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1. Ein Klageantrag darf, um hinreichend bestimmt zu sein, noch in der Berufungsverhandlung präzisiert werden.
2. Ein innerstädtischer, als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeter Platz, der jahrelang - von der Stadt wohlwollend begleitet - bis tief in die Nacht von mehreren hundert, teils über tausend Personen regelmäßig als „Partyzone“ genutzt wird, kann im Einzelfall als sonstige ortsfeste Einrichtung i. S. d. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht (§ 22 BImSchG) unterliegen. Anwohnern kann daher ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen die von einer solchen Anlage ausgehenden unzumutbaren Lärmbelästigungen zustehen.
3. Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Schutzpflichten erfordern auch die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigendem und gesundheitsgefährdendem Lärm.
4. Eine Schutzpflichtverletzung kommt nur in Betracht, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen worden sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben oder wenn sie auf einer unzureichenden Tatsachenermittlung oder unvertretbaren Einschätzungen beruhen (wie BVerfG, Beschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -).
5. Bei Geräuschen einer Menschenmenge, die in hohem Maße durch Schreien, Rufen, Grölen etc. gekennzeichnet sind und deshalb den Schlaf in besonderer Weise gefährden, ist die Grenze der Gesundheitsgefahr in einem überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebiet nachts bei 60 dB(A) anzusetzen.
6. Die von der Behörde zu treffende Ermessensentscheidung über ordnungsbehördliche Maßnahmen gegen unzumutbaren Lärm ist fehlerhaft, wenn diese ihre Handlungsmöglichkeiten nicht vollständig erkannt und erwogen hat.
7. Die Frage, ob und ggf. welche ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse bestehen, wenn Lärm von einer größeren Menschenmenge ausgeht, deren Teilnehmer sich in angemessener Lautstärke unterhalten, stellt sich bei einem „Partytreff“ auf einem öffentlichen Platz solange nicht, wie die Behörde nicht gegen Einzelereignisse, die den Lärmpegel signifikant erhöhen und die Nachtruhe erheblich stören, wie Schreien, Rufen, Grölen etc., effektiv einschreitet.
8. Zeigt ein Einschreiten gegen solche Einzelereignisse keinen oder nur unzureichenden Erfolg, können als weitere Maßnahmen zum Schutz der Anwohner vor unzumutbarem Lärm ein durch ordnungsbehördliche Verordnung zu regelndes Alkoholkonsumverbot und ein Verweilverbot sowie die Teileinziehung des Platzes mit Einzäunung in Betracht zu ziehen sein.
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des am 17. Mai 2018 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln wie folgt gefasst wird:
Die Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor Lärm zu ergreifen, sodass in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr an den Wohnungen der Kläger Ruhestörungen, die nach Maßgabe der Entscheidungsgründe für die Kläger unzumutbar sind, unterbunden werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger begehren das Einschreiten der Beklagten zur Minderung der vom „Brüsseler Platz“ in Köln ausgehenden nächtlichen Geräuschimmissionen.
3Die Kläger zu 1. und 2. sind Eigentümer der von ihnen selbst genutzten, im 5. und 6. Obergeschoss nebst Dachgeschoss eines Gebäudes gelegenen Wohnung mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) in Köln. Der Kläger zu 3. ist Miteigentümer der von ihm selbst genutzten, im 7. Obergeschoss eines Gebäudes gelegenen Wohnung mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) in Köln. Die Kläger zu 4. und 5. sind Erben des Herrn K., der Eigentümer der im 6. Obergeschoss des eben genannten Gebäudes gelegenen Wohnung war. Der Kläger zu 6. ist Eigentümer der von ihm selbst genutzten Dachgeschosswohnung eines Gebäudes mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) in Köln.
4Der Brüsseler Platz ist im Stadtteil Neustadt/Nord und im Stadtviertel Belgisches Viertel gelegen. In seiner Mitte befindet sich die Kirche St. Michael, die von einer mit Bäumen und Grünpflanzen in Hochbeeten gestalteten Fläche umgeben ist. Auf dem Platz befindet sich zudem ein südlich der Kirche St. Michael gelegener Spielplatz. Die zuvor dort auch vorhandenen Tischtennisplatten sind inzwischen von der Beklagten abgebaut worden. Im Norden, Osten und Süden grenzen an den Platz - lediglich durch die Brüsseler Straße unterbrochene - in geschlossener Bauweise errichtete, mehrgeschossige, jedenfalls zum großen Teil zu Wohnzwecken genutzte Gebäude. Die im Erdgeschoss der Gebäude gelegenen Räumlichkeiten werden u. a. für gastronomische Zwecke - auch mit außengastronomischem Angebot -, für den Betrieb eines Kiosks, sonstiger Geschäfte sowie einer Apotheke genutzt. Im östlichen Bereich des Brüsseler Platzes befinden sich zudem ein Parkplatz und eine Toilettenanlage.
5Die Gebäude mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) und (...) grenzen im Osten und das Gebäude mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) im Südosten an den Brüsseler Platz, der nicht innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegt. Der Flächennutzungsplan der Beklagten weist den gesamten Bereich unmittelbar um den Brüsseler Platz als Wohnbaufläche aus. Der Brüsseler Platz, dessen Eigentümerin die Beklagte ist, ist für den öffentlichen Verkehr gewidmet.
6Seit dem Jahr 2005 hat sich auf dem Brüsseler Platz zunehmend eine sog. Partyszene etabliert. Zum Teil mehrere hundert Personen halten sich bis in die Nacht- und frühen Morgenstunden hinein dort auf. In der Beschlussvorlage Nr. 2764/2017 vom 25. Oktober 2017 für den Stadtentwicklungsausschuss „Erläuterungen zum städtebaulichen Planungskonzept, Arbeitstitel: Belgisches Viertel in Köln-Neustadt/Nord“ stellte die Beklagte das Belgische Viertel und das Geschehen auf dem Brüsseler Platz wie folgt dar: Durch das vielseitige Einzelhandels-, Gastronomie- und Kulturangebot entfalte das Belgische Viertel eine gesamtstädtische bzw. überregionale Anziehungskraft. Seit ein paar Jahren fühlten sich dessen Bewohner verstärkt durch nächtlichen Lärm, Alkoholkonsum und Verschmutzung durch Müll gestört. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und ein verändertes Freizeitverhalten hätten in den letzten Jahren dazu geführt, dass junge Menschen abends und auch bis spät in die Nacht den öffentlichen Raum vermehrt als Treffpunkt und für ein geselliges Beisammensein intensiv und lautstark bis spät in die Nacht nutzten. Mit teilweise über 1.000 Besuchern habe sich dieser Konflikt insbesondere im Umfeld des Brüsseler Platzes zugespitzt.
7Jahre später war die Situation am Brüsseler Platz im Wesentlichen unverändert. In der Begründung zur Änderung der Allgemeinverfügung vom 2. Oktober 2020 zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln vom 14. Juni 2021, S. 5 f., schilderte die Beklagte die Lage auf dem Brüsseler Platz wie folgt: Der Platz sei ein Hotspot mit einer immer wiederkehrenden Partyszene und nehme unter den Locations der „freien“ Partyszene eine Sonderstellung ein. Die dortige Partyszene habe sehr viel mehr Ähnlichkeit mit privaten Partys als mit außengastronomischen Aktivitäten. Infektiologisch bestehe kein Unterschied zu den besonders großen geselligen Veranstaltungen wie Volksfesten und Festivals. Das gesellige Zusammensein sei wegen der Dauer der Exposition mit einer Viruslast, der steigenden Enthemmtheit und Unbedachtheit infolge Alkoholgenusses und auch wegen der Notwendigkeit, sehr laut zu sprechen und dichter aneinanderzurücken, wenn die Umgebungslautstärke wegen hoher Betriebsamkeit oder auch wegen Musik zunehme, infektiologisch problematisch. Die „Partygäste“ verließen den Platz über einen langen Zeitraum nicht, weil ihr Bedarf an Getränken ortsnah befriedigt werde. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass die [während der Corona-Pandemie angeordneten] Alkoholkonsumverbote insbesondere am Brüsseler Platz nicht beachtet würden, dass dort partyähnliche Zustände mit Hunderten von Personen herrschten und dass die Verbote trotz intensiver Bemühungen der Polizei und der Beklagten nicht hätten durchgesetzt werden können.
8In Folge der mit den Menschenansammlungen einhergehenden Geräuschimmissionen kam und kommt es seit vielen Jahren zu zahlreichen Beschwerden von Anwohnern des Brüsseler Platzes bei der Beklagten.
9Ab dem Jahr 2009 setzte die Beklagte für einen Zeitraum von vier Jahren einen externen Moderator ein, mit dem Ziel, einen Ausgleich zwischen den Interessengruppen zu bewirken. Im Abschlussbericht des Moderators Dr. A. vom 20. Dezember 2010 für das Jahr 2010 heißt es einleitend (dort S. 2) u. a., die Lärm- und Müllprobleme am Brüsseler Platz hätten durch die (teilweise) Umsetzung der Maßnahmen des Lärmschutz- und Kulturprogramms nur geringfügig entschärft werden können.
10Da die Beklagte annahm und auch weiter annimmt, dass im außengastronomischen Bereich weniger Lärm erzeugt werde als auf sonstigen Freiflächen des Platzes und das Ende der Außengastronomie bei allen Platzbesuchern eine Aufbruchsstimmung erzeuge, dürfen Gastronomen seit dem Jahre 2011 auf Teilen der inneren Platzfläche, insbesondere östlich der Kirche St. Michael, Tische und Stühle zur Bewirtung aufstellen, um auf diese Weise die Bereiche für den allgemeinen Gebrauch zu verkleinern. Darüber hinaus führte die von der Beklagten beauftragte W. GmbH im Zeitraum von Juni 2011 bis Oktober 2011 neun Messungen der vom Platz ausgehenden Geräuschimmissionen durch. Die betreffend das Haus mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz 0, in dem die Kläger zu 1. und 2. wohnen, durchgeführten Messungen der Geräuschimmissionen ergaben im Zeitraum vom 2. bis 4. Juni 2011 (Gutachten vom 10. Juni 2011) jeweils von 22 Uhr bis 3 Uhr Mittelungspegel (pro Stunde) zwischen 49,9 dB(A) und 73,4 dB(A) und im Zeitraum vom 22. bis 26. Juni 2011 (Gutachten vom 28. Juni 2011) jeweils von 22 Uhr bis 3 Uhr Mittelungspegel (pro Stunde) zwischen 53,4 dB(A) und 65,9 dB(A). Die betreffend das Haus mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Straße (...) durchgeführten Messungen der Geräuschimmissionen ergaben im Zeitraum vom 19. bis 21. August 2011 (Gutachten vom 8. September 2011) jeweils von 22 Uhr bis 3 Uhr Mittelungspegel (pro Stunde) zwischen 56,0 dB(A) und 67,8 dB(A). Die dort am 24. Oktober 2011 durchgeführte „Nullmessung“, d. h. ohne eine nennenswerte Anzahl von Menschen auf dem Platz, (Gutachten vom 29. November 2011) ergab Mittelungspegel (pro Stunde) zwischen 45,8 dB(A) und 53,8 dB(A) zwischen 22 Uhr und 2 Uhr. In den Jahresbilanzen der Beklagten zum Brüsseler Platz für die Jahre 2012 und 2013 wurden insbesondere Störungen durch Lärm und Müll weiterhin thematisiert.
11Im Jahr 2013 erhob ein Anwohner des Brüsseler Platzes eine gegen die Beklagte gerichtete Klage, u. a. mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die Nachtruhe durch geeignete und notwendige Vorkehrungen (Allgemeinverfügung, Platzverweis, Ordnungswidrigkeitenverfahren) zu gewährleisten. Im Rahmen eines güterichterlichen Verfahrens schlossen der damalige Kläger, die Beklagte und an dem Verfahren einvernehmlich beteiligte weitere Interessenvertreter am 23. August 2013 eine Vereinbarung (sog. Modus Vivendi), mit der die Situation am Brüsseler Platz verbessert und die Probleme nachhaltig reduziert werden sollten. Zu diesem Zwecke enthält die Vereinbarung u. a. die Verpflichtung der Beklagten, „an allen Freitagen, Samstagen und Tagen, auf die ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt, in der Zeit von April bis Oktober eines jeden Jahres durch Einsatz einer ausreichenden Anzahl von Mitarbeitern des Ordnungsamtes jeweils ab 22 Uhr darauf hinzuwirken, dass die Besucher des Brüsseler Platzes den Platz spätestens bis 24 Uhr tatsächlich verlassen haben“ (Nr. 1 des Modus Vivendi zum Thema Lärm) sowie „gegen Personen ordnungsrechtlich vor[zu]gehen, die sich auf dem Brüsseler Platz aufhalten und Lärm verursachen und damit gegen § 117 OWiG, § 9 LandesimmissionsschutzG oder § 12 der Kölner Straßenordnung verstoßen“ (Nr. 2 des Modus Vivendi zum Thema Lärm). In der Publikation „Brüsseler Platz, ‚Modus vivendi‘, Erkenntnisse, Erfahrungen und Einschätzungen der Stadt Köln“ aus Oktober 2014, die Erfahrungen bis zum 28. Juli 2014 berücksichtigt, ist u. a. ausgeführt (dort S. 7), dass es „eine Reihe von ‚kritischen Nächten‘“ gegeben habe, in denen das vereinbarte Vorgehen nicht zur kurz nach Mitternacht angestrebten Ruhe geführt habe; es gebe immer wieder einzelne Gruppen, die den Platz auch nach mehrmaliger Ansprache nicht verließen; nach Veranstaltungen mit großer Publikumsbeteiligung im Belgischen Viertel oder auf den Ringen werde der Brüsseler Platz von so vielen Besuchern auch noch bis nach Mitternacht beansprucht, dass die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes nur einen geringen Teil der Personen erreichen und zum Gehen bewegen könnten; dies gelte auch für Nächte, in denen Sport- oder sonstige publikumswirksame TV-Sendungen bis kurz vor oder sogar nach Mitternacht dauerten und die Menschen im Anschluss daran auf öffentliche Plätze strömten; hinzu kämen Nächte mit außergewöhnlich hohen Temperaturen oder vor Feiertagen, in denen es auch an vielen anderen Plätzen und Straßen der Innenstadt zu einer erheblichen Lärmbelastung komme. Auf S. 8 heißt es u. a., aufgrund der hohen Personenzahl auf dem Platz sei es vielfach schwierig, in der Menge einzelne Störer zu identifizieren; die Personenzahl liege an warmen Sommerabenden oder bei bestimmten Veranstaltungen im Viertel zwischen 500 und rund 1.000.
12Mit gleichlautenden Schreiben vom 29. April 2015 wandten sich der Rechtsvorgänger der Kläger zu 4. und 5. sowie die übrigen Kläger an die Beklagte und forderten diese u. a. auf, „durch geeignete Maßnahmen auf dem Brüsseler Platz und den Zuwegungen Moltkestraße und Brüsseler Straße umgehend eine geordnete Nachtruhe nach den gesetzlichen Lärmrichtwerten wiederherzustellen“ (Ziffer 1. des Schreibens). Sie machten im Wesentlichen geltend: Die Beklagte sei ihrer im Modus Vivendi vom 23. August 2013 eingegangenen Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass der Platz an Freitagen, Samstagen sowie an Tagen vor gesetzlichen Feiertagen um 24 Uhr geräumt ist, bislang nicht hinreichend nachgekommen. Den Protokollen der Beklagten zu dem Besucheraufkommen auf dem Platz im Zeitraum von April bis Oktober 2014 sei zu entnehmen, dass sich dort um 0:30 Uhr zum Teil noch bis zu 300 bzw. 500 Personen aufhielten. Die Lärmbelästigungen auf dem Platz lägen nach wie vor bei 65 dB(A) bis 74 dB(A), in Spitzenpegeln bei 81 dB(A) bis 91 dB(A). Den Protokollen könne des Weiteren entnommen werden, dass ab 0:30 Uhr bzw. 1 Uhr Ordnungsamtskräfte nicht mehr auf dem Platz anwesend seien. An anderen als den genannten Tagen seien die Anwohner schutzlos gestellt, obwohl sich dort an halbwegs warmen Nächten große Menschenmengen versammelten. Auch vor den Alkoholverkaufsstätten bildeten sich Trauben lärmender Menschen; die Lärmbelästigungen durch die Außengastronomie würden ab 22 Uhr nicht mehr kontrolliert. Darüber hinaus forderten die Kläger die Beklagte mit den Ziffern 2. bis 4. der Schreiben auf, die Wahrung der Nachtruhe ab 22 Uhr durch die am Brüsseler Platz gelegenen außengastronomischen Angebote sowie die im Einzugsbereich gelegenen Alkoholverkaufsstätten sicherzustellen.
13Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 teilte die Beklagte den Klägern betreffend Ziffer 1. des Schreibens vom 29. April 2015 Folgendes mit: Der Ordnungsdienst sei auch in diesem Jahr regelmäßig auf dem Brüsseler Platz und dessen Umfeld im Einsatz. Hierbei würden insbesondere Verstöße wie lautes Grölen und Johlen, Straßenmusik mit Verstärkern und Straßenmusik zu unzulässigen Zeiten, aber auch unzulässige Verunreinigungen und „Wildpinkeln“ sowie der Verkauf von Alkohol zu unzulässigen Zeiten oder ein zu spätes Beenden der Außengastronomie geahndet. Es könnten jedoch nur vereinzelt ahndungsfähige Verstöße Einzelner festgestellt werden. Das zentrale Problem liege darin, dass die einzelnen Personen in der Regel keine Störungen begingen, sondern die Störung vielmehr von der sich zusammenfindenden größeren Menschenmenge ausgehe, die dem Einzelnen nicht zugerechnet werden könne. Dies gelte insbesondere für die Lärmbelästigungen und die damit verbundene Störung der Nachtruhe. Erfahrungsgemäß unterhielten sich die feiernden Menschen in angemessener Lautstärke; erst die Summe der Gespräche führe zu einer Lärmbelästigung des Umfeldes. Jeder Einzelne überschreite bei einer normalen Unterhaltung für sich genommen nicht die für die Annahme einer Beeinträchtigung im Sinne des Landes-Immissionsschutzgesetzes notwendige Gefahrenschwelle. Das Vorgehen gegen ein „Störerkollektiv“, in dem jeder mit seiner - an sich nicht störenden und im Grundsatz legitimen - Unterhaltung einen Beitrag zur Lärmbelästigung leiste, sei rechtlich nicht zulässig. Somit könnten weder Platzverweise noch Bußgelder verhängt werden. Ein Einschreiten nach dem Straßen- und Wegegesetz scheide ebenfalls aus, da die kommunikativen Treffen durch den Gemeingebrauch gedeckt seien.
