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Elternbeitragsrechtliche Satzungsregelungen, die - ähnlich wie bis zum 31. Juli 2016 in § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK - eine Beitragsbefreiung oder -ermäßigung für das zweite und jedes weitere Kind vorsehen, wenn "mehr als ein Kind einer Familie" (oder von an die Stelle der Eltern tretenden Personen) gleichzeitig Angebote der Förderung in Tageseinrichtungen (oder in Kindertagespflege) in Anspruch nehmen, erfassen auch Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammen leben. Dies gilt unabhängig davon, ob von einem Kind auch der zweite Elternteil mit in der häuslichen Gemeinschaft lebt und ob für die Halbgeschwister eine unterschiedliche Beitragsschuldnerschaft besteht.
Soweit nach § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz sicherzustellen ist, dass im Falle von Geschwisterregelungen "die Familie" sowohl von diesen als auch von der Elternbeitragsbefreiung nach § 50 Abs. 1 KiBiz profitiert, fällt (auch) unter diesen Familienbegriff die Haushaltsgemeinschaft von Halbgeschwistern mit ihrem gemeinsamen Elternteil unabhängig vom Zusammenleben mit einem weiteren Elternteil nur eines der Kinder.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 21. Juni 2022 wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung von Elternbeiträgen für ihr gemeinsames, am 00. Juli 2019 geborenes Kind P. H. für die Zeit ab dem 1. August 2021.
3In der für die Beitragserhebung maßgeblichen Satzung der Beklagten über die Erhebung von Elternbeiträgen für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege vom 17. Februar 2012 in der hier maßgeblichen Fassung vom 21. Juni 2019 (im Folgenden: EBS) sind unter anderem die folgenden Vorschriften enthalten:
4§ 2 Beitragspflichtiger Personenkreis
5(1) Beitragspflichtig sind die Eltern, mit denen das Kind zusammenlebt. Lebt das Kind nachweislich (amtliche Meldebescheinigung) nur mit einem Elternteil zusammen, so tritt dieser an die Stelle der Eltern.
6(2) Wird bei Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII den Pflegeeltern ein Kinderfreibetrag nach § 32 Einkommensteuergesetz gewährt oder Kindergeld gezahlt, treten die Personen, die diese Leistung erhalten, an die Stelle der Eltern.
7(3) Mehrere Beitragspflichtige haften als Gesamtschuldner.
8§ 4 Höhe der Elternbeiträge
9(1) Die Beitragspflichtigen haben entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit monatlich öffentlich-rechtliche Beiträge zu entrichten. Bei der Beitragserhebung sind die Betreuungsform und der Betreuungsumfang - bei kombinierter Betreuung eines Kindes in einer Kindertageseinrichtung und in Kindertagespflege der wöchentliche Gesamtbetreuungsumfang - ausschlaggebend. Ohne Angabe zum Einkommen und ohne Vorlage der geforderten Einkommensnachweise ist der höchste Elternbeitrag zu zahlen.
10(2) Die Höhe der Elternbeiträge ergibt sich aus der Anlage zu dieser Satzung. […]
11§ 6 Beitragsermäßigung
12(1) Nehmen aus einer Familie oder von Personen, die nach § 2 an die Stelle der Eltern treten, mehr als ein Kind Betreuungsangebote einer G. Kindertageseinrichtung oder, sofern die Kinder in G. gemeldet sind, der Kindertagespflege in Anspruch, so ist nur ein Beitrag zu leisten und zwar für das Kind, für das der höhere Beitrag zu zahlen ist.
13(2) Wird ein Kind auf Grund der Regelung des § 23 Abs. 3 KiBiz beitragsbefreit, so entfällt auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind.
14[…]
15P. H. wurde im streitbefangenen Beitragszeitraum mit einem Umfang von 45 Stunden pro Woche in der Betreuungsform ab zwei Jahren in dem evangelischen Kindergarten C. im Stadtgebiet der Beklagten betreut. Im Haushalt der Kläger lebte zudem das am 00. Dezember 2016 geborene Kind Z. H.. Dieses stammt von der Klägerin zu 1. und dem unter anderer Anschrift lebenden Herrn Q. F. ab und nahm bereits seit dem 1. August 2020 - auch im Kindergartenjahr 2021/2022 - eine Förderung ebenfalls in der Kindertageseinrichtung C. in der Betreuungsform ab zwei Jahren mit einem Umfang von 45 Stunden pro Woche in Anspruch.
16Für die Betreuung von Z. H. setzte die Beklagte nur gegenüber der Klägerin zu 1. als allein mit dem Kind zusammenlebendem Elternteil mit Bescheid vom 26. März 2021 einen Elternbeitrag von 0,- Euro fest, wobei sie von einer Beitragsfreiheit nach § 50 Abs. 1 KiBiz ausging.
17Durch Bescheid vom 13. August 2021 setzte die Beklagte für die Betreuung von P. H. in der Betreuungsform ab zwei Jahren mit einem Betreuungsumfang von 45 Stunden pro Woche und unter Annahme eines maßgeblichen Einkommens von 92.000,- Euro gegenüber beiden Klägern einen monatlichen Elternbeitrag von 313,- Euro fest. Dabei legte sie ausweislich des Anschreibens vom gleichen Tag eine Selbsteinschätzung der Kläger hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens zugrunde; insoweit hatte der Kläger zu 2. zuvor mit E-Mail vom 5. August 2021 mitgeteilt, dass er sein Jahreseinkommen im Jahr 2021 auf 92.000,- Euro schätze und anrege, diesen Betrag als Beitragsbemessungsgrundlage zu nehmen.
