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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
Gründe:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg
3Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass die Berufung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen ist.
41. Die Klägerin meint, die Rechtssache habe "hinsichtlich des Formerfordernisses einer qualifizierten elektronischen Signatur grundsätzliche Bedeutung". Aus dem (auch weiteren) Zulassungsvorbringen der Klägerin lässt sich indes eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht entnehmen.
5Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. April 2020 - 10 A 2667/19 -, juris Rn. 14, und vom 29. Januar 2016- 4 A 2103/15.A -, juris Rn. 2 f., m. w. N.
7Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründung schon deshalb nicht, weil die dort allenfalls aufgeworfene Frage,
8ob "in noch nicht endgültig entschiedenden Verwaltung- und Klageverfahren" […] wegen fehelender qualifizierter Signatur im Widerspruchsverfahren die Zulässigkeit einer Klage in Frage gestellt wird",
9so offen formuliert ist, dass sie keiner generellen Klärung in einem Berufungsverfahren zugänglich ist. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dient nicht dazu, derart abstrakte Rechtsfragen mehr oder weniger losgelöst von der konkreten Rechtssache kommentar- oder lehrbuchartig bzw. nach Art eines Rechtsgutachtens aufzubereiten und klären zu lassen.
10Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschlüsse vom 14. März 2024 - OVG 7 N 1/24 –, juris Rn. 36, und vom 11. Januar 2024 - OVG 3a N 11/23 -, juris Rn. 17, m. w. N.
11Auch aus der weiteren Zulassungsbegründung der Klägerin ergibt sich eine hinreichend konkrete Fragestellung nicht ansatzweise.
122. Soweit die Klägerin mit ihrer Zulassungsbegründung sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rügt, sind diese ebenso wenig dargelegt.
13Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.
14Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen angenommen, die Klage sei unzulässig, denn es sei kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO durchgeführt worden. Der Widerspruch vom 24. Oktober 2022 habe nicht den Anforderungen nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW in den damals geltenden Fassungen genügt, weil er nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen sei. Über dieses Formerfordernis sei die Klägerin in der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten, die dem Bescheid vom 21. September 2022 beigefügt gewesen sei und den rechtlichen Anforderungen genügt habe, auch belehrt worden. Ein Verfahren zur Ersetzung der Schriftform nach § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 VwVfG NRW habe entgegen der Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht vorgelegen. Denn ein anderer sicherer Übertragungsweg im Sinne dieser Vorschrift hätte eine Festlegung durch Rechtsverordnung vorausgesetzt. Dass der Gesetzgeber damit - zum hier entscheidungserheblichen Zeitraum der Widerspruchseinlegung - unterschiedliche Formerfordernisse für das Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes im Vergleich zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung festgelegt habe, stelle eine zulässige gesetzgeberische Entscheidung dar. Dafür, dass es sich hierbei um ein gesetzgeberisches Versehen gehandelt habe, sei nichts ersichtlich. Vielmehr sei die Vereinfachung der elektronischen Kommunikation im gerichtlichen und behördlichen Verfahren durch den Gesetzgeber zwischenzeitlich schrittweise umgesetzt worden. Ausweislich der Gesetzesbegründungen handele es sich dabei um eine Erweiterung der bisherigen Vorschriften, mit der weitere Möglichkeiten des elektronischen Schriftformersatzes gesetzlich zugelassen würden.
15Diese Würdigung wird durch das Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht durchgreifend in Frage gestellt.
16Der Hinweis der Klägerin, die Problematik dränge sich "nicht notwendigerweise auf, wenn zumindest in Teilen der besonderen Verwaltungsverfahren - so auch im Sozialrecht - elektronisch und ohne qualifizierte Signatur versendete Widerspruche zu keinem Zeitpunkt zur Unzulässigkeit einer Klage geführt haben, weil § 62 SGB X auf die VwGO verweist und insoweit kein Erfordernis für eine qualifizierte Signatur begründet" werde, kann inhaltlich bereits nicht nachvollzogen werden. Er geht an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbei, im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren hätten sich die Anforderungen an die elektronische Form gleichlautend zu § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW aus § 36a Abs. 2 SGB I in der damals geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juni 2021, BGBl. I S. 1309) ergeben. Die Vorschrift komme jedoch vorliegend nicht zur Anwendung, weil § 62 SGB X für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte, wenn der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, auf die Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung verweise. Eine Fehlerhaftigkeit dieser Annahme des Verwaltungsgerichts zeigt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht auf. Bereits deshalb geht auch die weitere Rüge der Klägerin ins Leere, umso mehr liege "ein systemischer Fehler vor, wenn im sozialgerichtlichen Vorverfahren eine Angleichung an die VwGO durch Verweis erfolgt […], dies im allgemeinen Verwaltungsverfahren aber unterblieben" sei. Sollte dem Vorbringen der Klägerin die Auffassung zugrunde liegen, die Verweisung in § 62 Halbs. 1 SGB X ziele auf eine (entsprechende) Anwendung der auf den elektronischen Rechtsverkehr mit den Verwaltungsgerichten bezogenen Bestimmungen des § 55a VwGO, wäre dies offensichtlich unzutreffend. Denn mit der "für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte" angeordneten Geltung des Sozialgerichtsgesetzes bzw. der Verwaltungsgerichtsordnung sind erkennbar die für das Vorverfahren maßgeblichen Vorschriften der jeweils einschlägigen Prozessordnung (insbes. §§ 78 ff. SGG; §§ 68 ff. VwGO) gemeint.
17Vgl. dazu Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 62 Rn. 22; Feddern, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage, § 62 (Stand: 5. November 2024) Rn. 7, 14.
18Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, "dass ein systemischer Fehler vorgelegen und der Gesetzgeber die Regelungslücke nicht gesehen hat, weil das strengere Erfordernis einer qualifizierten Signatur im allgemeinen vorgerichtlichen Verwaltungsverfahren beibehalten hat, dies im gerichtlichen Verwaltungsverfahren jedoch nicht getan hat", ist auch ihr diesbezügliches Vorbringen unsubstantiiert. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihr einfach signierter Widerspruch vom 24. Oktober 2022 - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts - dem Formerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW in den damals geltenden Fassungen genügt haben könnte, legt die Klägerin damit nicht ansatzweise dar.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).