14Am 29. Juli 2015 haben der Kläger zu 3. (Az.: 1 K 4325/15), der verstorbene Kläger E. (Az.: 1 K 4324/15) und der Kläger zu 6. (Az.: 1 K 4326/15) Klage erhoben, mit denen sie jeweils zunächst beantragt haben, „den Antrag […] vom 29.4.2015 unter Aufhebung des Bescheides vom 19.5.2015, zugegangen am 26.5.15, nach der Rechtsauffassung des Gerichtes zu bescheiden.“
15Mit Beschlüssen vom 22. April 2016 hat das Verwaltungsgericht die Verfahren hinsichtlich des Begehrens der Neubescheidung ihres Antrages zu Ziffer 1. des Schreibens vom 29. April 2015 abgetrennt. Nach Übergang dieser abgetrennten Verfahren auf die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts wurde das Verfahren des Klägers zu 3. unter dem Aktenzeichen 13 K 3580/16, das Verfahren des verstorbenen Klägers E. unter dem Aktenzeichen 13 K 3599/16 sowie das Verfahren des Klägers zu 6. unter dem Aktenzeichen 13 K 3601/16 fortgeführt.
16Die Kläger zu 1. und 2. haben am 14. September 2015 Klage erhoben (Az.: 13 K 5410/15), mit der sie zunächst beantragt haben, „den Antrag […] vom 29.4.2015 hinsichtlich der Ziffer 1. (durch geeignete Maßnahmen auf dem Brüsseler Platz …. umgehend eine geordnete Nachtruhe nach den gesetzlichen Lärmrichtwerten wiederherzustellen) unter Aufhebung des Bescheides vom 19.5.2015, zugegangen am 26.5.15, nach der Rechtsauffassung des Gerichtes zu bescheiden.“
17Die Kläger haben zur Begründung ihrer Klagen im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Ab Außentemperaturen von ca. 13 bis 14 Grad und trockenem Wetter versammelten sich bis in die frühen Morgenstunden täglich Personen auf dem Platz; je wärmer es sei, desto mehr. Durch die Menschenansammlungen auf dem Brüsseler Platz würden sie erheblich in ihrer Nachtruhe gestört. Die Aufenthaltsqualität in den Wohnungen sei durch die hohen Lärmpegel auf dem Brüsseler Platz stark beeinträchtigt. Die bisher von der Beklagten veranlassten Maßnahmen, zu denen diese sich im Rahmen des Modus Vivendi verpflichtet habe, führten nicht zu relevanten Verbesserungen. Es existiere in der Stadt kein funktionierendes System zum Schutz vor nächtlichen Ruhestörungen. Die im Jahr 2011 von der Beklagten in Auftrag gegebenen Messungen der Geräuschimmissionen hätten - selbst unter Annahme eines Gebietscharakters als Mischgebiet - Überschreitungen der Richtwerte von 15 dB(A) bis 28,8 dB(A) ergeben. Gehe man für den hinteren und seitlichen Bereich um die Kirche herum von einem allgemeinen Wohngebiet aus, beständen Überschreitungen von 18 dB(A) bis 33,8 dB(A). Lärm ab einem Dauerschallpegel von 65 dB(A) tagsüber bzw. nachts zwischen 55 dB(A) und 60 dB(A) sei gesundheitsschädigend bzw. ‑gefährdend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordere in ihren Night Noise Guidelines aus gesundheitlichen Gründen sogar die Einhaltung eines Grenzwertes von 40 dB(A) in der Nacht. Ein von ihnen - den Klägern zu 1. und 2. - in Auftrag gegebenes Gutachten des Büros U. vom 20. Oktober 2016, in dessen Rahmen an einem Freitag im September, also nicht an einem besonders stark besuchten Sommerabend gemessen worden sei, habe zur Nachtzeit einen Dauerschallpegel von 71 dB(A) ergeben. Damit liege eine ganz erhebliche Gesundheitsgefahr für alle Anwohner des Brüsseler Platzes vor, die eine bloße Beeinträchtigungslage der Gesundheit ganz gravierend überschreite. Außerdem sei damit die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von Lärmbelastung in Wohngebieten i. H. v. 60 bis 62 dB(A) nachts überschritten. Soweit die Beklagte darauf verweise, auch bei einem menschenleeren Platz liege bereits eine Geräuschvorbelastung von 53,8 dB(A) vor, sei anzumerken, dass eine bedeutende Lärmquelle als Hintergrundgeräusch - der Zugverkehr - nach Durchführung der Nullmessung im Oktober 2011 durch die Errichtung von Lärmschutzwänden mittlerweile erheblich reduziert worden sei. Die Beklagte sei auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 lit. b) und c) Kölner Stadtordnung (KSO) verpflichtet, gegen die Besucher des Brüsseler Platzes einzuschreiten. Die Vorschrift biete eine Handhabe, gegen ein „Störerkollektiv“ vorzugehen. Das kollektive Stören der Nachtruhe gehe auch im Sinne des § 11 Abs. 1 KSO über den Gemeingebrauch hinaus. Die Widmung als Straßenland umfasse lediglich den vorübergehenden Aufenthalt auf dem Platz. Häufige große Ansammlungen von Menschen über einen längeren Zeitraum von mehreren Stunden, die mit unzumutbaren Störungen verbunden seien, stellten eine genehmigungspflichtige Sondernutzung dar und gingen damit über den Gemeingebrauch hinaus. Der Platz sei ferner als Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu betrachten. Die nächtlichen Lärmbelästigungen jenseits der einschlägigen TA Lärm-Werte seien schädliche und vermeidbare Umwelteinwirkungen, für die die Beklagte als Anlagenbetreiberin, die im Laufe der Jahre eine Aufenthaltsqualität geschaffen habe, die gerade die Menschenmengen anziehe, verantwortlich sei. Soweit die daneben in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der § 8 KSO, § 117 OWiG, § 14 Abs. 1 OBG NRW und § 9 Abs. 1 LImSchG eine durch einen Einzelnen verursachte Ruhestörung erforderten, sei eine Rechtsfortbildung geboten, um Wertungswidersprüche zu kollektiven Störungen zu vermeiden, die im Rahmen einer Veranstaltung erfolgten bzw. von gastronomischen Angeboten ausgingen. Es müssten daher - ggf. auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage - unter Berücksichtigung der durch die Freizeitlärmrichtlinie oder der TA Lärm statuierten Grenzen Maßnahmen der Beklagten zum Schutz der Nachtruhe möglich sein. Jedenfalls sei die Beklagte gehalten, gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 OBG NRW gegen Nichtstörer vorzugehen.
18In der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht die Verfahren der Kläger - unter Fortführung des Aktenzeichens 13 K 5410/15 - zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
19Die Kläger haben beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass nachts (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) keine die einschlägigen Lärmschutzvorschriften überschreitenden Geräuscheinwirkungen an der Wohnung der Kläger entstehen.
21Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Lärmsituation auf dem Brüsseler Platz habe sich durch die von ihr ergriffenen - auch Rahmen des Modus Vivendi vereinbarten - Maßnahmen verbessert. Dies sei insbesondere auf die Präsenz des Ordnungsdienstes, die Ausweitung außengastronomischer Angebote sowie die Einschränkung des Alkoholverkaufs im Umkreis des Platzes zurückzuführen. Die Besucherzahlen seien rückläufig. Eine Ausdehndung der Schichten des Ordnungsamtes ließen ihre Kapazitäten nicht zu. Darüber hinaus hätten die im Jahr 2011 von ihr veranlassten Messungen der Geräuschimmissionen ergeben, dass die Witterungsbedingungen großen Einfluss auf die Besucherzahl hätten. Die Nullmessung im Oktober 2011 mit 53,8 dB(A) habe gezeigt, dass sogar nachts bei einem menschenleeren Platz ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) deutlich überschritten werde. Weitere Messungen seien nicht beauftragt worden, da unbestritten sei, dass die gesetzlich vorgegebenen Werte mit und ohne Besucheraufkommen überschritten würden. Die Ergebnisse des von den Klägern zu 1. und 2. in Auftrag gegebenen Gutachtens seien hingegen zu bezweifeln und trügen die Schlussfolgerungen der Kläger nicht. Ungeachtet dessen sei sie mangels Ermessensreduzierung auf Null zu weiterem ordnungsbehördlichen Einschreiten nicht verpflichtet. Eine sie zu einem Einschreiten verpflichtende erhebliche Gesundheitsgefahr liege auch mit Blick auf die Ergebnisse der Messung der Geräuschimmissionen im Jahr 2011 bzw. 2016 nicht vor. Auch wenn zur Nachtzeit Lärmwerte von durchschnittlich 65 dB(A) als lautester Wert erreicht würden, könne hieraus noch kein eine nächtliche Gesundheitsschädigung oder ‑gefährdung verursachender Dauerschallpegel hergeleitet werden. Zudem lägen, soweit die Störungen von einem Kollektiv ausgingen, weder die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 OBG NRW noch des § 19 OBG NRW vor. Auch eine Umwidmung/Entwidmung des für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Brüsseler Platzes in eine Grünfläche sei rechtlich nicht möglich, weil die Erschließungsfunktion des Platzes für Fußgänger weiterhin bestehe. Letztlich stünden dem Anspruch der Kläger auch ein unzumutbarer Aufwand sowie die Kollision mit anderen Aufgaben entgegen.
24Mit Urteil vom 17. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass nachts (22 Uhr bis 6 Uhr) keine die einschlägigen Lärmschutzvorschriften überschreitenden Geräuscheinwirkungen an der Wohnung der Kläger entstehen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe gegen die Beklagte jedenfalls ein Anspruch auf Einschreiten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu, weil sie nachts unzumutbaren Lärmbelästigungen gesundheitsgefährdenden Ausmaßes ausgesetzt seien. Als Mittel zur Umsetzung dieses Anspruchs komme insbesondere der Erlass einer - bußgeldbewehrten - ordnungsbehördlichen Verordnung nach § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG, die zwischen 22 Uhr und 6 Uhr ein Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz regele und deren genaue Ausgestaltung im Ermessen der Beklagten stehe, in Betracht. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt eines drohenden Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 LImSchG bestehe. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der im Jahre 2011 durchgeführten Messung der Geräuschimmissionen sowie der Besucherzahlen des Brüsseler Platzes in den Jahren 2016 bis 2018 ergebe die Prognose, dass der Beurteilungspegel von 65 dB(A) bzw. der Dauerschallpegel von 60 dB(A) bei Temperaturen über 20 Grad weiterhin häufig erreicht bzw. überschritten werden werde. Selbst bei Berücksichtigung einer „Vorbelastung“ von 53,8 dB(A) sei eine Gefahr im obigen Sinne zu bejahen, weil auch marginale Lärmerhöhungen unzumutbar sein könnten, wenn - wie hier - die Lärmvorbelastung bereits so hoch sei, dass die Gesamtbelastung sich der Schwelle der Gesundheitsgefährdung von 60 dB(A) nachts nähere oder diese Grenze überschreite. Die Messungen der Beklagten aus dem Jahr 2011 belegten auch, dass nicht nur ein Gefahrenverdacht in Rede stehe. Die Beschränkungen des § 24 Nr. 13 OBG NRW wie auch der Gedanke des § 29 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW stünden ebenso wenig wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Erlass einer solchen Verordnung, die ein Verweilverbot - ggf. unter Gewährung von Ausnahmen - statuiere, entgegen.
25Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat die Beklagte am 21. Juni 2018 eingelegt.
26Der Kläger zu 2. hat am 10. Mai 2019 (Az.: 8 B 621/19) beantragt, die Beklagte im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verurteilen, „umgehend die in dem Gerichtsverfahren des VG Köln - Az: 13 K 5410/15 - mit Urteil vom 17.5.18 festgestellte abstrakte Gesundheitsgefährdung durch Freizeitlärm auf dem Brüsseler Platz […] zu beseitigen, indem ab Erreichen von nächtlichen Beurteilungspegeln von 60 dB(A) an der Wohnung des Antragsstellers geeignete Maßnahmen ergriffen werden (notfalls durch Räumung des Platzes), die die Einhaltung der gesundheitsgefährdenden Schwelle von 60 dB(A) nachts gewährleisten.“ Im Erörterungstermin am 20. November 2019 hat sich die Beklagte im Rahmen des dort zur Beendigung des Verfahrens geschlossenen Prozessvergleichs (Nr. 5 des Vergleichs) u. a. verpflichtet, Lärmmessungen an der Wohnung der Kläger zu 1. und 2. durchzuführen.
27Die geplanten repräsentativen Lärmmessungen haben sich aufgrund der während der Corona-Pandemie geltenden Beschränkungen verzögert. In den Jahren 2020 und 2021 hat die Beklagte über jeweils längere Zeiträume aus infektionshygienischen Gründen für die als „Partyzone“ bekannten Flächen im Stadtgebiet wie den Brüsseler Platz Verweilverbote erlassen. So hat sie etwa mit Änderung der Allgemeinverfügung vom 2. Oktober 2020 zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln vom 14. Juni 2021 (im Folgenden: Allgemeinverfügung) u. a. auf dem Brüsseler Platz ein Verweilverbot angeordnet, und zwar täglich in der Zeit von 18 Uhr bis 1 Uhr des Folgetages sowie an Samstagen und Tagen vor Feiertagen bereits ab 15 Uhr bis 1 Uhr des Folgetages (vgl. Nr. 7 Satz 1 lit. a) der Allgemeinverfügung). Zudem hat auf dem Brüsseler Platz im Zeitraum von 15 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages ein Alkoholkonsumverbot sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr ein Alkoholverkaufsverbot gegolten (vgl. Nr. 6a Satz 1 i. V. m. Nr. 2 Satz 1 lit. c) und Nr. 6a Satz 2 lit. b) der Allgemeinverfügung).
28Messungen auf dem im 5. Obergeschoss gelegenen Balkon (Loggia) der Kläger zu 1. und 2. durch die W. GmbH sind schließlich in den Jahren 2020 und 2022 erfolgt. Die im Zeitraum vom 25. bis 29. Juni 2020 durchgeführte Messung der Geräuschimmissionen (Gutachten vom 30. Juni 2020) hat zur Nachtzeit auf eine Stunde bezogene Mittelungspegel von maximal 61,9 dB(A) ergeben und die im Zeitraum vom 11. bis 14. Februar 2022 durchgeführte Messung (Gutachten vom 28. Februar 2022) Mittelungspegel von maximal 61,8 dB(A). Die im Zeitraum vom 29. bis 31. Juli 2022 durchgeführte Messung (Gutachten vom 29. September 2022) hat zwischen 22 Uhr und 1 Uhr Mittelungspegel zwischen 68 dB(A) und 70 dB(A) (einschließlich eines Impulszuschlags von 3 dB) ergeben; der durch Kommunikationsgeräusche verursachte Maximalpegel lag währenddessen bei 85 dB(A). In dem zuletzt genannten Gutachten ist ausgeführt, an den Messtagen sei das Gelände um den Brüsseler Platz gegen 19:30 Uhr sichtbar gut besucht gewesen, so dass die durch die Besucher (der Außengastronomie und auf sonstigen Außenflächen des Platzes) verursachten Kommunikationsgeräusche und Einzelereignisse wie Rufen, Schreien, Lachen und Gläser- oder Glasflaschenklirren pegelbestimmend gewesen seien. Diese Geräuschkulisse sei bis Mitternacht - mit einem „Lautstärkenmaximum“ zwischen 22 und 23 Uhr - mehr oder weniger gleichbleibend laut gewesen. Mit Rückgang der Besucherzahlen ab Mitternacht fänden Aufräum- und Reinigungsarbeiten in der Außengastronomie statt; die von der Stadt für ca. 30 min. eingesetzte Kehrmaschine sei deutlich herauszuhören gewesen und pegelbestimmend.
29Derzeit stellt sich die Einsatzstrategie der Beklagten auf dem Brüsseler Platz nach ihrer „Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023“ im Wesentlichen wie folgt dar:
30„Der Ordnungsdienst wird an Freitagen, Samstagen und Tagen, auf die ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt, ab spätestens 22.00 Uhr den Brüsseler Platz sowie im näheren Umfeld, unter Berücksichtigung der aktuellen Einsatzlage, Präsenz zeigen, den Bereich kontrollieren und festgestellte Ordnungswidrigkeiten ahnden bzw. entsprechend einschreiten und dokumentieren. […] Die konkreten Einsatzzeiten sowie die Einsatzstärken werden durch den diensthabenden DGL [Dienstgruppenleiter] in Abhängigkeit von der Gesamtsituation (insb. Beschwerdelage) und Bedarfslage in Köln gesteuert. […] [E]ingehenden Beschwerden […] sind im Rahmen der personellen Möglichkeiten nachzugehen. […] Der Ordnungsdienst wird ohne Vorliegen von ordnungswidrigem Verhalten keine persönlichen Ansprachen, die das Ziel haben, die Besucherinnen und Besucher zum freiwilligen und pünktlichen Verlassen des Platzes zu bewegen, vornehmen. Dies ist Aufgabe der […] beauftragten externen Vermittler. […] Der Ordnungsdienst wird bei Einsätzen Ruhestörungen durch lautes Grölen und Johlen, Straßenmusik mit Verstärkern und Straßenmusik zu unzulässigen Zeiten aber auch unzulässige Verunreinigungen und das Verrichten der Notdurft […] ahnden […]. Je nach Art des Verstoßes wird ein Verwarngeld ausgesprochen oder ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Bei erheblichen oder wiederholten Verstößen ist zusätzlich ein Platzverweis zu erteilen. […] ln diesem Jahr werden wieder jedes Wochenende und an Abenden vor einem gesetzlichen Feiertag sowie den „Brückentagen“ Vermittlerinnen und Vermittler eingesetzt. Der Einsatzzeitraum beläuft sich für den Zeitraum 31.03.2023 - 28.10.2023 in der Zeit von 21.30 Uhr bis 01.30 Uhr. Besondere Ereignisse im Belgischen Viertel (tour belgique, le bloc, gamescom etc.) werden entsprechend berücksichtigt und die Zahl der Vermittler ggf. erhöht. […] Für die Einsätze sind durchschnittlich vier Kräfte und eine Dauer von vier Stunden (im Zeitraum 21:30 Uhr bis 01:30 Uhr) eingeplant. Die Anzahl der eingesetzten Kräfte und der Einsatzstunden hängt jeweils von der Witterung und dem zu erwartenden Besucheraufkommen auf dem Platz sowie etwaigen Sonderveranstaltungen ab.“
31Der Brüsseler Platz wird an Freitagen, Samstagen und an Tagen, auf die ein Feiertag folgt, zwischen 23:30 Uhr und 0:30 Uhr durch ein Reinigungsfahrzeug der Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH (AWB), welches durch einen privaten Sicherheitsdienst begleitet wird, gereinigt.