18Gegen diese Festsetzung erhoben die Kläger mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 2. September 2021 Widerspruch und wiesen zur Begründung darauf hin, dass in ihrem Haushalt der Sohn der Klägerin zu 1. als weiteres Kind lebe, dessen Betreuung beitragsfrei sei. Damit finde § 6 EBS Anwendung, wonach auch der Beitrag für jedes weitere Kind entfalle.
19Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2021 - zugestellt am 3. Dezember 2021 - wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück und verwies zur Begründung darauf, dass die Eltern bzw. der allein mit dem Kind zusammenlebende Elternteil beitragspflichtig seien, dass hier die beiden Kinder der Klägerin zu 1. aber verschiedene Kindesväter hätten. Es seien getrennte Berechnungen für die Beiträge der beiden Kinder erfolgt. Dem Umstand, dass die Klägerin zu 1. ein beitragsbefreites Kind "nach § 50 Abs. 3 KiBiz" (gemeint wohl: § 50 Abs. 1 KiBiz, Anm. des Senats) habe, sei dadurch Rechnung getragen worden, dass ihr Einkommen bei der Festsetzung für das Kind P. unberücksichtigt geblieben sei. Es sei somit sichergestellt worden, dass eine Berücksichtigung der Beitragsbefreiung von Z. stattfinde, indem bei der Festsetzung des Elternbeitrags für P. "nur" ein gemindertes Familieneinkommen (um den Anteil der Klägerin zu 1.) berücksichtigt werde. Das Einkommen des Klägers zu 2. sei für die Festsetzung heranzuziehen, da er im Sinne der Elternbeitragssatzung für P. beitragspflichtig sei. Er habe kein beitragsbefreites Kind, da er nicht der Kindsvater von Z. sei und bisher auch nicht für die Festsetzung des Elternbeitrags für Z. herangezogen worden sei.
20Die Kläger haben am 9. Dezember 2021 Klage erhoben und zur Begründung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens im Wesentlichen zur aus ihrer Sicht maßgeblichen Frage Stellung genommen, wie die normierten Begriffe "Familie" und "Eltern" zu verstehen seien. Insoweit komme es nicht auf ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern an, sondern vielmehr darauf, ob die Eltern mit ihren Kindern in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebten. Zu beachten sei auch, dass es sich nicht um eine Patchwork-Familie handele, bei der jeder Partner eigene Kinder mit in die Beziehung gebracht habe, sondern dass P. das Kind beider Kläger sei.
21Die Kläger haben beantragt,
22den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2021 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 30. November 2021 aufzuheben.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid und den ergangenen Widerspruchsbescheid bezogen.
26Mit dem angefochtenen Urteil vom 21. Juni 2022 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der verfahrensgegenständliche Bescheid der Beklagten über die Erhebung von Elternbeiträgen sei zwar objektiv rechtswidrig, soweit nicht das Einkommen beider Elternteile der Beitragsbemessung zugrunde gelegt worden sei. Die Kläger seien als Eltern, mit denen das Kind zusammenlebe, Gesamtschuldner für den gesamten Beitrag, so dass nach den Satzungsbestimmungen ihr Gesamteinkommen zu berücksichtigen sei. Soweit die Beklagte dennoch das Einkommen des Klägers zu 2. bei der Beitragsbemessung außer Ansatz gelassen habe, sei der Beitragsbescheid nicht aufzuheben, da sich diese Rechtswidrigkeit zu Gunsten der Kläger auswirke. Dass die Beklagte keine Beitragsbefreiung vorgenommen habe, sei hingegen nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von Beiträgen auf Grundlage des § 6 Abs. 2 EBS seien nicht erfüllt. Mit Blick auf die landesrechtlich in § 51 Abs. 4 Satz 3 und 4 KiBiz angelegten Vorgaben für eine Beitragsbefreiung, an die die Satzungsbestimmung anknüpfe, sei der darin verwendete Begriff der "Familie" maßgeblich. Anders als in den leistungsbezogenen bzw. leistungsvermittelnden Vorschriften des Achten Buchs Sozialgesetzbuch oder des Kinderbildungsgesetzes stehe die in § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz angesprochene Schaffung von Ermäßigungsregelungen nicht in Zusammenhang mit einem weiten Familienbegriff, sondern in Zusammenhang mit der Beitragspflicht. Auch durch die Gesetzesbegründung werde deutlich, dass der elternbeitragsrechtliche Familienbegriff untrennbar mit dem Elternbegriff und so mit der Beitragspflicht verknüpft werden sollte. Nach der Rechtsprechung der Kammer bestünden Sinn und Zweck der Regelung in § 51 Abs. 4 Satz 3 und 4 KiBiz darin, den Ausgleich der durch die Beitragsfreiheit entstehenden Beitragsausfälle bei der beitragserhebenden Gemeinde durch das Land an die jeweiligen Eltern - also die Beitragspflichtigen - wirtschaftlich weiter zu vermitteln, um Doppelbelastungen in einem konkreten Beitragsrechtsverhältnis zu vermeiden. Im vorliegenden Fall der Beitragserhebung durch die Beklagte werde dies bereits dadurch deutlich, dass die Satzungsregelung zur Geschwisterbefreiung an die Familie - insofern als unbestimmten Rechtsbegriff - und alternativ hierzu an die gemäß § 2 EBS an die Stelle der Eltern tretenden Personen - so in Abs. 2 an die Pflegeeltern - anknüpfe. Im vorliegenden Fall seien hinsichtlich der beitragspflichtigen Betreuung der Kinder der Klägerin zu 1. unterschiedliche Beitragsrechtsverhältnisse gegeben, da die Klägerin zu 1. für beide Kinder dem Grunde nach beitragspflichtig sei, während den Kläger zu 2. lediglich die Beitragspflicht hinsichtlich des Kindes P. als Gesamtschuldner treffe. Für einen solchen Fall seien weder im Bundes- noch im Landesrecht noch im kommunalen Satzungsrecht der Beklagten Regelungen vorgesehen. Eine die Besonderheiten dieses Einzelfalls berücksichtigende Regelung könne indes nicht im Wege der Rechtsfortbildung erzielt werden. Eine entsprechende Anwendung der Geschwisterregelung im Wege eines Analogieschlusses sei bereits deshalb verwehrt, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes fehle. Denn dass Elternteile und Kinder getrennt leben könnten, sei dem Satzungsgeber bewusst gewesen. Ein verfassungsrechtlich vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Sinne einer Verfassungswidrigkeit relevantes Regelungsdefizit im kommunalen Satzungsrecht im Hinblick darauf, dass die Geschwisterregelung keine vom Elternbeitragsverhältnis losgelöste Berücksichtigung faktischer Lebens- und Familienmodelle berücksichtige, sei nach alledem nicht zu erkennen.
