Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (2 K 2165/23) gegen die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. August 2023 erteilte Baugenehmigung für den Um- und Ausbau sowie die Nutzungsänderung eines Wohnhauses in gewerbliche Unterkünfte (Beherbergungsbetrieb für Monteure mit maximal 11 Personen) (im Folgenden: Vorhaben) auf dem Grundstück Gemarkung G01 und G02 (im Folgenden: Vorhabengrundstück) anzuordnen, abgelehnt. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsteller aus, weil die Baugenehmigung sie voraussichtlich nicht in ihren (Nachbar-)Rechten verletze. Das Vorhaben verletze die Antragsteller nicht in ihrem Gebietsgewährleistungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruch. Ihr Grundstück liege schon nicht im gleichen Baugebiet wie das Vorhabengrundstück. Unabhängig davon verstoße das Vorhaben nicht gegen die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Es sei als Beherbergungsbetrieb in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig. Das Vorhaben erweise sich gegenüber den Antragstellern auch nicht als baurechtlich rücksichtslos. Hinsichtlich der hier maßgeblichen Lärmimmissionen sei die Einhaltung der für allgemeine Wohngebiete geltenden Richtwerte der TA Lärm als Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen worden. Es sei nicht ersichtlich, dass diese durch die (genehmigte) Nutzung überschritten würden. Ob sich die Baugenehmigung wegen der fehlenden Einholung eines schalltechnischen Gutachtens als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos erweise, müsse der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
4Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
51. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Vorhaben einen Anspruch der Antragsteller auf Wahrung der Gebietsart verletzt.
6a. Zwar scheidet eine Berufung auf den Gebietswahrungsanspruch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht schon deshalb aus, weil ihr Grundstück nicht im gleichen Baugebiet wie das Vorhabengrundstück liegt. Die Antragsteller sind, wie sie zutreffend geltend machen, nicht nur Eigentümer des von ihnen bewohnten Grundstücks in der T.-straße 13a, sondern zugleich des mit dem vermieteten Wohnhaus bebauten Grundstücks in der T.-straße 19b (Gemarkung G03). Dieses Grundstück liegt, wie sich aus dem Bebauungsplan Nr. 130 „V.-straße.-Ost“ der Antragsgegnerin ergibt, im gleichen Baugebiet wie das unmittelbar benachbarte Vorhabengrundstück.
7b. Die Antragsteller, die sich nicht gegen die durch das Verwaltungsgericht erfolgte Einordnung des Vorhabens als Betrieb des Beherbergungsgewerbes i. S. v. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO wenden, zeigen nicht auf, durch die ausnahmsweise Zulassung des Vorhabens in ihrem Gebietswahrungsanspruch verletzt zu sein.
8Ihr Einwand, ein Beherbergungsbetrieb könne grundsätzlich in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sein, das Vorhaben verfehle jedoch die Zweckbestimmung dieses Baugebiets, bleibt ohne Erfolg.
9Maßgeblich ist insoweit, ob das Vorhaben, das nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zugelassen werden kann, bei typisierender Betrachtung mit dem Gebietscharakter des betreffenden Baugebiets vereinbar ist. Das allgemeine Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Es soll nach Möglichkeit ein grundsätzlich ungestörtes Wohnen gewährleisten. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO daher in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung. Ein Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner „typischen Nutzungsweise“ störend wirkt. Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2022 - 4 C 6.20 -, juris Rn. 12 f., m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2022 - 10 B 980/22 -, juris Rn. 7.
11Daran gemessen lässt sich dem Beschwerdevorbringen eine fehlende Gebietsverträglichkeit nicht entnehmen. Soweit die Antragsteller allgemein auf die „spezifischen Auswirkungen“ von Monteurunterkünften eingehen und dazu vortragen, diese beträfen Lärmbeeinträchtigungen auch vor 6 Uhr, laute Kommunikation der häufig an einer Arbeitsstelle arbeitenden Monteure, etwa bei der Beladung der Transporter, sowie die gemeinsame Freizeitverbringung im Garten, wie gemeinsame Grillabende, legen sie eine Nutzung des konkreten Vorhabens, die bei typisierender Betrachtung den Wohngebietscharakter stört, nicht hinreichend dar. Denn unabhängig von der Frage, ob diese Beeinträchtigungen überhaupt eine Folge der typischen Nutzungsweise einer Monteurunterkunft sind oder es sich um personenbedingtes Fehlverhalten der Bewohner handelt, dem von der zuständigen Behörde mit ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen wäre,
12vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2019 - 7 A 2748/18 -, juris Rn. 9,
13lassen die Antragsteller die auch vom Verwaltungsgericht angeführte geringe Größe des Beherbergungsbetriebs für Monteure mit maximal elf Personen unberücksichtigt.
14Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2022 - 10 B 980/22 -, juris Rn. 7 (Beherbergungsbetrieb für Monteure mit 14 Betten).
15Auf die Frage, ob eine volle Auslastung des Betriebs die Regel oder die Ausnahme ist, kommt es nicht an, weil auch eine ständig mit elf Personen belegte Monteurunterkunft im allgemeinen Wohngebiet nicht gebietsunverträglich wäre.
16Die von den Antragstellern darüber hinaus geltend gemachten, tatsächlich von dem konkreten Vorhaben ausgehenden Lärmimmissionen sind für die nach dem Vorgesagten maßgebliche typisierende Betrachtung nicht entscheidend.
17Ihr Einwand, das bestehende Wohngebiet erweise sich als Ruhezone ohne gewerbliche oder freiberufliche Nutzung mit Ausnahme eines Gutachterbüros, rechtfertigt die Annahme einer Verletzung ihres Gebietswahrungsanspruchs ebenfalls nicht. Auf die behauptete spezielle Prägung des Gebiets in tatsächlicher Hinsicht kommt es für den Gebietswahrungsanspruch, der an die rechtliche Festsetzung eines Baugebiets im Sinne der Baunutzungsverordnung anknüpft, nicht an.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2019 - 7 A 2748/18 -, juris Rn. 6.
192. Soweit die Antragsteller rügen, die Baugenehmigung lasse eine Ermessensausübung der Antragsgegnerin vermissen, verhilft auch dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn ein Grundstücksnachbar hat keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2022 - 4 C 6.20 -, juris Rn. 19 ff.; OVG NRW, Urteile vom 23. September 2019 - 10 A 1114/17 -, juris Rn. 43, und vom 25. Oktober 2010 - 7 A 1298/09 -, juris Rn. 100.
213. Die Antragsteller zeigen mit ihrem Beschwerdevorbringen auch nicht auf, dass das Vorhaben entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu ihren Lasten gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstößt.
22a. Hierbei ist maßgeblich auf das genehmigte Vorhaben und nicht auf die von dem Vorhabengrundstück tatsächlich ausgehenden Auswirkungen abzustellen. Vor diesem Hintergrund legen die Antragsteller mit der Geltendmachung der tatsächlichen vorhabenbedingten Lärmbeeinträchtigungen nicht dar, dass das - mit Auflagen insbesondere zum Immissionsschutz - genehmigte Vorhaben ihnen gegenüber rücksichtslos ist. Auf die Entwicklung der tatsächlichen Lärmimmissionen seit Genehmigungserteilung kommt es nach dem Vorstehenden ebenfalls nicht an. Dass die genehmigte Nutzung deshalb ihnen gegenüber rücksichtslos ist, weil sie zwingend zu einer Überschreitung der Richtwerte der TA Lärm führt, haben die Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert vorgebracht.
23Gegen ein von der genehmigten Nutzung abweichendes Verhalten wäre ggf. bauaufsichtlich einzuschreiten. Dies gilt namentlich für die geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen durch An- und Abfahrvorgänge sowie Parkvorgänge zur Nachtzeit, die nicht genehmigt worden sind, als auch für die Richtwerte der TA Lärm übersteigende, nach der Baugenehmigung nicht zulässige Lärmimmissionen.
24Soweit die Antragsteller meinen, die Einholung eines Lärmgutachtens sei erforderlich gewesen, setzen sie sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, es müsse mit Blick auf § 212a BauGB der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob sich die Baugenehmigung deshalb als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos erweise, weil vor ihrer Erteilung kein schalltechnisches Gutachten eingeholt worden sei.
25b. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, dass sich aus der Anordnung oder Ausführung der - drei genehmigten - Stellplätze ein Rücksichtnahmeverstoß zu Lasten der Antragsteller ergibt.
26Zutreffend stellen die Antragsteller zwar darauf ab, dass sich, wie bei der ersatzlos gestrichenen bauordnungsrechtlichen Regelung in § 51 Abs. 7 BauO NRW a. F.,
27die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen lässt. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der betroffenen Nachbarn befindet. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind dabei für die Beurteilung nicht ausschlaggebend.
28Vgl. OVG, Urteil vom 26. April 2019 - 7 A 3284/17 -, juris Rn. 32 ff., m. w. N.
29Gemessen daran lassen sich dem Beschwerdevorbringen aber keine von den Stellplätzen ausgehenden, den Antragstellern gegenüber unzumutbaren Beeinträchtigungen entnehmen. Dafür genügen die nicht näher begründete Behauptung, die konkrete Anordnung der Stellplätze führe zu konkreten Störungen, sowie der Hinweis auf deren Benutzung durch Transporter nicht. Soweit die Antragsteller diesbezüglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweisen, kommen sie den sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebenden Darlegungsanforderungen nicht nach.
30Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
32Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).