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Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 29. Dezember 2023 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 29. Dezember 2023, mit dem der vierstreifige Ausbau der L 419 (L.-straße) in Wuppertal von Lichtscheid bis Erbschlö - 1. Bauabschnitt von Bau-km 1+100 bis Bau-km 3+430 - einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an Verkehrswegen und Anlagen Dritter auf dem Gebiet der Gemarkungen Barmen und O. der Stadt Wuppertal (Regierungsbezirk Düsseldorf) planfestgestellt worden ist.
3Das planfestgestellte Vorhaben ist Teil der sog. „Südumgehung Wuppertal“ von der BAB 46 bis zur BAB 1. Mit dem Ausbau der L 419 in Wuppertal-O. soll der zweibahnige Querschnitt der L 418, aus westlicher Richtung kommend, ab dem Lichtscheider Kreisel weitergeführt und über eine neue Anschlussstelle an die BAB 1 angebunden werden. Die Baumaßnahme soll in insgesamt zwei Bauabschnitten realisiert werden. Das streitige Vorhaben umfasst den 1. Bauabschnitt, mit dem der Ausbau der bestehenden L 419 (L.-straße) vom Lichtscheider Kreisel bis zur Erbschlöer Straße erfolgen soll. Im 2. Bauabschnitt ist anschließend der Ausbau bis zur BAB 1 einschließlich des Umbaus der Anschlussstelle Wuppertal-O. zur Doppelanschlussstelle vorgesehen.
4Das planfestgestellte Vorhaben ist im Landesstraßenbedarfsplan NRW als Maßnahme der Dringlichkeitsstufe 1 enthalten.
5Der Kläger zu 1. ist ein Verein, dem mit Bescheid vom 25. Mai 2022 die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen gemäß § 3 UmwRG erteilt worden ist. Er bewirtschaftet ca. 33 ha Wald, der nördlich und südlich an den Planfeststellungsbereich grenzt. Teile der Waldflächen sollen für das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden.
6Die Klägerin zu 2. ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs, der zur Pferdehaltung genutzt wird und verpachtet ist. Die von dem Betrieb genutzten Weideflächen sollen von dem planfestgestellten Vorhaben teilweise in Anspruch genommen werden.
7Der Bund traf - nach einer gemeinsamen Entschließung von Bundestag und Bundesrat - mit den Ländern am 11. Oktober 2011 eine „Vereinbarung zur Abstufung von nicht mehr fernverkehrsrelevanten Bundesstraßen“ (Abstufungsvereinbarung). Neben abzustufenden Bundesstraßen enthält die Abstufungsvereinbarung betreffend den Beklagten vier zur Bundesstraße aufzustufende Straßen und unter Ziffer 43 auch die L 418 und L 419 zwischen dem AS Sonnborner Kreuz und Wuppertal-Marscheid mit einer Länge von 11,7 km mit der Anmerkung „L 419: Bund nach Bau durch Land“.
8Das Planfeststellungsverfahren wurde mit Antrag des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) als Vorhabenträger nach § 38 StrWG NRW vom 25. April 2017 eingeleitet. Es wurde ein Anhörungsverfahren durchgeführt, an dem sich u. a. auch der mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 angehörte Kläger zu 1. mit Einwendungen beteiligte. Aufgrund der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens wurde mit Schreiben vom 28. August 2019 das Deckblatt 1 ins Verfahren eingebracht. Die Planänderungen umfassten u. a. Zeichnungen, Erläuterungen, entscheidungserhebliche Unterlagen, eine Fortschreibung der Verkehrsuntersuchung auf das Prognosejahr 2030 sowie weitere Unterlagen.
9Der Kläger zu 1. hielt seine Einwendungen auch im Deckblattverfahren mit Schreiben vom 15. November 2019 aufrecht. Das Vorhaben widerspreche den Klimazielen. Die Unterteilung in zwei Bauabschnitte belaste unnötig Mensch und Tierwelt. Für die gesamte Neubaustrecke müssten sämtliche technischen und Umweltanforderungen dem Neubaustandard von Bundesfernstraßen entsprechen. Es fehlten Unterlagen. Der Ausbau des Lichtscheider Kreisels müsse Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens werden. Es seien nicht alle Varianten hinreichend geprüft worden. Die Daten der Verkehrsuntersuchungen seien zu alt und widersprüchlich. Daher beruhe auch das Lärmschutzgutachten auf falschen Annahmen. Der Lärmschutz sei auf der gesamten Strecke vorzunehmen. Die Beurteilung der Schadstoffbelastungen für die angrenzenden Ortsteile sei unvollständig und fehlerhaft. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei unvollständig und nicht nachvollziehbar. Das Schutzgut Mensch sei zu niedrig gewichtet worden. Es sei verkannt worden, dass die Troglösung eine erheblich bessere Alternative darstelle. Die Satzung des Klägers zu 1. stehe der Veräußerung von Flächen entgegen.
10Die Bezirksregierung Düsseldorf führte am 26. und 27. Oktober 2021 mit den Trägern öffentlicher Belange und mit den privaten Einwendern nach vorheriger persönlicher Einladung und öffentlicher Bekanntmachung einen Erörterungstermin durch. Ein Vertreter des Klägers zu 1. nahm am 27. Oktober 2021 an dem Erörterungstermin teil. Er wies auf das zwischenzeitliche Inkrafttreten neuer Klimaschutzgesetze und technischer Regelwerke hin, die noch nicht berücksichtigt worden seien.
11Eine ergänzende Unterlage zum 1. Deckblatt hinsichtlich der Berücksichtigung großräumiger Klimaauswirkungen auf Grundlage des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG), des Klimaschutzgesetzes NRW (KSG NRW) und des Klimaanpassungsgesetzes NRW (KlAnG NRW) brachte der Vorhabenträger mit Schreiben vom 31. März 2023 in das Verfahren ein. Diese Unterlage wurde dem Kläger zu 1. am 3. Mai 2023 zugestellt. Mit Schreiben vom 16. Mai 2023 teilte er dem Vorhabenträger mit, dass er die Bilanzierung der THG-Emissionen für nicht nachvollziehbar halte. Die Ausarbeitung sei unzureichend und fehlerhaft.
12Mit Beschluss vom 29. Dezember 2023 stellte der Beklagte den Plan für das streitige Vorhaben fest.
13Begründet wird das Vorhaben im Planfeststellungsbeschluss im Wesentlichen damit, dass aufgrund der zunehmenden Verkehrsbelastung und der Verkehrsfreigabe der L 418n „Burgholztunnel“ die Kapazitätsgrenze der Landesstraße L 419 in Wuppertal/O. deutlich überschritten sei. Dies führe in den Hauptverkehrszeiten zu extremen Rückstaus sowie langen Wartezeiten in den untergeordneten Zufahrten. Des Weiteren entspreche der vorhandene Ausbaustandard nicht der vorgesehenen Netzfunktion als autobahnähnliche Straße mit überregionaler Verbindungsfunktion.
14Die öffentliche Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses erfolgte mit der Veröffentlichung im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf vom 11. Januar 2024, im Amtsblatt der Stadt Wuppertal vom 17. Januar 2024 und in örtlichen Tageszeitungen. Die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses erfolgte vom 24. Januar 2024 bis zum 7. Februar 2024 im Rathaus Barmen der Stadt Wuppertal und auf der Homepage der Bezirksregierung Düsseldorf.
15Am 7. März 2024 haben die Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az.: 11 B 242/24.AK) gestellt. Zur Begründung ihrer Klage tragen sie vor:
16Es lägen bereits Verfahrensfehler vor. Die sich aus den angegebenen Zielen der Planung ableitende materielle und auch explizit angestrebte Verkehrsfunktion der L 419 sei die einer Bundesstraße gemäß § 1 Abs. 1 FStrG. Es sei bei der Beurteilung auf den erstrebten Endzustand des gesamten Vorhabens inklusive des 2. Bauabschnitts abzustellen. Ansonsten könne der Vorhabenträger durch formelle Festlegung der Straßeneinteilung die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung umgehen. Dies führe dazu, dass Rechtsgrundlage für die Planung allein das Bundesfernstraßengesetz sein könne und nicht, wie vom Beklagten angenommen, das Landesstraßenrecht. Darüber hinaus erfülle die geplante Straße die materiellen Kriterien einer Autobahn nach § 1 Abs. 3 FStrG. Daraus folge, dass der Vorhabenträger unzuständig sei.