27Zur Begründung ihrer durch Senatsbeschluss vom 21. November 2023 zugelassenen Berufung tragen die Kläger - Bezug nehmend auf ihr Zulassungsvorbringen - im Wesentlichen vor: Das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ab, wonach für den landesgesetzlichen Begriff der Eltern nicht auf die leibliche oder rechtliche Verwandtschaft, sondern auf das Zusammenleben mehrerer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt abzustellen sei. Sinn und Zweck der Regelung einer Geschwisterermäßigung seien soziale Erwägungen, um Haushalten mit mehreren Kindern eine Beitragsreduktion zu gewähren. Auch im Hinblick auf den Familienbegriff des § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz sei nur darauf abzustellen, ob die Kinder in einem gemeinsamen Haushalt leben. Dies sei beim Halbbruder der gemeinsamen Tochter der Kläger der Fall, so dass dieser selbstverständlich zur Familie im Sinne dieser Vorschrift gehöre. Dementsprechend sei aus § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 KiBiz zu folgern, dass der Begriff der Familie an den privaten Lebensmittelpunkt des Kindes außerhalb der Tagesbetreuung anknüpfe, also an die Frage, mit wem das Kind in einem Haushalt zusammenwohne. Zudem sei § 4 Abs. 3 Satz 1 KiBiz zu entnehmen, dass bei der bedarfsorientierten Ausrichtung des Angebots im Einzelfall auf die konkrete Gestaltung des familiären Lebens des Kindes abzustellen sei. Dass das Kinder- und Jugendhilferecht der tatsächlichen Pluralität von Familienleben Rechnung tragen solle, ergebe sich auch aus §§ 16 und 17 SGB VIII. Auch in sonstigen sozialrechtlichen Vorschriften werde jeweils auf die Mitglieder einer Lebensgemeinschaft abgestellt.
28Die Kläger beantragen - schriftsätzlich sinngemäß -,
29das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 21. Juni 2022 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2021 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt - schriftsätzlich -,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, ihre Erwiderung im Zulassungsverfahren sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus: Bei der Konstellation zwischen der Klägerin zu 1., ihren beiden Kindern und dem Kläger zu 2. handele es sich nicht um eine Familie, da der Begriff der Familie nach der Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichts die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern erfasse. Vorliegend sei nur die Klägerin zu 1., nicht hingegen der Kläger zu 2. Elternteil von Z.. Letzterer bilde mangels leiblicher Abstammung keine Familie mit dem Kläger zu 2. Bestätigt werde dies in tatsächlicher Hinsicht u. a. dadurch, dass aktenkundig betreffend Z. noch im März 2023 in der verbindlichen Erklärung für die OGS nur die Klägerin zu 1. als Mutter angegeben und bisher zu keinem Zeitpunkt erwähnt worden sei, dass der Kläger zu 2. die "Vaterpflichten" für Z. übernehme. Vielmehr erhalte die Klägerin zu 1. für ihren Sohn von dem leiblichen Vater monatlichen Unterhalt. Dementsprechend greife die Beitragsbefreiungsregelung gemäß § 6 Abs.2 EBS vorliegend nicht ein. Soweit sie - die Beklagte - im Rahmen einer vom Landesfamilienministerium im Jahr 2018 durchgeführten Umfrage Angaben zur Anwendung von Geschwisterregelungen für Stiefkinder gemacht habe, sei dies für die hier strittige Beitragserhebung nicht relevant. Der Umstand, dass für die Inanspruchnahme eines OGS-Angebots für das weitere Kind der Klägerin zu 1. die in der diesbezüglichen Elternbeitragssatzung vorgesehene Geschwisterregelung mit einer Reduktion des Beitrags auf 25% angewandt worden sei, sei damit zu begründen, dass hinsichtlich der Betreuung von Z. nur die Klägerin zu 1. als mit dem Kind lebender Elternteil beitragspflichtig gewesen sei und von dieser Beitragspflichtigen mehr als ein Kind eine Einrichtung besuche. Demgegenüber handele es sich im Beitragsverhältnis für P., für deren Tageseinrichtungsplatz beide Kläger auf Grundlage ihres gemeinsamen Einkommens beitragspflichtig seien, bei ihrem Halbbruder Z. nicht um ein weiteres Kind beider Eltern. Zur Vermeidung von Doppelbelastungen sei zugunsten der Kläger eine Nichtberücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1. bei der Festsetzung des Beitrags für P. erfolgt.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe:
35Die zulässige Berufung der Kläger hat auch in der Sache Erfolg. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36Rechtsgrundlage für die mit dem angefochtenen und in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Bescheid vorgenommene Beitragserhebung sind § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB VIII, § 51 Abs. 1 und 4 KiBiz sowie §§ 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 EBS. Nach Maßgabe der §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EBS sind die Kläger für die Inanspruchnahme eines Platzes im C. in G. durch ihre gemeinsame Tochter zwar grundsätzlich als Gesamtschuldner beitragspflichtig, wobei die Beitragshöhe sich nach ihrem gemeinsamen Einkommen im maßgeblichen Beitragszeitraum zu richten hätte.
37Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte jedoch verkannt, dass der Betreuungsplatz für P. in (analoger) Anwendung von § 6 Abs. 2 EBS beitragsfrei zu stellen ist. Nach dieser Vorschrift entfällt auch der Beitrag für das zweite und jedes weitere Kind, wenn ein Kind auf Grund der Regelung des § 23 Abs. 3 KiBiz beitragsbefreit wird. Damit wird offenkundig an die bis zum 31. Juli 2020 geltende Fassung (a. F.) des Kinderbildungsgesetzes angeknüpft, aufgrund derer im hier maßgeblichen Kindergartenjahr 2021/2022 keine Befreiung mehr möglich ist. § 23 Abs. 3 Satz 1 KiBiz a. F. sah - landesweit bindend - vor, dass die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege durch Kinder, die am 1. August des Folgejahres schulpflichtig werden, in dem der Einschulung vorausgehenden Kindergartenjahr beitragsfrei ist; in den Sätzen 2 und 3 folgten Sonderregelungen für den Fall einer vorzeitigen oder verspäteten Einschulung. Seit dem 1. August 2020 ist eine Regelung zur Beitragsbefreiung für die letzte Zeit vor der Aufnahme in die Grundschule in § 50 Abs. 1 KiBiz enthalten. Nach dieser ebenfalls verpflichtenden Vorschrift ist die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege durch Kinder, die bis zum 30. September das vierte Lebensjahr vollendet haben werden, ab Beginn des im selben Kalenderjahr beginnenden Kindergartenjahres bis zur Einschulung beitragsfrei.
38Auch wenn sich durch § 50 Abs. 1 KiBiz gegenüber § 23 Abs. 3 KiBiz a. F. der Kreis der beitragsfreien Kinder deutlich vergrößert hat, geht der Senat - und offenbar auch die Beklagte - davon aus, dass § 6 Abs. 2 EBS (jedenfalls analog) nunmehr für Fälle der Beitragsfreiheit nach § 50 Abs. 1 KiBiz als Nachfolgeregelung von § 23 Abs. 3 KiBiz a. F. anzuwenden ist. Dies kann aber letztlich auf sich beruhen, da andernfalls die landesgesetzliche Vorgabe in § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz unmittelbare Bindungswirkung für die Beitragserhebung durch den zuständigen Jugendhilfeträger entfalten würde. Danach ist "bei Ermäßigungsregelungen für Geschwister […] sicherzustellen, dass die Familie sowohl in vollem Umfang von diesen Ermäßigungen als auch von der Elternbeitragsbefreiung nach § 50 profitiert". Sowohl § 6 Abs. 2 EBS als auch § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz sollen erreichen, dass der Vorteil einer an sich einschlägigen kommunalen Geschwisterregelung - im Falle der Beklagten also eine Beitragsbefreiung für Geschwister nach § 6 Abs. 1 EBS - nicht entfällt, wenn kraft Landesgesetzes eine Befreiung nach § 50 Abs. 1 KiBiz (zuvor § 23 Abs. 3 KiBiz a. F.) eintritt.
39Dies zugrunde gelegt, sind die Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 EBS (jedenfalls analog) und auch von § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz gegeben. Der Sohn der Klägerin zu 1., Z. H., unterliegt der Elternbeitragsbefreiung nach § 50 Abs. 1 KiBiz; auf dieses Kind ist im Rahmen von § 6 Abs. 2 EBS und § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz auch abzustellen (dazu 1.). Daneben ist die Tochter der Kläger, P. H., weiteres Kind i. S. v. § 6 Abs. 2 EBS, für das die Familie sonst auch gemäß § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz von der satzungsrechtlichen Geschwisterregelung - nämlich der in § 6 Abs. 1 EBS vorgesehenen Befreiung - profitieren müsste (dazu 2.).
401. Die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes im C. für Z. H. ist - entsprechend dem Bescheid der Beklagten vom 26. März 2021 - im hier maßgeblichen Kindergartenjahr 2021/2022 gemäß § 50 Abs. 1 KiBiz beitragsfrei, da das Kind vor dem 30. September 2021, nämlich bereits am 9. Dezember 2020, das vierte Lebensjahr vollendet hat.
41Dieses Kind ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts auch im Rahmen von § 6 Abs. 2 EBS sowie von § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz zu berücksichtigen. Aus dem vorstehend dargestellten Zusammenhang ergibt sich, dass § 6 Abs. 2 EBS mit dem Ziel, neben einer Geschwisterermäßigung ergänzend auch die den aus § 50 Abs. 1 KiBiz resultierenden Vorteil zum Tragen kommen zu lassen, mit der Beitragsbefreiung "für das zweite und jedes weitere Kind" an den vorangehenden Absatz 1 anknüpft, der eine Beitragsbefreiung für Geschwister vorsieht. Nach § 6 Abs. 1 EBS ist, wenn "aus einer Familie oder von Personen, die nach § 2 an die Stelle der Eltern treten, mehr als ein Kind Betreuungsangebote einer G. Kindertageseinrichtung oder, sofern die Kinder in G. gemeldet sind, der Kindertagespflege in Anspruch" nehmen, "nur ein Beitrag zu leisten und zwar für das Kind, für das der höhere Beitrag zu zahlen ist". Hiernach können § 6 Abs. 2 EBS bzw. § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz nur einschlägig sein, wenn die Beitragsfreiheit nach § 50 Abs. 1 KiBiz für ein Kind aus der Familie (oder von nach § 2 an Stelle der Eltern tretenden Personen) besteht und dieses Kind - in Bezug auf andere Kinder in Tagesbetreuung - unter den Begriff der "Geschwister" i. S. v. § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz fällt. Das Kind Z., hinsichtlich dessen nur die Klägerin zu 1. mit ihm zusammenlebender Elternteil ist, ist in diesem Sinne als Kind der Familie bzw. Geschwisterkind des weiteren (zweiten) Kindes P. anzusehen.
