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1. Die Einbeziehung eines Änderungsbescheids in ein gegen die ursprünglich erteilte Genehmigung anhängiges Klageverfahren ist sachgerecht und geboten, weil die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung die Ursprungsgenehmigung nicht gegenstandslos werden lässt, sondern vielmehr mit der Ursprungsgenehmigung verschmilzt, wenn der Betreiber sie umgesetzt oder wenn dieser während eines noch gegen die Ursprungsgenehmigung anhängigen Klageverfahrens unmissverständlich erklärt hat, von der Genehmigung in der ursprünglichen Form keinen Gebrauch mehr zu machen.
2. Die Klagebegründungsfrist nach § 6 UmwRG wird nur durch die (erstmalige) Klageerhebung ausgelöst, nicht aber die Einbeziehung von angewachsenen Änderungen oder Ergänzungen eines Bescheides in das Klagebegehren (wie OVG NRW, Urteil vom 31.8.2020 - 20 A 1923/11 -).
3. Die Auswechslung des Anlagentyps einer Windenergieanlage bedarf keiner Neugenehmigung, sondern nach § 16b Abs. 7 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 BImSchG lediglich einer Änderungsgenehmigung.
4. § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG, wonach im Rahmen des Änderungsgenehmigungsverfahrens nur dann Anforderungen geprüft werden, soweit durch die Änderung des Anlagentyps im Verhältnis zur genehmigten Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung nach § 6 BImSchG erheblich sein können, ist - mangels abweichender Überleitungsvorschriften - als nachträgliche Rechtsänderung zugunsten des Vorhabenträgers zu berücksichtigen.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der postalischen Bezeichnung O.-straße 8 in Z. Er wendet sich gegen das Vorhaben der Beigeladenen, in einer Entfernung von etwa 528 m bzw. 860 m südöstlich seines Wohnhauses zwei Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben.
4In einer Entfernung von etwa 10 m verlaufen nordöstlich des Wohnhauses des Antragstellers - worauf der Antragsteller allerdings erstmals mit Schriftsatz vom 18. September 2023 im zugehörigen Klageverfahren hingewiesen hat - zwei circa 30 m breite und nach seinen Angaben etwa 70 m hohe Stromtrassen (380-kV-Hochspannungsfreileitungen) zum Teil unmittelbar über sein Grundstück hinweg. Jeweils zwei Gittermasten befinden sich südöstlich und nordwestlich von seinem Haus in einer Entfernung von jeweils etwa 200 m.
5Durch Bescheid vom 27. Februar 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen auf deren Antrag nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in einem förmlichen Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-141 EP4 TES mit einer Nabenhöhe von 129,40 m und einem Rotordurchmesser von 141 m, mithin einer Gesamthöhe von 199,90 m (WEA 1 und WEA 2). Der Betrieb der WEA 2 wurde mit Blick auf ein Vorkommen des Rotmilans (potenziell besetzter Rotmilanhorst in 1.133 m bzw. 1.634 m Entfernung von den Anlagenstandorten) in der Zeit vom 15. Februar bis einschließlich 15. Oktober eines jeden Jahres zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht zugelassen (I.4.1). Die Genehmigung enthält ferner Nebenbestimmungen insbesondere in Bezug auf Geräuschimmissionen (V.3.2: an bestimmten Immissionsorten einzuhaltende Immissionswerte, V.3.4 ff.: Auflage einer FGW-konformen Abnahmemessung) und den Schattenwurf (V.3.10 ff.).
6Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 1. April 2020 beim Verwaltungsgericht Münster Klage erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen 10 K 812/20 geführt worden ist. Zur Begründung der Klage macht er u.a. wörtlich geltend: „Durch die beiden mittlerweile genehmigten Windenergieanlagen werden schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG verursacht, die dem Kläger nicht zuzumuten sind. Der aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgende immissionsschutzrechtliche Nachbarschutz ist nicht gewahrt worden. Insbesondere resultiert die Unzumutbarkeit aus den klägerseits hinzunehmenden akustischen Beeinträchtigungen, der optisch bedrängenden Wirkung, dem Infraschall und Schattenwurf sowie der (fehlenden) Standsicherheit. Darüber hinaus wird der Arten- und Naturschutz ebenso missachtet wie die menschliche Gesundheit.“ Zudem beruft der Antragsteller sich auf Verfahrensmängel.
7Vor Errichtung der Anlagen hat der Antragsgegner der Beigeladenen auf deren Antrag vom 14. Januar 2021 am 15. Dezember 2021 nach Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach § 7 Abs. 1 UVPG eine auf § 16 BImSchG gestützte Änderungsgenehmigung erteilt. Diese umfasst die Änderung des Anlagentyps - nunmehr: Enercon E-138 EP3 E2 TES mit einer Nabenhöhe von 130,80 m, einem Rotordurchmesser von 138,25 m und (wiederum) einer Gesamthöhe von 199,90 m - sowie die Zulassung des Betriebs der WEA 2 „im Tagzeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr“. Bezogen auf den Tagzeitraum ist der Anlagenbetrieb beider Anlagen - hinsichtlich der WEA 2 unter der Bedingung der vorherigen Realisierung einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme zum Schutz des Rotmilans (IV.1.2) und unter der Auflage temporärer Abschaltungen bei Mahd- und Ernteereignissen (V.4.1) - im Betriebsmodus 0s mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 11,1 U/min genehmigt (I.3.I.). Im Nachtzeitraum (22 Uhr bis 6 Uhr) ist der Betrieb der WEA 1 im Betriebsmodus ls mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 10,6 U/min (I.3.II.(1)), der Betrieb der WEA 2 im Betriebsmodus 0s mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 11,1 U/min genehmigt (I.3.II.(2)). Die Anlagen sind nach Auflage V.3.4 der Änderungsgenehmigung solange im Nachtzeitraum außer Betrieb zu nehmen, bis das Schallverhalten des betreffenden Anlagentyps in den Betriebsmodi ls und 0s an einer der beantragten Windenergieanlagen selbst oder einer anderen Anlage desselben Typs durch eine FGW-konforme Vermessung belegt und der Nachtbetrieb vom Antragsgegner freigegeben wird. Der Änderungsgenehmigung liegt u.a. eine neue Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 11. Dezember 2019 zugrunde, die nach dem Interimsverfahren erstellt wurde und die neben der Geräuschbelastung durch die beiden genehmigten Anlagen auch die Vorbelastung durch sechs auf dem Gebiet der Stadt I. errichtete Windenergieanlagen berücksichtigt, wobei für die Bestandsanlagen die in den Genehmigungsunterlagen der Stadt I. festgelegten Schallleistungspegel und für die streitbefangenen geplanten Anlagen der vom Hersteller prognostizierte Schallleistungspegel zzgl. eines Zuschlags im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze in Höhe von 2,1 dB(A) berücksichtigt worden ist.