32Die seit dem Jahr 2011 erweiterte Außengastronomie auf dem Brüsseler Platz verfügt derzeit nach den insoweit unbestrittenen Angaben der Kläger über etwa 700 genehmigte Plätze. Das Ende der Außengastronomie ist auf 23:30 Uhr festgelegt. Eine Lärmprognose ist der Ausweitung der Außengastronomie nach den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht vorausgegangen.
33Darüber hinaus besteht eine freiwillige Selbstverpflichtung des M.-Marktes in der Brüsseler Straße sowie der Kioske am Brüsseler Platz, freitags, samstags und an Tagen vor gesetzlichen Feiertagen ab 23:30 Uhr keinen Alkohol mehr zu verkaufen.
34Vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 3.
35Den Umfang der Einsätze des Ordnungsdienstes und der Vermittler auf dem Brüsseler Platz hält die Beklagte in sogenannten Einsatzdokumentationen fest. Dort dokumentiert sie jedenfalls für den Zeitraum zwischen dem 1. April und 31. Oktober eines Jahres u. a. für die Freitage, Samstage und Tage, auf die in NRW ein gesetzlicher Feiertag folgt, die eingehenden Beschwerden der Anwohner, besondere Vorkommnisse, die Besucherzahlen um 22 Uhr, 23 Uhr, 24 Uhr, 0:30 Uhr, 1 Uhr und 1:30 Uhr, die Wetterbedingungen, die Anzahl der eingesetzten Ordnungsdienstmitarbeiter und Vermittler sowie Art und Umfang der ordnungsbehördlichen Maßnahmen. Art und Umfang von Anwohnerbeschwerden sowie der daraufhin veranlassten ordnungsbehördlichen Maßnahmen hält sie auch in einem Anrufeinsatzerfassungssystem fest.
36Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei bereits deshalb unrichtig und aufzuheben, weil es von ihr Unmögliches verlange. Das Klageziel könne durch den vom Verwaltungsgericht in Betracht gezogenen Erlass einer Verordnung auf der Grundlage von § 5 LImSchG nicht erreicht werden. Die von ihr im Jahr 2011 veranlasste Nullmessung habe ergeben, dass der Brüsseler Platz schon ohne das Partygeschehen einem Dauerschallpegel von 53,8 dB(A) ausgesetzt sei. Der Erlass eines Verweilverbotes könne daher nicht dafür sorgen, dass die in der TA Lärm vorgesehenen, niedrigeren Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete bzw. Mischgebiete erreicht würden. Darüber hinaus fehle dem Tenor auch die für eine Vollstreckung notwendige hinreichende Bestimmtheit, weil nicht bestimmt werde, welcher Lärmwert an der Wohnung der Kläger nicht überschritten werden dürfe. Die Lärmrichtwerte der Freizeitlärmrichtlinie der Bund‑/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) gälten jedenfalls nicht für kommunikative Lärmentwicklungen durch Menschenansammlungen, die keinem Anlagenbetrieb zurechenbar seien. Unabhängig davon habe sie ‑ die Beklagte ‑ eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber getroffen, mit welchen Maßnahmen sie den Lärmbelastungen der Kläger begegnen wolle. Dies umfasse den Einsatz des Ordnungsdienstes an Tagen, an denen mit erhöhtem Besucheraufkommen zu rechnen sei. Darüber hinaus trage sie dafür Sorge, dass die Außengastronomie um 23:30 Uhr ende. Auf Grund der freiwilligen Vereinbarungen mit den Kioskbesitzern sei zudem der Verkauf von alkoholischen Getränken zeitlich begrenzt. Darüber hinaus habe sie den Anwohnern die Möglichkeit eingeräumt, sich unmittelbar mit Beschwerden an den Ordnungsdienst zu wenden. Ergänzt würden diese Maßnahmen durch die im Modus Vivendi vereinbarte Vorgehensweise. Zudem bestehe ein Anspruch auf Einschreiten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege des Erlasses eines Verweilverbotes auch deshalb nicht, weil es an der dafür erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null fehle. Eine solche könne nur dann angenommen werden, wenn der Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung zur Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Gesundheit der Anwohner rechtlich geboten sei bzw. wenn ohne den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung bzw. einer anderweitigen Maßnahme der Ordnungsbehörde die grundrechtliche Schutzpflicht auf Gewährleistung der Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt wäre. Insoweit bestehe jedoch nur ein Anspruch auf einen Schutz mit nicht völlig unzureichendem Charakter. Davon könne nicht ausgegangen werden, weil die bisher von ihr ergriffenen Maßnahmen jedenfalls nicht evident unzureichend seien, um den Schutz der Gesundheit der Kläger zu gewährleisten. Darüber hinaus bewirke nur eine erhebliche Gesundheitsgefährdung eine Ermessensreduzierung auf Null, was eine häufige erhebliche Überschreitung eines Dauerschallpegels voraussetze. Insoweit sei der Immissionsrichtwert anhand der Gesichtspunkte der Gesundheitsgefahr und der Sozialadäquanz zu bestimmen. Angesichts der Vorbelastung und der in Rede stehenden grundrechtlich geschützten kommunikativen Betätigung der Besucher des Platzes müsse der Richtwert oberhalb von 62 dB(A) liegen. Von einer regelmäßigen Richtwertüberschreitung könne nicht ausgegangen werden. Die im Februar 2022 und Juli 2022 bzw. Juni 2020 durchgeführten Messungen zeigten, dass die Lärmbelastung am Brüsseler Platz im Wesentlichen durch die Wetterlage bestimmt werde und eine erhebliche Lärmbelastung nicht dauerhaft, sondern nur an bestimmten Tagen, an denen in den Abend- und Nachtstunden „hohe Temperaturen“ herrschten, zu erwarten sei. Weiter liege die Entscheidung über den Vollzug eines Verweilverbotes sowohl in ihrem als auch im Ermessen der Polizei und müsse dem Umstand Rechnung tragen, dass die auf dem Platz Anwesenden von ihrem Grundrecht auf Kommunikation Gebrauch machten. Eine Verpflichtung zum Vollzug könne daher nur ausnahmsweise angenommen werden. Es sei auch nicht zu erwarten, dass allein der Erlass eines Verweilverbotes die Einsicht der auf dem Platz anwesenden Personen befördere, den Platz aus Gründen des Schutzes der Nachtruhe um 22 Uhr zu verlassen. Dies zeigten die Erfahrungen, die sie während der Corona-Pandemie gemacht habe, während der auf dem Platz ein Verweilverbot und ein Alkoholkonsum- und ‑verkaufsverbot auf der Grundlage der Allgemeinverfügung bestanden habe. Nach Räumung des Platzes habe sich die „Partyszene“ zudem auf andere Flächen verlagert. Ein Verweilverbot sei jedenfalls verfassungsrechtlich bedenklich, weil es die Grundrechte der Besucher aus Art. 11 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in einer mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Weise beeinträchtige. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen sei zu berücksichtigen, dass eine Gesundheitsgefährdung der Kläger durch die vom Brüsseler Platz ausgehenden Lärmauswirkungen nur an wenigen Tagen im Jahr erfolge, wohingegen ein Verweilverbot die Grundrechte der Besucher des Platzes (Art. 11 und 2 Abs. 1 GG) erheblich beschränke. In jedem Fall überdehne das Verwaltungsgericht den Schutzanspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, denn dieser gewähre lediglich einen Schutz der Gesundheit der Kläger, nicht hingegen die Wahrung etwaiger gesetzlicher Lärmwertgrenzen. Darüber hinaus fehle es für den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung auch an einem nach polizeirechtlichen Maßstäben erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Kommunikation der Besucher des Platzes und der vom Verwaltungsgericht angenommenen abstrakten Gefahr. Des Weiteren verstoße ein Verweilverbot nach § 5 LImSchG auch gegen § 24 Nr. 13 [gemeint ist: Nr. 12] OBG NRW i. V. m. § 34 Abs. 2 PolG NRW. Die bloße Kommunikation auch vieler Menschen auf dem Brüsseler Platz rechtfertige weder ein Einschreiten nach der Kölner Stadtordnung noch nach § 9 Abs. 1 LImSchG. Schließlich sei sie auch auf der Grundlage von § 22 BImSchG nicht verpflichtet, dem Anspruch der Kläger nachzukommen, weil es an dem dafür erforderlichen funktionalen Zusammenhang zwischen der Eröffnung des Gemeingebrauchs auf dem Brüsseler Platz und den durch Menschenansammlungen auf diesem Platz verursachten Lärmimmissionen fehle.
37Die Beklagte beantragt,
38das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Mai 2018 - 13 K 5410/15 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
39Nachdem die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ihren erstinstanzlich gestellten Antrag dahingehend präzisiert haben, dass dieser auf den Schutz vor nächtlichen Geräuscheinwirkungen, die nach der gebotenen Einzelfallwürdigung des Gerichts für sie unzumutbar sind, gerichtet ist, und sie dabei davon ausgehen, dass die Beklagte jedenfalls verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem und gesundheitsschädigendem Lärm, das heißt bei Beurteilungspegeln von über 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde, zu ergreifen, und darüber hinaus, ermessensfehlerfrei über weitere Maßnahmen bis zur Absenkung des Beurteilungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde zu entscheiden, beantragen sie,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Sie tragen vor: Die von der Beklagten bisher durchgeführten Maßnahmen hätten die Lärmsituation auf dem Brüsseler Platz nicht verbessert. Vielmehr seien diese in großen Teilen wirkungslos. Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes seien regelmäßig zu selten und in zu geringer Anzahl auf dem Brüsseler Platz, um effektiv gegen Störungen einschreiten zu können. Das Ordnungsamt sei entgegen seiner Zusicherung auch über die den Anwohnern mitgeteilte, spezielle Nummer telefonisch kaum zu erreichen. Das verwaltungsgerichtliche Urteil sei nicht zu beanstanden. Es verlange nicht Unmögliches von der Beklagten. Hinsichtlich der von dieser angenommenen Vorbelastung lasse diese die seit dem Ende des Jahres 2011 deutliche Reduzierung der Hintergrundbelastungen außer Betracht. Der Tenor sei auch hinreichend bestimmt. Der Beklagten stünden auch rechtliche Handhaben zur Verfügung, um die Lärmimmissionen zu reduzieren. Die wiederholten und regelmäßig auftretenden, über den Gemeingebrauch hinausgehenden Menschenansammlungen stellten sich als genehmigungspflichtige Sondernutzung dar. Darüber hinaus sei die Beklagte auch als Anlagenbetreiberin im Sinne des § 22 Abs. 1 BImSchG zu erachten. Im Übrigen werde auf die mit der Klagebegründung bereits geltend gemachte und für erforderlich gehaltene Rechtsfortbildung verwiesen. Die von der Beklagten bezweifelte Gesundheitsgefahr liege vor. Die Messungen der Geräuschimmissionen im Juni 2020, Februar 2022 und Juli 2022 belegten, dass der nächtliche Dauerschallpegel bei Weitem das zumutbare Maß an Lärmeinwirkungen überschreite. Diese konkrete Gefahrenlage für ihre Gesundheit bestehe bis heute fort. Die Ergebnisse der Messungen könnten auch nicht dahin interpretiert werden, dass die Lärmbelastung im Wesentlichen durch die Wetterlage geprägt werde. Der Vergleich der Messergebnisse aus Februar 2022 mit den Ergebnissen aus Juli 2022 zeige, dass die Ausweitung der Außengastronomie zu einer Verschärfung des Problems geführt habe. Angesichts der von ihnen belegten gesundheitsgefährdenden Situation habe sich das Ermessen der Beklagten zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet. Dem stünden auch die von der Beklagten geltend gemachten Grundrechtsbeeinträchtigungen der Besucher des Platzes nicht entgegen. Diese würden deutlich überzeichnet. Schließlich habe sich während der Corona-Pandemie bei Verstößen gegen das damals geltende Verweilverbot herausgestellt, dass der Platz relativ leicht habe geräumt werden können.
42In der mündlichen Verhandlung sind der von der Beklagten beauftragte Gutachter Dr. B. (W. GmbH) und Mitarbeiter des Ordnungsamts der Beklagten informatorisch befragt worden; auf das Terminsprotokoll wird Bezug genommen.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens 8 B 621/19 und die Gerichtsakten 13 K 3580/16, 13 K 3599/16 und 13 K 3601/16 (VG Köln) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
44E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
45Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
46Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (dazu A.) und begründet. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten gegen die vom Brüsseler Platz herrührenden nächtlichen Ruhestörungen zu (dazu B.).
47A. Die Klage ist zulässig.
48Sie ist als allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) statthaft, weil das Begehren der Kläger nicht allein auf den Erlass von Maßnahmen mit Regelungswirkung im Sinne des § 35 VwVfG NRW gerichtet ist, die mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu verfolgen wären, sondern darauf, die Beklagte zum Einschreiten gegen die Ruhestörungen mit Mitteln ihrer Wahl - ungeachtet deren Rechtsqualität - zu verurteilen.
49Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 25. Juli 2022 - 6 B 16/22 -, juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3. August 2023 - 1 S 1718/22 -, juris Rn. 64.
50Mit der allgemeinen Leistungsklage kann wegen der ansonsten bestehenden Rechtsschutzlücke entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch das von den Klägern zum Teil begehrte Bescheidungsurteil beantragt werden.
51Vgl. Thür. OVG, Urteil vom 10. Juli 2015 - 3 KO 565/13 -, juris Rn. 119; OVG Bremen, Urteil vom 13. Dezember 2022 - 1 LC 64/22 -, juris Rn. 55; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3. August 2023 - 1 S 1718/22 -, juris Rn. 64; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2023, § 113 Rn. 196.
52Den Klägern steht die nach § 42 Abs. 2 Hs. 2 VwGO analog erforderliche,
53vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 -, juris Rn. 18,
54Klagebefugnis zu. Sie fehlt nur dann, wenn die geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder den Klägern zustehen kann.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2019 - 7 C 2.18 -, juris Rn. 15.
56Das ist hier nicht der Fall. Es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass den Klägern eine subjektive Rechtsposition auf den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Einschreiten der Beklagten gegen die vom Brüsseler Platz ausgehenden nächtlichen Ruhestörungen oder jedenfalls eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber zusteht. Unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens, durch die von der Menschenansammlung auf dem Brüsseler Platz verursachten Geräusche in erheblicher Weise in ihrer Nachtruhe gestört zu sein, sowie der durch die Messungen der W. GmbH in den Jahren 2020 und 2022 erfassten Geräuschimmissionen zur Nachtzeit an der Wohnung (Balkon/Loggia) der Kläger zu 1. und 2. erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich die Kläger auf einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch wegen der Beeinträchtigung durch schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG berufen können. Auch kann den Klägern ein Anspruch unmittelbar aus dem Grundrecht auf Schutz der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG zustehen.
57Der Antrag der Kläger genügt jedenfalls unter Berücksichtigung der in der Berufungsverhandlung erfolgten Präzisierung auch den Anforderungen, die nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO an dessen hinreichende Bestimmtheit zu stellen sind. Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 -, juris Rn. 54.
59Hiernach entspricht die Antragstellung dem Bestimmtheitserfordernis, soweit die Kläger von der Beklagten begehren, „Maßnahmen“ zu ihrem Schutz zu ergreifen. Die Kläger mussten nicht im Klageantrag konkrete Maßnahmen anführen, mit denen die Beklagte den angestrebten Erfolg zu erreichen hat. Denn diese Formulierung des Antrages trägt dem der Beklagten im Rahmen des Anspruchs auf ordnungsbehördliches Einschreiten zustehenden Handlungsauswahlermessen Rechnung.
60Vgl. für die planerische Gestaltungsfreiheit BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 -, juris Rn. 55; Hamb. OVG, Urteil vom 18. September 2019 - 1 E 18/18 -, juris Rn. 60; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3. August 2023 - 1 S 1718/22 -, juris Rn. 60.
61Nachdem die Kläger ihren erstinstanzlich gestellten Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in zulässiger Weise,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1998 - 11 A 44.97 -, juris Rn. 34,
63dahingehend präzisiert haben, dass ihre Klage auf den Schutz vor solchen nächtlichen Geräuscheinwirkungen gerichtet ist, die nach der gebotenen Einzelfallwürdigung des Gerichts für sie unzumutbar sind, wobei sie davon ausgehen, dass die Beklagte jedenfalls verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem und gesundheitsschädigendem Lärm, das heißt Beurteilungspegel von über 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde, zu ergreifen, und darüber hinaus, ermessensfehlerfrei über weitere Maßnahmen bis zur Absenkung des Beurteilungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde zu entscheiden, ist dieser Antrag auch hinsichtlich des von den Klägern mit dem beantragten Einschreiten angestrebten Erfolges hinreichend bestimmt.
64Soweit in Nr. 1 des Modus Vivendi zum Thema Lärm ein Klageverzicht oder ein Verzicht auf den materiellen Anspruch auf Einschreiten gegen nächtlichen Lärm in der Zeit von 22 Uhr bis 24 Uhr zu sehen sein könnte,
65vgl. aber zu den strengen Voraussetzungen eines Klageverzichts BVerwG, Urteile vom 28. April 1978 - 7 C 50.75 -, juris Rn. 13, und vom 27. Februar 2002 - 8 C 20.01 -, juris Rn. 17,
66steht dieser einer Klage der Kläger nicht entgegen. Denn diese waren an der güterichterlichen Vereinbarung aus dem Jahr 2013 nicht unmittelbar beteiligt, sodass ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen sein kann.