42Bei sachgerechter und landesrechtskonformer Auslegung des Begriffs "Familie" in § 6 Abs. 1 EBS und § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz und des in letztgenannter Vorschrift zudem verwendeten Geschwisterbegriffs ist bei Patchwork-Konstellationen wie der vorliegenden entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht auf die in einer Haushaltsgemeinschaft womöglich unterschiedlichen Beitragsverhältnisse abzustellen.
43a) Mit dem Begriff der Familie ist es nicht in Einklang zu bringen, zwei mit der Mutter zusammenlebende Halbgeschwister deshalb unterschiedlichen Familien zuzuordnen, weil nur der leibliche Vater des einen Kindes mit im gemeinsamen Haushalt lebt. Weder alltagssprachlich noch im rechtlichen Kontext ist eine solche Deutung denkbar.
44Sprachlich wird als Familie im hier relevanten Kontext menschlicher Beziehungen entweder eine aus einem Elternpaar oder einem Elternteil und mindestens einem Kind bestehende (Lebens-)Gemeinschaft oder die Gruppe aller miteinander (bluts-)verwandten Personen verstanden.
45Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Familie (letzter Abruf: 27. November 2024).
46Das erstgenannte Verständnis setzt primär beim Zusammenleben zweier Generationen (Eltern[-teil] und Kind[er]) als Gemeinschaft an und erfasst auch die Haushaltsgemeinschaft zweier Kinder mit einem (identischen) Elternteil, selbst wenn beide Kinder unterschiedliche zweite Elternteile haben, von denen keiner oder nur einer mit dem ersten Elternteil und den Kindern zusammenlebt. Das zweitgenannte Begriffsverständnis knüpft allein an eine (Bluts-)Verwandtschaft an, die ebenfalls bei mehreren leiblichen Kindern desselben Elternteils (zwischen Kindern und Elternteil sowie im Verhältnis der Kinder zueinander) vorliegt. Eine solche Familienbeziehung entfällt nicht dadurch, dass der (neue) Partner des Elternteils, der selbst nicht von allen Kinder Elternteil ist, hinzutritt.
47In rechtlicher Hinsicht kann insbesondere auf den verfassungsrechtlichen Begriff der Familie zurückgegriffen werden, dem grundsätzlich ein bürgerlich-rechtliches Verständnis zugrunde liegt.
48Vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1957 - 1 BvL 4/54 -, juris Rn. 87.
49Insoweit ist anerkannt, dass unter "Familie" i. S. v. Art. 6 Abs. 1 GG "jedenfalls die aus Eltern und Kindern bestehende Gemeinschaft zu verstehen ist, zu den Kindern aber auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder sowie (im Verhältnis zur Mutter) uneheliche Kinder gehören".
50Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1964 - 1 BvL 16-25/62 -, juris Rn. 38; vgl. an eine solche Kernfamilie anknüpfend auch Beschluss vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 -, juris Rn. 29.
51Der Schutz der Familie i. S. v. Art. 6 Abs. 1 GG reicht über das Elternrecht hinaus und bezieht auch Familiengemeinschaften im weiteren Sinne ein, die als soziale Familien von einer rechtlichen Elternschaft unabhängig sind. Für den Schutz durch das Familiengrundrecht kommt es nicht darauf an, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht; der Familienschutz schließt auch die nichteheliche Familie ein. Das Familiengrundrecht garantiert insbesondere das Zusammenleben der Familienmitglieder und die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden.
52Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. März 2019- 1 BvR 673/17 -, juris Rn. 56, m. w. N.
53Das Familiengrundrecht schützt im Übrigen nicht nur die aus zwei Generationen bestehende Kleinfamilie. Es zielt generell auf den Schutz spezifisch familiärer Bindungen, wie sie auch zwischen erwachsenen Familienmitgliedern und auch - wenngleich regelmäßig weniger ausgeprägt - über mehrere Generationen hinweg zwischen den Mitgliedern einer Großfamilie bestehen können. Familiäre Bindungen sind im Selbstverständnis des Individuums regelmäßig von hoher Bedeutung und haben im Lebensalltag der Familienmitglieder häufig besondere praktische Relevanz. Sie zeichnen sich durch schicksalhafte Gegebenheit aus und können von besonderer Nähe und Zuneigung, von Verantwortungsbewusstsein und Beistandsbereitschaft geprägt sein.
54Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014- 1 BvR 2926/13 -, juris Rn. 22, m. w. N.
55Aus der Kasuistik der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass für das Vorliegen einer dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallenden Familie weder das Bestehen einer Blutsverwandtschaft noch das Vorliegen einer Ehe konstitutiv sind.
56Vgl. Uhle, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 59. Edition (Stand: 15. September 2024), Art. 6 Rn. 15 f., m. w. N.
57Danach kann eine Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder eines Elternteils mit diesem und eventuell dessen neuen Partner, der zudem Vater (nur) eines der beiden Kinder ist - trotz gegebenenfalls davon zu unterscheidender Familienbeziehungen zu einem anderen, getrennt lebenden Elternteil - im verfassungsrechtlichen Sinn nur als eine Familie anzusehen sein.