8Die Änderungsgenehmigung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Februar 2022 in das anhängige Klageverfahren einbezogen.
9Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 5. April 2022 erklärt, dass der mit der Ursprungsgenehmigung genehmigte Anlagentyp nicht realisiert werde.
10Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit sodann durch Beschluss vom 8. April 2022 an das Oberverwaltungsgericht als aus seiner Sicht zuständiges Gericht unter Hinweis darauf verwiesen, dass die nach Inkrafttreten der Neufassung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO am 10. Dezember 2020 grundsätzlich fortbestehende erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts („perpetuatio fori“) hier durchbrochen werde, weil sich der Genehmigungsgegenstand in der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 im Vergleich zum Gegenstand der Genehmigung vom 27. Februar 2020 als ein „aliud“ darstelle.
11Am 21. September 2023 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er macht geltend: Es sei verfahrensfehlerhaft, dass der Antragsgegner statt eines neuen Genehmigungsverfahrens nur ein Änderungsgenehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt habe. Im ursprünglichen Genehmigungsverfahren habe die Beigeladene selbst ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung beantragt. Außerdem sei eine Neugenehmigung erforderlich, weil es sich bei dem jetzt tenorierten Genehmigungsinhalt um ein „aliud“ handele. Das Nebeneinander der beiden Bescheide führe auch zu einer nachbarrechtlich relevanten Unbestimmtheit, weil nicht hinreichend klar sei, ob und wann die WEA 2 während des Tagzeitraums betrieben werden dürfe. Darüber hinaus liege ein Verfahrensfehler auch deshalb vor, weil zum einen die im Internet zur Verfügung gestellten Verfahrensunterlagen erst mit circa einer Woche Verzögerung im Portal der Umweltbehörde einsehbar gewesen seien, und zum anderen die durch die Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 2 BImSchG vorgenommenen Schwärzungen der Unterlagen vor Ort einen anderen Grad aufgewiesen hätten als die im Internet zur Verfügung gestellten Unterlagen. Selbst wenn die Genehmigung mit der Änderungsgenehmigung zu einer einheitlichen Genehmigung verschmolzen sein sollte, sei diese rechtswidrig und verletze ihn, den Antragsteller, in seinen Rechten. Es sei zweifelhaft, dass die an seinem Wohnhaus nach den Vorgaben in der Genehmigung vom 27. Februar 2020 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 maßgeblichen Lärmrichtwerte hinreichend sicher eingehalten würden. So sei die Geräuschentwicklung der beiden Hochspannungsfreileitungen als Vorbelastung schon nicht angemessen berücksichtigt worden. Durch die Änderungsgenehmigung sei für die WEA 2 zusätzlich der Tagbetrieb genehmigt worden. Er werde dadurch auch mit dem Schlagschattenwurf (zusätzlich) konfrontiert. Es müsse auch von einer optisch bedrängenden Wirkung ausgegangen werden, weil angesichts der unmittelbaren Sichtbeziehung zu den geplanten Windenergieanlagen über „freie Flur“ in Kombination mit dem Umstand, dass er bereits zwei ca. 70 m hohe Hochspannungsfreileitungen hinnehmen müsse, eine atypische Situation vorliege, die der Anwendung des § 249 Abs. 10 BauGB entgegenstehe. Er sehe sich auch für den Fall eines Flügelabrisses nicht ausreichend geschützt. Hilfsweise überwiege sein Suspensivinteresse jedenfalls das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen; die insofern vorzunehmende gerichtliche Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen; daran vermöge auch die neugeschaffene Regelung des § 80c VwGO nichts zu ändern.
12Der Antragsteller beantragt,
13die aufschiebende Wirkung der beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zum Az. 8 D 92/22.AK anhängigen Anfechtungsklage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 27. Februar 2020 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 anzuordnen.
14Die Beigeladene beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16II.
171. Der Senat ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zuständig, weil das Klageverfahren 8 D 92/22.AK (vormals 10 K 812/20, VG Münster) hier aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 8. April 2022, den der Senat gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG als für ihn bindend erachtet, anhängig ist. Der Senat teilt zwar die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die „perpetuatio fori“ werde im Falle der Erteilung einer Änderungsgenehmigung für einen geänderten Anlagentyp durchbrochen, nicht.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 8 D 168/22.AK -, juris Rn. 6.
19Die Voraussetzungen, unter denen einem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ausnahmsweise die Bindungswirkung abzusprechen ist, liegen hier indessen nicht vor. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wird nur bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen. So liegt es, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2022 - 7 AV 1.21 -, juris Rn. 6, m. w. N.
21Das ist hier nicht der Fall, weil das Verwaltungsgericht sich in der Begründung seiner Auffassung mit dem Inhalt der Bescheide und mit von ihm als einschlägig erachteter Rechtsprechung auseinandergesetzt hat, ohne hierbei zu einem Ergebnis zu gelangen, das nicht mehr nachvollzogen werden könnte.
22Vgl. so auch schon OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 17.
232. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (dazu a.), aber unbegründet (dazu b.).
24a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Er ist insbesondere nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Die Klage gegen die Genehmigung vom 27. Februar 2020 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 hat gemäß § 63 BImSchG keine aufschiebende Wirkung. Die Vorschrift ist auch auf Genehmigungen anwendbar, die vor Inkrafttreten der Neuregelung am 10. Dezember 2020 erteilt worden sind,
25vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2021 - 8 B 875/21 -, juris Rn. 42 ff.,
26sowie auf Änderungsgenehmigungen.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2023 - 8 B 230/23.AK -, juris Rn. 10 f., m. w. N.