17Ein weiterer absoluter Verfahrensfehler sei darin zu erkennen, dass die falsche Fassung des UVPG angewendet worden sei und der vorgelegte UVP-Bericht nicht den Anforderungen des § 16 UVPG genüge. Ferner sei die Offenlage unvollständig. Es seien nicht alle notwendigen Unterlagen vorgelegt worden.
18Es fehle auch an der Planrechtfertigung. Vorliegend werde expressis verbis eine Bundesfernstraße bzw. eine „autobahnähnliche Straße“ geplant, die aber nicht mit den Zielen aus §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StrWG NRW begründet werden könne. Dass die Planrechtfertigung fehle, wenn auf der falschen gesetzlichen Grundlage geplant werde, sei höchstrichterlich anerkannt. Der Landesstraßenbedarfsplan enthalte zudem nur das Gesamtvorhaben, nicht aber den verfahrensgegenständlichen isolierten 1. Bauabschnitt. Der 2. Bauabschnitt solle aber unstreitig als Bundesfernstraße errichtet werden, sodass der Landesstraßenbedarfsplan dafür nicht einschlägig sei. In den Bundesbedarfsplan sei das Vorhaben nicht aufgenommen worden. Selbst wenn man die Einordnung als Bundesstraße/Autobahn nicht für eindeutig halte, werde der anwendbare Maßstab jedenfalls vom Beklagten offengelassen. Zwar werde als Ziel des Vorhabens mehrfach der Ausbau als Bundesfernstraße genannt, in einigen fachplanerischen Unterlagen jedoch auf eine rein städtische bzw. regionale Verkehrsfunktion abgestellt, insbesondere in der Verkehrsuntersuchung. Auch die Abwägung wechsele zwischen Fernstraßenausbau und rein städtischer Verkehrsfunktion. In der Planrechtfertigung selbst werde sowohl auf das Landesstraßenrecht als auch auf das Bundesfernstraßengesetz abgestellt. Daraus folge, dass es schon gar keinen objektiven Anknüpfungspunkt für die Planrechtfertigung gebe. Auch die Abwägung werde dadurch fehlerhaft, denn ohne einen eindeutigen Bezugspunkt fehle es an der erforderlichen Homogenität der Entscheidung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe aus diesen Gründen nicht offengelassen werden, nach welcher Rechtsgrundlage sich das Vorhaben richte. Die jeweiligen Maßgaben der Fachplanungsgesetze determinierten eine vollkommen unterschiedliche Planung.
19Auch die Abschnittsbildung sei fehlerbehaftet. Dies ergebe sich schon daraus, dass mittels künstlicher Aufspaltung die Einordnung als Bundesfernstraße umgangen werden solle, obwohl für die Qualifizierung als Bundes- oder Landesstraße nach der Rechtsprechung das Gesamtvorhaben maßgeblich sei. Weiterhin verbleibe aufgrund des Ausbaus zu einer Autobahn ohne gleichzeitige Herstellung der Anschlussstelle an die BAB 1 ein Planungstorso, der erhebliche unbewältigte Folgekonflikte auslöse. Entgegen den Behauptungen des Beklagten sei die spätere Herstellung der Anschlussstelle an die BAB 1 nicht gesichert. Der Fertigstellung des Gesamtvorhabens stünden demnach derzeit unüberwindliche Hindernisse entgegen.
20Gleiches gelte für die Entwässerungsplanung, die gegen § 55 Abs. 1 WHG verstoße und damit absolutes Recht verletze. Sie erzeuge zudem - in der Abwägung aufgrund methodischer Fehler unerkannt - eine unzumutbare Überflutungsgefahr sensibler Bereiche, die schon jetzt als Starkregenhotspot identifiziert worden seien. Auch hänge die Entwässerung teilweise von der Realisierung des 2. Bauabschnitts ab, die aber ungewiss sei.
21Ein Verstoß gegen absolutes Recht sei zudem darin zu erblicken, dass das Vermeidungsgebot des § 15 BNatSchG vorliegend technische Lösungen zur Vermeidung der Zerschneidung der Ronsdorfer Anlagen fordere, die im Planfeststellungsbeschluss nicht enthalten seien.
22Es lägen neben absoluten materiell-rechtlichen Fehlern auch Abwägungsfehler vor. So leide die Verkehrsuntersuchung an gravierenden Fehlern in der Ermittlung der notwendigen Daten. Der Untersuchungsraum sei deutlich zu klein gewählt und schneide die für eine Autobahn/Bundesfernstraße notwendige Analyse des weiträumigen Verkehres ab. Es fehle an einer angemessenen Ermittlung der Quell- und Zielverkehre, insbesondere, soweit das behauptete Ziel der städtischen Entlastung verfolgt werde. Das verwendete Modell stamme aus dem Jahr 2013 und sei vollkommen veraltet. Die Datenermittlung sei lücken- und fehlerhaft. Es ergäben sich Abweichungen der Modellierung gegenüber der Realität im Bereich der L 419 von über 50 %.
23In der Lärmschutzbetrachtung seien notwendig einzubeziehende Immissionsorte, wie etwa die besonders schutzbedürftige Forensik, nicht geprüft worden. Der Schwerverkehrsanteil werde um mindestens 60-70 % unterschätzt. Zudem infiziere die fehlerhafte Verkehrsuntersuchung die Schallberechnung.
24Die Variantenuntersuchung leide unter einer sich aufdrängenden Unvollständigkeit der bewerteten Varianten. Die in der Grobanalyse angesprochene Tunnelvariante habe nicht bereits auf dieser Planungsstufe ausgeschieden werden dürfen oder jedenfalls später wieder einbezogen werden müssen. Ebenfalls habe eine Trogvariante mit Deckel in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Die Variantenprüfung weise schon deswegen rechtserhebliche Abwägungsdefizite auf, weil sowohl die Grobanalyse als auch die weitere Variantenprüfung von deutlich zu kleinräumigeren Untersuchungsräumen ausgingen. Eine Aufnahme von Tunnel- und Trogvariante in die Variantenprüfung habe sich auch deswegen aufgedrängt, weil in Bezug auf die vorstehenden Planungsfehler, die teils zwingendes Recht verletzten, mit einer Tunnel- oder Trogvariante eine verträglichere Lösung existiere.
25Die Fehler im Zusammenhang mit der offenkundig falsch eingestuften Straßenqualität erforderten eine vollständig neue Abwägung, da hierdurch das Grundgerüst der Abwägung erschüttert werde. Sie müsse aber auch deshalb überarbeitet werden, weil zahlreiche Angaben in der Abwägung schon rein numerisch nicht mit den Ergebnissen der Unterlagen übereinstimmten. Dies alles habe zur Folge, dass zahlreiche Belange, wie bspw. weitere Grundbetroffenheiten, weitere Entwässerungsbauwerke, Einbezug des 2. Planungsabschnittes, Lösung verkehrsfunktioneller Probleme sowie die Engpassbeseitigung neu bewertet werden müssten. Einer Umplanung im ergänzenden Verfahren stünden unüberwindbare Hindernisse entgegen. Die Möglichkeit, dass sich die Planung wie vorliegend bestätige, könne deshalb nicht prognostiziert werden.
26Die Abwägung leide zudem unter weiteren beachtlichen Fehlern, weil die Auswirkungen des Vorhabens auf Klimaschutz und insbesondere Klimaanpassung nicht hinreichend ermittelt und berücksichtigt worden seien. Die beabsichtigte naturschutzrechtliche und forstrechtliche Kompensation für die Eingriffe in den Wald sei grundlegend fehlerhaft, zahlreiche Kompensationsmaßnahmen seien ungeeignet bzw. aus rechtlichen Gründen (z. B. Sowieso-Maßnahmen) nicht anrechenbar.