58b) Auch unabhängig von der Verwendung des Familienbegriffs im allgemeinen sprachlichen wie auch rechtlichen Kontext kommt eine abweichende Auslegung von § 6 Abs. 1 EBS, die zur Annahme zweier zu unterscheidender Anknüpfungsgruppen bzw. -personen führen würde, nicht in Betracht. Vielmehr gehören zwei Kinder, die mit einem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, unabhängig vom Hinzutreten einer weiteren Person, die nur Elternteil eines der beiden Kinder ist, der gleichen Familie im elternbeitragsrechtlichen Sinne an.
59aa) Insbesondere kann eine solche Auslegung nicht systematisch darauf gestützt werden, dass § 6 Abs. 1 EBS, an den Absatz 2 anknüpft, sich alternativ zur Familie auf "Personen, die an die Stelle der Eltern treten", bezieht. Zwar erfasst dies neben Pflegeeltern, die nach § 2 Abs. 2 EBS an die Stelle der Eltern treten können, auch einzelne Elternteile, die nach § 2 Abs. 1 EBS - wie die Klägerin zu 1. in Bezug auf das Kind Z. - allein, also ohne den zweiten Elternteil, mit dem Kind zusammenleben. Bei verständiger Würdigung dient diese Ergänzung aber nur dazu, auch in solchen - von einer klassischen Kernfamilie mit (beiden) Eltern und Kindern abweichenden - Konstellationen bei mehreren Kindern ein Profitieren von der Geschwisterregelung ausdrücklich zu ermöglichen.
60bb) Den Materialien zur Genese der Satzungsbestimmungen im Zusammenhang mit Geschwisterregelungen lässt sich ebenfalls nichts für das von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Regelungsverständnis entnehmen. Hinsichtlich der Ergänzung des hier streitgegenständlichen § 6 Abs. 2 EBS nach dem unverändert gebliebenen § 6 Abs. 1 EBS sowie im Zusammenhang mit einer Änderung der "Geschwisterkindregelung in der OGS" ist in Vorlage Nr. 0460/V 15 vom 20. Dezember 2011 auf vorangehende Empfehlungen des Unterausschusses Kommunaler Jugendhilfeplan Bezug genommen worden, die allgemein an "mehrere Kinder einer Familie" bzw. "weitere Kinder der Familie" anknüpfen. Auch in Bezug auf die bereits in der vorangegangenen Fassung der Elternbeitragssatzung mit identischem Wortlaut enthaltenen Regelung des § 6 Abs. 1 EBS ergibt sich aus der entsprechenden Ratsvorlage Nr. 1073/V 14 vom 21. Mai 2009 lediglich, dass es um eine "Freistellung der Beitragszahlung für das zweite und jedes weitere Kind einer Familie" geht, wenn "mehrere Kinder einer Familie eine Kindertageseinrichtung oder OGS besuchen".
61Aus alledem ergibt sich, dass es dem Satzungsgeber für die Anwendbarkeit der Geschwisterregelung des § 6 Abs. 1 EBS in Entsprechung zu deren Wortlaut stets auf die Zugehörigkeit der Kinder zu einer "Familie" ankommt. Dass dabei an eventuell für verschiedene Kinder eines Haushalts unterschiedliche Beitragsrechtsverhältnisse angeknüpft werden sollte, ist nicht - insbesondere auch nicht mit Blick auf die Ursprünge von Geschwisterregelungen - erkennbar. Der Satzungsgeber hält seine entsprechenden Bestimmungen in den Beitragssatzungen ausdrücklich für "Geschwisterkindregelungen", was auch der landesgesetzlichen Ermächtigung in § 23 Abs. 4 (später Abs. 5) Satz 2 KiBiz a. F. entspricht, wonach das Jugendamt ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder vorsehen kann.
62cc) Auch aus dem vom Satzungsgeber zu beachtenden landesrechtlichen Verständnis der Ermächtigung zur Regelung von Ermäßigungen oder Beitragsbefreiungen für Geschwisterkinder folgt nichts anderes. Geschwisterregelungen wie die in § 6 Abs. 1 EBS sind üblich, seit mit dem Gesetz zur Änderung des Kindergartengesetzes vom 21. Dezember 1982 (GV. NRW. S. 800) auf Beschlussempfehlung des zuständigen Fachausschusses (LT-Drucks. 9/2162) zum 1. Januar 1983 erstmals eine Ermäßigungs- und Befreiungsregelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 des damaligen Kindergartengesetzes eingeführt wurde:
63"Er (Anm.: der Elternbeitrag) ermäßigt sich für das zweite Kind einer Familie im Kindergarten auf die Hälfte und entfällt für weitere Kinder ganz."
64Dies beruhte auf damaligen Forderungen der Kirchen und Familienverbände (LT-Drucks. 9/2162, S. 22; APr. 9/770; APr. 9/793; vgl. auch PlPr 9/63, S. 3558). Die Entlastungserwägungen für Familien mit mehreren Kindern stellten also offenkundig auf aktuell - in einer Haushaltsgemeinschaft - zusammenlebende und zusammen wirtschaftende "Familien" (im sozialen Sinne) ab.
65Auch die Materialien zu späteren Gesetzesänderungen legen ein anderes, auf das konkrete Beitragsverhältnis abstellendes Familienverständnis nicht nahe.
66In § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 GTK hieß es von 1991 bis zum 31. Juli 2006:
67"Besuchen mehr als ein Kind einer Familie oder von Personen, die nach Absatz 1 an die Stelle der Eltern treten, gleichzeitig eine Tageseinrichtung, so entfallen die Beiträge für das zweite und jedes weitere Kind. Ergeben sich ohne die Beitragsbefreiung nach Satz 1 unterschiedlich hohe Beiträge, so ist der höchste Beitrag zu zahlen."