67Ungeachtet dessen wäre die Klage auch dann zulässig, wenn man das Schreiben der Beklagten vom 19. Mai 2015 als ablehnende Entscheidung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW über einen von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Einschreiten erachtete. In diesem Fall wäre die Klage als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 und 2 VwGO bedürfte es nach § 110 Abs. 1 Satz 2 JustG NRW nicht. Auch wäre die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 und 2 VwGO gewahrt, weil mangels Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Jahresfrist gilt und die Kläger die Klage innerhalb dieser Frist erhoben haben.
68B. Die Klage ist auch begründet. Den Klägern steht ein Anspruch auf Einschreiten gegen Ruhestörungen zu, soweit in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr an ihren Wohnungen in der lautesten Nachtstunde 60 dB(A) überschritten werden. Darüber hinaus ist die Beklagte verpflichtet, nötigenfalls - wenn die zur Erfüllung der vorstehenden Verpflichtung ergriffenen Maßnahmen dazu nicht ohnehin schon ausreichen - ermessensfehlerfrei über weitere lärmschützende Maßnahmen bis zur Absenkung des Mittelungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
69Dabei ist vorab festzuhalten, dass eine Duldungspflicht der Kläger in Bezug auf den vom Partygeschehen auf dem Brüsseler Platz ausgehenden Lärm in Ermangelung einer ihnen gegenüber bestandskräftigen Genehmigung oder einer sie bindenden Wirkung des sog. Modus Vivendi im Jahr 2013 nicht besteht, weil sie an dessen Zustandekommen nicht beteiligt waren.
70Der geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten gegen die nächtlichen Lärmbeeinträchtigungen ergibt sich - jeweils selbstständig tragend - aus dem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch (dazu I.) und aus der grundrechtlichen Schutzverpflichtung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG (dazu II.). Die Entscheidung der Beklagten, von einem über den bisherigen Umfang hinausgehenden Einschreiten zum Schutz der Gesundheit bzw. des Eigentums der Kläger abzusehen, erweist sich als ermessensfehlerhaft (dazu III.). Die Kläger haben einen Anspruch auf Einschreiten der Beklagten, soweit durch die Geräuschimmissionen die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde überschritten ist (dazu IV.). Im Übrigen ist die Beklagte verpflichtet, ermessensfehlerfrei über weitere Maßnahmen bis zur Absenkung des Mittelungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (dazu V.).
71I. Die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs liegen vor.
72Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Nachbar einer von der öffentlichen Hand schlicht-hoheitlich betriebenen Anlage einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass erhebliche Lärmbelästigungen aus dem Betrieb der Anlage unterbleiben oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Der Anspruch, der sich aus einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB oder aufgrund eines grundrechtlichen Anspruchs aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder einem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch ergibt,
73vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 - 7 C 33.87 -, juris Rn. 12 ff., und vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, juris Rn. 17,
74gewährt - unabhängig von seiner Ableitung - Schutz vor Lärmbelästigungen, die nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG unzumutbar sind.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, juris Rn. 17.
76Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen, nämlich hier Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und, soweit das nicht der Fall ist, auf ein Mindestmaß zu beschränken.
77Zuzurechnen sind dem Betreiber einer Anlage jedoch nur solche Auswirkungen der Anlage, die durch ihren bestimmungsgemäßen Betrieb hervorgerufen werden. Bei missbräuchlichen Nutzungen braucht sich der Anlagenbetreiber die Immissionen grundsätzlich nicht zurechnen zu lassen, es sei denn, er hat durch die konkrete Lage und Gestaltung der Einrichtung einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen und diesem Anreiz nicht in angemessener und zumutbarer Weise entgegengewirkt. Für eine solche Zurechnung reicht es nicht aus, dass eine Anlage generell geeignet ist, missbräuchlich genutzt zu werden. Vielmehr muss in dem bestimmungswidrigen Verhalten eine mit der Einrichtung geschaffene besondere Gefahrenlage zum Ausdruck kommen und der Fehlgebrauch sich damit bei wertender Betrachtungsweise als Folge der konkreten Standortentscheidung bzw. als Folge des Betriebs der Einrichtung erweisen sowie über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausgehen.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1989 - 4 B 26.89 -, juris Rn. 3 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. August 2022 - 8 A 3753/18 -, juris Rn. 10 ff., und vom 22. Februar 2018 - 10 A 2558/16 -, juris Rn. 9 f.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24. Oktober 2012 - 8 A 10301/12 -, juris Rn. 29, jeweils m. w. N.
79Diese Voraussetzungen liegen vor, weil der Brüsseler Platz als eine durch die Beklagte schlicht-hoheitlich betriebene Anlage zu erachten ist (dazu 1.), von der schädliche Umwelteinwirkungen für die Kläger ausgehen (dazu 2.), die der Beklagten auch zuzurechnen sind (dazu 3.).
801. Der Brüsseler Platz ist eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, wonach Anlagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes u. a. Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen sind. Der Brüsseler Platz ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles eine sonstige ortsfeste Einrichtung der Beklagten.
81Die Einrichtung als Oberbegriff, der auch die Betriebsstätte umfasst, ist wie bereits der Begriff der Anlage als solcher weit auszulegen. Unter den Begriff der sonstigen Einrichtungen fallen solche, die nicht unmittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen ortsfesten Einrichtungen der Ausübung eines Betriebes dienen. Ein Gebäude ist hierfür nicht zwingend erforderlich; sie umfassen vielmehr von Menschen für eine bestimmte Nutzung geschaffene Gegenstände. In Abgrenzung zum Grundstück im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG, das für emissionsträchtige Arbeiten benutzt wird und das „keine besonderen Einrichtungen“ aufweist, muss ein Grundstück, um die Voraussetzungen einer sonstigen ortsfesten Einrichtung im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG zu erfüllen, mit baulichen oder technischen Elementen oder auf sonstige Weise verändert werden, sodass es sich für eine Nutzung mit immissionsschutzrechtlicher Relevanz eignet.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2018 - 7 C 7.17 -, juris Rn. 14, m. w. N.
83Nach diesen Maßstäben ist der Brüsseler Platz während seiner Nutzung als Partyzone eine sonstige ortsfeste Einrichtung und unterliegt deshalb trotz seiner Widmung als öffentliche Verkehrsfläche nicht dem verkehrsbezogenen, sondern dem anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht. Er stellt sich angesichts seiner baulichen Elemente in Verbindung mit der seit mehr als einem Jahrzehnt etablierten und von der Beklagten nicht nur hingenommenen, sondern wohlwollend begleiteten Nutzung als ein zum Verweilen in besonderer Weise gestalteter öffentlicher Straßenraum dar, der sich für eine Nutzung mit immissionsschutzrechtlicher Relevanz eignet. Dies ergibt sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung verschiedener Aspekte: Der Brüsseler Platz weist durch die parkähnliche Gestaltung mit Sitzgelegenheiten sowie der vorhandenen Toilettenanlage die erforderlichen baulichen Elemente auf, die zum Verweilen auf dem Platz einladen. Dazu trägt auch die regelmäßige aufwändige Reinigung des Platzes durch die Beklagte bei, die die Aufenthaltsqualität auf dem Platz aufrechterhält. Der Anlagenbezug wird darüber hinaus dadurch hergestellt, dass sich der Platz, für den die Beklagte als Eigentümerin und zuständige Straßenbaubehörde (vgl. § 47 Abs. 1 StrWG NRW) die Verantwortung trägt, seit dem Jahr 2005 zu einem Ort für eine Freiluftparty entwickelt und sich nunmehr jedenfalls in der wärmeren Jahreshälfte - vergleichbar einem gemeindlichen Festplatz - als solcher etabliert hat.
84Für diese Veränderung des Platzes gegenüber seiner Widmung als „bloßes“ Straßenland, mit der Folge, dass er sich zu einer etablierten Nutzung mit der hier in Rede stehenden immissionsschutzrechtlichen Relevanz entwickelt hat, trägt die Beklagte eine wesentliche Mitverantwortung, weil sie gegen diese Entwicklung ‑ trotz bestehender Möglichkeiten ‑ seit mehr als einem Jahrzehnt nicht in einer Weise einschreitet, dass der Eindruck gewonnen werden könnte, sie wolle mit der dafür erforderlichen Ernsthaftigkeit der auf dem Platz etablierten nächtlichen Partyszene Einhalt gebieten oder die Nutzung ernstlich zeitlich begrenzen.
85Vielmehr bewirbt sie - oder hat dies jedenfalls bislang getan - den Platz ebenso wie das Belgische Viertel aktiv auf ihren verschiedenen Internetpräsenzen. Auf ihrer Webseite, „www.stadt-koeln.de“, finden sich folgende Ausführungen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren:
86„Der Brüsseler Platz im Belgischen Viertel Kölns ist weit über die Kölner Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden, ein lauschiger Platz zum Verweilen, ein Stück Kultur und mitten in der Innenstadt eine Oase mit mediterranem Flair. Dadurch hat sich auf dem Platz ein Szenetreffpunkt entwickelt. Vor allem bei schönem Wetter treffen sich auf dem Brüsseler Platz regelmäßig mehrere hundert Menschen bis tief in die Nacht, um dort ihren Feierabend zu verbringen. Freizeit im Freien, das ist ein Trend, der in vielen Städten zu beobachten ist.
87Ein Trend, der auch negative Seiten hat: Der Charme des Brüsseler Platzes führt zu Müll und Verunreinigung, Scherben, Lärm bis Mitternacht.“
88Auf der Webseite www.koelntourismus.de, die von der V. GmbH betrieben wird, einer Gesellschaft, die dadurch entstanden ist, dass die Stadt Köln ihre eigenbetriebsähnliche Einrichtung „V.“ auf die Gesellschaft ausgegliedert hat, und die sich auf ihrer Webseite als „offizielle Tourismusorganisation der Stadt Köln“ bezeichnet, finden sich zum Belgischen Viertel folgende Ausführungen:
89„Veedel im Herzen der Stadt: beliebt & angesagt
90Wo in Köln ist das Leben rundum am schönsten? In puncto Ausgehqualität, Restaurantdichte und Sicherheit kürte die Szenezeitschrift Prinz das Belgische Viertel schon vor mehr als 10 Jahren zum lebenswertesten Stadtteil Kölns. Seitdem ist an diesem Herzstück Kölns alles so schön geblieben wie es war.
91Das malerische Viertel gilt als junges, hippes und kreatives Veedel für alle – sieht man von den hohen Mietpreisen der herrlichen Jugendstilaltbauten einmal ab. Aber du musst ja nicht gleich dort eine Wohnung mieten.
92Shopping in Designerläden, viel Gastronomie und Nachtleben
93Das Belgische Viertel wartet mit einer Vielfalt an Cafés und Restaurants auf – von der Curry-Wurst bis zum Gourmet-Tempel ist für jeden Geschmack etwas dabei. Einen Einblick in das Nachtleben bieten die beliebten Clubs und Bars im Veedel. Auch Latenight-Shopping ist möglich – vielleicht mit einem Getränk vom berühmten CX. in der Hand.“
94Diese Darstellung der Beklagten bzw. die ihr zuzurechnende Darstellung suggeriert, dass das Belgische Viertel und im Speziellen der Brüsseler Platz ein Ort ist, den es geradezu lohnt, aufzusuchen, um seine Freizeit dort zu verbringen, und zwar auch bis tief in die Nacht hinein. Dass das Belgische Viertel nicht nur ein Ausgehviertel ist, was man nach den eben genannten Ausführungen der Beklagten hingegen vermuten muss, sondern auch ein Wohnviertel, findet - wenn überhaupt - nur am Rande Erwähnung. Soweit die Beklagte auf ihrer Webseite auf die Lärmproblematik verweist, wird weder ein konkreter Bezug zur Belastung der Anwohner hergestellt noch deren Recht auf Nachtruhe - etwa nach § 9 LImSchG oder den §§ 8 und 9 Kölner Stadtordnung (KSO) - thematisiert. Die Lärmproblematik wird bei den von der Beklagten ausgemachten „negativen Seiten“ des Trends gerade einmal an dritter Stelle genannt. Weitere Informationen, zum Beispiel zum Modus Vivendi, finden sich erst im weiteren Verlauf der Darstellung. Dass die Beklagte im Rahmen des Modus Vivendi die Verpflichtung eingegangen ist, den Platz an Freitagen und Samstagen sowie an Tagen, auf denen ein gesetzlicher Feiertag in Nordrhein-Westfalen folgt, bis 24 Uhr zu räumen, lässt sich nur durch den aktiven Aufruf der Informationen über den Modus Vivendi in Erfahrung bringen. Der übrige Auftritt der Beklagten im Internet lässt solches hingegen nicht ansatzweise vermuten.
95Insbesondere durch ihr übriges Verhalten vor Ort - auch wenn sich die Beklagte dabei darauf beruft, den Modus Vivendi umzusetzen - hat sie auf dem Brüsseler Platz nach und nach einen Rahmen geschaffen, der die Partyszene zum Verweilen einlädt. Dies ergibt sich aus zahlreichen Besonderheiten des Einzelfalls: Seit dem Jahr 2015 setzt die Beklagte zwischen Ende März/Anfang April und Ende Oktober an den Wochenenden und an Abenden vor einem gesetzlichen Feiertag jeweils zwischen 21:30 Uhr und 1:30 Uhr einen privaten Sicherheitsdienst ein, dem die Aufgabe zugedacht ist, auf ein Verlassen des Platzes bis um 24 Uhr hinzuwirken. Dessen Mitarbeiter tragen - nach den Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung - grüne Westen mit der Aufschrift „Vermittler“.
96Vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 2 und 4.
97Demgegenüber nimmt der Ordnungsdienst der Beklagten solche Ansprachen der Besucher des Platzes nicht mehr vor.
98Vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 2.
99Hintergrund dieser Verlagerung der Aufgabe auf den privaten Sicherheitsdienst ist, dass - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes nicht mehr mit dem zunehmend aggressiven Verhalten der Besucher des Platzes belastet werden sollten.
100Dem Ordnungsdienst obliegt bei seinen Einsätzen nunmehr allein, Ruhestörungen durch lautes Grölen und Johlen, Straßenmusik mit Verstärkern und Straßenmusik zu unzulässigen Zeiten, aber auch unzulässige Verunreinigen zu ahnden. Außerdem kontrolliert er, ob gastronomische Lokale ab 22 Uhr Türen und Fenster geschlossen halten, sowie, ob die Außengastronomie sich auf die genehmigten Flächen beschränkt und um 23:30 Uhr schließt.
101Vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 3.
102Diese Maßnahmen der Beklagten erwecken den Eindruck, sie begleite das Partygeschehen auf dem Platz jedenfalls insoweit wohlwollend, als keine Ordnungswidrigkeiten begangen werden, die klar einzelnen Personen zurechenbar sind, ohne dieses jedoch nachhaltig stören oder beenden zu wollen. Dazu trägt auch bei, dass sie solche Ordnungswidrigkeiten nur in sehr eingeschränktem Umfang ahndet. Die Vermittler, die an sich die Räumung des Platzes bis 24 Uhr bewirken sollen, verfügen über keinerlei Hoheitsbefugnisse, was angesichts des Aufdrucks auf ihren Westen auch für jedermann erkennbar ist. Aufgrund der Bezeichnung als „Vermittler“ genießen sie nicht einmal die Autorität von bei sonstigen Großveranstaltungen eingesetzten „Ordnern“. Ihre Anwesenheit wirkt daher weder darauf hin, dass die Besucher den Platz verlassen, weil sie repressive Maßnahmen befürchten, noch stehen den Vermittlern Mittel zur Verfügung, um die Räumung des Platzes zu vollziehen. Da der Ordnungsdienst Ansprachen zum Verlassen des Platzes nicht mehr vornimmt, beruht die Räumung des Platzes bis 24 Uhr letztlich auf der Freiwilligkeit der - auch aus Sicht der Beklagten zum Teil wenig kooperativen und angesichts des Alkoholkonsums auch aggressiven - Besucher. Soweit der Ordnungsdienst, der als solcher durch seine mit Leuchtstreifen versehenen Westen erkennbar ist, im Übrigen auf dem Platz tätig ist, führt bereits die geringe Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter dazu, dass das beabsichtigte Ahnden u. a. von Ruhestörungen weitgehend vom Zufall abhängig sein dürfte. Bei - nach Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung - regelmäßig nur noch zwei eingesetzten Mitarbeitern ist in Anbetracht der Größe des Platzes und der Zahl der Besucher die Wahrscheinlichkeit, Rechtsverstöße effektiv registrieren und ahnden zu können, mehr als gering. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Betroffenen auch noch den Schutz der Dunkelheit und der Menge genießen. Dass es tatsächlich häufig zu Ruhestörungen insbesondere durch lautes Grölen und Johlen kommt, die auch nach Einschätzung der Beklagten gegen § 8 KSO, wonach im Geltungsbereich der Verordnung übermäßiges und vermeidbares Erzeugen von Lärm, welcher geeignet ist, die Allgemeinheit, die Nachbarschaft oder Einzelne zu belästigen oder zu stören, untersagt ist, verstoßen und sich deutlich von den sonstigen Kommunikationsgeräuschen abheben, ist durch die vorliegenden Lärmmessungen der W. GmbH belegt und ergibt sich sowohl aus den jeweiligen textlichen Ausführungen der Gutachten als auch aus den vom Gutachter mit Blick auf die Impulshaltigkeit der Geräusche vergebenen Zuschlägen.