28b. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung hat sich insbesondere an den Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache zu orientieren. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Stellt er sich dagegen als offensichtlich rechtswidrig dar, überwiegt das Aussetzungsinteresse. Bei offenen Erfolgsaussichten kommt es auf eine Vollzugsfolgenabwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Dabei ist im Rahmen einer Drittanfechtungsklage nicht maßgeblich, ob der Verwaltungsakt objektiv in jeder Hinsicht rechtmäßig ist. Zur Aufhebung des Verwaltungsakts kann die Anfechtungsklage des Antragstellers nur dann führen, wenn er gerade aufgrund der Verletzung von Normen rechtswidrig ist, die ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers begründen, also drittschützend sind, und wenn - in Verfahren, auf die, wie hier, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Anwendung findet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG) - ein etwaiger Rechtsfehler nicht nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG behoben werden kann.
29In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die - wie das vorliegende - von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO (Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern) erfasst werden, kann das Gericht einen behebbaren Mangel des angefochtenen Verwaltungsakts nach Maßgabe von § 80c Abs. 2 VwGO außer Acht lassen und eine Frist zur Behebung des Mangels setzen. Nach § 80c Abs. 3 Satz 1 VwGO soll das Gericht die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränken, bei denen dies erforderlich ist, um anderenfalls drohende irreversible Nachteile zu verhindern. Entscheidet das Gericht im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung, ist nach § 80c Abs. 4 VwGO die Bedeutung von Vorhaben besonders zu berücksichtigen, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
30Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2023 - 8 B 230/23.AK -, juris Rn. 14 ff., m. w. N.
31Dies zugrunde gelegt fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei geht der Senat davon aus, dass Klagegenstand die Genehmigung vom 27. Februar 2020 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 ist. Die Einbeziehung des Änderungsbescheids in das anhängige Klageverfahren war im Übrigen sachgerecht und geboten, weil die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung die Ursprungsgenehmigung nicht gegenstandslos werden lässt, sondern vielmehr mit der Ursprungsgenehmigung verschmilzt, wenn der Betreiber sie umgesetzt oder wenn dieser - wie hier - während eines noch gegen die Ursprungsgenehmigung anhängigen Klageverfahrens unmissverständlich erklärt hat, von der Genehmigung in der ursprünglichen Form keinen Gebrauch mehr zu machen.
32Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2022 - 8 D 168/22.AK -, juris Rn. 4 ff., und vom 9. Juni 2022 - 8 B 407/22 -, juris Rn. 17 f., m. w. N.; zur Einbeziehung von Änderungsbescheiden in ein anhängiges Klageverfahren vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 24. August 2023 - 22 A 793/22 -, juris Rn. 42, unter Hinweis auf BVerwG, Beschlüsse vom 18. Oktober 2022 - 7 B 1.22, 7 B 2.22 und 7 B 3.22 -, jeweils juris Rn. 6; sowie OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 57 ff., m. w. N.
33Die Genehmigung vom 27. Februar 2020 ist durch die Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 zudem nicht vollständig, sondern nur teilweise ersetzt worden. Soweit in der Änderungsgenehmigung nichts anderes bestimmt ist, gelten die Bedingungen, Auflagen und Hinweise der Ursprungsgenehmigung weiter (vgl. den letzten Satz des Tenors der Änderungsgenehmigung).
34aa) Ausgehend von den Ausführungen in der Klage- und Antragsbegründung spricht gegenwärtig nichts Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung in formeller oder materieller Hinsicht gegen solche Rechtsvorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind und ihn in seinen Rechten verletzt.
35(1.) Die Verfahrensrügen greifen aller Voraussicht nach nicht durch.
36Der Antragsteller beanstandet Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilten Änderungsgenehmigung (dazu 1.1.) sowie Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung betreffend das ursprüngliche, auf Antrag der Beigeladenen nach § 10 BImSchG durchgeführte Genehmigungsverfahren (dazu 1.2). Darüber hinaus macht er die fehlende hinreichende Bestimmtheit der Änderungsgenehmigung geltend (dazu 1.3.).
37(1.1.) Die Erteilung der Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG ist jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtslage, die als nachträgliche Änderung zugunsten des Vorhabenträgers zu berücksichtigen ist, nicht zu beanstanden. Die Zuordnung von Änderungen erteilter Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen einschließlich einer Auswechslung des Anlagentyps zum vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG entspricht den gesetzlichen Vorgaben der mit Wirkung vom 13. Oktober 2022 eingefügten Regelung in § 16b Abs. 7 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 BImSchG.
38Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass - wie der Antragsteller geltend macht - die mit der Änderung des Anlagentyps einhergehenden inhaltlichen Änderungen die realistische Möglichkeit eröffneten, dass nachteilige Auswirkungen hervorgerufen würden, die nach § 6 BImSchG zu beachten seien. Denn insoweit berücksichtigt er nicht, dass seine Einwände nicht die Frage des statthaften Genehmigungsverfahrens betreffen, die § 16b Abs. 6 Satz 1 BImSchG regelt, sondern allein den dabei nach § 16b Abs. 7 BImSchG zu berücksichtigenden eingeschränkten Prüfungsumfang.
39Vgl. dazu Dietlein/Fabi, in; Landmann/Rohmer, UmweltR, 101. EL Juni 2023, § 16b BImSchG Rn. 104 und Rn. 125.
40Soweit der Senat früher die Auffassung vertreten hat, dass die Errichtung eines neuen und anders gearteten, von der bisherigen Genehmigung nicht umfassten Anlagentyps - sowohl dann, wenn die zunächst genehmigten Anlagen bereits errichtet worden sind und ersetzt werden sollen, als auch dann, wenn sie nie errichtet worden sind - eine Neugenehmigung erfordert,
41vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 113 ff.,
42wird daran mit Blick auf die derzeitige Rechtslage nicht festgehalten.
43So auch schon OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 43.