27Die Kläger nehmen auf folgende gutachterliche Stellungnahmen Bezug:
28 Stellungnahme zur Verkehrsuntersuchung der N. F. (Februar 2024)
29 Stellungnahme zur Variantenbewertung der N. F. (Mai 2024)
30 Stellungnahmen zur Entwässerungsplanung des Herrn Dipl.-Biol. P. (Januar 2022, Januar 2024 und Mai 2024)
31 Stellungnahme zu Baugrunduntersuchungen des Herrn Dipl.-Ing. T. (März 2024)
32 Stellungnahme zur Klageerwiderung der N. F. (September 2024)
33Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
34den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 29. Dezember 2023 für den vierstreifigen Ausbau der L 419 (L.-straße) in Wuppertal von Lichtscheid bis Erbschlö; 1. Bauabschnitt von Bau-km 1+100 bis Bau-km 3+430 aufzuheben,
35hilfsweise:
36den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
37weiter hilfsweise:
38den Beklagten zu verpflichten,
39den Planfeststellungsbeschluss dahingehend zu ergänzen, dass die Baufreigabe erst erteilt wird, nachdem der Planfeststellungsbeschluss für den 2. Bauabschnitt der L 419 (Anschluss an die BAB 1) bestandskräftig geworden ist, höchst hilfsweise, die Planung für diesen derart Planreife erlangt hat, dass die notwendigen Flächen für die Entwässerungsbauwerke sowie der Anschluss an das untergeordnete Straßennetz im Bereich der L 58 (Jägerhaus/Linde) gesichert sind,
40unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen (zu naturschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahmen, Lärmschutzauflagen und Verbesserungen an der Straßenentwässerung) zu ergänzen,
41sowie
42den Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf Unterlage 9D unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts um Maßnahmen zur Herstellung der naturschutzrechtlich und forstrechtlich erforderlichen Kompensation zu ergänzen.
43Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
44die Klage abzuweisen.
45Er verweist auf den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss und macht ergänzend im Wesentlichen geltend:
46Der Planfeststellungsbeschluss sei formell rechtmäßig. Straßen.NRW sei der richtige Vorhabenträger. Denn die Planung sehe vor, dass der derzeit als Landesstraße eingestufte Straßenabschnitt auch nach Fertigstellung des 1. Bauabschnitts vorerst weiterhin als Landesstraße geführt und beschildert werde. Das Vorhaben füge sich in das zusammenhängende Landesstraßennetz ein und erfülle vorerst nur (über‑)regionale Verbindungsfunktionen. Das folge auch aus dem Landesstraßenbedarfsplan. Eine Verkehrsbedeutung für den weiträumigen Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 FStrG erhalte die Straße allenfalls mit dem 2. Bauabschnitt, da der ununterbrochene Netzzusammenhang erst dann bestehe. Nach der Abstufungsvereinbarung erfolge auch die Umstufung der Straße als maßgebliche rechtliche und zeitliche Zäsur erst im Zusammenhang mit der Planung des 2. Bauabschnitts. Der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „erstrebte Endzustand“ der Planung liege jedenfalls noch nicht in einer Bundesfernstraße. Die Planung und Zulassung des 1. Bauabschnitts auf Grundlage des Bundesfernstraßengesetzes wäre dem Vorhabenträger rechtlich gar nicht möglich gewesen, wie die Nennung des Vorhabens allein im Landesstraßenbedarfsplan unterstreiche. Jedenfalls handele es sich nicht um eine Bundesautobahn, da es an der Ausstattung mit besonderen Anschlussstellen für die Zu- und Abfahrt fehle, sodass Straßen.NRW auch im Falle einer Bundesstraße der zuständige Vorhabenträger sei. Denn die Länder verwalteten Bundesstraßen, die nicht Bundesautobahnen seien, im Auftrag des Bundes. Daher sei selbst unter Zugrundelegung einer Bundesstraße ein Rechtsfehler des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses nicht gegeben. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach als Bundesstraße zu klassifizierende Straßen nur nach den planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes festgestellt werden dürften, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da hier unabhängig von der Klassifizierung als Landes- oder Bundesstraße in verfahrensrechtlicher und in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Unterschiede bestünden. Die Klassifizierung der Straße als Bundesstraße hätte daher nicht zur Folge, dass private Belange im Rahmen der Abwägung unterschätzt würden.
47Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung sei das UVPG in der alten Fassung anzuwenden, da vor dem 16. Mai 2017 die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen vorgelegt worden seien. Die Verkehrsuntersuchung sei keine entscheidungserhebliche Unterlage in diesem Sinne und habe daher nicht zu diesem Zeitpunkt vorliegen müssen. Auch enthalte der vorgelegte Erläuterungsbericht die wesentlichen Daten aus der Verkehrsuntersuchung. Ein etwaiger Fehler sei jedenfalls mit der Auslegung der aktualisierten Verkehrsuntersuchung 2019 im Sinne des § 46 VwVfG geheilt.
48Der Planfeststellungsbeschluss sei auch materiell rechtmäßig. Die Planrechtfertigung liege vor. Die Maßstäbe seien nicht unklar. Denn aus dem Planfeststellungsbeschluss gehe unmissverständlich hervor, dass das streitige Vorhaben als Landesstraße nach dem Landesstraßenrecht zugelassen werde. Damit stehe auch das fachplanerische Ziel fest. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung im Landesstraßenbedarfsplan NW sei daher für die Planfeststellung verbindlich. Soweit der Planfeststellungsbeschluss nur in einem kurzen Absatz anspreche, dass das Vorhaben auch nach den bundesrechtlichen Vorgaben des Bundesfernstraßengesetzes geboten sei, erfolge dies erkennbar nur ergänzend und in Zusammenhang mit dem 2. Bauabschnitt. Diese Ausführungen dienten daher nicht der Begründung der Planrechtfertigung des 1. Bauabschnitts, sondern allein der Begründung des für die Abschnittsbildung erforderlichen vorläufigen positiven Gesamturteils.
49Auch die Abschnittsbildung leide an keinem Fehler. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss lasse das Vorhaben richtigerweise als Landesstraße zu, sodass die Aufteilung des Vorhabens in zwei Abschnitte das zulässige Ergebnis der planerischen Abwägung sei. Die Abschnittsbildung sei auch nicht deswegen fehlerhaft, weil sie unbewältigte Folgeprobleme auslöse. Erforderlich sei nur eine Vorausschau auf nachfolgenden Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils, da in der Regel davon ausgegangen werden dürfe, dass die (Fern-)Wirkungen des Ausbaus auf den nachfolgenden Planungsabschnitt verschmelzen und erst in der darauf bezogenen Planfeststellung bewältigt werden müssten.
50Die Entwässerungsplanung sei fehlerfrei erfolgt. Entgegen den Annahmen der Kläger erfolge sämtliche Versickerung von Straßenoberflächenwasser ausschließlich nach entsprechender Vorreinigung der Abwässer über die belebte Bodenzone der angeschlossenen Versickerungsmulden. Die geplante dezentrale Versickerung entspreche dem Stand der Technik und der einschlägigen Richtlinien. Die Bedenken der unteren Wasserbehörde hätten sich daher bereits frühzeitig erledigt. Das erforderliche Einvernehmen liege vor.
51Die Rügen der Kläger zeigten einen Mangel der Verkehrsuntersuchung (VU) ‑ insbesondere unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle - nicht auf. Die Kritik der Kläger verkenne, dass die beiden Verkehrsuntersuchungen exakt identische Untersuchungsräume betrachteten und an dieselben Planungsziele anknüpften. Die Verkehrsuntersuchung 2019 untersuche im Vergleich zur Verkehrsuntersuchung 2015 zusätzlich im Planfall verkehrliche Wirkungen begleitender Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit einiger Knotenpunkte. Die Aussagekraft werde hierdurch erhöht. Die Datengrundlage sei vollständig. Das der VU 2019 zugrundeliegende Verkehrsmodell sei verkehrsträgerübergreifend angelegt und bilde verkehrsträgerübergreifende Zusammenhänge ab. Der nicht-motorisierte Verkehr werde zwar aus der Betrachtung ausgeschieden, er bleibe aber im Rahmen der Modal-Split-Betrachtung Gegenstand der Untersuchung. Die Ergebnisse der Verkehrszählung sei in den Unterlagen aufgeführt, die Dokumentation sei hinreichend erfolgt. Auch sei die Begründung der VU dafür, im Bereich der L 419 auf selbst erhobene Zahlen zurückzugreifen, nachvollziehbar, da die Ergebnisse der Untersuchung auffällig niedrig gewesen und deshalb als unplausibel eingestuft worden seien. Der in der VU verwendete Analyse-Nutzfall sei auch aussagekräftig. Dass sich Unterschiede zwischen den Zahlen der VU 2015 und der VU 2019 ergäben, sei im Einzelfall plausibel begründet. Überdies entspreche die gewählte Vorgehensweise den rechtlichen Anforderungen an die Zusammenstellung der Datenbasis für Verkehrsprognosen. Insbesondere sei Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses die Prognose für die insgesamt ausgebaute L 419.