103Spätestens ab 1:30 Uhr sind weder die Vermittler noch der Ordnungsdienst im Einsatz, obwohl der Platz dann regelmäßig weiterhin nicht unerheblich besucht ist. So lassen sich der Einsatzdokumentation der Beklagten aus dem Jahr 2023 folgende Besucherzahlen jeweils um 1:30 Uhr entnehmen: Freitag, 5. Mai: 30; Samstag, 6. Mai: 25; Freitag, 12. Mai: 90; Samstag, 13. Mai: 85; Mittwoch, 17. Mai: 30; Freitag, 19. Mai: 25; Samstag, 20. Mai: 25; Freitag, 26. Mai: 60; Samstag, 27. Mai: 110; Freitag, 2. Juni: 80; Samstag, 3. Juni: 30; Mittwoch, 7. Juni: 30; Freitag, 9. Juni: 50; Samstag, 10. Juni: 70; Freitag, 16. Juni: 55; Samstag, 17. Juni: 50; Freitag, 23. Juni: 70; Samstag, 24. Juni: 40; Freitag, 7. Juli: 35; Samstag, 8. Juli: 50; Freitag, 14. Juli: 120; Samstag, 15. Juli: 50; Freitag, 21. Juli: 50; Samstag, 22. Juli: 40; Freitag, 25. August: 50; Freitag, 1. September: 30; Samstag, 2. September: 30. Auch bei solchen vermeintlich niedrigen Besucherzahlen entstehen, wie sich beispielsweise aus dem Messergebnis von 56,6 dB(A) als Mittelungspegel zwischen 1 und 2 Uhr am Morgen des 30. Juli 2022 bei 30 bis 50 Besuchern des Platzes ergibt, noch Lärmimmissionen, die mit Blick auf den angestrebten Schutz der Nachtruhe keinesfalls zu vernachlässigen sind.
104Des Weiteren haben die von der Beklagten ergriffenen sonstigen Maßnahmen nicht dazu geführt, dass die Aufenthaltsqualität auf dem Platz und dessen Attraktivität für nächtliche Partys abgenommen hätten. Zwar hat die Beklagte - etwa durch die Beseitigung der südlich der Kirche St. Michael befindlichen Tischtennisplatten und einiger Spieltische sowie die Änderung der Bepflanzung der Hochbeete - die Anzahl der Sitzgelegenheiten auf den Platz reduziert. Die Sitzgelegenheiten machen jedoch ersichtlich nicht die wesentliche Anziehungskraft des Platzes aus. Diese liegt vielmehr darin, Teil des von der Beklagten über Jahre hinweg hingenommenen und als solcher von ihr auch beworbenen „Trends“ zu sein, seine Freizeit auf dem Platz zu verbringen, und zwar ausweislich der dem Gericht vorliegenden Fotos überwiegend im Rahmen einer großen „Stehparty“. Auch führt die Errichtung der Toilettenanlage nicht nur dazu, dass die Belastung der Anwohner mit Verunreinigungen reduziert wird. Sie ist letztlich - ebenso wie die in unmittelbarer Umgebung des Platzes gelegenen Alkoholverkaufsstätten,
105vgl. zu dem an eine solche „Trinkhalle“ gerichteten Verbot, zwischen 23:30 Uhr und 6:00 Uhr Flaschenbier an jedermann über die Straße abzugeben, OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2016 - 4 A 17/14 -, juris Rn. 32 ‑,
106Teil der von der Beklagten geschaffenen bzw. geduldeten Infrastruktur, die einen möglichst langen Aufenthalt auf dem Platz ermöglicht.
107Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Reinigung des Platzes um Mitternacht beim überwiegenden Teil der Besucher zu einer Aufbruchsstimmung führt. Die Einsatzdokumentation der Beklagten aus dem Jahr 2023 zeigt bei einem Vergleich der Besucherzahlen um 24 Uhr und 0:30 Uhr vielmehr, dass vielfach ein erheblicher Teil der Besucher auch nach der Reinigung auf dem Platz verbleibt: Freitag, 12. Mai: 24 Uhr: 160 – 0:30 Uhr: 120; Samstag, 13. Mai: 24 Uhr: 220 – 0:30 Uhr: 170; Mittwoch, 17. Mai: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 70; Freitag, 19. Mai: 24 Uhr: 75 – 0:30 Uhr: 50; Samstag, 20. Mai: 24 Uhr: 70 – 0:30 Uhr: 40; Freitag, 26. Mai: 24 Uhr: 140 – 0:30 Uhr: 90; Samstag, 27. Mai: 24 Uhr: 160 – 0:30 Uhr: 120; Freitag, 2. Juni: 24 Uhr: 170 – 0:30 Uhr: 130; Samstag, 3. Juni: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 60; Freitag, 9. Juni: 24 Uhr: 200 – 0:30 Uhr: 150; Samstag, 10. Juni: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 70; Freitag, 16. Juni: 24 Uhr: 170 – 0:30 Uhr: 160; Samstag, 17. Juni: 24 Uhr: 200 – 0:30 Uhr: 160; Freitag, 23. Juni: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 70; Samstag, 24. Juni: 24 Uhr: 80 – 0:30 Uhr: 40; Freitag, 7. Juli: 24 Uhr: 150 – 0:30 Uhr: 100; Samstag, 8. Juli: 24 Uhr: 300 – 0:30 Uhr: 200; Freitag, 14. Juli: 24 Uhr: 250 – 0:30 Uhr: 150; Samstag, 15. Juli: 24 Uhr: 200 – 0:30 Uhr: 100; Freitag, 21. Juli: 24 Uhr: 120 – 0:30 Uhr: 140; Samstag, 22. Juli: 24 Uhr: 80 – 0:30 Uhr: 100; Samstag, 12. August: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 50; Freitag, 18. August: 24 Uhr: 200 – 0:30 Uhr: 100; Samstag, 19. August: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 60; Freitag, 25. August: 24 Uhr: 100 – 0:30 Uhr: 50; Samstag, 26. August: 24 Uhr: 200 – 0:30 Uhr: 100; Samstag, 2. September: 24 Uhr: 250 – 0:30 Uhr: 75.
108Bei diesem Gesamtbild vermittelt auch der auf dem Brüsseler Platz in Umsetzung der Mediationsvereinbarung verteilte, nach Art eines Comics gestaltete Flyer, der eine weibliche Person im Nachthemd unter den Wörtern „Paff“, „Bäng“, „Klirr“, „Gröl“, „Klong“, „Riiing“ und „Bumm Bumm“ mit dem Zusatz zeigt, „Lasst uns schlafen. Ab 22 Uhr mehr Rücksicht am Brüsseler Platz!“, nicht den Eindruck, die Beklagte wolle in ernsthafter Weise gegen das Partygeschehen einschreiten. Vielmehr geht sie seit dem Jahre 2014 selbst davon aus, dass ein permanentes Verteilen der Flyer nicht sinnvoll sei, weil diese „dann meist ignoriert und achtlos auf den Boden geworfen“ würden (so die Publikationen der Beklagten „Brüsseler Platz, Kennzahlen 2014, Planung 2015“, S. 22, und „Brüsseler Platz, Das Jahr 2015“, S. 12).
109Nichts anderes folgt mit Blick auf den Text auf der Rückseite des Flyers:
110„Liebe Besucherinnen und Besucher des Brüsseler Platzes,
111unter dem Dach des Verwaltungsgerichtes Köln wurden am 23.8.2013 mit Anwohnern, Gastronomen, der Betreiberin des Kioskes, Querbeet, der Kirche St. Michael, der Polizei Köln, den Abfallwirtschaftsbetrieben und der Stadt Köln als Abschluss eines güterichterlichen Verfahrens Regelungen für ein Miteinander am Brüsseler Platz vereinbart.
112Helfen Sie mit, dass folgende darin festgelegte Verhaltensregeln eingehalten werden und am Brüsseler Platz ein modus vivendi für alle Beteiligten entsteht:
1131. Halten Sie die gesetzliche Nachtruhe ab 22 Uhr ein!
1142. Verlassen Sie den Brüsseler Platz bis spätestens 24 Uhr!
1153. Bringen Sie die Flaschen an den Kiosk zurück oder entsorgen Sie diese in Flaschencontainer, big bags oder andere dafür vorgesehene Abfallbehälter!
1164. Hinterlassen Sie keinen Müll und Dreck, sondern entsorgen Sie diesen in dafür vorgesehene Abfallbehälter!
1175. Wildpinkeln, Lärmen und Verschmutzen sind – wie stets – untersagt und werden mit Verwarnungs- oder Bußgeldern durch den städtischen Ordnungsdienst konsequent geahndet.“
118Dieser Text mag zwar darauf hindeuten, dass sich die Beklagte von den Auswüchsen des nächtlichen Partygeschehens auf dem Platz distanzieren möchte. Der bloße Hinweis auf eine konsequente Ahndung ordnungswidrigen Verhaltens ist jedoch dann zur Umsetzung der auch im Modus Vivendi vereinbarten Maßnahmen ersichtlich ungeeignet, wenn - wie hier für jeden Besucher des Platzes leicht erkennbar - dieser Ankündigung tatsächlich kein solches Vorgehen des Ordnungsdienstes folgt.
119Schließlich steht dieser Einordnung des Platzes als Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG auch nicht der in § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG geregelte Ausschluss öffentlicher Verkehrswege aus dem Anlagenbegriff entgegen. Öffentliche Verkehrswege dienen dem Transport bzw. der Fortbewegung von Menschen und Gütern.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1977 - 1 C 21.75 -, juris Rn. 50.
121Von dem Begriff des Verkehrsweges werden daher nur die typischen verkehrsbedingten Immissionen des jeweiligen Verkehrssystems Straße bzw. Schiene erfasst.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2018 - 7 C 7.17 -, juris Rn. 20.
123Solche, mit dem Fahrbetrieb auf dem Brüsseler Platz bzw. der Brüsseler Straße verbundenen, von Fahrzeugen ausgehende Immissionen stehen hier jedoch nicht in Rede. Auch wenn man Geräusche, die typischerweise mit Fußgängerverkehr auf einem Fußweg oder Platz verbunden sind (insbesondere durch menschliche Kommunikation), zu den typischen verkehrsbedingten Immissionen solcher öffentlichen Verkehrsflächen zählte,
124vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 8 CE 21.1102 -, juris Rn. 30, m. w. N.,
125wären die Geräuschimmissionen, um die es hier geht, davon nicht erfasst. Denn sie übersteigen den Geräuschpegel, der üblicherweise mit einem innerstädtischen, für den Fußgängerverkehr vorgesehenen Platz verbunden ist, sowohl hinsichtlich der Höhe der Lautstärke als auch in Bezug auf ihren zeitlichen Umfang erheblich.
126Vgl. zur rechtlichen Bewertung verschiedener Nutzungen einer Anlage Bay. VGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 - 22 B 16.976 -, juris Rn. 27 ff.
127Ausgehend davon, dass es sich bei dem Brüsseler Platz, soweit er als Partytreff genutzt wird, um eine Anlage i. S. d. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG handelt, ist der von den Besuchern dieser Anlage in Zusammenhang mit dieser Nutzung ausgehende Lärm, wenngleich von Menschen ausgehend, „betriebsbedingt“ und daher der Anlage zuzurechnen, mithin an den anlagenbezogenen Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu messen.
128Vgl. hierzu Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmmissionsschutzrecht, 66. Update (227. AL)/Juni 2023, Vorbemerkung vor §§ 22-25a BImSchG Rn. 23.
1292. Die Kläger sind den vom Brüsseler Platz ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BImSchG ausgesetzt, die ihnen nicht zumutbar sind.
130Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG).
131Wo die Grenze der erheblichen Belästigung liegt, hängt demnach allein von den vom Senat als Tatsachengericht zu würdigenden Umständen ab. Soweit es um Lärmeinwirkungen geht, kommt es darauf an, ob diese - bezogen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten - das zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. Dabei zu berücksichtigen sind die Lärmart und die Intensität der Geräusche, die - wo dies angezeigt ist - nach dem einschlägigen technischen Regelwerk ermittelt werden kann, und weiter die gegebene Situation, in der Lärmquelle und Immissionsort sich befinden. So kann dem Umstand Bedeutung zukommen, dass Geräusche zur Nachtzeit in besonderem Maße als störend empfunden werden. Solange für die Ermittlung und Bewertung der auf Wohngrundstücke einwirkenden Geräusche rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren sowie Lärmwerte vorgegeben sind, bleibt es der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. In diesem Zusammenhang können als Orientierungshilfe zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auch technische Regelwerke herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern.
132Vgl. zu diesen Maßstäben: BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, juris Rn. 28, m. w. N., und Beschluss vom 6. August 2018 ‑ 7 B 4.18 ‑, juris Rn. 4.
133Bei der Frage der Zumutbarkeit sind auch wertende Gesichtspunkte wie Sozialadäquanz und Akzeptanz der Geräusche heranzuziehen. Der Begriff der Sozialadäquanz dient dabei als Differenzierungsmerkmal, das es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ermöglicht, der jeweiligen Art der Störung Rechnung zu tragen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich der Grad der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit nicht losgelöst von allgemeinen Wertungen, die in rechtserheblichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben, abstrakt festlegen und an einem starren Lärmwert ablesen lässt. Der Begriff dient zur Beschreibung von Verhaltensweisen oder Zuständen, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, jedoch von der Bevölkerung insgesamt hingenommen werden, weil sich die Verhaltensweisen oder Zustände noch in den Grenzen des als sozial Üblichen und Tolerierbaren halten.
134Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2003 - 6 B 12.03 ‑, juris Rn. 14.
135Ungeachtet der Besonderheiten, die bei der Bewertung der Zumutbarkeit des durch menschliche Kommunikation verursachten Lärms bestehen und die dazu führen, dass sich die von ihnen verursachten Geräuschimmissionen einer schematischen Betrachtung allein anhand von Immissionsrichtwerten entziehen, sondern vielmehr eine situationsbezogene Abwägung der Umstände des Einzelfalls erfordern,
136vgl. exemplarisch OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2015 - 4 B 652/15 -, juris Rn. 35 ff., m. w. N.,
137können nach diesen Maßstäben für die Beurteilung der streitbefangenen Geräuschimmissionen im Ausgangspunkt die Immissionsrichtwerte herangezogen werden, die für Freiluftgaststätten gelten. Denn die streitbefangenen Geräuschimmissionen gehen zum einen tatsächlich von den am Brüsseler Platz angesiedelten außengastronomischen Angeboten aus und zum anderen weisen sie - soweit der übrige Teil des Platzes zu betrachten ist - dieselben Lärmcharakteristika (v. a. Unterhaltungen, Lachen, Rufen, Flaschenklirren) auf. Der maßgebliche Immissionsrichtwert kann daher im Ausgangspunkt auf der Grundlage des Runderlasses Freizeitlärm,
138Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen, Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-5 - 8827.5 - vom 23. Oktober 2006 (MBl. NRW. S. 566) i. d. F. der Änderung vom 13. April 2016 (MBl. NRW. S. 239),
139bestimmt werden, der nach Nr. 1 Abs. 4 und Nr. 4 auch für die Bestimmung und Beurteilung der von Außengastronomiebetrieben ausgehenden Geräuschimmissionen anwendbar ist. Dabei bedarf es an dieser Stelle - und im Übrigen auch mit Blick auf die Konkretisierung des Klagebegehrens in der Berufungsverhandlung - keiner Entscheidung, ob wegen der Besonderheiten des Einzelfalles der für Kern-, Dorf- und Mischgebiete maßgebliche Immissionsrichtwert nach Nr. 3.1 lit. c) i. V. m. Nr. 3.2 Abs. 2 i. V. m. Nr. 4 Abs. 5 des Runderlasses Freizeitlärm, der für die Nacht einen Beurteilungspegel für die lauteste Stunde bei 45 dB(A) und einen Maximalpegel für Einzelgeräusche bei 55 dB(A) vorsieht, heranzuziehen ist oder der nach Nr. 3.1 lit. d) i. V. m. Nr. 3.2 Abs. 2 i. V. m. Nr. 4 Abs. 5 des Runderlasses Freizeitlärm für allgemeine Wohn- und Kleinsiedlungsgebiete maßgebliche Immissionsrichtwert, der für die Nacht einen Beurteilungspegel für die lauteste Stunde bei 40 dB(A) und einen Maximalpegel für Einzelgeräusche bei 50 dB(A) vorsieht.
140Denn die Auswertung der von der Beklagten beauftragten Messung der Geräuschimmissionen am Brüsseler Platz (Balkon/Loggia im 5. Obergeschoss des Hauses Brüsseler Platz (…)) durch die W. GmbH im Zeitraum vom 29. bis 31. Juli 2022 ergibt, dass an der Wohnung der Kläger zu 1. und 2. nicht einmal die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete maßgeblichen Immissionsrichtwerte gewahrt sind.
141So ergaben die Messungen in der Nacht vom 29. Juli 2022 (Freitag) zum 30. Juli 2022 (Samstag) in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr einen durchschnittlichen - jeweils auf eine Stunde bezogenen - Mittelungspegel von 57,1 dB(A). In der Zeit von 22 Uhr bis 2 Uhr lag dieser bei 63,7 dB(A). Der höchste Pegel ergab sich in der Zeit von 22 Uhr bis 23 Uhr mit 67,1 dB(A), der niedrigste in der Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr mit 46,7 dB(A). Rechnete man den aus Sicht des Gutachters erforderlichen und im Übrigen ohne weiteres plausiblen Impulszuschlag von 3 dB hinzu, ergab sich etwa im Zeitraum von 22 Uhr bis 1 Uhr ein durchschnittlicher Mittelungspegel von 69,1 dB(A). Die Geräuschimmissionen im Zeitraum von 22 Uhr bis 0 Uhr beruhten dabei auf Kommunikationsgeräuschen. Der durch diese menschlichen Geräusche verursachte Maximalpegel lag in der Zeit von 22 Uhr bis 23 Uhr bei 85,1 dB(A), wobei zwischen 0 Uhr und 6 Uhr morgens Maximalpegel zwischen 91,8 dB(A) (Kehrmaschine) und 71,5 dB(A) zu verzeichnen waren. In der darauffolgenden Nacht vom 30. Juli 2022 zum 31. Juli 2022 lag der durchschnittliche Mittelungspegel im Zeitraum vom 22 Uhr bis 1 Uhr bei 65,3 dB(A), wobei dieser zwischen 22 Uhr und 1 Uhr nie unterhalb von 64 dB(A) lag. Rechnet man einen Impulszuschlag von 3 dB hinzu, ergab sich im Zeitraum von 22 Uhr bis 1 Uhr ein durchschnittlicher Mittelungspegel von 68,3 dB(A). Der durch menschliche Kommunikationsgeräusche verursachte Maximalpegel lag in der Zeit von 22 Uhr bis 0 Uhr bei 78,5 dB(A) bzw. 78,6 dB(A).