68Im Zusammenhang mit der Übertragung der Möglichkeit des Erlasses von Geschwisterermäßigungen auf die kommunalen Satzungsgeber ab dem 1. August 2006 durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 23. Mai 2006 (GV. NRW. S. 197) in § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 GTK n. F. (danach § 23 Abs. 4 [später Abs. 5] Satz 2 KiBiz a. F. und nunmehr § 51 Abs. 4 Satz 2 KiBiz) lassen sich dem jeweiligen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen und den Materialien des Landesgesetzgebers,
69vgl. LT-Drucks. 14/1000, S. 103,
70ebenfalls keine Hinweise darauf entnehmen, dass Beitragsermäßigungen nur innerhalb eines identischen Beitragsschuldverhältnisses in Betracht kommen sollen.
71Soweit mit Inkrafttreten der ersten Fassung des Kinderbildungsgesetzes in § 23 Abs. 4 (später Abs. 5) Satz 2 KiBiz a. F. (nunmehr § 51 Abs. 4 Satz 2 KiBiz) ausdrücklich geregelt worden ist, dass das Jugendamt ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder vorsehen kann, knüpfte dies an das in § 23 Abs. 4 (später Abs. 5) Satz 1 KiBiz a. F. (nunmehr § 51 Abs. 4 Satz 1 KiBiz) festgelegte Gebot an, eine soziale Staffelung vorzusehen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Betreuungszeit zu berücksichtigen. Damit wollte der Landesgesetzgeber von dem zu dieser Zeit in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl. I. S. 239) enthaltenen Landesrechtsvorbehalt Gebrauch machen.
72Vgl. LT-Drucks. 14/4410, S. 59; vgl. zu diesem Zusammenhang - auch unter Berücksichtigung der späteren Änderung von § 90 SGB VIII - näher OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2011- 12 A 266/10 -, juris Rn. 15 ff.
73Danach konnte Landesrecht "eine Staffelung der Teilnahmebeiträge und Kostenbeiträge, die für die Inanspruchnahme der Tageseinrichtungen für Kinder zu entrichten sind, nach Einkommensgruppen und Kinderzahl oder der Zahl der Familienangehörigen vorschreiben oder selbst entsprechend gestaffelte Beträge festsetzen". Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass Geschwisterermäßigungen wie § 6 Abs. 1 EBS in der Regel auf die bundesrechtliche Ermächtigung und die diesbezügliche landesrechtliche Vorgabe zurückzuführen sind, eine soziale Staffelung der Teilnahmebeiträge vorzusehen. Dazu können neben dem Einkommen der Eltern und der Betreuungszeit insbesondere auch die "Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder in der Familie" (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII; zuvor § 90 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII in der vom 16. Dezember 2008 bis zum 31. Juli 2019 geltenden Fassung) oder gar - wie sich aus der vom 1. April 1993 bis zum 15. Dezember 2018 geltenden Fassung von § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ergibt - die Zahl der Familienangehörigen von Bedeutung sein.
74Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen, die bei der sozialen Staffelung zu berücksichtigen ist, kann aber neben dem eigenen Einkommen der Beitragspflichtigen und dem Einkommen des Kindes auch von anderen Aspekten wie weiteren Mitgliedern der gemeinsam wirtschaftenden Lebensgemeinschaft und gegebenenfalls auch von deren Einkünften abhängen. Dementsprechend erscheint die Berücksichtigung sozialer Familienbeziehungen im Hinblick auf eine Staffelung der Beiträge sogar angezeigt.
75Vgl. DIJuF, Rechtsgutachten vom 27. Mai 2019, JAmt 2020, 27 (29).
76Auch insoweit ergeben sich demnach keine Anhaltspunkte, dass der Landesgesetzgeber mit der Ermächtigung zur Schaffung von Geschwisterregelungen und - ihm folgend - der kommunale Satzungsgeber den Begriff der Kinder "aus einer Familie" auf das jeweilige Beitragsschuldverhältnis beschränken wollte. Die beabsichtigte Entlastung von Familien durch eine Freistellung von Elternbeiträgen tritt im Übrigen unabhängig davon ein, ob für ein einzelnes Kind Unterhaltsansprüche gegenüber einer außerhalb der Haushaltsgemeinschaft lebende Person bestehen und erfüllt werden.
77dd) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der Umstand, dass das Land nach § 50 Abs. 2 KiBiz einen Ausgleich an die Kommunen für die Einnahmeausfälle durch Beitragsbefreiungen in den (üblicherweise) letzten beiden Kindergartenjahren zu leisten hat, wovon die Familien auch im Falle einer weiteren Vergünstigung durch eine Geschwisterregelung profitieren sollen, zu keiner anderen Beurteilung. Denn der hinter § 51 Abs. 4 Satz 3 und 4 KiBiz - wie zuvor hinter § 23 Abs. 5 Satz 3 KiBiz a. F. - stehende Entlastungsgedanke knüpft nur an die Beitragsbefreiungen bzw. Ermäßigungen selbst, nicht hingegen daran an, welche Beitragsschuldner konkret entlastet werden. Auch in den der Neufassung des Kinderbildungsgesetzes zugrunde liegenden Gesetzesmaterialien wird im Zusammenhang mit § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz lediglich eine "Entlastung der betroffenen Familien" erwähnt, wobei zuvor Ausführungen zu den Ermäßigungs- bzw. Befreiungsmöglichkeiten für "Geschwisterkinder" gemacht werden, woran der Begriff der "betroffenen Familien" in den Fällen der Sätze 3 und 4 bei verständiger Lesart anknüpft.
78LT-Drucks. 17/6726, S. 124. Die Begründung zur Vorgängerregelung verweist lediglich darauf, dass es sich bei der Ergänzung von § 23 Abs. 5 Satz 3 KiBiz a. F. um eine gesetzliche Klarstellung handele, die dem Willen des Gesetzgebers des Ersten KiBiz-Änderungsgesetzes entspreche (LT-Drucks. 16/5293, S. 102).