44(1.2.) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln des durchgeführten Genehmigungs- und Änderungsgenehmigungsverfahrens, die nach § 4 UmwRG einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung begründen, ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch drängen sie sich im Übrigen auf.
45Eine UVP-Pflicht des ursprünglichen Vorhabens und demgemäß die Notwendigkeit, ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, wurde nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 UVPG dadurch ausgelöst, dass die Beigeladene die (auch erfolgte) Durchführung einer UVP beim Antragsgegner beantragt hat. Denn diese Vorschrift ist nur auf solche Neuvorhaben anwendbar, für die sonst zunächst nach den Absätzen 1 und 2 eine Vorprüfung erforderlich gewesen wäre.
46Vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 78 f.; OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2022 - 8 D 346/21.AK -, juris Rn. 51.
47Das ist aber nach § 7 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG (Windfarm aus drei bis weniger als sechs Anlagen mit einer Gesamthöhe von über 50 m) bei nur zwei genehmigten Anlagen nicht der Fall. Es bestehen nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugelassenen WEA 1 und 2 eine Windfarm mit weiteren Anlagen, insbesondere den als Vorbelastung berücksichtigten Anlagen auf dem Gebiet der Stadt I., bilden würden. Anhaltspunkte für einen funktionalen Zusammenhang i. S. d. § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG sind nicht ersichtlich. Die Anlagen befinden sich insbesondere nicht in derselben Konzentrationszone (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 UVPG).
48So auch schon OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 45 ff.
49Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und damit zugleich eines Verfahrens mit erneuter Öffentlichkeitsbeteiligung bestand im vorliegenden Änderungsgenehmigungsverfahren nicht. Die erforderliche allgemeine Vorprüfung hat stattgefunden.
50Vgl. nochmals OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 51 ff.
51Soweit der Antragsteller sinngemäß einen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG geltend macht, weil im Genehmigungsverfahrens zum einen die im Internet zur Verfügung gestellten Verfahrensunterlagen erst mit circa einer Woche Verzögerung im Portal der Umweltbehörde einsehbar gewesen seien, und zum anderen die durch die Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 2 BImSchG vorgenommenen Schwärzungen der Unterlagen vor Ort (z.B. bei der Stadt Z.) einen anderen Grad aufgewiesen hätten als die im Internet zur Verfügung gestellten Unterlagen, dürfte dies nicht zum Erfolg seiner in der Hauptsache erhobenen Klage führen.
52Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG kann die Aufhebung einer u. a. UVP-pflichtigen Entscheidung verlangt werden, wenn ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der a) nicht geheilt worden ist, b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG können Personen gemäß § 61 Nr. 1 VwGO die Aufhebung einer UVP-pflichtigen Entscheidung wegen eines Verfahrensmangels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG jedoch nur verlangen, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten - mithin dem Antragsteller, nicht lediglich anderen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit - die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.
53Unter den Begriff des Verfahrensfehlers fallen dabei nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d. h. den Verfahrensablauf als solchen betreffen. Hierzu gehören etwa Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer UVP oder einer UVP-Vorprüfung. Nicht zum äußeren Verfahrensgang in diesem Sinne gehören dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsfindung, der sich im Umweltrecht regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 -, juris Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 - 8 A 893/17 -, juris Rn. 128 ff., m. w. N.
55Entscheidend für den Fehler ist, dass er die für die Beteiligung der Öffentlichkeit wesentliche Anstoßwirkung nicht hinreichend auslöst.
56Vgl. zum Immissionsschutzrecht OVG Saarl., Beschluss vom 4. September 2023 - 2 B 70/23 -, juris Rn. 19; zum Planfeststellungsrecht BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, juris Rn. 34, und vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 -, juris Rn. 23; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 4 UmwRG Rn. 10.
57Von einem Verfehlen der Anstoßfunktion kann erst dann ausgegangen werden, wenn die ausgelegten Unterlagen grob unvollständig sind oder schwerwiegende Fehler enthalten, sodass das zentrale gesetzgeberische Anliegen einer frühzeitigen und effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich in Frage gestellt wäre.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2020 - 4 B 74.17 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 98 f., m. w. N.
59Ein nach diesem eingeschränkten Maßstab relevanter Mangel der Öffentlichkeitsbeteiligung liegt nicht vor. Es ist nicht zu erkennen, dass dem Antragsteller durch die von ihm beanstandete zeitliche Verzögerung der Veröffentlichung der Unterlagen im Internet als auch dem unterschiedlichen Grad der Schwärzungen der vor Ort ausgelegten Unterlagen einerseits und der im Internet veröffentlichten Unterlagen andererseits die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden ist. So zeigt der Antragsteller nicht ansatzweise auf, dass es ihm angesichts der zeitlich verzögerten Veröffentlichung der Unterlagen im Internet unmöglich war, zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen. Auch ist auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers nicht zu erkennen, dass es sich bei den Teilen der Unterlagen im Internet, die weitergehende Schwärzungen enthielten als die z. B. bei der Stadt Z. vor Ort ausgelegten Unterlagen gerade um solche handelte, die für den Antragsteller überhaupt eine wesentliche Anstoßwirkung zur Beteiligung gehabt hätten. Darüber hinaus bestehen aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsteller durch den Umstand einer weitergehenden oder zusätzlichen Schwärzung unmöglich war, sich an dem Entscheidungsprozess zu beteiligen. Dass gerade die von ihm allein beanstandete zusätzliche Schwärzung zu einem Verfehlen der Anstoßfunktion geführt und ihm so die Beteiligungsmöglichkeit genommen hat, ist nicht ersichtlich, zumal nach seinem Vorbringen die in seiner Wohnsitzgemeinde - der Stadt Z. - ausgelegten Unterlagen die von ihm beanstandeten Schwärzungen nicht enthielten.
60(1.3.) Ein formeller Mangel ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, dass die Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung in nachbarschutzrelevanter Weise unbestimmt sei. Die Betriebszeiten bei Tag (6 Uhr bis 22 Uhr) und bei Nacht (22 Uhr bis 6 Uhr) sowie die jeweils zulässigen Betriebsmodi sind in der Änderungsgenehmigung eindeutig bestimmt. Damit ist die in der Ursprungsgenehmigung vorgesehene, ersichtlich allein artenschutzrechtlich begründete Abschaltung zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang insgesamt unmissverständlich ersetzt worden.