142Einen anderen Eindruck rechtfertigen auch nicht die durch die W. GmbH vorgenommenen Messungen der Geräuschimmissionen im Februar 2022 (Balkon/Loggia im 5. Obergeschoss des Hauses Brüsseler Platz (…)). So ergaben auch die im Zeitraum vom 11. bis 14. Februar 2022 durchgeführten Messungen - dabei handelte es sich übrigens nicht um das Karnevalswochenende - eine deutliche Überschreitung der dargelegten Richtwerte. Insbesondere in der Nacht vom 11. Februar 2022 (Freitag) zum 12. Februar 2022 (Samstag) im Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr lag der durchschnittliche - jeweils auf eine Stunde bezogene - Mittelungspegel bei 56,6 dB(A). Im Zeitraum von 22 Uhr bis 1 Uhr lag der durchschnittliche Mittelungspegel bei 61,6 dB(A). Erst ab 1 Uhr morgens lag der Mittelungspegel unterhalb von 60 dB(A); der höchste Pegel ergab sich in der Zeit von 23 Uhr bis 24 Uhr mit 61,8 dB(A), der niedrigste in der Zeit von 4 Uhr bis 5 Uhr mit 49 dB(A). Darüber hinaus ergaben sich in der Zeit vom 22 Uhr bis 6 Uhr Maximalpegel zwischen 67,3 dB(A) und 87,5 dB(A). In der darauffolgenden Nacht vom 12. Februar 2022 zum 13. Februar 2022 lag der durchschnittliche - jeweils auf eine Stunde bezogene - Mittelungspegel im Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr bei 55,4 dB(A). Die Messungen ergaben in diesem Zeitraum Maximalpegel zwischen 69,3 dB(A) und 82,3 dB(A). Zwischen 22 Uhr und 1 Uhr lag der durchschnittliche Mittelungspegel bei 61,8 dB(A), der höchste Mittelungspegel ergab sich in der Zeit von 0 Uhr bis 1 Uhr mit 65,9 dB(A), der niedrigste in der Zeit von 4 Uhr bis 6 Uhr mit jeweils 50,4 dB(A).
143Die im Februar 2022 und Juli 2022 durchgeführten Messungen zeigen, dass die Kläger gerade in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag und nicht nur bei besonders angenehmen Temperaturen ganz erheblich durch Lärm belastet sind. Vor allem im - für die Sommermonate repräsentativen - Juli 2022 lagen die - ausgehend von dem für Kern-, Dorf- und Mischgebiete maßgeblichen Immissionsrichtwert - Überschreitungen zur Nachtzeit hinsichtlich des Beurteilungspegels im Nachtzeitraum, d. h. des Mittelungspegels der lautesten Nachtstunde, zwischen 1,7 dB(A) und 22,1 dB(A); rechnet man einen Impulszuschlag hinzu, ergeben sich jeweils um 3 dB höhere Werte. Auch im Februar 2022 ergaben sich zur Nachtzeit noch erhebliche Überschreitungen der Immissionsrichtwerte. Hinsichtlich des Beurteilungspegels lagen diese zwischen 4 dB(A) und 20,9 dB(A).
144Dass die dargelegten Immissionsrichtwerte auch für die Wohnungen der Kläger zu 3. bis 6. überschritten sind, ist nicht zweifelhaft. Der Kläger zu 6. wohnt im Gebäude mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (…), mithin im Gebäude neben dem der Kläger zu 1. und 2. Das Wohnhaus der Kläger zu 3. bis 5. mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (...) liegt etwa 75 m südwestlich vom Immissionsort der Messungen. Gleichwohl ist nicht von geringeren, auf die Wohnungen der Kläger wirkenden Geräuschimmissionen auszugehen, weil das Gebäude jedenfalls nicht weiter entfernt von den um die Kirche St. Michael gelegenen Flächen, von denen die streitbefangenen (Kommunikations‑)Geräusche ausgehen, liegt als das Gebäude mit der postalischen Bezeichnung Brüsseler Platz (…).
145Diese festgestellten Richtwertüberschreitungen sind auch derart erheblich, dass die Besonderheiten des Einzelfalles nicht die Annahme der Zumutbarkeit der festgestellten Geräuschimmissionen begründen können. Die Zumutbarkeit dieser Richtwertüberschreitungen ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass sie - wie die Beklagte vorträgt - lediglich an wenigen Tagen im Jahr, an denen in den Abend- und Nachtstunden hohe Temperaturen herrschten, auftreten. Diese Annahme ist durch die vorgelegten Einsatzdokumentationen des Ordnungsdienstes, in denen nicht nur die jeweiligen Besucherzahlen, sondern auch Angaben zur Witterung vermerkt sind, widerlegt. Dem entspricht, dass der Gutachter selbst im Februar 2022, also in einem Monat, für den keine solche Einsatzdokumentation erfolgte, nach 22 Uhr bei geringer Besucherzahl nicht unerhebliche Lärmpegel von immerhin über 60 dB(A) gemessen hat.
146Es kann insbesondere ausgeschlossen werden, dass unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen nur so gelegentlich auftreten, dass sie in Anlehnung an den Runderlass Freizeitlärm oder die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) verabschiedete „Freizeitlärmrichtlinie“ vom 6. März 2015 als seltene Ereignisse anzusehen sein könnten und deshalb von den Anwohnern hingenommen werden müssen. Nach Nr. 3.2 Abs. 1 lit. c) des Runderlasses Freizeitlärm sind in der Regel unzumutbare Geräuschbelästigungen anzunehmen, wenn auch durch seltene Ereignisse bei anderen Anlagen Überschreitungen der genannten Immissionsrichtwerte verursacht werden können und am selben Einwirkungsort Überschreitungen an insgesamt mehr als 18 Kalendertagen eines Jahres auftreten. Entsprechendes ergibt sich aus Nr. 4.4.2 lit. d) der „Freizeitlärmrichtlinie“.
147Hier stehen Richtwertüberschreitungen an deutlich mehr als 18 Tagen in Rede. So kann zum Teil bereits den Einsatzdokumentationen der Beklagten aus den letzten Jahren entnommen werden, dass die richtwertüberschreitenden Geräuschbelastungen auf dem Brüsseler Platz im Zusammenhang mit verschiedenen Veranstaltungen in der Stadt bzw. speziell im Belgischen Viertel stehen. Zu nennen sind hier neben den Karnevalstagen, für die in Köln mit Blick auf die Herkömmlichkeit und Adäquanz Besonderheiten gelten dürften, das Gamescomfestival (5 Tage), Le Tour Belgique (2 Tage), die Cologne Music Week (4 Tage) sowie das le bloc Mode- und Design-Festival (1 Tag).
148Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die im Juli 2022 durch die W. GmbH ermittelten Geräuschimmissionen zumindest auf die gesamte wärmere Jahreshälfte von Anfang April bis Ende Oktober - jedenfalls soweit die Nächte von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag sowie die Abende vor gesetzlichen Feiertagen in Nordrhein-Westfalen betroffen sind - übertragen werden können. Sie repräsentieren einen Geschehensablauf, der für die Kläger insbesondere an diesen Tagen regelmäßig eine erhebliche Störung der Nachtruhe mit sich bringt. Bei schönem Wetter dürfte diese auch während der übrigen Nächte zu erwarten sein. Es ist nicht zu erkennen, dass die Messungen der W. GmbH im Juli 2022 an Tagen erfolgten, die sich etwa von anderen Sommertagen durch ein besonderes Ereignis, das den Messungen ihre repräsentative Eigenschaft nähme, unterschiede. Weder fand an diesen Tagen eine besondere Veranstaltung im Belgischen Viertel statt, die mehr Besucher als herkömmlicherweise hätte anziehen können, noch zeigen die in der Einsatzdokumentation der Beklagten für diese Tage festgehaltenen Besucherzahlen, dass der Brüsseler Platz - auch unter Berücksichtigung der guten Witterungsbedingungen - mehr als üblich gefüllt gewesen wäre. Am Abend des 29. Juli 2022 bzw. Morgen des 30. Juli 2022 waren um 22 Uhr 420, um 23 Uhr 530, um 24 Uhr 400 und um 1 Uhr 50 Besucher auf dem Platz anwesend. Am darauffolgenden Abend bzw. Morgen waren dies um 22 Uhr 320, um 23 Uhr 360, um 24 Uhr 40 und um 1 Uhr 100 Besucher. In etwa vergleichbare Besucherzahlen gab es ausweislich der Einsatzdokumentation der Beklagten für das Jahr 2022 am 30. April, 6. und 7. Mai, 13. und 14. Mai, 21. Mai, 25. Mai, 27. Mai, 3. und 4. Juni, 10. und 11. Juni, 15. Juni, 17. und 18. Juni, 25. Juni, 1. und 2. Juli, 8. und 9. Juli, 16. Juli, 22. und 23. Juli, 5. und 6. August, 13. August, 19. und 20. August, 26. und 27. August, 2. September, 30. September und 28. Oktober, und damit an mehr als weiteren 30 Tagen. Dafür, dass die im Juli 2022 gemessenen Lärmwerte repräsentativ für größere Menschenansammlungen sind, spricht auch der „Leitfaden zum Lärmschutz bei Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2021 (abrufbar unter www.umwelt.nrw.de). Dort heißt es auf S. 6 f., der allgemeine Schallpegel innerhalb größerer Menschenansammlungen liege erfahrungsgemäß bei einem Mittelungspegel zwischen 65 dB(A) und 70 dB(A); ausgehend von 70 dB(A) liege in einer Entfernung von 50 Metern der Schall-Immissionspegel bei 65 dB(A) und in einer Entfernung von 100 Metern bei 59 dB(A).
149Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass - wie bereits erwähnt - selbst von den 30 bis 50 Besuchern des Platzes am Morgen des 30. Juli 2022 - zwischen 1 und 2 Uhr - noch Geräuschimmissionen ausgingen, die ausweislich des Gutachtens der W. GmbH einen Mittelungspegel von 56,6 dB(A), und damit hinsichtlich eines Beurteilungspegels von 45 dB(A) eine Richtwertüberschreitung von 11,6 dB(A) ergaben. Mit Blick darauf, dass sich - mit Ausnahme des 30. Juli 2022 - im Zeitraum vom 30. April 2022 bis 9. September 2022 an Freitagen und Samstagen - jeweils um 24 Uhr - nie weniger als 50 Personen auf dem Brüsseler Platz aufhielten, kann der Senat nicht erkennen, dass die bei den Messungen im Juli 2022 festgestellten Geräuschimmissionen nur unregelmäßig auftretende - witterungsabhängige - (Einzel‑)Ereignisse darstellen. Dies zeigen schließlich auch die oben wiedergegebenen Messungen der W. GmbH im Februar 2022, die erhebliche Richtwertüberschreitungen ergaben, obwohl der Platz die von der Beklagten betonte witterungsbedingte Attraktivität der Sommermonate zu diesem Zeitpunkt gerade nicht aufwies.
150Eine Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass - wovon die Beklagte (wohl) ausgeht - der Brüsseler Platz bereits eine Vorbelastung mit Geräuschimmissionen von 53,8 dB(A) aufweise, was die Messung am 24. Oktober 2011 - als der Brüsseler Platz menschenleer gewesen sei - ergeben habe. Diese Sachverhaltsannahme lässt sich mit den vorliegenden Erkenntnissen nicht vereinbaren. Sie dürfte schon im Jahr 2015, als die Kläger sich mit der Bitte um Einschreiten an die Beklagte gewandt haben, nicht mehr zutreffend gewesen sein. So haben die Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass die Errichtung von Lärmschutzwänden Ende des Jahres 2011 zu einer Reduzierung der vom Bahnverkehr ausgehenden Geräuschimmissionen geführt habe. Im Einklang mit dem Vorbringen der Kläger steht, dass die durch die W. GmbH in der Nacht vom 13. Februar 2022 (Sonntag) zum 14. Februar 2022 (Montag) im Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr durchgeführten Messungen - mithin zu einem Zeitpunkt, der angesichts des Wochentages und der Außentemperaturen wenig Besucher erwarten lässt - Mittelungspegel von überwiegend deutlich unter 50 dB(A) ergaben. Auch in den frühen Morgenstunden des 30. Juli 2022 lagen die Messwerte teils recht deutlich unter 50 dB(A).
151Im Übrigen ergibt sich auch mit Blick auf die Sozialadäquanz und Akzeptanz der Geräusche nicht, dass sie den Klägern zumutbar sind. Die vom Brüsseler Platz seit dem Jahre 2005 herrührenden Beeinträchtigungen sind bei etlichen Anwohnern auch schon recht bald auf Widerspruch gestoßen, was die Beklagte im Jahr 2009 zu der Beauftragung eines Moderators veranlasst hat. Die Geräuschkulisse mag zwar einen Zustand abbilden, der sich aus dem sozialen Zusammenleben und verändertem Freizeitverhalten ergibt. Gesundheitsschädliche Geräuschimmissionen im zeitlichen Umfang wie vorliegend sind jedoch nie sozialadäquat. Im Übrigen kann auch nicht angenommen werden, dass die für die Kläger bestehende Lage von der Bevölkerung insgesamt hingenommen würde. Die Geräuschimmissionen halten sich hier - bereits angesichts ihrer Regelmäßigkeit und Höhe - nicht mehr in einem Bereich, der auch in einem innerstädtischen Gebiet, das in wesentlichem Umfang auch dem Wohnen dient, noch in den Grenzen des als sozial Üblichen und Tolerierbaren liegen könnte. Insoweit ist die auf dem Platz entstandene Partyszene nicht mit dem Geschehen auf einem traditionellen Festplatz vergleichbar.
1523. Die Beklagte muss sich zudem die gesamten vom Brüsseler Platz ausgehenden Geräuschimmissionen zurechnen lassen, auch soweit sie sich als exzessive Verhaltensweise zur Nachtzeit darstellen, wie zum Beispiel Schreien, Rufen, Grölen, Kreischen, die Nutzung von Musikboxen oder das Klirren umgeworfener Flaschen. Denn sie hat - obigen Maßstäben entsprechend - einen besonderen Anreiz auch für solche Nutzungen geschaffen, die herkömmlicherweise mit einem wie der von der Beklagten geschaffenen Platz für eine Freiluftparty einhergehen. Diese Verhaltensweisen stellen sich bei wertender Betrachtung als typische Folgen des auf dem Platz ermöglichten und in weiten Teilen unregulierten Freizeitverhaltens dar, die deutlich über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausgehen. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte im Rahmen des Modus Vivendi schon im Jahre 2013 dazu verpflichtet hat, dafür zu sorgen, dass der Platz zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner um Mitternacht geräumt ist, und diese Verpflichtung seit zehn Jahren nicht in angemessener und zumutbarer Weise umsetzt, sondern dem Partygeschehen mit weitgehend ineffektiven Maßnahmen sehenden Auges deutlich zu viel Freiraum belässt.
153II. Der Anspruch der Kläger auf Einschreiten der Beklagten ergibt sich auch aus der grundrechtlichen Pflicht des Staates, die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) bzw. das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) der Grundrechtsträger zu schützen.
154Das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das Eigentumsgrundrecht schützen den Einzelnen nicht nur als subjektive Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt dieser Grundrechte folgt auch die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die entsprechenden Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren.
155Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - 11 A 3.98 ‑, juris Rn. 47.
156Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Schutzpflichten erfordern auch die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigenden und gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Lärm.
157Vgl. für Fluglärm BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, juris Rn. 66, 78; für Verkehrslärm BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 -, juris Rn. 57, 80 ff., BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 9.95 -, juris Rn. 35 ff.
158Grundsätzlich kommt dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt bei der Erfüllung dieser Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen.
159Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 -, juris Rn. 82.
160Eine Schutzpflichtverletzung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in Betracht, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen worden sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben oder wenn sie auf einer unzureichenden Tatsachenermittlung oder unvertretbaren Einschätzungen beruhen.
161Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -, juris Rn. 32, m. w. N.
162Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt eine Schutzpflichtverletzung der Beklagten vor. Die Kläger sind in einem vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfassten Umfang von vom Brüsseler Platz ausgehendem gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt (dazu 1.). Die Beklagte ist dem sich daraus ergebenden Schutzanspruch der Kläger bislang nur unzureichend nachgekommen, weil ihre zu deren Schutz vor Gesundheitsgefahren und Eigentumsbeeinträchtigungen getroffenen Maßnahmen in erheblicher Weise hinter dem Schutzziel zurückbleiben (dazu 2.).
1631. Die Kläger sind in einem vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfassten Umfang gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt, weil die vom Brüsseler Platz ausgehenden Geräuschimmissionen die grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwellen übersteigen.
164Wo die Grenze exakt verläuft, bei der verfassungsrechtliche Schutzanforderungen greifen und die Schwelle zur Gesundheitsgefahr durch Außenlärmimmissionen bzw. einer dadurch bewirkten Eigentumsverletzung erreicht bzw. überschritten wird, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt. Regelmäßig wurde sie in der Rechtsprechung für Wohngebiete an einem äquivalenten Dauerschallpegel,
165vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2022 - 7 B 16.21 ‑, juris Rn. 13 f., m. w. N.,
166von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts festgemacht,
167vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Mai 2009 - 9 A 72.07 -, juris Rn. 69, und vom 19. Dezember 2017 - 7 A 7.17 -, juris Rn. 46, jeweils m. w. N.,
168teilweise wurden aber auch für Kern-, Dorf- und Mischgebiete etwas höhere Werte (72 dB(A) tags und 62 dB(A) nachts) für zulässig gehalten.
169Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 ‑, juris Rn. 36, unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH zur enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle.
170Eine solche Differenzierung nach Baugebieten erscheint allerdings mit Blick darauf, dass die Werte von 70/60 dB(A) nicht nur im Eigentumsschutz, sondern auch im vorsorgenden Gesundheitsschutz verankert werden, angreifbar.
171Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 ‑ 9 A 16.16 ‑, juris Rn. 86.
172Jedenfalls bei Geräuschen der hier vorliegenden Art, die in hohem Maße durch Pegelausschläge infolge von Schreien, Rufen, Grölen etc. gekennzeichnet und deshalb in besonderer Weise geeignet sind, den nächtlichen Schlaf zu stören, sieht der Senat keine tragfähige Begründung dafür, die Grenze der Gesundheitsgefahr erst bei einem - auf gemittelten Werten beruhenden - Beurteilungspegel oberhalb von 60 dB(A) nachts anzusetzen.