79Abgesehen davon ist die Kompensation der Einnahmeausfälle nach § 50 Abs. 2 KiBiz unabhängig von den hinter § 51 Abs. 3 Satz 3 und 4 KiBiz stehenden Erwägungen und erfolgt zudem pauschal ohne Berücksichtigung konkreter Beitragsschuldverhältnisse. Geschwisterregelungen (Ermäßigung, Befreiung) gab es - wie oben gezeigt - schon lange vor der Einführung einer Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr.
80c) Dem Familien- und auch Geschwisterbegriff in herkömmlichen Geschwisterregelungen wie § 6 Abs. 1 EBS liegt nach alledem ein soziales, neben verwandtschaftlichen Beziehungen auch auf die Lebensgemeinschaft und deren wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Belastungen abstellendes Verständnis zugrunde.
81Vgl. in Bezug auf sächsisches Landesrecht ("sozialer" Elternbegriff in § 15 Abs. 1 Satz 3 des SächsKitaG) auch Sächs. OVG, Urteil vom 12. Februar 2019 - 4 A 880/16 -, juris Rn. 14 ff.
82Dementsprechend hat der Senat in Geschwisterermäßigungen - neben der differenzierten Ausgestaltung der Beitragspflicht und der Einkommensermittlung und der Möglichkeit eines Beitragserlasses nach § 90 Abs. 4 SGB VIII - eine regelungstechnische Vorkehrung gesehen, mit der auch der Situation von sog. Patchwork-Familien angemessen Rechnung getragen wird.
83Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2011 - 12 A 1327/10 -, juris Rn. 4.
84Somit kann § 6 Abs. 1 EBS letztlich - wie auch andere Geschwisterregelungen im herkömmlichen Sinne (d. h. in Fortführung der früheren landesrechtlichen Regelungen) - nur dahingehend ausgelegt werden, dass Halbgeschwister in einem Haushalt unabhängig davon erfasst sein sollten, welche Elternteile für welches Geschwisterkind jeweils Beitragsschuldner sind. Ob dies auch Pflegegeschwister, Adoptivgeschwister oder reine - nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinn verwandte - Stiefgeschwister erfasst, kann hier dahinstehen. Jedenfalls bei Halbgeschwistern wie im vorliegenden Fall ist ein Verwandtschaftsverhältnis und damit eine Geschwisterschaft im allgemein verstandenen Sinne zu bejahen. Sie sind mit dem jeweils übereinstimmenden Elternteil in direkter Linie und untereinander in Seitenlinie verwandt; die Verwandtschaft von Halbgeschwistern zueinander wird - wie bei Vollgeschwistern über beide Elternteile - durch zwei Geburten nach dem jeweiligen gemeinsamen Elternteil vermittelt (vgl. § 1589 BGB). Leben sie mit einem gemeinsamen Elternteil unter einem Dach, sind sie nach allgemeinem Verständnis als eine Familie anzusehen.
85Handelt es sich bei P. und Z. demnach i. S. v. § 6 Abs. 1 EBS um "mehrere Kinder aus einer Familie", die Betreuungsangebote einer G. Kindertageseinrichtung in Anspruch genommen haben, stellt Z. auch ein Kind dar, das im Rahmen von § 6 Abs. 2 EBS (analog) als auf Grund der Nachfolgeregelung zu § 23 Abs. 3 KiBiz a. F. - § 50 Abs. 1 KiBiz - "beitragsbefreit" wird bzw. von dessen Befreiung die Familie gemäß § 50 Abs. 4 Satz 4 KiBiz auch bei einer zusätzlich einschlägigen Geschwisterregelung in vollem Umfang profitieren muss.
86Dass die Beitragsbefreiung nach § 50 Abs. 1 KiBiz für sich genommen unmittelbar nur der insoweit allein beitragspflichtigen Klägerin zu 1. zugute kommt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch für die im Rahmen der Geschwisterregelungen nach den vorstehenden Ausführungen als Familie maßgebliche Gemeinschaft würde sich diese Beitragsfreiheit aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens und der Verantwortung der Klägerin zu 1. für beide Kinder positiv auswirken.
872. Die Tochter P. der Kläger ist weiteres Kind i. S. v. § 6 Abs. 2 EBS, für das unmittelbar nach dieser Satzungsregelung im hier maßgeblichen Kindergartenjahr 2021/2022 der Beitrag entfällt. Auch bei direkter Anwendung von § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz ergäbe sich eine Beitragsfreiheit für P. Denn der nach dieser landesrechtlichen Vorgabe maßgeblichen Familie (im Sinne der vorstehenden Ausführungen) käme unabhängig von der Beitragsbefreiung für Z. nach § 50 Abs. 1 KiBiz auch die satzungsrechtlich in § 6 Abs. 1 EBS vorgesehene Geschwisterbefreiung dergestalt zugute, dass wegen Wahrnehmung einer Kindertageseinrichtungsbetreuung durch zwei Kinder der Familie nur ein statt zwei Beiträge zu zahlen wäre; außerdem muss die Familie von beiden Beitragsbefreiungen profitieren. Insoweit ist es auch nicht von Relevanz, dass beide Vergünstigungen für sich genommen den Betreuungsplatz für ein und dasselbe Kind - Z. -, zu dem der Kläger zu 2. in keinem - rechtlichen oder biologischen Verhältnis steht, betreffen würden.
88Hat die Beklagte durch die für das Kind P. entgegen § 6 Abs. 2 EBS und § 51 Abs. 4 Satz 4 KiBiz nicht beachtete Beitragsbefreiung nach alledem rechtswidrig einen Elternbeitrag gegenüber den Klägern festgesetzt, werden diese durch die belastende Festsetzung in ihren Rechten verletzt und ist der angefochtene Beitragsbescheid vollständig aufzuheben.
89Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
90Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.