61(2.) Die angefochtene Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung ist aller Voraussicht nach nicht in nachbarschutzrelevanter Weise zu Lasten des Antragstellers materiell rechtswidrig.
62(2.1.) Von dem Betrieb der Anlagen sind nach derzeitigem Verfahrensstand keine schädlichen Einwirkungen auf das Grundstück des Antragstellers in Form von Lärm zu erwarten, die im Klageverfahren zu einer Außervollzugsetzung oder zu einer Aufhebung der Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung führen könnten.
63Das Grundstück des Antragstellers liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB, sodass die in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d) TA Lärm 2017 festgelegten Richtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts maßgeblich sind.
64Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 - 8 D 346/21.AK -, juris Rn. 62, und vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 119.
65Die Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte schreibt die Nebenbestimmung V.3.2 der Änderungsgenehmigung in Bezug auf die in der Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 11. Dezember 2019 untersuchten Immissionsorte, darunter auch das Grundstück des Antragstellers als Immissionsort H, verbindlich fest. Für diesen Immissionsort beträgt die in der Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 11. Dezember 2019 prognostizierte Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen der Beigeladenen bei Tag im Volllastbetrieb 43,8 dB(A); die Gesamtbelastung einschließlich der auf dem Gebiet der Stadt I. vorhandenen Anlagen beträgt bei Tag 45,0 dB(A). Im Nachtzeitraum liegt die prognostizierte Zusatzbelastung unter Berücksichtigung der insoweit in Ziffer I.3.II. des Tenors der Änderungsgenehmigung vorgeschriebenen teilweise schallreduzierten Betriebsweise (WEA 1 im Betriebsmodus ls; WEA 2 im Betriebsmodus 0s) bei 43,2 dB(A), die Gesamtbelastung bei 44,5 dB(A).
66Soweit der Antragsteller die Nichtberücksichtigung von Geräuschen der nordöstlich seines Grundstücks verlaufenden Hochspannungsfreileitungen als Vorbelastung,
67vgl. zur Anwendbarkeit der TA Lärm auf durch Hochspannungsleitungen verursachte Geräuschimmissionen (Koronageräusche) BVerwG, Urteile vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 -, juris Rn. 37 ff., und vom 21. Februar 2023 - 4 A 2.22 -, juris Rn. 26,
68rügt, führt dies nicht zum Erfolg seines Antrages.
69Mit dieser, erstmals im Hauptsacheverfahren 8 D 92/22.AK mit Schriftsatz vom 18. September 2023 und im hiesigen Verfahren mit der Antragsbegründung vom 21. September 2023 vorgetragenen Tatsache wird der Antragsteller betreffend die Ausgangsgenehmigung vom 27. Februar 2020 nach summarischer Prüfung im Hauptsacheverfahren 8 D 92/22.AK nach § 6 Satz 1 UmwRG voraussichtlich präkludiert sein (dazu 2.1.1.). Soweit die Rüge der Sache nach darauf zielt, dass auch die der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 zugrundeliegende Immissionsprognose vom 11. Dezember 2019 eine etwaige Geräuschvorbelastung durch die Hochspannungsfreileitungen nicht berücksichtigt, kann der Antragsteller damit im Klageverfahren voraussichtlich ebenfalls keinen Erfolg haben (dazu 2.1.2.).
70(2.1.1.) Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person (vgl. § 61 Nr. 1 VwGO) oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder gegen deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben.
71Geregelt ist in § 6 UmwRG ein Fall der innerprozessualen, formellen Präklusion. Ihr Sinn und Zweck besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten und der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch alsbald hinreichend umrissen wird. Der Kläger hat innerhalb der Begründungsfrist fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen und den Prozessstoff dergestalt darzulegen, dass für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird. Es soll verhindert werden, dass in einem späten Stadium des gerichtlichen Verfahrens neuer Tatsachenvortrag erfolgt, auf den die übrigen Beteiligten und das Gericht nicht mehr angemessen reagieren können.
72Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2022 - 9 A 1.21 u. a. -, juris Rn. 12, und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 -, juris Rn. 24, sowie Beschluss vom 5. Juli 2023 - 9 B 7.23 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Gerichtsbescheid vom 9. Juni 2023 - 8 D 308/21.AK -, juris Rn. 21 f., und Beschluss vom 7. September 2023 - 8 A 1424/22 -, juris Rn. 7 f.
73Um diesen Zweck zu erreichen und den Verfahrensstoff zu fixieren, muss der Vortrag ein Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz aufweisen und dem Gericht einen Eindruck von der Sicht des Klägers auf den Tatsachenkomplex verschaffen.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 -, juris Rn. 24.
75Ein (fach-)anwaltlich vertretener Kläger muss auch vor dem Hintergrund des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 und des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG regelmäßig nicht über die Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG belehrt werden.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Februar 2022 - 11 A 2168/20 -, juris Rn. 38 ff.
77Nach diesen Maßstäben ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seinem Vorbringen, die Schallimmissionsprognose habe die Geräuschentwicklung der beiden Hochspannungsfreileitungen als Vorbelastungen nicht angemessen berücksichtigt, voraussichtlich präkludiert sein wird, weil er diesen Einwand nicht innerhalb von zehn Wochen nach Klageerhebung, sondern erst nach mehr als drei Jahren, geltend gemacht hat.