173Die Auffassung der Beklagten, es müsse angesichts der ansonsten unverhältnismäßigen Einschränkung der grundrechtlich geschützten kommunikativen Betätigung der Besucher des Platzes ein Richtwert oberhalb von 62 dB(A) angesetzt werden, findet in der Rechtsprechung keinen Rückhalt. Ungeachtet dessen ist auch nicht zu erkennen, dass die allein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte kommunikative Betätigung der Besucher des Platzes die im vorsorgenden Gesundheitsschutz nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, einem überragend wichtigen Grundrecht,
174vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 -, juris Rn. 102,
175verankerte grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle zugunsten der kommunikativen Betätigung verschieben sollte.
176Nicht maßgeblich für die Schwelle zur Gesundheitsgefahr durch Lärm sind die von den Klägern thematisierten Empfehlungen der Night Noise Guidelines for Europe (NNGL) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die einen nächtlichen Richtwert von 40 dB(A) vorsehen (dort S. 109). Diese Empfehlungen setzen weder Standards noch sind sie rechtsverbindlich (siehe auch S. VII der NNGL). Die Überschreitung dieses Richtwerts rechtfertigt auch deswegen nicht die Annahme einer Gesundheitsgefahr, weil er anders und für einen anderen Bezugspunkt berechnet wird als die der TA Lärm zugrundeliegenden Richtwerte, an denen sich die oben angeführte Rechtsprechung orientiert. Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation stellen auf den „average night noise level over a year“ (S. 108) ab, der durch Mittelung aller Nachtwerte eines Jahres anhand des A‑bewerteten äquivalenten Dauerschallpegels ermittelt wird. Demgegenüber ist nach der TA Lärm (dort Nr. 6.4) die lauteste Nachtstunde maßgeblich.
177Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 155, und vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 163.
178Dies zugrunde gelegt ist die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle an den Wohnungen der Kläger nach den für ein Wohngebiet geltenden Maßstäben zu bestimmen (dazu a.). Die danach anzuwendende Schwelle von nachts 60 dB(A) wird an ihren Wohnungen überschritten (dazu b.).
179a. Die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle ist hier nach den für ein Wohngebiet geltenden Maßstäben zu bestimmen. Mangels Vorliegens eines Bebauungsplanes beurteilt sich die Frage, ob und ggf. in welchem faktischen Baugebiet die klägerischen Grundstücke liegen, nach der Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB. Bei der Bestimmung der „näheren Umgebung“ ist darauf abzustellen, inwieweit sich einerseits die Bebauung des Grundstücks auf die Umgebung und andererseits sich die Umgebung auf den bodenrechtlichen Charakter des Grundstücks prägend auswirken kann. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen.
180Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 - 4 B 74.03 -, juris Rn. 2.
181Nach diesen Maßstäben kann der Senat offenlassen, ob der in die Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung der klägerischen Grundstücke einzustellende Bereich dem des von der Beklagten im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Belgische Viertel zugrunde gelegten Plangebiet entspricht,
182vgl. https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/planen-bauen/bebauungsplaene/63948/index.html,
183oder enger zu ziehen ist. Denn ungeachtet der Reichweite des heranzuziehenden Bereiches entspricht die nähere Umgebung jedenfalls nicht dem Charakter eines hier allein in Betracht kommenden Mischgebietes im Sinne des § 6 BauNVO, die die Anwendung einer höheren Zumutbarkeitsschwelle rechtfertigen könnte. Die Eigenart des Mischgebiets als Baugebietstyp wird gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dadurch gekennzeichnet, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dient. Der Verordnungsgeber hat die beiden Hauptnutzungsarten nicht in ein Rangverhältnis zueinander gestellt. Vielmehr ist das Mischgebiet nach seiner typischen Eigenart für Wohnen und nichtstörendes Gewerbe gleichermaßen offen. Die Nutzungen des Mischgebiets zum Wohnen und zur Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe stehen als gleichwertige Funktionen nebeneinander. Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten setzt auch voraus, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen darf.
184Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 1996 - 4 B 51.96 -, juris Rn. 5 f., m. w. N.
185Das ist hier ausgehend von dem Vorbringen der Beteiligten zu den am Brüsseler Platz und in dessen unmittelbarem Umfeld vorhandenen gewerblichen Nutzungen ersichtlich nicht der Fall. Anhaltspunkte, daran zu zweifeln, ergeben sich im Übrigen auch nicht aus den im Internet allgemein zugänglichen Angaben, und zwar unabhängig davon, ob diese sämtlich aktuell und vollständig sind. Auch unter Berücksichtigung der jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung im Internet recherchierbaren Vielzahl der gastronomischen Angebote,
186(…),
187und sonstigen Geschäfte,
188(…),
189vermag der Senat eine solche Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störendem Gewerbe nicht zu erkennen. Ausweislich der dem Gericht zur Verfügung stehenden Bilder über googlemaps streetview befinden sich zwar in einer Vielzahl der mehrstöckigen Gebäude im Erdgeschoss die angegebenen Gewerbebetriebe. Gleichwohl überwiegen die darüber liegenden Wohnnutzungen diese ihrer Anzahl nach bereits ganz erheblich.
190Diese Einschätzung verändert sich auch nicht, wenn man die nördlich, östlich und südlich vom Brüsseler Platz gelegenen gastronomischen Angebote insbesondere an der Antwerpener Straße, der Bismarckstraße, und Brüsseler Straße sowie die dort gelegenen sonstigen Gewerbebetriebe in diese Betrachtung einbezieht. Denn auch in diesem Bereich überwiegen die Wohnnutzungen die gewerblichen Angebote bereits ihrer Quantität nach ganz erheblich, da auch in diesem Bereich die überwiegend im Erdgeschoss der Häuser gelegenen gewerblichen Angebote mit einer darüber liegenden Wohnnutzung einhergehen.
191Siehe dazu auch Anlage 3 zur Beschlussvorlage Nr. 2764/2017 vom 25. Oktober 2017 für den Stadtentwicklungsausschuss „Erläuterungen zum städtebaulichen Planungskonzept, Arbeitstitel: Belgisches Viertel in Köln-Neustadt/Nord“, S. 3, wo von einer vertikalen Nutzungsverteilung (Gewerbe im Erdgeschoss, Wohnen in den Obergeschossen) die Rede ist.
192Der Senat lässt offen, ob die Zumutbarkeitsschwelle in urbanen Gebieten i. S. v. § 6a BauNVO höher liegen könnte als in sonstigen, auch dem Wohnen dienenden Gebieten. Denn beim Brüsseler Platz könnte es sich allenfalls um ein faktisches urbanes Gebiet handeln. Nach dem Rechtsgedanken des § 245c Abs. 3 BauGB, der für Baugebiete nach § 6a BauNVO die Regelung über faktische Baugebiete in § 34 Abs. 2 BauGB ausschließt, kommt es aber zur Bestimmung grundrechtlicher Zumutbarkeitsschwellen nicht in Betracht, ein faktisches urbanes Gebiet anzunehmen. Unabhängig davon wäre eine solche Annahme mit der im Gesundheitsschutz verankerten staatlichen Schutzpflicht mit Blick darauf, dass auch in urbanen Gebieten nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BauNVO nur solche Einrichtungen zulässig sind, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören, kaum zu vereinbaren.
193b. Die danach anzuwendende grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von nachts 60 dB(A) wird an den Wohnungen der Kläger überschritten. Nach den bereits angeführten Ergebnissen der Messungen der W. GmbH im Februar 2022 und Juli 2022 zeigt sich, dass auch bei Zugrundelegung eines Immissionsrichtwertes von 60 dB(A) jedenfalls in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag in den Monaten April bis Oktober regelmäßig erhebliche Richtwertüberschreitungen zu verzeichnen sind. Insbesondere die Messungen aus Juli 2022 zeigen, dass im Zeitraum zwischen 22 Uhr und 1 Uhr die Belastung der Kläger durch vom Brüsseler Platz ausgehende Geräuschimmissionen besonders hoch ist. So lagen die Überschreitungen des Richtwerts hinsichtlich des Mittelungspegels zwischen 4,6 dB(A) und 7,1 dB(A). Rechnet man auch hier den durch den Gutachter für erforderlich gehaltenen Impulszuschlag von 3 dB hinzu, ergeben sich sogar Richtwertüberschreitungen zwischen 7,6 dB(A) und 10,1 dB(A). Bereits daraus ist ersichtlich, dass die Lärmbeeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegt. Hinzu kommt - ohne dass dies letztlich entscheidend wäre - die zusätzliche Störwirkung der durch Kommunikationsgeräusche verursachten Maximalpegel, die die Richtwerte zwischen 18,5 dB(A) und 25,1 dB(A) überschreiten. Sogar im Februar 2022 ergaben sich in diesem Zeitraum noch Überschreitungen der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle - allerdings nicht für jede dieser Nachtstunden - sowohl hinsichtlich des Mittelungspegels - nämlich 1,3 dB(A) bis 5,9 dB(A) - als auch hinsichtlich des Maximalpegels - 16 dB(A) bis 22,3 dB(A).
1942. Ihrer aus diesen Umständen erwachsenden grundrechtlichen Schutzpflicht ist die Beklagte nur unzureichend nachgekommen. Zwar steht ihr nach oben dargelegtem Maßstab bei der Erfüllung der Schutzpflicht und des damit korrespondierenden Schutzanspruchs der Kläger ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu. Die bisher zum Schutz der Gesundheit bzw. des Eigentums der Kläger getroffenen Maßnahmen gewährleisten jedoch nur ein Schutzniveau, das bereits mit Blick auf die dargelegten Überschreitungen der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in erheblicher Weise hinter dem Schutzziel zurückbleibt.
195Diese Richtwertüberschreitungen sind für die Kläger nicht mit Blick auf Besonderheiten des Einzelfalls zumutbar. Nach den bereits angeführten Ergebnissen der Messungen der W. GmbH aus Juli 2022 und der Dokumentation zur Anzahl der Abende mit vergleichbaren Besucherzahlen wird die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle entgegen der Annahme der Beklagten nicht lediglich an wenigen Tagen im Jahr überschritten.
196Die Geräuschimmissionen sind den Klägern auch nicht wegen der Geräuschvorbelastung des Brüsseler Platzes zuzumuten. Unabhängig davon, wie hoch die nächtliche Vorbelastung ohne dortige Menschenansammlungen tatsächlich ist, vermag der Senat nicht zu erkennen, warum eine - von der Beklagten unterstellte, nach den sogar mehr oder weniger deutlich unter 50 dB(A) liegenden Messergebnissen des von ihr beauftragten Gutachters jeweils in den früheren Morgenstunden des 12. Februar 2022 und 30. Juli 2022 ohnehin ersichtlich überschätzte - Vorbelastung von 53,8 dB(A) bereits eine Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen begründen sollte, die - wie hier - weit über 60 dB(A) liegen. Da eine Pegeldifferenz von 3 dB eine Verdoppelung des Lärms bedeutet,
197vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 - 8 A 893/17 -, juris Rn. 234,
198und üblicherweise als Schwelle zu einer erheblichen Änderung des Schallpegels angesehen wird,
199vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 19. Ausgabe, März 2023, S. 175,
200weil sie wahrnehmbar ist,
201vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 -, juris Rn. 28 f., und vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 -, juris Rn. 30,
202handelt es sich um wesentliche und rechtlich relevante Überschreitungen.
203Im Übrigen wird hinsichtlich der Sozialadäquanz der Geräuschimmissionen auf die obigen Ausführungen verwiesen.
204III. Die Entscheidung der Beklagten, von einem weitergehenden, über die bislang getroffenen Maßnahmen hinausgehenden Einschreiten zum Schutz der Gesundheit bzw. des Eigentums der Kläger abzusehen, die der Senat nur nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO zu überprüfen hat, erweist sich als ermessensfehlerhaft.
205Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie bereits mit dem in dem Modus Vivendi im Jahre 2013 vereinbarten Maßnahmenpaket eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen habe (dazu 1.). Ihrer in dem Schreiben vom 19. Mai 2015 zum Ausdruck gebrachten und während des vorliegenden Verfahrens bekräftigten Entscheidung, keine weiteren oder anderen Maßnahmen zu ergreifen, liegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht teilweise unzutreffende Annahmen zugrunde, die dazu führen, dass die Beklagte die ihr zu Gebote stehenden Handlungsmöglichkeiten nicht vollständig erkannt und erwogen hat. Zum einen geht sie in ermessensfehlerhafter Weise davon aus, dass sie bereits das ihr Mögliche und Zumutbare zur Lärmreduzierung unternommen hat (dazu 2.). Zum anderen ist auch ihre Auffassung, ein weitergehendes Einschreiten mit dem Ziel der Lärmreduzierung sei ihr rechtlich nicht möglich oder zumutbar, ermessensfehlerhaft (dazu 3.).
2061. Auf die Vereinbarung des Modus Vivendi im Jahr 2013 in dem früheren Klageverfahren, an dem die Kläger, wie bereits erwähnt, ohnehin nicht beteiligt waren, konnte die Beklagte das Absehen von weiteren Maßnahmen bereits im Jahr 2015 - und kann dies erst recht derzeit - nicht mehr stützen.
207Dabei kann dahinstehen, ob es mit Blick auf die besondere Vorprägung der Örtlichkeit als - im umgangssprachlichen Sinne - urbanes Wohnquartier mit der zu beachtenden Schutzpflicht vertretbar war und ist, für einen Schutz der Nachtruhe entgegen den Vorgaben der TA Lärm und entgegen § 9 Abs. 1 LImSchG nicht schon ab 22 Uhr Sorge tragen zu wollen, wobei ergänzend anzumerken ist, dass auch die nach der Art der Geräuschkulisse am ehesten vergleichbare Außengastronomie von der Beachtung der Nachtruhe nicht generell freigestellt ist (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LImSchG).
208Jedenfalls war die Beklagte vor dem Hintergrund der Komplexität der Gesamtsituation gehalten, die weitere Entwicklung unter Kontrolle zu halten und sich von der Wirksamkeit der im Modus Vivendi vereinbarten Maßnahmen zu überzeugen. Keinesfalls ist es mit dem Zweck des Ermessens und den bei der Ermessensausübung zu beachtenden rechtlichen Vorgaben zu vereinbaren, in Bezug auf ein möglicherweise im Jahr 2013 für zweckmäßig und erfolgversprechend erachtetes Maßnahmenbündel ohne erneute Ermessensbetätigung in den Folgejahren lediglich an einem Teil des Konzepts - nämlich dem Aufschub der Nachtruhe auf 24 Uhr - festzuhalten und den damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden weiteren Teil des Konzepts - Räumung des Platzes um 24 Uhr - faktisch aufzugeben, indem, wie nachfolgend noch näher auszuführen ist, auf einen effektiven Einsatz des kommunalen Ordnungsdienstes zu diesem Zweck verzichtet wurde. Unstreitig ist es der Beklagten auch in der Zeit zwischen 2013 und 2015 schon nicht gelungen, eine Räumung des Platzes um 24 Uhr herbeizuführen.
2092. Ein weiterer der Überprüfung durch den Senat unterliegender Ermessensfehler folgt daraus, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 19. Mai 2015 und im weiteren gerichtlichen Verfahren davon ausgeht, dass sie bereits das ihr derzeit Mögliche und Zumutbare zur Lärmreduzierung unternommen habe. Diese Annahme trifft nicht zu.
210Eine spürbare Lärmreduzierung ist der Beklagten nicht schon deshalb unmöglich, weil die Vorbelastung der klägerischen Wohnungen mit Geräuschimmissionen bereits derart hoch wäre, dass auch weitere lärmreduzierende Maßnahmen ihrerseits diese nicht auf ein zumutbares Niveau senken könnten. Insoweit ist auch hier darauf zu verweisen, dass die von der Beklagten angenommene Vorbelastung, die sie der Messung der Geräuschimmissionen im Oktober 2011 entnimmt, mit Blick auf die Ergebnisse der Messungen aus Februar und Juli 2022 nicht mehr dem aktuellen Stand entspricht. Überdies ist die Beklagte dem substantiierten Vortrag der Kläger, dass die Vorbelastung nach Durchführung der sog. Nullmessung im Jahr 2011 durch Errichtung einer Lärmschutzwand deutlich reduziert worden sei, nicht entgegengetreten. Ungeachtet dessen ist die Vorbelastung jedenfalls deutlich niedriger als die grundrechtliche Zumutbarkeitsgrenze.
211Der Senat kann darüber hinaus nach Auswertung der ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Handlungsanweisungen für den Brüsseler Platz, der Einsatzdokumentationen sowie der Aufzeichnungen des Anrufeinsatzerfassungssystems nicht erkennen, dass die Beklagte die ihr derzeit zur Verfügung stehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um ihren Verpflichtungen zur Lärmreduzierung nachzukommen. Tatsächlich hat sie nicht einmal die im Rahmen des Modus Vivendi vorgesehenen Maßnahmen nachhaltig umgesetzt. Dies betrifft zum einen den Einsatz ihres Ordnungsdienstes, der bereits nach Nr. 1 des Modus Vivendi zum Thema Lärm verpflichtet ist, „an allen Freitagen, Samstagen und Tagen, auf die ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt, in der Zeit von April bis Oktober eines jeden Jahres durch Einsatz von einer ausreichenden Anzahl von Mitarbeitern des Ordnungsamtes jeweils ab 22 Uhr darauf hinzuwirken, dass die Besucher des Brüsseler Platzes den Platz spätestens bis 24 Uhr tatsächlich verlassen haben.“ Dass insoweit ein schlüssiges Konzept vorliegt, ist der Handlungsanweisung der Beklagten für den Brüsseler Platz im Jahr 2023 nicht zu entnehmen. Insbesondere trägt der Ordnungsdienst - wie bereits dargelegt - überhaupt keine Sorge dafür, dass die Besucher den Platz verlassen. Die zu diesem Zwecke eingesetzten Vermittler können mangels ordnungsbehördlicher Kompetenzen eine solche Aufgabe ersichtlich nicht übernehmen. Dies ist auch für die Besucher des Platzes offensichtlich.