52Die Lärmschutzuntersuchung weise keine Mängel auf. Hinsichtlich der forensischen Einrichtung werde seit August 2023 ein Zielabweichungsverfahren vom Regionalplan Düsseldorf durchgeführt. Die Einrichtung habe daher nicht in die schalltechnische Untersuchung einbezogen werden müssen. Anders als die Kläger behaupteten, umfasse die Lärmschutzuntersuchung Schwerlastverkehr ab einem Gesamtgewicht von > 2,8 t, was sich den Unterlagen entnehmen lasse.
53Die Planfeststellungsbehörde sei ihrer Aufgabe, Planungsalternativen im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, gerecht geworden. Sie habe nicht alle denkbaren Alternativen beurteilen müssen, sondern nur solche, die sich nach Lage der konkreten Verhältnisse aufgedrängt oder nahegelegen hätten. Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung könne deshalb nicht damit begründet werden, dass einzelne Vorteile dieser und einzelne Nachteile jener Variante herausgegriffen würden. Eine Unvollständigkeit des Untersuchungsraums ergebe sich nicht daraus, dass die Variantenuntersuchung nicht die Gesamtmaßnahme, sondern nur den ersten Bauabschnitt zum Gegenstand habe. Dies sei Konsequenz der fehlerfreien Abschnittsbildung. Eine Variantenprüfung für den Bereich der Gesamtmaßnahme begründe das Risiko, dass die Bewertung der Varianten abschnittsübergreifend erfolge und damit die Variantenentscheidung für den ersten Bauabschnitt von Argumenten getragen werde, die (nur) für den zweiten Bauabschnitt relevant seien. Die Bewertung der einzelnen Schutzgüter sei fehlerfrei erfolgt. Insbesondere seien die Schutzgüter des UVPG berücksichtigt worden. Soweit die Kläger hinsichtlich der Variantenprüfung einzelne Belange als nicht hinreichend berücksichtigt rügten, könne dies die Variantenuntersuchung als Ganzes nicht in Zweifel ziehen. Hinsichtlich der Belange des Klimas ließen die Kläger außer Acht, dass die Berücksichtigung der Klimaschutzziele keine Frage der Variantenprüfung sei, sondern auf Grundlage des Fachbeitrags Klimaschutz eigenständig in die planerische Gesamtabwägung einzustellen sei.
54Aus naturschutzfachlicher Sicht seien die von den Klägern geltend gemachten Zerschneidungs- und Trennwirkungen im Landschaftspflegerischen Begleitplan umfassend untersucht worden.
55Die Kläger überspannten die Anforderungen, die § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG an Planungs- und Zulassungsentscheidungen stelle. Es lägen auch keine rechtsrelevanten Fehler bei der Abarbeitung des Entscheidungsprogramms der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vor. Insbesondere sei die gesetzliche Kompensation des Eingriffs gewährleistet.
56Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
57Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
58Entscheidungsgründe:
59Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
60Die Klage hat Erfolg.
61A. Die Klage ist zulässig.
62Insbesondere sind die Kläger klagebefugt. Die Klagebefugnis des Klägers zu 1. folgt aus § 2 Abs. 1 UmwRG. Denn ihm wurde mit Bescheid des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW vom 25. Mai 2022 die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen gemäß § 3 UmwRG erteilt. Für das streitige Vorhaben kann nach dem UVPG auch eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, § 1 Abs. 1 a) UmwRG.
63Eine Klagebefugnis folgt für beide Kläger zudem aus § 42 Abs. 2 VwGO. Sie können wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich in ihrem Eigentum stehender Grundstücke geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt zu sein.
64Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14. November 2012 - 9 C 14.11 -, BVerwGE 145, 96 = juris, Rn. 10.
65B. Die Klage ist auch begründet.
66Der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Hauptantrag ist begründet. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 29. Dezember 2023 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
67Wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung haben die Kläger einen Anspruch darauf, von einer Entziehung ihres Grundeigentums verschont zu bleiben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, insbesondere nicht gesetzmäßig ist (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). Sie können deshalb im Grundsatz - vorbehaltlich der nachfolgenden Darlegungen - eine gerichtliche Vollprüfung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Auch diese führt allerdings nur dann zum Erfolg der Klage, wenn ein etwa festgestellter objektiver Rechtsverstoß für den Eingriff in das Eigentum kausal ist.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 -, BVerwGE 170, 33 = juris, Rn. 27; Urteil vom 20. April 2005 - 9 A 56.04 -, BVerwGE 123, 286 = juris, Rn. 53.
69Der Kläger zu 1. hat überdies einen Anspruch auf allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle, soweit der Verstoß für die Entscheidung von Bedeutung ist und Belange berührt, die zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehören (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG).
70I. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss ist schon formell rechtswidrig. Die sachliche Zuständigkeit des Vorhabenträgers folgt nicht aus den Regelungen des Landesstraßenrechts, weil es sich bei dem streitigen Vorhaben um eine Bundesfernstraße handelt (dazu 1.). Der Vorhabenträger handelte auch nicht im Wege der Bundesauftragsverwaltung (dazu 2.). Der Planfeststellungsbeschluss ist zudem formell rechtswidrig, weil damit eine Bundesfernstraße auf der Grundlage des Landesstraßenrechts geplant wird (dazu 3.).
711. Nach den §§ 38 Abs. 1 Satz 5 StrWG NRW, 75 Abs. 1 VwVfG NRW wird durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt und werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Hieraus ergibt sich für die Planfeststellung eines öffentlichen Straßenbauvorhabens, dass nicht nur die geplante Straße selbst den einschlägigen Vorschriften zu genügen hat, sondern darüber hinaus der Träger des Vorhabens zu dessen Durchführung berufen sein muss. Die Planfeststellung darf nicht den Weg dafür freimachen, dass ein sachlich unzuständiger Vorhabenträger ein Straßenbauvorhaben verwirklicht. Denn es kann kein öffentliches Interesse am Tätigwerden des sachlich Unzuständigen anerkannt werden und es ließe sich vor diesem Hintergrund auch nicht rechtfertigen, dass ihm gegenüber etwa bestehende Ansprüche Planbetroffener auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung mit der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen würden. Ein Planfeststellungsbeschluss ist deshalb rechtswidrig, wenn er auf Antrag eines Vorhabenträgers ergeht, dem die Zuständigkeit für den geplanten Straßenbau fehlt.
72Vgl. i. d. S. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, juris, Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 7 LB 70/14 -, juris, Rn. 55; Schl.-H. OVG, Urteil vom 15. September 1998 - 4 L 49/97 -, juris, Rn. 28.
73Träger eines Vorhabens ist derjenige, der die Planfeststellung zur Durchführung des von ihm beabsichtigten Vorhabens anstrebt und deshalb die Planfeststellung für das Vorhaben beantragt.
74Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 7 LB 70/14 -, juris, Rn. 53 f.
75Straßen.NRW hat als für die Planung und den Bau von Landesstraßen zuständige Behörde (vgl. § 2 Nr. 2 der Betriebssatzung für den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen - BS-LS-NRW -) die Planunterlagen eingereicht und die Auslegung des Plans erbeten, d. h. die Planfeststellung für das Vorhaben beantragt.
76Straßen.NRW ist aber nicht auf der Grundlage des StrWG NRW für die Planung des Vorhabens zuständig, weil es nicht eine Landesstraße, sondern eine Bundesfernstraße zum Gegenstand hat.
77Die Zuständigkeit für den Bau einer öffentlichen Straße (§§ 1 Satz 1 und 2 Abs. 1 StrWG NRW) in Nordrhein-Westfalen, die nicht Bundesfernstraße ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW), liegt bei dem landesrechtlich bestimmten Träger der Straßenbaulast. Sie umfasst alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StrWGR NRW). Träger der Straßenbaulast für Landesstraßen ist das Land (§ 43 Abs. 1 StrWG NRW).
78Wie eine Straße einzustufen ist, ergibt sich nach § 3 Abs. 1 StrWG NRW aus ihrer Verkehrsbedeutung. Danach sind Landesstraßen solche Straßen mit mindestens regionaler Verkehrsbedeutung, die den durchgehenden Verkehrsverbindungen dienen oder zu dienen bestimmt sind; sie sollen untereinander und zusammen mit den Bundesfernstraßen ein zusammenhängendes Netz bilden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW). In Abgrenzung dazu sind Bundesfernstraßen öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG).
