Sachverhalt […] nicht ausermittelt" fehlt jegliche Erörterung, warum das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung aus § 86 Abs. 1 VwGO in Bezug auf entscheidungserhebliche Aspekte trotz unterbliebener Beweisanträge des Klägers vorliegend verletzt haben könnte.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO.
45Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.