78Die nach § 6 Satz 1 UmwRG erforderliche Fixierung des Prozessstoffes, die auch diesen Einwand umfassen könnte, ist nicht bereits darin zu erachten, dass der Antragsteller mit der Klageschrift vom 14. April 2020 - insoweit fristgemäß - geltend gemacht hat, die streitbefangenen Windenergieanlagen verursachten schädliche Umwelteinwirkungen, die ihm unzumutbar seien, wobei die Unzumutbarkeit u. a. aus den von ihm „hinzunehmenden akustischen Beeinträchtigungen“ resultiere. Der Hinweis auf akustische Beeinträchtigungen durch die streitbefangenen Windenergieanlagen lässt nicht ansatzweise erkennen, dass sich die Einwände des Antragstellers auch gegen Vorbelastungen durch andere als die in den Immissionsprognosen betrachteten - nicht mit den Windenergieanlagen in Zusammenhang stehenden - Geräuschquellen richtet. Insoweit fehlt es dem mit der Klagebegründungschrift lediglich stichwortartig geltend gemachten Einwand an der erforderlichen Substantiierung, die es dem Senat und den übrigen Beteiligten rechtzeitig ermöglicht hätte, diesen neuen Themenkomplex der Nichtberücksichtigung bestimmter Vorbelastungen als streitgegenständlich erkennen zu können. Aus diesem Grund stellt sich das Vorbringen auch nicht nur als Vertiefung oder Präzisierung eines bereits fristgerecht thematisierten Komplexes dar.
79Eine Zulassung des mit den Schriftsätzen vom 18. und 21. September 2023 unterbreiteten Vorbringens ist nach § 6 Satz 2 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO ausgeschlossen, weil der Antragsteller seinen verspäteten Vortrag nicht entschuldigt hat und Entschuldigungsgründe auch nicht offensichtlich sind.
80Die Präklusion des erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist unterbreiteten Vortrags ist schließlich auch nicht nach § 6 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ausgeschlossen. Nach diesen Bestimmungen tritt die Präklusion nicht ein, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.
81Eine gemäß § 6 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO „mit geringem Aufwand“ durchzuführende Ermittlung des von einem Kläger zur Überprüfung gestellten Streitstoffs kommt nur dort in Betracht, wo seine Beschwer bei Klageerhebung derart auf der Hand liegt, dass sich die Angabe von Klagegründen als bloße Förmlichkeit erwiese.
82Vgl. OVG NRW, Gerichtsbescheid vom 9. Juni 2023 - 8 D 308/21.AK -, juris Rn. 24 f., und Beschluss vom 7. September 2023 - 8 A 1424/22 -, juris Rn. 19 f., jeweils m. w. N.
83Dies ist bei dem geltend gemachten Umstand einer Vorbelastung durch Geräusche der Hochspannungsfreileitungen nicht der Fall. Dieser Einwand drängte sich für den Senat ohne diesbezüglichen Sachvortrag nicht ohne weiteres auf, weil er sich weder aus den Akten des Verwaltungsverfahrens noch des gerichtlichen Klageverfahrens 8 D 92/22.AK ergibt. Ohne einen wenigstens ansatzweisen Hinweis auf örtliche Besonderheiten, die Einfluss auf die Gesamtbelastung haben könnten, besteht im gerichtlichen Verfahren auch kein Anlass, die vorgelegte Lärmimmissionsprognose auf möglicherweise unberücksichtigt gebliebene Umstände zu überprüfen. Dass der Antragsteller den Umstand einer möglichen Geräuschvorbelastung durch die Leitungen als Gegenstand des Streitstoffs des Verfahrens erachtet, konnte der Senat erstmals dem Schriftsatz vom 18. September 2023 entnehmen. Auch im Zusammenhang mit der von ihm geltend gemachten optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlagen hat der Antragsteller die Freileitungen zuvor nicht ansatzweise erwähnt. Die Berücksichtigung dieses neuen Vorbringens bedeutete jedoch, einen völlig neuen und bislang unerörterten Tatsachenkomplex in die Betrachtung einzubeziehen, der nicht vollständig offen zutage liegt und dessen Entscheidungserheblichkeit jedenfalls nicht mit geringem Aufwand zu ermitteln ist. Es bedürfte vielmehr einer weitergehenden Aufklärung der tatsächlichen bzw. rechtlich zulässigen, durch die Hochspannungsleitungen verursachten Lärmbelastung für das Grundstück des Antragstellers, etwa durch Beiziehung der die in Rede stehenden Hochspannungsfreileitungen betreffenden Verwaltungsvorgänge des Planfeststellungsverfahrens sowie ggf. die Erstellung einer ergänzenden Schallimmissionsprognose.
84Der Antragsteller wird mit seinem Vortrag auch nicht deshalb zuzulassen sein, weil es sich um eine ihm später, nach Ablauf der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG bekannt gewordene Tatsache handelte. Dass Hochspannungsfreileitungen über sein Grundstück hinwegführen, durch die womöglich eine zu berücksichtigende Geräuschvorbelastung besteht, ist ein Umstand, der bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2020 existierte und ihm bekannt gewesen sein muss.
85(2.1.2.) Daraus, dass auch die der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 zugrundeliegende Immissionsprognose vom 11. Dezember 2019 eine etwaige Geräuschvorbelastung durch die Hochspannungsfreileitungen nicht berücksichtigt, kann der Antragsteller voraussichtlich kein Abwehrrecht herleiten.
86Einer Berücksichtigung des Einwands des Antragstellers steht zwar insoweit die Regelung des § 6 Satz 1 UmwRG nicht entgegen, weil nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur die (erstmalige) Klageerhebung fristauslösend im Sinne des § 6 UmwRG ist, nicht aber die Einbeziehung von angewachsenen - wie oben ausgeführt: keiner förmlichen Klageerweiterung bedürftigen - Änderungen oder Ergänzungen eines Bescheides in das Klagebegehren.
87Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. August 2020 - 20 A 1923/11 -, juris Rn. 144 ff.
88Eine analoge Anwendung der ausdrücklich auf die „Klageerhebung“ abstellenden Präklusionsvorschrift verbietet sich. Im Übrigen sieht auch die - ohnehin erst mit Gesetz vom 14. März 2023 (BGBl. I Nr. 71) neu eingefügte - Sonderregelung des § 6 Satz 5 UmwRG, wonach die Zehn-Wochen-Frist auch für Fälle gilt, in denen das gerichtliche Verfahren zur Durchführung eines Planergänzungs- oder Planänderungsverfahrens ausgesetzt wurde und später fortgesetzt wird, gerade keine allgemeine Anwendung der Klagebegründungsfrist auf Änderungsbescheide vor.
89Die Prüfung von Vorbelastungen ist jedoch nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr vom Prüfungsumfang im Änderungsgenehmigungsverfahren erfasst und entzieht sich daher auch der Überprüfung im gerichtlichen Verfahren.