79Entscheidend für die Einstufung einer Straße ist somit zunächst deren tatsächlich prägende Verkehrsfunktion, wie sie sich aus der Lage der Straße im Zusammenhang des Straßennetzes ableiten lässt. Daneben kommt es aber auch auf die der Straße zugedachte Zweckbestimmung an, die die Straße im Verbund des Straßennetzes erfüllen soll („zu dienen bestimmt“). Diese Zweckbestimmung kann sich aus dem Planfeststellungsbeschluss ergeben.
80Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Juni 2019 ‑ 11 A 1054/14 -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 7 LC 83/10 -, juris, Rn. 66.
81Auch bei Änderungsplanungen, die bestehende Straßen betreffen, ist die Planung nicht ungeachtet der künftigen Verkehrsfunktion und der dadurch bestimmten Straßengruppe der veränderten Straße durchzuführen. Planung ist ein zukunftsgerichteter Vorgang, mit dem bestimmte (Planungs-)Ziele erreicht werden sollen. Fachplanungen haben sich deshalb auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes auszurichten. Das Bundesfernstraßengesetz unterwirft den Bau einer Straße, die nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Widmung zur Bundesfernstraße maßgebenden Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllen soll, ausschließlich den dafür einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesfernstraßenrechts und entzieht sie damit zugleich der landesrechtlichen Planfeststellung.
82Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, juris, Rn. 5, unter Bezugnahme auf das Urteil vom 23. Januar 1981 - 4 C 4.78 -, BVerwGE 61,295 = juris, Rn. 19 ff., und den Beschluss vom 23. Dezember 1992 - 4 B 188.92 -, juris, Rn. 10; zum umgekehrten Fall OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.AK -, NWVBl 2010, 116 = juris, Rn. 39.
83Es kommt bei der Bewertung der rechtlichen Qualifikation eines Straßenbauvorhabens mithin auf den Zeitpunkt der Planfeststellung und den in diesem Zeitpunkt maßgeblichen Stand der Gesamtplanung an.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 18.
85a. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das streitige Vorhaben im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht auf den Bau einer Landesstraße, sondern den Bau einer Bundesfernstraße ausgerichtet. Das folgt bereits aus dem Planfeststellungsbeschluss, der eine „autobahnähnliche Straße mit überregionaler Verbindungsfunktion“ als vorgesehene Netzfunktion beschreibt. Mit dem streitigen geplanten Ausbau der L 419 in Wuppertal-O. soll nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses der zweibahnige Querschnitt der an die BAB 46 angeschlossenen L 418 weitergeführt und - in einem zweiten Bauabschnitt - über eine neue Anschlussstelle an die BAB 1 angebunden werden. Durch den geplanten Lückenschluss mit der Verbindung von zwei Bundesautobahnen ergibt sich bereits aus der Netzkonzeption eine weiträumige Verkehrsbeziehung.
86Vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. August 1992 - 5 S 2378/91 -, juris, Rn. 36; vgl. zur Frage des Netzzusammenhangs bei einer beidseitigen Anbindung an Bundesfernstraßen auch: BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1992 - 4 B 188.92 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 = juris, Rn. 11.
87In dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss heißt es daher auch ausdrücklich, dass „die L 419 nach ihrem Ausbau dem weiträumigen Verkehr im Sinne von § 1 Abs. 1 FStrG dienen bzw. zu dienen bestimmt sein“ wird, „was ihre spätere Aufstufung zu einer Bundesfernstraße nach sich ziehen wird“.
88Demnach sollen selbst nach Auffassung des Beklagten mit der Umsetzung des streitigen Vorhabens die materiellen Voraussetzungen einer Bundesfernstraße geschaffen werden. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses war die spätere Umstufung des betroffenen Straßenabschnitts (und damit die beabsichtigte Widmung) zur Bundesfernstraße bereits vorgesehen:
89„Nach Erteilung des Baurechts für den 1. Bauabschnitt und der Aufnahme in das Landesstraßenbauprogramm ist die Umstufung des Streckenzuges L 418/L 419 zur Bundesstraße vorgesehen. Erst danach wird der 2. Bauabschnitt als eine vom Bund finanzierte Baumaßnahme in das Planfeststellungsverfahren nach Bundesrecht eingebracht. Diese Umstufung ist nicht Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens.“ (Planfeststellungsbeschuss, Seite 178)
90Die beabsichtigte Umstufung der L 419 zu einer Bundesfernstraße ist auch Gegenstand der von der Beklagten mit dem Bund getroffenen Abstufungsvereinbarung, die unter Ziffer 43 insbesondere die Aufstufung der L 419 „nach Bau durch Land“ beinhaltet.
91Der Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat zudem mit Schreiben vom 9. Juli 2016 an einen Abgeordneten des Bundestages ausgeführt, dass der streitige Streckenzug „aufgrund der Verkehrsbedeutung und Fernverkehrsrelevanz […] nach Ausbau der L 419 zur Bundesstraße aufgestuft werden“ soll.
92b. Dass die Umstufung „als maßgebliche rechtliche und tatsächliche Zäsur“ erst „nach Erteilung des Baurechts für den 1. Bauabschnitt“ bzw. nach Fertigstellung des streitigen Vorhabens erfolgen soll, ist für die Bewertung im Rahmen des Planfeststellungsrechts nicht maßgeblich. Denn es kommt nach dem vorstehend Gesagten bei der Bewertung des Planfeststellungsbeschlusses (allein) darauf an, ob die Straße nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Widmung zur Bundesfernstraße maßgebenden Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllen soll.
93Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, NVwZ 2010, 1299 = juris, Rn. 5; Hess. VGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - 2 UE 1238/87 -, juris, Rn. 71.
94Entscheidend ist mithin, ob es sich bei der planfestgestellten Straße materiell um eine Bundesfernstraße handelt.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1992 - 4 B 188.92 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 = juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.AK -, NWVBl 2010, 116 = juris, Rn. 24.
96Die formale Einstufung ist dafür unerheblich. Die Umstufung selbst ist kein Mittel der Verkehrslenkung. Verkehrsziele müssen vielmehr in die Planungsentscheidung über die Zweckbestimmung der Straßen eingehen, aus der die (spätere) Umstufung dann die Konsequenzen zieht.
97Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. November 1996 - 1 C 12272/94 -, juris, Rn. 21; Sauthoff, Öffentl. Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 195.
98Dass die L 419 nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Aufstufung zur Bundesstraße maßgeblichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllt, ist unstreitig und folgt ausdrücklich aus dem Planfeststellungsbeschluss.
99c. Die L 419 ist nach dem Endzustand der erstrebten Planung auch Bestandteil eines zusammenhängenden Verkehrsnetzes. Der Beklagte kann insbesondere nicht mit dem Argument gehört werden, der streitige Straßenabschnitt erhalte erst mit der Planung des 2. Bauabschnitts und dem damit erstrebten Anschluss der L 419 an die BAB 1 die Verkehrsbedeutung einer Bundesfernstraße für den weitreichenden Verkehr, da der unabdingbare ununterbrochene Netzzusammenhang erst zu diesem Zeitpunkt bestehen werde.
100Dazu steht bereits in Widerspruch, dass eine Umstufung nach den Planungen des Vorhabenträgers schon vor der Umsetzung oder Planung des 2. Bauabschnitts erfolgen soll. Eine Umstufung wäre in diesem Zeitpunkt nicht möglich, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG (noch) nicht vorlägen.
101Darauf kommt es aber nicht an. Auch wenn man - wie an einer Stelle im Planfeststellungsbeschluss erwähnt und von dem Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vorgetragen - eine Umstufung erst im Rahmen der Planfeststellung des 2. Bauabschnitts (oder danach) unterstellen würde, ergäbe sich keine andere Bewertung. Unabhängig davon, dass der Zeitpunkt der Umstufung nach dem vorstehend Gesagten nicht maßgeblich ist, war ein ununterbrochener Netzzusammenhang durch eine Anbindung der L 419 an die BAB 1 im Rahmen des 2. Bauabschnitts bereits im Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses des 1. Bauabschnitts vorgesehen.
102Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der Planung einer Bundesfernstraße die Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 3 FStrG auf das Vorhaben als Ganzes zu beziehen. Die Frage, ob eine Bundesstraße oder eine Bundesautobahn geplant wird, ist nach dem mit der Planung erstrebten Endzustand, nicht nach den Einzelschritten zu seiner Verwirklichung zu beantworten. Denn die rechtliche Qualifikation einer Bundesfernstraße bestimmt Art und Maß ihrer technischen Ausführung und ihre Verkehrsbedeutung und damit auch Art und Maß der tatsächlichen und rechtlichen Betroffenheit der Anlieger.
103BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 17.
104Diese Grundsätze gelten - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nur bei der Unterscheidung einer Bundesautobahn von einer sonstigen Bundesstraße, sondern grundsätzlich bei der Beurteilung der rechtlichen Qualifikation eines Straßenbauvorhabens - mithin auch bei der hier maßgeblichen Einordnung als Landes- oder Bundesstraße.
105So auch BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 17 a. E.
106Denn auch (oder sogar gerade) die Qualifikation einer Straße als Landesstraße oder als Bundesfernstraße hat Einfluss auf ihre Verkehrsbedeutung und damit das Ausmaß der Betroffenheit der Anlieger. Die Unterteilung eines Vorhabens in mehrere Bauabschnitte darf nicht dazu führen, dass die rechtliche Qualifikation einer Straße isoliert für jeden Bauabschnitt separat zu beurteilen ist. Ansonsten könnte die planende Behörde mit einer Aufspaltung in Bauabschnitte unabhängig vom Charakter der Straße selbst über ihre Kompetenz zur Planung sowie über die aus der Einstufung folgende Straßenbaulast disponieren.
107Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 8. August 2001 - 8 N 00.690 -, juris, Rn. 14; zur Wichtigkeit objektiver Maßstäbe auch: Nds. OVG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 7 LC 83/10 -, juris, Rn. 66.
108Zudem wäre damit die Gefahr verbunden, die von der geplanten Straße betroffenen privaten Belange nicht richtig einzuschätzen,
109vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 17,
110wenn erst mit dem letzten Bauabschnitt ein ununterbrochener Netzzusammenhang hergestellt wird und erst in diesem Zeitpunkt die planfestgestellte Straße zu einer Bundesfernstraße würde. Ist der Anschluss einer planfestgestellten Straße an die Autobahn und damit der für die Einstufung einer Bundesfernstraße erforderliche Netzzusammenhang somit bereits im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses geplant, so ist die Straße an dem mit der Planung erstrebten Endzustand zu messen und daher schon bei der Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses als Bundesfernstraße zu qualifizieren.
111Nach diesem Maßstab ist eine Bundesfernstraße Gegenstand des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses. Der erstrebte Endzustand der Gesamtplanung des Vorhabens war somit ausdrücklich bereits im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses darauf ausgerichtet, die an die BAB 46 angebundene L 418, aus westlicher Richtung kommend, weiterzuführen und über eine neue Anschlussstelle an die BAB 1 anzubinden -
112„Damit die Strecke ihrer Bedeutung für den überregionalen Verkehr im Großraum Wuppertal gerecht werden kann, ist ein vierstreifiger Ausbau der L 419 mit direktem Anschluss an die BAB 1 geplant. Der autobahnähnliche Straßenzug der L 418/L 419 stellt einen Netzschluss zwischen den Autobahnen BAB 46 und der BAB 1 dar.“ (Planfeststellungsbeschluss, Seite 209 - Hervorhebungen durch den Senat) -
113und damit einen ununterbrochenen Netzzusammenhang herzustellen.
114d. Unschädlich für die Einstufung als Bundesfernstraße ist auch, soweit der Planfeststellungsbeschluss weitere Planungsziele erwähnt, die eine nur regionale Bedeutung haben:
115„Zielsetzung des Vorhabens ist die Verbesserung des Verkehrsflusses von überörtlichen und örtlichen Verkehren, die Schaffung einer attraktiven Anbindung der geplanten Wohn- und Gewerbegebiete, die städtebaulich verträgliche Einbindung in das Umfeld sowie die Reduzierung von Immissionen in den angrenzenden Wohngebieten.“ (Planfeststellungsbeschluss, Seite 174)
116Die nach den vorstehenden Ausführungen im Kern auf den weiträumigen Verkehr ausgelegte Planung („aufgrund der überwiegenden Fernverkehrsrelevanz der L 419“ - Planfeststellungsbeschluss, Seite 209) schließt die Bündelung mit anderen, lokal oder regional ausgerichteten Zielen nicht aus.
117Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 -, BVerwGE 116, 254 = juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 26. August 2009 - 11 D 31/08.AK -, juris, Rn. 52; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. August 1992 - 5 S 2378/91 -, juris, Rn. 36; Sauthoff, Öffentl. Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 197.
1182. Eine Zuständigkeit von Straßen.NRW folgt auch nicht aus einer Tätigkeit in Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 90 Abs. 3 GG i. V. m. § 2 Nr. 1 BS-LS-NRW. Nach Art. 90 Abs. 3 GG verwalten die Länder die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrag des Bundes. In Nordrhein-Westfalen übernimmt diese Aufgabe nach § 2 Nr. 1 BS-LS-NRW Straßen.NRW.
119Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Planung um eine sonstige Bundesstraße des Fernverkehrs und nicht um eine Bundesautobahn, sodass der Beklagte das Planfeststellungsverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung hätte durchführen können. Bundesautobahnen sind gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 FStrG Bundesfernstraßen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeigen bestimmt und so angelegt sind, dass sie frei von höhengleichen Kreuzungen und für Zu- und Abfahrt mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet sind. Diese Regelung lässt eine Ermessensentscheidung nicht zu. Sie enthält eine Aufzählung bestimmter Merkmale, deren Vorliegen in einem Akt der Rechtsanwendung festzustellen ist. Schon der Wortlaut des Gesetzes lässt keinen Hinweis auf ein Ermessen der Behörden bei der Einschätzung des Charakters einer Bundesfernstraße erkennen.
120BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 16.
121Nach dieser Maßgabe liegt eine Bundesautobahn nicht vor. Die geplante L 419 soll nach dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss jedenfalls nicht so angelegt sein, dass sie für Zu- und Abfahrten mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet wird.
122Straßen.NRW hat das Planfeststellungsverfahren für den Beklagten aber nicht in Bundesauftragsverwaltung betrieben. Entscheidend ist nicht, ob der Vorhabenträger auf einer anderen rechtlichen Grundlage hätte handeln können, sondern auf welcher Grundlage und im Rahmen welchen Verfahrens er tatsächlich gehandelt hat.
123Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.K -, NWVBl 2010, 116 = juris, Rn. 33.
124Mit dem Handeln des Beklagten im Wege der Bundesauftragsverwaltung wird nämlich nicht nur eine sachliche Zuständigkeit begründet. Die Wahl der jeweiligen Form der Landesverwaltung hat auch Auswirkungen auf die Finanzierung (Art. 104a Abs. 2 GG) und die Rechtsstellung des Landes. So hat der Bund bei der Bundesauftragsverwaltung intensivere Eingriffsbefugnisse. Es bestehen etwa Weisungsbefugnisse nach Art. 85 Abs. 3 GG. Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung, Art. 85 Abs. 4 GG.
125Es ist daher nicht unerheblich, ob der Bund mit der Planung des Vorhabens als Bundesstraße im Rahmen einer Bundesauftragsverwaltung einverstanden war. Denn das Verhalten bei Planungsprozessen ist vom Maß der bestehenden Verantwortlichkeit und der finanziellen Belastungen abhängig.
126Vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 23. Oktober 1990 - 8 B 89.2278 -, NVwZ 1991, 590, 591; zur Relevanz der Mittelbereitstellung vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2008 - 9 B 7.07 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48 = juris, Rn. 24.
127Vorliegend wurde das streitige Vorhaben von Straßen.NRW für den Beklagten in dessen eigener Zuständigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StrWG NRW als Landesstraße auf der Grundlage des Landesstraßenrechts mit der Finanzierung durch den Beklagten geplant. Der Planfeststellungsbeschluss vom 29. Dezember 2023 wurde somit ausdrücklich von der Bezirksregierung Düsseldorf auf der Grundlage des § 39 Abs. 1 StrWG NRW erlassen.
1283. Unabhängig von einer fehlenden Zuständigkeit des Vorhabenträgers ist der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss formell rechtswidrig, weil damit eine Bundesstraße auf der Grundlage des Landesstraßenrechts geplant wird.
