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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 13.958,86 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ernstliche Zweifel im Sinne der Vorschrift liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2009 ‑ 2 BvR 758/07 ‑, NVwZ 2010, 634 = juris Rn. 96.
5Dies ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG NRW, weil dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Insbesondere sei keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten. Das von der Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. Rücknahme des Gebührenbescheids vom 11. Juni 2014 angeführte Urteil des EuGH vom 17. März 2016 ‑ C-112/15 ‑ stelle genauso wenig wie eine Änderung der innerstaatlichen Rechtsprechung eine Änderung der Rechtslage dar. Zudem sei dem Urteil keine generelle Aussage des Inhalts zu entnehmen, dass die Löhne und Gehälter des Personals, das für die im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen stehenden Verwaltungsaufgaben eingesetzt werde, nicht zu den Kosten im Sinne des Art. 27 Abs. 4 i. V. m. Anhang VI Nrn. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (ABl. L 165 vom 30. April 2004, S. 1) zählten. Auch ein Anspruch auf Rücknahme des Gebührenbescheides nach § 48 Abs. 1 VwVfG NRW bestehe nicht. Die Voraussetzungen, unter denen das der Behörde von der Vorschrift eingeräumte Ermessen auf eine Rücknahme reduziert sei, lägen nicht vor. Insbesondere sei der Gebührenbescheid nicht offensichtlich rechtswidrig. Dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2018 ‑ 3 C 17.16 ‑ dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt habe, ob Kostenanteile für die Löhne und Gehälter desjenigen Personals, das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung der amtlichen Kontrollen eingesetzt wird, bei der Gebührenerhebung berücksichtigt werden dürften, rechtfertige keine andere Betrachtung. Wäre das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung gewesen, eine solche Vorgehensweise sei offensichtlich rechtswidrig, hätte es dem EuGH die Frage nicht vorgelegt. Aus Unionsrecht folge auch kein Anspruch auf Rücknahme. Da die Klägerin gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 15. April 2015 ‑ 16 K 4576/14 ‑, mit dem die gegen den Gebührenbescheid gerichtete Klage abgewiesen wurde, kein Rechtsmittel eingelegt habe, gebiete nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. September 2006 ‑ C-392/04 und C-422/04 ‑) das Unionsrecht lediglich, dass bestehende innerstaatliche Rücknahmevorschriften auch auf Verstöße gegen Unionsrecht angewandt werden müssten. Im Anwendungsbereich von § 48 VwVfG NRW müsse das nationale Gericht daher beurteilen, ob eine mit Gemeinschaftsrecht unvereinbare Regelung offensichtlich rechtswidrig im Sinne des nationalen Rechts sei. Dies sei jedoch nicht der Fall.
6Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen greift nicht durch. Der auf Rn. 33 des Urteils des EuGH vom 17. März 2016 ‑ C-112/15 - gestützte Einwand der Klägerin, die Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe der Rechtsauffassung des EuGH diametral gegenüber, ist schon nicht ansatzweise nachvollziehbar. Der EuGH hat dort lediglich ausgeführt, aus dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 4 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 gehe hervor, dass in Anhang VI die bei der Gebührenerhebung berücksichtigungsfähigen Kostenelemente abschließend aufgeführt seien. Dass das Verwaltungsgericht von einem abweichenden Verständnis ausgegangen wäre, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Den von der Zulassungsbegründung angeführten Begriff der „mittelbaren“ Personalkosten verwendet das Verwaltungsgericht nicht. Sofern das Zulassungsvorbringen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 5 zweiter Absatz des angefochtenen Urteils meinen sollte, geht es dort ersichtlich nicht um die Frage, ob über die in Anhang VI Nrn. 1-3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 genannten Kostenelemente hinaus weitere Kosten berücksichtigungsfähig sind, sondern um die Frage, ob die Löhne und Gehälter desjenigen Personals, das für im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen stehende Verwaltungsaufgaben eingesetzt wird, zu den Kosten im Sinne der Nrn. 1 und 2 zählen. Für die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 15. April 2015, Seite 5 vorletzter Absatz, gilt im Übrigen nichts anderes.
7Davon abgesehen hat der EuGH mit Urteil vom 19. Dezember 2019 ‑ C-477/18 und C-478/18 ‑, Rn. 60 ff., entschieden, dass zu den von Anhang VI erfassten Kosten nicht nur die Kosten für die amtlichen Tierärzte und amtlichen Fachassistenten fallen, sondern auch die Lohn- und Gehaltskosten für das Verwaltungs- und Hilfspersonal, soweit sie auf untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene, den Einsatz dieses Personals objektiv erfordernde Tätigkeiten entfallen. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die ansatzfähigen Personalkosten nicht auf diejenigen Personen begrenzt sind, die unmittelbar die amtliche Untersuchung durchführen. Es dürfen bei der Gebührenerhebung auch die Kosten berücksichtigt werden, die der zuständigen Behörde durch die verwaltungsmäßige Erfassung und Abwicklung der amtlichen Kontrollen einschließlich der Gebührenerhebung entstehen, soweit die Arbeitszeit für untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene Tätigkeiten erforderlich ist.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2022 ‑ 3 B 37.21 ‑, juris Rn. 25 f., und Urteile vom 3. September 2020 ‑ 3 C 4.20 ‑, juris Rn. 23, sowie vom 26. April 2012 ‑ 3 C 20.11 ‑, juris Rn. 14 ff.