90Den Gegenstand des Änderungsgenehmigungsverfahrens im - hier vorliegenden - Falle des Austauschs des Anlagentyps vor Errichtung einer genehmigten Windenergieanlage bestimmt § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG. Danach müssen im Rahmen des Änderungsgenehmigungsverfahrens nur dann Anforderungen geprüft werden, soweit durch die Änderung des Anlagentyps im Verhältnis zur genehmigten Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung nach § 6 BImSchG erheblich sein können.
91Der Anwendung der Regelung steht nicht entgegen, dass sie erst am 13. Oktober 2022 und somit nach Erlass der Änderungsgenehmigung in Kraft getreten ist (vgl. Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Energiesicherheitsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 8. Oktober 2022, BGBl. I 1726 ff.). Sie ist - mangels abweichender Überleitungsvorschriften - als nachträgliche Rechtsänderung zugunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen.
92Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 40; Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 106 f. m. w. N.
93Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung, wenn sich nicht aus dem anzuwendenden materiellen Recht (ausnahmsweise) etwas anderes ergibt. Während nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zu Lasten des Anlagenbetreibers außer Betracht bleiben, sind solche zu dessen Gunsten zu berücksichtigen.
94Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 2021 - 7 B 1.21 -, juris Rn. 9 und Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 -, juris Rn. 42 f.
95Unter Zugrundelegung des § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG ist die Prüfung des Änderungsgenehmigungsantrags nicht (erneut) auf die Vorbelastungen zu erstrecken, sondern - ähnlich der sog. „Delta-Prüfung“ nach § 16b Abs. 1 BImSchG - allein auf zusätzliche Auswirkungen durch das Änderungsvorhaben beschränkt. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, die Prüfungsreichweite auf solche Auswirkungen zu begrenzen, die sich im Vergleich zum genehmigten Zustand nachteilig auswirken.
96Vgl. Dietlein/Fabi, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 101. EL Juni 2023, § 16b BImSchG Rn. 126; BT-Drs. 20/3497, S. 35.
97Solche zusätzlichen Auswirkungen waren mit Blick auf die Lärmbeeinträchtigung des Antragstellers durch die Änderung des Anlagentyps im Verhältnis zur genehmigten Anlage jedoch nicht verbunden. Die prognostizierte Lärmbeeinträchtigung vor allem zur Nachtzeit wahrt unverändert die maßgeblichen Immissionsrichtwerte. So wurde ausweislich der im Ausgangsverfahren erstellten Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 26. April 2019 für das Grundstück des Antragstellers ursprünglich eine Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen der Beigeladenen von 43,4 dB(A) und eine Gesamtbelastung einschließlich der auf dem Gebiet der Stadt I. vorhandenen Anlagen von 44,7 dB(A), gerundet auf 45 dB(A), prognostiziert. Demgegenüber ergab die Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 11. Dezember 2019 mit nächtlicher Reduzierung eine Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen der Beigeladenen von 43,2 dB(A). Die mit der Änderungsgenehmigung für den Nachtzeitraum zugelassene Zusatzbelastung ist damit sogar geringfügig niedriger. Dass die in der Genehmigung vom 27. Februar 2020 in Ziffer I.4.1 des Tenors für die Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober eines jeden Jahres noch vorgeschriebene Abschaltung der WEA 2 in der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 entfallen ist, ist für die Beurteilung der Lärmbelastung des Antragstellers irrelevant. Die ursprüngliche Regelung war naturschutzrechtlich begründet. Eine Überschreitung des für den Tagzeitraum maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 60 dB(A) liegt auch fern.
98Soweit der Antragsteller schließlich etwaige Fehler der Lärmprognose der H. GmbH vom 11. Dezember 2019 betreffend die Immissionsorte „B“ und „C“ rügt, ist er nicht in eigenen (subjektiv-öffentlichen) Rechten verletzt.
99(2.2.) Der Einwand des Antragstellers, die genehmigten Anlagen beeinträchtigten sein Grundstück in unzumutbarer Weise durch Schattenwurf, ist voraussichtlich ebenfalls unbegründet. Die nach der Nebenbestimmung V.3.11 der streitbefangenen Änderungsgenehmigung maximal zugelassene Beschattungsdauer von 30 Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag ist nach ständiger Rechtsprechung zumutbar.
100Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 20.
101Es ist davon auszugehen, dass diese Werte auch an den schützenswerten Räumen im Haus des Antragstellers nicht überschritten werden. Das Haus ist als Immissionsort L in der Schattenwurfprognose der H. GmbH vom 3. Dezember 2019 untersucht worden. Danach ergibt sich zwar eine Beschattungsdauer von 116:13 Stunden im Jahr und 1:04 Stunden am Tag. Die Regelung der Änderungsgenehmigung zum Einbau einer automatischen Abschaltung (vgl. Nebenbestimmungen V.3.10 bis V.3.15) erstreckt sich jedoch auch auf diesen Immissionsort und verpflichtet die Beigeladene, durch eine geeignete Abschalteinrichtung überprüfbar und nachweisbar sicherzustellen, dass der Schattenwurf der WEA 1 und der WEA 2 zusammen an den relevanten Immissionsorten u. a. IO D bis IO P, mithin auch am Haus des Antragstellers, real acht Stunden im Jahr und 30 Minuten am Tag nicht überschreitet. Eine Vorbelastung des Grundstücks des Antragstellers durch Schattenwurf der Anlagen auf dem Gebiet der Stadt I. besteht darüber hinaus nicht.
102(2.3.) Mit Blick auf die gesetzliche Wertung des § 249 Abs. 10 BauGB sind die Errichtung und der Betrieb der in Rede stehenden, jeweils 199,90 m hohen Windenergieanlagen an dem geplanten Vorhabenstandort für den Antragsteller voraussichtlich auch nicht in unzumutbarer Weise optisch bedrängend. Danach steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht. Satz 2 der Vorschrift bestimmt die Höhe im Sinne des Satzes 1 als die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors.