129Das Bundesfernstraßengesetz unterwirft nach den vorstehenden Grundsätzen den Bau einer Straße, die nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Widmung zur Bundesfernstraße maßgebenden Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllen soll, ausschließlich den dafür einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesfernstraßenrechts und entzieht sie damit zugleich der landesrechtlichen Planfeststellung.
130Vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, juris, Rn. 5, unter Bezugnahme auf das Urteil vom 23. Januar 1981 ‑ BVerwG 4 C 4.78 -, BVerwGE 61, 295 = juris, Rn. 19 ff., und den Beschluss vom 23. Dezember 1992 - BVerwG 4 B 188.92 -, juris, Rn. 10.
131Hinsichtlich der Beurteilung der verfahrensmäßigen Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses kommt es daher darauf an, ob bei der Planung des Vorhabens auch die für das Vorhaben geltenden Verfahrensvorschriften angewendet worden sind. Handelt es sich - wie hier - materiell um eine Bundesfernstraße, so muss auch der Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage des Bundesfernstraßenrechts und unter Anwendung der bundesfernstraßenrechtlichen Verfahrensvorschriften ergehen.
132Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1992 - 4 B 188.92 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 = juris, Rn. 10; Urteil vom 3. Mai 1988 - 4 C 26.84 -, Buchholz 407 § 17 FStrG Nr. 74 = juris, Rn. 10 f.; OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.AK -, juris, Rn. 24.
133Vorliegend wurden allerdings die für Landesstraßen geltenden Verfahrensvorschriften des StrWG NRW angewendet.
134Die Argumentation des Beklagten, diese Rechtsprechung könne wegen der Besonderheiten des Ausbauvorhabens nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, da sich unabhängig von der Klassifizierung als Landesstraße oder Bundesstraße nicht nur in verfahrensrechtlicher Sicht, sondern auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Unterschiede ergäben, verfängt nicht.
135a. Die Verfahren nach Bundes- und Landesstraßenrecht unterscheiden sich inhaltlich bereits in verfahrensrechtlicher Sicht. Denn selbst wenn die einzelnen Verfahrensschritte (insbesondere die gleichmäßige Untergliederung in die Abschnitte der Einleitung des Verfahrens, der Auslegung, Anhörung und Bescheidung) in gleicher Weise geregelt sind, führt dies nicht dazu, dass die Verfahren „inhaltlich übereinstimmen“. Vielmehr kommt es auch innerhalb der einzelnen Verfahrensschritte jeweils darauf an, auf welchen Gegenstand sich das Verfahren bezieht. Wenn also z. B. der Ablauf des Anhörungsverfahrens nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften des Bundes- und Landesrechts gleichermaßen geregelt ist, ist es insbesondere für die betroffenen Bürger nicht unwesentlich, ob sie wegen der Planung einer Bundesfernstraße oder einer Landesstraße angehört werden (etwa wegen der nur für Bundesfernstraßen geltenden Verbotszonen hinsichtlich baulicher Anlagen gem. § 9 Abs. 1 FStrG - im Gegensatz zur Regelung des § 25 StrWG NRW).
136Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1988 - 4 C 26.84 -, Buchholz 407 § 17 FStrG Nr. 74 = juris, Rn. 11; vgl. zum Unterschied von Bundesstraßen und Bundesautobahnen: Urteil vom 11. April 1986 - 4 C 53.82 -, DVBl. 1986, 1007 = juris, Rn. 18; vgl. zum Unterschied bei der Planung einer Bundesstraße und einer Gemeindestraße: OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.AK -, juris, Rn. 40.
137Für den Unterschied zwischen dem bundes- und dem landesrechtlichen Straßenrecht kann darüber hinaus auf die für die bundesrechtliche Straßenplanung bestehende Erforderlichkeit der Planungsabstimmung zwischen Bund und Ländern nach § 16 FStrG herangezogen werden. Das Verfahren zur Linienabstimmung hinsichtlich der Landesstraßen führen gem. § 37 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW demgegenüber der Landesbetrieb Straßenbau und die Bezirksregierungen durch.
138Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 ‑ 4 C 4.78 -, BVerwGE 61, 295 = juris, Rn. 20 unter Bezugnahme auf § 16 FStrG a. F.
139b. Es kann dahinstehen, ob in der Abstufungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Bund eine dem Verfahren nach § 16 FStrG entsprechende Planungsabstimmung zu sehen ist. Denn es ergeben sich neben den bereits genannten inhaltlichen verfahrensrechtlichen Unterschieden auch in materiell-rechtlicher Hinsicht Unterschiede - je nachdem, ob das Straßenbauvorhaben eine Landesstraße oder eine Bundesfernstraße zum Gegenstand hat. Das hat hier überdies zur Folge, dass der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig ist. Dem Planfeststellungsbeschluss fehlt insbesondere die Planrechtfertigung (II.1.). In der Folge ist auch die Abwägung fehlerhaft (II.2.).
140II. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 29. Dezember 2023 ist auch materiell rechtswidrig.
1411. Es fehlt an der Planrechtfertigung. Die Planrechtfertigung ist ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in Rechte Dritter verbunden ist. Das Erfordernis ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist.
142Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, NVwZ 2010, 1299 = juris, Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 19. April 2013 - 20 D 84/12.AK ‑, juris, Rn. 92.
143Damit korrespondierend entspricht es der bereits genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Bundesfernstraßengesetz den Bau einer Straße, die nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Widmung zur Bundesfernstraße maßgebenden Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllen soll, ausschließlich den dafür einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesfernstraßenrechts unterwirft und sie damit zugleich der landesrechtlichen Planfeststellung entzieht. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um ein Neubau‑, sondern ein Änderungsvorhaben handelt; denn die dem finalen Charakter von Planung entsprechende Ausrichtung auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ist jeder Ermächtigung zur Planfeststellung eigen. Sie findet deutlichen Ausdruck in dem Erfordernis der Planrechtfertigung, die besagt, dass das Vorhaben gemessen an den jeweiligen Zielvorgaben des Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten sein muss.
144Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 B 104.09 -, NVwZ 2010, 1299 = juris, Rn. 5.
145Darüber hinaus fehlt einem Vorhaben, dessen Realisierung aus finanziellen Gründen ausgeschlossen ist, die Planrechtfertigung. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Art der Finanzierung Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist. Das insoweit zu beachtende Haushaltsrecht bindet die mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie deren Kontrolle befassten Stellen des Staates; es entfaltet aber grundsätzlich keine Außenwirksamkeit zwischen Verwaltung und Bürger, die im Rahmen der den Fachplanungsbehörden überantworteten Planungsaufgaben zu beachten wäre. Die Planfeststellungsbehörden haben lediglich vorausschauend zu beurteilen, ob dem Vorhaben unüberwindliche finanzielle Schranken entgegenstehen. Stehen die notwendigen Mittel schon bereit, so ist diesem Erfordernis Genüge getan, ohne dass fachplanungsrechtlich hinterfragt werden müsste, ob die zugrundeliegenden Finanzierungsentscheidungen haushaltsrechtlichen Vorgaben entsprechen.
146Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2008 - 9 B 7.07 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48 = juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 11 A 1054/14 -, juris, Rn. 23.
147Es kann dahinstehen, ob die Planrechtfertigung schon deshalb ausscheidet, weil das Vorhaben auf landesstraßenrechtlicher Grundlage geplant worden ist und daher bisher nicht vorgetragen ist, dass auch die Finanzierung einer Bundesfernstraße gewährleistet ist. Denn der Beklagte hat das Vorhaben hinsichtlich der Erforderlichkeit jedenfalls am falschen Maßstab gemessen. Es ist nämlich nach dem oben Gesagten als Bundesfernstraße zu qualifizieren. Es wäre daher (allein) an den Zielsetzungen des Bundesfernstraßengesetzes zu messen gewesen. Der Beklagte hat als Maßstab indes das Landesstraßenrecht gewählt. Auch nach Auffassung des Beklagten „geht aus dem Planfeststellungsbeschluss an einer Vielzahl von Stellen unmissverständlich hervor, dass das streitgegenständliche Vorhaben als Landesstraße nach dem Landesstraßenrecht zugelassen wird“. In dem Planfeststellungsbeschluss heißt es ausdrücklich:
148„Die Feststellung des vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung Rhein-Berg (Vorhabenträger) aufgestellten Plans erfolgt gemäß §§ 38 ff. StrWG NRW in Verbindung mit §§ 72 ff. VwVfG NRRonsdorf“
149(Planfeststellungsbeschluss, Seite 16 - Hervorhebungen durch den Senat)
150Der Beklagte hat daher - auch nach eigenem Vortrag - als fachplanerischen Maßstab - insoweit konsequent - die Zielsetzungen des § 3 Abs. 2 StrWG NRW zu Grunde gelegt und die Planrechtfertigung mit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Landesstraßenbedarfsplan NRW begründet. Der Planfeststellungsbeschluss nimmt demnach keine hinreichende Prüfung vor, ob die Planungsziele des eigentlich anzuwendenden Bundesfernstraßenrechts erfüllt sind.