9Dass hiernach nicht berücksichtigungsfähige Kostenpositionen bei der streitigen Gebührenerhebung in Ansatz gebracht worden wären, legt das Zulassungsvorbringen nicht dar.
10Da mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen schon nichts für eine Unionsrechtswidrigkeit des Gebührenbescheides vom 11. Juni 2014 dargetan ist, kommt es auf das weitere Zulassungsvorbringen zum unionsrechtlichen Anspruch auf Rücknahme eines unionsrechtswidrigen Bescheides nicht an. Davon abgesehen ist es, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, nach der vom Zulassungsvorbringen angeführten Entscheidung des EuGH vom 19. September 2006 ‑ C-392/04 und C-422/04 ‑, Rn. 57 und 71, Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob eine klar unionsrechtswidrige Regelung offensichtlich rechtswidrig im Sinne des betreffenden nationalen Rechts ist (Hervorhebung durch den Senat). Auch die in Rn. 67 stehenden Ausführungen des EuGH beziehen sich auf die nationale Rechtsprechung zum nationalen Recht.
11Vgl. auch das auf die vorgenannte Entscheidung ergangene Urteil des BVerwG vom 17. Januar 2007 ‑ 6 C 33.06 ‑, juris Rn. 16.
122. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinne offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten wirft die Rechtssache auch ansonsten nicht auf.
133. Die Berufung ist ferner nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
14Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf und die für die Entscheidung erheblich sein wird, oder wenn die in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung von Tatsachenfragen verallgemeinerungsfähige, d. h. einer unbestimmten Vielzahl von Fällen dienende Auswirkungen entfaltet. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 2015 ‑ 1 B 37.15 ‑, juris Rn. 3.
16Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
17Sofern anzunehmen sein sollte, dass die nicht näher erläuterte
18Frage der Auslegung des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004
19auf die grundsätzliche Klärung abzielen soll, ob die nach Anhang VI Nrn. 1 und 2 ansatzfähigen Personalkosten auf diejenigen Personen begrenzt sind, die ‑ als amtliche Tierärzte und amtliche Fachassistenten ‑ unmittelbar die amtliche Untersuchung durchführen, ist diese Frage, wie oben ausgeführt, in der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts im verneinenden Sinne geklärt. Dass und bejahendenfalls welche darüber hinausgehenden Fragen klärungsbedürftig seien, legt das Zulassungsvorbringen nicht dar.
20Die ferner aufgeworfene Frage,
21„wie weit vorliegend das Verwaltungsgericht Düsseldorf, die sich aus dem Unionsrecht dem Bürger ergebenden Rechte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 17.09.2006 in den Rs. C-392/04 und 422/04 ‑ X. und Y. ‑ ergeben, durch die Feststellung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf abgeschnitten hat“,
22bzw. ob der Bürger Rechtsmittel einlegen muss, auch wenn dies unzumutbar ist, um seine Rechte aus der Rechtsprechung des EuGH in Anspruch nehmen zu können,
23soll offenbar im Zusammenhang mit einem (unionsrechtlichen) Anspruch auf Aufhebung eines unionsrechtswidrigen Verwaltungsaktes stehen. Eine Entscheidungserheblichkeit dieser Frage(n) zeigt das Zulassungsvorbringen jedoch schon mangels Darlegung einer Unionsrechtswidrigkeit des Gebührenbescheides vom 11. Juni 2014 nicht auf. Zudem fehlt es an der Darlegung, inwiefern im Hinblick auf den der angeführten Entscheidung des EuGH vom 17. September 2006 zugrundeliegenden (unionsrechtlichen) Rücknahmeanspruch, der sich nach Auffassung des EuGH nach nationalem Recht bemisst, Klärungsbedarf besteht. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den nationalen Voraussetzungen eines Anspruches auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 VwVfG wegen eines im Einzelfall auf Null reduzierten Rücknahmeermessens setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Ebenso wenig legt es dar, dass die Frage, ob ein Rechtsmittel (zumutbarerweise) hätte eingelegt werden müssen, hierfür von Relevanz ist. Darüber hinaus wird eine Unzumutbarkeit lediglich pauschal behauptet, nicht aber in der gebotenen Weise dargelegt.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.
25Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).