103Die streitbefangenen Anlagen werden zum Wohnhaus des Antragstellers in einem Abstand von deutlich mehr als dem Zweifachen bzw. Vierfachen der Gesamthöhe errichtet. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Antragsstellers und der nächstgelegenen WEA 1 beträgt nach seinen Angaben etwa 529 m - nach den Angaben in dem Gutachten der H. GmbH vom 13. Dezember 2019 zur optisch bedrängenden Wirkung: 528 m. Die Entfernung zur weiter entfernten WEA 2 beträgt nach Angaben des Antragsgegners in der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 24. November 2020 in dem Verfahren 10 K 812/20 etwa 860 m.
104Wird der in § 249 Abs. 10 BauGB vorgesehene Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken eingehalten, kommt eine optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlage nur ausnahmsweise in Betracht, wenn andernfalls die Schwelle der Zumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände überschritten würde. Dies setzt einen atypischen, vom Gesetzgeber so nicht vorhergesehenen Sonderfall voraus.
105Vgl. ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2023 - 8 B 230/23.AK -, juris Rn. 27 ff.
106Allein die Sichtbarkeit der Anlagen von dem Grundstück eines Nachbarn aus begründet kein Abwehrrecht.
107Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 8 B 734/23.AK -, juris Rn. 60.
108Dass das Haus des Antragstellers über eine Dachterrasse verfügt, stellt keinen atypischen Sonderfall dar.
109Ein atypischer Fall ist voraussichtlich auch nicht deshalb anzunehmen, weil sich nach dem Vortrag des Antragstellers in unmittelbarer Nähe zu seinem Haus zwei in etwa 70 m Höhe verlaufende Hochspannungsfreileitungen und südöstlich und nordwestlich von seinem Haus in einer Entfernung von jeweils etwa 200 m deren Masten befinden. Denn sowohl von den Strommasten als auch den Leitungen geht jeweils keine Wirkung aus, die sich als Intensivierung der von den Windenergieanlagen ausgehenden optischen Wirkung darstellte.
110Für die Baukörperwirkung einer Windenergieanlage kommt der in der Höhe wahrzunehmenden Drehbewegung des Rotors eine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen lenkt der Rotor durch die Bewegung den Blick auf sich und schafft eine Art „Unruheelement“. Ein bewegtes Objekt erregt die Aufmerksamkeit in höherem Maße als ein statisches; eine Bewegung wird selbst dann noch registriert, wenn sie sich nicht direkt in der Blickrichtung des Betroffenen, sondern seitwärts von dieser befindet. Eine nur durch Phasen relativer Windstille unterbrochene ständige, nach Windstärke in der Umdrehungsgeschwindigkeit differierende Bewegung im Blickfeld oder am Rande des Blickfeldes kann schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden. Ein sich bewegendes Objekt zieht den Blick nahezu zwangsläufig auf sich. Es kann Irritationen hervorrufen und die Konzentration auf andere Tätigkeiten wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschweren.
111Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 73 ff.
112Demgegenüber stellen sich die Hochspannungsfreileitungen und Gittermasten als eine rein statische Einwirkung dar. Hinzukommt, dass die Masten mit ihrer transparenten Bauweise auch kein undurchdringliches optisches Hindernis bilden, sondern den natürlichen Hintergrund nach wie vor weitestgehend erkennen lassen. Die zwischen den Masten verlaufenden Leitungen als solche lösen sich in südöstlicher Richtung zudem mit zunehmender Distanz vor dem flächenhaften Hintergrund der überspannten landwirtschaftlich genutzten Flächen - wie auch die vom Antragsteller übersandten Bilder zeigen - optisch weitestgehend auf.
113Zu den Unterschieden zwischen sich bewegenden Windenergieanlagen und Hochspannungsfreileitungen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 ‑, juris Rn. 89.
114Vor diesem Hintergrund bedarf es auch in diesem Zusammenhang von Amts keiner weitergehenden Prüfung, ob und ggf. welche Regelungen im Planfeststellungsverfahren betreffend die Hochspannungsfreileitung zu Lasten des Antragstellers getroffen worden sind.
115(2.4.) Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch den Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlagen ergibt sich schließlich nicht aus dem Verweis des Antragstellers auf Unfallgefahren durch einen Flügelabriss. Der Antragsteller wird insoweit keinem unzumutbaren, weil über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehenden Unfallrisiko ausgesetzt. Dies gilt sowohl in Bezug auf ihn selbst als auch auf sein Wohngrundstück. Er kann nicht die Abwehr jeder theoretisch denkbaren Gefahr beanspruchen, sondern nur den Schutz vor einer konkreten Gefahr.
116Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 194, und vom 4. Mai 2022 - 8 D 317/21.AK -, juris Rn. 178 f.
117Ein solche ist hier aber weder von ihm dargetan noch ersichtlich.
118bb) Selbst wenn man die Erfolgsaussichten der Klage - entgegen den vorstehenden Ausführungen - als offen ansehen wollte, überwiegen bei der dann gebotenen Vollzugsfolgenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse sowie das private Interesse der Beigeladenen das Aufschubinteresse des Antragstellers. Die gesetzliche Wertung in § 63 BImSchG, wonach die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Zulassung der in Rede stehenden Windenergieanlagen keine aufschiebende Wirkung hat, wird verstärkt durch § 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 1 EEG, wonach die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Dies ist gemäß § 80c Abs. 4 VwGO im vorliegenden Verfahren besonders zu berücksichtigen. Grundsätzliche und vom Antragsteller mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machende Bedenken gegen den gewählten Anlagenstandort und nach § 4 UmwRG zur Aufhebung der Genehmigung führende Rechtsverstöße sind nach den vorstehenden Ausführungen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Unzumutbare Beeinträchtigungen durch den Anlagenbetrieb sind ebenfalls nicht zu erwarten, könnten aber nötigenfalls - wofür hier derzeit nichts spricht - durch ergänzende Nebenbestimmungen vermieden werden.
119Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
120Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat orientiert sich in Fällen der vorliegenden Art an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und setzt im Hauptsacheverfahren bis zum Erreichen einer Obergrenze von 60.000,- Euro je Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 15.000,- Euro fest. Der sich danach ergebende Betrag ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.
121Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).