151Es ist auch nicht unerheblich, an welchen Zielvorgaben das Vorhaben gemessen worden ist. Denn die Zielvorgaben des Bundesfernstraßenrechts und des Landesstraßenrechts weichen voneinander ab. Bundesfernstraßen sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG). Maßgebliches Ziel des Bundesfernstraßenrechts ist daher die Durch- bzw. Ableitung des weiträumigen Verkehrs.
152Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2009 - 11 D 31/08.AK -, juris, Rn. 56.
153Landesstraßen sind demgegenüber Straßen mit mindestens regionaler Verkehrsbedeutung, die den durchgehenden Verkehrsverbindungen dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW). Die Verkehrsfunktion ist somit auf den Verkehr innerhalb eines Landes bezogen.
154Vgl. Sauthoff, Öffentl. Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 214.
155Eine Planrechtfertigung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Planfeststellungsbeschluss „im Übrigen das Vorhaben auch nach den bundesrechtlichen Vorgaben des FStrG“ als geboten ansieht. Eine Wahlfeststellung dergestalt, dass offen gelassen wird, ob es sich bei dem geplanten Straßenbauvorhaben um eine Landes- oder eine Bundesfernstraße handelt und welche Bestimmungen die Behörde letztlich zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat, ist jedenfalls bei der materiell-rechtlichen Beurteilung der Rechtslage im Rahmen der Planrechtfertigung nicht zulässig.
156Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1988 - 4 C 26.84 -, Buchholz 407 § 17 FStrG Nr. 74 = juris, Rn. 11.
157Der Beklagte konnte sich demnach nicht alternativ auf verschiedene Rechtsgrundlagen stützen. Diese Frage kann aber auch dahinstehen, da selbst nach Ansicht des Beklagten der Exkurs hinsichtlich der bundesfernstraßenrechtlichen Bestimmungen „erkennbar nur ergänzend“ und lediglich „im Zusammenhang mit dem geplanten 2. Bauabschnitt, im Zuge dessen die Aufstufung der L 419 zu einer Bundesstraße bzw. eine diese bedingende Änderung der ihr zugedachten Verkehrsbedeutung angestrebt wird“, erfolgt ist. Die - ohnehin nur rudimentären - Ausführungen dienen selbst nach dem Vortrag des Beklagten nicht der Begründung der Planrechtfertigung des 1. Bauabschnitts, sondern allein der Begründung des für die Abschnittsbildung erforderlichen vorläufigen positiven Gesamturteils.
158Eine Planrechtfertigung für den hier streitgegenständlichen 1. Bauabschnitt kann daraus demzufolge nicht abgeleitet werden. Hinzu kommt, dass das Vorhaben bislang keine Aufnahme in den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen gefunden hat, da nach der Abstufungsvereinbarung auch aus Sicht des Bundes offenbar eine Planung auf der Grundlage des Landesstraßenrechts erfolgen sollte.
1592. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss wird ferner dem Anspruch der Kläger auf eine Entscheidung in fehlerfreier Abwägung nicht gerecht. Bei der Planfeststellung einer Bundesfernstraße sind gem. § 17 Abs. 1 Satz 6 FStrG die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
160BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 -, BVerwGE 157, 73 = juris, Rn. 23; Urteil vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56 = juris, Rn. 37.
161Vor diesem Hintergrund ist das Abwägungsgebot verletzt. Denn in die Abwägung wurden nicht alle Belange eingestellt, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen. Der Beklagte hat wegen der fehlerhaften Einstufung des Vorhabens als Landesstraße nicht berücksichtigt, dass die Kläger durch den Bau einer Bundesfernstraße zumindest in rechtlicher Hinsicht stärker belastet würden als durch den Bau einer Landesstraße (vgl. § 9 FStrG), sodass die Abwägung dadurch auf einer Fehleinschätzung der privaten Belange der Kläger beruht.
162Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 - 11 D 33/08.AK -, juris, Rn. 58; Bay. VGH, Urteil vom 23. Oktober 1990 ‑ 8 B 89.2278 -, NVwZ 1991, 590.
1633. Es kann daher dahinstehen, ob der Planfeststellungsbeschluss weitere materiell-rechtliche Mängel aufweist, insbesondere, ob sich die Einstufung des streitigen Straßenbauvorhabens als Bundesstraße auf die Abschnittsbildung - die auf einem landesstraßenrechtlichen 1. Bauabschnitt und einem bundesstraßenrechtlichen 2. Bauabschnitt beruht - und damit zusammenhängend den - nur den 1. Bauabschnitt umfassenden - Untersuchungsraum der Variantenermittlung auswirkt.
164III. Die festgestellten Rechtsverstöße sind für den Eingriff in das Eigentum der Kläger kausal. Denn sie betreffen die Gesamtplanung. Dies hat zur Folge, dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine rechtmäßige Planung im Bereich der Grundstücke der Kläger anders ausfallen wird. Es ist danach jedenfalls möglich, dass die fehlerfreie Beachtung der Verfahrensvorschriften im Bereich der klägerischen Grundstücke zu einer Veränderung der Planung führt.
165Vgl. zu den Auswirkungen fehlender Zuständigkeit Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 7 LB 70/14 -, juris, Rn. 78 ff.
166Dies gilt auch für die fehlende Planrechtfertigung. Als durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses Betroffene können die Kläger auch das Fehlen der Planrechtfertigung berechtigter Weise geltend machen.
167Vgl. hierzu OVG Rh.-Pf., Urteil vom 12. Mai 2005 - 1 C 11472/04 -, juris, Rn. 19.
168Auch die Abwägungsmängel sind erheblich. Nach § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Die Abwägungsmängel sind hier offensichtlich, weil sie sich den Planunterlagen entnehmen lassen. Ihnen kann auch ein Einfluss auf das Abwägungsergebnis nicht abgesprochen werden. Denn es lässt sich nach den Umständen des Falles nicht ausschließen, dass bei Zugrundelegung der für die Maßnahme geltenden bundesstraßenrechtlichen Regelungen eine andere konzeptionelle Entscheidung getroffen worden wäre.
169Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. September 2009 ‑ 11 D 33/08.AK -, juris, Rn. 59.
170IV. Der Mangel hinsichtlich der mit der Einstufung des streitigen Vorhabens als Landesstraße verbundenen Anwendung der falschen Rechtsgrundlage und Verfahrensvorschriften zieht als Rechtsfolge die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach sich. Die Aufhebung ist auch nicht durch besondere Vorschriften oder allgemeine Rechtsgrundsätze ausgeschlossen.
171§ 46 VwVfG NRW steht dem im vorliegenden Fall nicht entgegen. Dies beruht schon darauf, dass die Planfeststellung auf Grundlage des Landesstraßenrechts nach den vorstehenden Ausführungen nicht lediglich unter Verstoß gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit erfolgte.
172Auch sind die Voraussetzungen von § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW nicht erfüllt. Danach führt eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Im ergänzenden Verfahren nicht behoben werden können hingegen Mängel, die von solcher Art und Schwere sind, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein - wie das nach dem Vorstehenden hier der Fall ist - in Frage stellen.
173Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 -, BVerwGE 154, 153 = juris, Rn. 32; Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 -, BVerwGE 151, 213 = juris, Rn. 46.
174In der falschen Klassifizierung einer geplanten Straße in eine Straßengruppe liegt ein so grundlegender Planungsfehler, dass dieser nicht in einem nur ergänzenden Verfahren unter Anwendung des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW behoben werden kann.
175Vgl. zur Rechtsfolge der Planaufhebung bei einer Planung durch eine nicht zuständige Behörde: BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - 4 C 40.80 -, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5 = juris, Rn. 18 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 7 LB 70/14 -, juris, Rn. 82 ff.; Urteil vom 22. Februar 2012 - 7 LC 83/10 -, juris, Rn. 91.
176C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
177Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
178Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.