212Zum anderen ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, „gegen Personen ordnungsrechtlich vor[zu]gehen, die sich auf dem Brüsseler Platz aufhalten und Lärm verursachen und damit gegen § 117 OWiG, § 9 LandesimmissionsschutzG oder § 12 der Kölner Straßenordnung verstoßen“ (Nr. 2 des Modus Vivendi zum Thema Lärm), bereits konsequent nachkommt. Vielmehr erfolgt ausweislich der Handlungsanweisung der Einsatz des Ordnungsdienstes „unter Berücksichtigung der aktuellen Einsatzlage.“ Die „konkreten Einsatzzeiten sowie die Einsatzstärken werden durch den diensthabenden DGL in Abhängigkeit von der Gesamtsituation (insb. Beschwerdelage) und Bedarfslage in Köln gesteuert.“ Weiter heißt es: „Der Umfang des Einsatzes wird jeweils durch die eingesetzte Dienstgruppenleitung in Abstimmung mit der Sachgebiets- bzw. Abteilungsleitung geplant“ sowie, „Beschwerden […] sind im Rahmen der personellen Möglichkeiten nachzugehen.“ Dass die Beklagte über ein Konzept verfügt, das Ausdruck eines konsequenten und regelmäßigen Vorgehens des Ordnungsdienstes gegen Störer auf dem Brüsseler Platz ist, lässt sich diesen vagen Formulierungen nicht entnehmen. Dieser Eindruck wird auch mit Blick auf die Anzahl der auf dem Platz eingesetzten Mitarbeiter des Ordnungsamtes bestätigt. Im Jahr 2022 waren ausweislich der Einsatzdokumentation der Beklagten an den 76 Tagen im Zeitraum vom 1. April 2022 bis zum 31. Oktober 2022, an denen der Ordnungsdienst im Einsatz war, durchschnittlich und gerundet zwei Mitarbeiter auf dem Platz tätig. Dasselbe gilt für die 57 Einsätze im Zeitraum vom 1. April 2023 bis zum 2. September 2023. Dies deckt sich auch mit den Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat, es seien in der Regel nur noch zwei Mitarbeiter im Einsatz. Wie eine derart geringe Anzahl von eingesetzten Ordnungsdienstmitarbeitern bei zum Teil mehreren hundert Besuchern des Platzes der Verpflichtung nach Nr. 2 des Modus Vivendi zum Thema Lärm effektiv nachkommen soll, ist nicht ansatzweise erkennbar.
213Darüber hinaus zeigen die in den Einsatzdokumentationen der Beklagten vermerkten ordnungsbehördlichen Maßnahmen auch nicht, dass die Beklagte ihre ordnungsbehördlichen Kompetenzen ausschöpft.
214Ihre Argumentation, dass ihr keine ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse zur Verfügung stünden, weil die Störung von einer sich zusammenfindenden größeren Menschenmenge ausgehe, und die Störung dem Einzelnen nicht zugerechnet werden könne, weil sich die feiernden Menschen auf dem Brüsseler Platz erfahrungsgemäß in angemessener Lautstärke unterhielten, geht an dem durch das Ergebnis der Lärmmessungen dokumentierten Lebenssachverhalt in erheblicher Weise vorbei. Die von dem Partygeschehen ausgehenden Geräusche verursachen gerade keinen im wesentlichen gleichbleibenden „Lärmteppich“, der sich aus der Summe von moderat geführten Gesprächen ergibt. Prägend sind ausweislich der Messergebnisse und der textlichen Beschreibungen des Gutachters vielmehr erhebliche Pegelausschläge, die sich sowohl den gegenüber dem Mittelungspegel (LAFeq) deutlich höheren Taktmaximalpegeln (LAFTeq) und dem im Messbericht vom 29. September 2022 (vgl. dort S. 19) pauschal vergebenen Impulszuschlag von 3 dB - im Messbericht vom 28. Juni 2011 nach einer anderen Ermittlungsmethode sogar bis zu 6,8 dB(A) (vgl. dort S. 11) - als auch den gemessenen Maximalpegeln entnehmen lassen. Als Ursachen dieser - zahlreichen - Pegelausschläge nennt der Gutachter ausdrücklich lautes Rufen und Lachen, Schreie und lautes Klirren von auf dem Boden liegenden Glasflaschen. Bei diesen geräuschverursachenden und die Belästigungswirkung der gesamten Lärmkulisse sowohl signifikant erhöhenden als auch prägenden Einzelereignissen handelt es sich indessen um bußgeldbewehrte Verstöße gegen die dem Schutz der Anwohner vor Lärm dienenden Rechtsvorschriften, gegen die die Beklagte ordnungsrechtlich einschreiten könnte: Nach § 117 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen. § 9 Abs. 1 LImSchG verbietet zwischen 22 und 6 Uhr Betätigungen, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Nach § 8 KSO ist im Kölner Stadtgebiet übermäßiges und vermeidbares Erzeugen von Lärm, welcher geeignet ist, die Allgemeinheit, die Nachbarschaft oder Einzelne zu belästigen oder zu stören, untersagt.
215In vielen Fällen von solchermaßen verbotenen und ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse eröffnenden Ruhestörungen bleibt es indessen bei mündlichen Ansprachen; im Jahr 2022 waren dies etwa 80. In knapp 30 Fällen von Ruhestörungen wurden Verwarngelder erhoben und in nur fünf Fällen Bußgeldverfahren eingeleitet. Geht man davon aus, dass der Ordnungsdienst im Zeitraum vom 1. April 2022 bis zum 31. Oktober 2022 an 76 Abenden auf dem Brüsseler Platz im Einsatz war, hat er nicht einmal an jedem zweiten Abend ein die Regelungen der § 117 OWiG, § 9 LImSchG oder §§ 8, 9 der Kölner Stadtordnung (die in Bezug auf Lärm dem mittlerweile nicht mehr geltenden § 12 der Kölner Straßenordnung entsprechen) verletzendes Verhalten, das heißt etwa Schreien, Grölen oder der Einsatz von Musikboxen ordnungsbehördlich geahndet. Dieses Vollzugsdefizit zeigt sich auch an den Abenden im Juli 2022, an denen die W. GmbH ihre Messungen durchgeführt hat. Dem Gutachten vom 29. September 2022 ist sowohl für den Abend des 29. Juli als auch des 30. Juli 2022 im Zeitraum von 22 Uhr bis 24 Uhr zu entnehmen, dass die Maximalpegel - die zwischen 78,5 dB(A) und 85,1 dB(A) lagen - durch schreiende und damit ersichtlich ruhestörende Personen verursacht worden sind. Der Einsatzdokumentation der Beklagten ist insoweit zu entnehmen, dass es am Abend des 29. Juli 2022 vier mündliche Ansprachen wegen ruhestörenden Verhaltens gab; am Abend des 30. Juli 2022 sind keine ordnungsbehördlichen Maßnahmen wegen Ruhestörungen vermerkt.
216Würde die Beklagte jedoch regelmäßig und nachdrücklich gegen diese einzelnen Störungen einschreiten, wäre nicht nur zu erwarten, dass schon dies die Lärmbelastung der Anwohner spürbar senkt, sondern auch, dass wegen des damit einhergehenden Attraktivitätsverlusts dem Vorhaben, den Platz spätestens um 24 Uhr zu räumen, Nachdruck verliehen wird.
217Vor dem Hintergrund der von der Beklagten im Rahmen des Modus Vivendi eingegangenen Verpflichtung und der ihr im Rahmen des Verfahrens 8 B 621/19 vermittelten Einschätzung des Senats, die bislang von ihr ergriffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend und weitere Maßnahmen seien zu prüfen,
218vgl. Mitteilung der Beklagten an die Bezirksvertretung 1 (Innenstadt) und den Ausschuss „Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen/Vergabe/Internationales“ vom 27. Februar 2020,
219ist schließlich auch nicht nachzuvollziehen, warum die durchschnittliche Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter des Ordnungsdienstes etwa gegenüber den Jahren 2018 und 2019, wie die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, reduziert worden ist.
220Soweit die Beklagte sich an einer Ausdehnung ihrer Einsätze mangels Personals gehindert sieht, rechtfertigt dies das Absehen von einem weiteren Einschreiten nicht. Denn es ist grundsätzlich Aufgabe des Staates als Inhaber des Gewaltmonopols, die Vollstreckung der von ihm normierten Regeln auch durch eine hinreichende personelle Ausstattung mit Polizei- und Ordnungskräften zu gewährleisten.
221Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 31. August 2022 - 24 L 183/22 -, juris Rn. 27.
222Das gilt erst recht, wenn die abzuwehrende Störung - wie hier - dem Träger der öffentlichen Gewalt selbst zuzurechnen ist, weil er die regelwidrige Nutzung der Einrichtung mitverursacht hat. Insoweit ist die Beklagte ebenso in der Pflicht, wie es der private Veranstalter einer solchen Party wäre.
223Auch etwaig mit einer Intensivierung des Einsatzes verbundene Eskalationsgefahren rechtfertigen ein Absehen von weiteren Maßnahmen nicht. Denn diese Gefahr stellt sich als ein Risiko dar, das stets mit ordnungsbehördlichem bzw. polizeilichem Handeln verbunden ist und dem mit den Mitteln des Verwaltungszwanges Rechnung getragen werden kann. Unabhängig davon steht der Beklagten mit einer Einzäunung des Platzes und nächtlichem Abschließen (dazu weiter unten) auch eine Maßnahme zur Verfügung, die einen deutlich geringeren Personaleinsatz erfordern dürfte.
224Im Übrigen hat die Beklagte in Bezug auf die Lärmbelastung vor Mitternacht bislang nur Maßnahmen gegen einen Teil der Verursachungsbeiträge für die Lärmbelastung der Kläger in Betracht gezogen. So hat sie - was sie im Termin zur mündlichen Verhandlung auch bestätigt hat - den Anteil der von ihr genehmigten 700 Außengastronomieplätze an der vom Brüsseler Platz ausgehenden Geräuschbelastung nicht ermittelt, obwohl diese nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG oder § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG keine schädlichen Umwelteinwirkungen, also auch keinen unzumutbaren Lärm, verursachen dürfen,
225vgl. zur Beurteilung von Gaststättengeräuschen - auch soweit sie von der Außengastronomie ausgehen - als schädliche Umwelteinwirkungen OVG NRW, Urteil vom 6. September 2019 - 7 A 1174/17 -, juris Rn. 28 ff., m. w. N.,
226und sich die durch die Gäste der Gastronomie und die Personen auf den freien Außenflächen am Brüsseler Platz verursachten Geräusche weder messtechnisch noch organisatorisch trennen lassen (so S. 11 des Gutachtens der W. GmbH vom 29. September 2022).
227Selbst wenn die Annahme der Beklagten zuträfe, die Ausweitung der Außengastronomie trage zu einer Lärmreduzierung auf dem Platz bei, weil sich in diesen Bereichen weniger und ruhigere Menschen auf dem Platz aufhielten als auf den übrigen Freiflächen,
228vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 2,
229wird die Beklagte angesichts der gemessenen, teilweise sehr hohen Lärmwerte auch den Lärmbeitrag der Außengastronomie in den Blick nehmen und deren Höhe ermitteln müssen. Auch wenn der von der Außengastronomie isoliert ausgehende Lärm, nachdem schon das Verwaltungsgericht das Verfahren insoweit abgetrennt hat, nicht unmittelbar Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wird die Beklagte nur unter Berücksichtigung der Außengastronomie ermessensfehlerfrei einschätzen können, mit welchen konkreten Maßnahmen sich der Lärm auf dem Brüsseler Platz insgesamt auf ein zumutbares Maß begrenzen lässt. Die Beklagte kommt ihrer Schutzpflicht nicht schon dadurch nach, dass sie möglicherweise noch höhere Lärmwerte auf dem Platz verhindert, sondern erst dadurch, dass sie für die Einhaltung zumutbarer Lärmwerte - gemessen an absoluten Werten - sorgt.
2303. Sollte sich die Beklagte gehindert sehen, die ihr auf der Grundlage des geltenden Rechts (OWiG, LImSchG, KSO) bereits jetzt zur Verfügung stehenden ordnungsbehördlichen Maßnahmen gegen einzelne Personen auf dem Platz auszudehnen, oder sollte sie dies als wenig erfolgversprechend erachten, stehen ihr zur Lärmreduzierung weitere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, die sie bislang ermessensfehlerhaft nicht in Erwägung gezogen hat. Sie kann zu diesem Zwecke ein Alkoholkonsumverbot im Wege einer ordnungsbehördlichen Verordnung auf der Grundlage von § 5 LImSchG erlassen (dazu a.). Sollte ein solches Verbot keine oder keine ausreichende Wirkung zeigen, wird die Beklagte auch ein Verweilverbot auf der Grundlage von § 5 LImSchG zu erwägen haben (dazu b.). Für den Fall, dass die Beklagte sich nicht in der Lage sieht, die Beschränkung der Tätigkeiten auf dem Brüsseler Platz im Wege einer Verordnung mangels Personals auch durchzusetzen, oder solche Verordnungen aus anderen Gründen nicht für zielführend hält, wird sie als ultima ratio eine Teileinziehung des Platzes in Betracht ziehen müssen (dazu c.).
231a. Die Beklagte kann zum Zwecke der Reduzierung der Lärmbelastung ein Alkoholkonsumverbot im Wege einer ordnungsbehördlichen Verordnung auf der Grundlage von § 5 LImSchG, der als speziellere Regelung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen § 27 OBG NRW vorgeht,
232vgl. Heusch, in: Schönenbroicher/Heusch, OBG NRW, § 27 Rn. 3,
233erlassen. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG liegen vor (dazu aa.). Dem Erlass der Verordnung stünde § 29 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW nicht entgegen (dazu bb.).
234aa. Nach § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG können die Gemeinden unter Beachtung der Ziele und Erfordernisse von Raumordnung und Landesplanung durch ordnungsbehördliche Verordnung vorschreiben, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebietes im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Gebietes bestimmte Tätigkeiten nicht oder nur beschränkt ausgeübt werden dürfen, soweit und solange das zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geboten ist.
235Die Regelung ermöglicht der Beklagten - als nach § 5 Abs. 1 LImSchG zuständiger Gemeinde - damit, zum Schutz der Anwohner vor unzumutbarem Lärm, bestimmte Tätigkeiten auf dem Brüsseler Platz räumlich und zeitlich zu begrenzen bzw. zu verbieten.
236Der Brüsseler Platz weist die erforderliche besondere Schutzbedürftigkeit auf (dazu (dazu (1.)). Durch die auf dem Platz festgestellten Geräuschimmissionen bestehen schädliche Umwelteinwirkungen für die Kläger als Nachbarn (dazu (2.)), die es rechtfertigen, den Alkoholkonsum auf dem Platz zu beschränken (dazu (3.)). Dem Erlass einer solchen Verordnung stünden auch nicht die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung entgegen (dazu (4.)). Sie wäre schließlich mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar (dazu (5.)).
237(1.) Der Brüsseler Platz - wobei die genaue Bestimmung des schutzbedürftigen Gebietes der Beklagten obliegt,
238vgl. dazu Himmelmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung NW, Stand: Juni 2019, § 5 LImSchG NRW Ziff. 2; zur insoweit wortgleichen Regelung des § 49 BImSchG: Thiel, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, 101. EL Juni 2023, BImSchG § 49 Rn. 28 f., -
239weist die nach § 5 Abs. 1 LImSchG erforderliche besondere Schutzbedürftigkeit auf. Ausgehend vom Wortlaut der Norm legt die Regelung die Gründe für die Annahme einer Schutzbedürftigkeit nicht fest. Sie kann verschiedene Ursachen haben und sich zum einen aus der bereits bestehenden besonderen Belastung des Gebietes oder dessen besonderer Empfindlichkeit gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen ergeben oder zum anderen auf der Art ihrer tatsächlichen oder geplanten Nutzung beruhen.
240Vgl. LT-Drs. 7/4040, S. 17; Himmelmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung NW, Stand: Juni 2019, § 5 LImSchG NRW Ziff. 2; Thiel, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 101. EL Juni 2023, BImSchG § 49 Rn. 12 f., m. w. N.
241Danach ergibt sich die besondere Schutzbedürftigkeit des Brüsseler Platzes nicht allein mit Blick auf die den Platz flankierende Wohnbebauung. Mangels Vorliegens eines reinen Wohngebietes im Sinne des § 3 BauNVO oder eines sonstigen, in Bezug auf Lärm noch schutzwürdigeren Gebietes (z. B. Kurgebiet, Krankenhaus) dürfte eine, die besondere Schutzbedürftigkeit begründende Empfindlichkeit des Gebietes nicht bestehen. Sie liegt hier in der besonderen Belastung der zahlreichen Wohnnutzungen mit Geräuschimmissionen, die zum einen aus der Vielzahl der am Brüsseler Platz gelegenen außengastronomischen und gewerblichen Angebote resultieren und zum anderen aus dem Umstand, dass der Platz auch außerhalb dieser Angebote zum Verweilen durch zum Teil mehrere hundert Menschen genutzt wird.
242(2.) Die vom Brüsseler Platz ausgehenden und dort festgestellten Geräuschimmissionen der anwesenden Besucher sind schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG. Nach § 2 Satz 1 LImSchG sind diese nach § 3 Abs. 1 BImSchG zu bestimmen, sodass insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.
243(3.) Zur Vermeidung dieser schädlichen Umwelteinwirkungen kann die Beklagte den Alkoholkonsum auf dem Platz beschränken. Der Alkoholkonsum ist als Tätigkeit von § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG erfasst (dazu (3.1.)). Er stellt sich auch als abstrakte Gefahr im Hinblick auf das Entstehen unzumutbaren Lärms dar (dazu (3.2.)).
244(3.1.) Der „bloße“ Alkoholkonsum kann eine Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG darstellen. Soweit im Schrifttum vertreten wird,
245vgl. Jaschke, NWVBl. 2018, 459 (461),
246dass zwischen der durch die Verordnung zu regulierenden Tätigkeit und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss, ist dem nicht beizupflichten. Für diese Auffassung mag der systematische Zusammenhang zu den Regelungen in § 5 Abs. 1 lit. a) und b) LImSchG sprechen, die einen solchen Zusammenhang nahelegen. Jedoch sprechen sowohl der Wortlaut des § 5 Abs. 1 LImSchG als auch dessen Systematik im Übrigen gegen eine solche Annahme. Nichts anderes ergibt ein systematischer Vergleich mit § 49 Abs. 1 BImSchG.
247Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG sieht eine solche Einschränkung nicht ausdrücklich vor. Die Tätigkeit muss (lediglich) zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geboten sein. Der Begriff der Tätigkeit ist nicht weiter - etwa durch einen Zusatz - konkretisiert. Auch aus dem Wort „Vermeidung“ lässt sich nicht mehr als die Erforderlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der beschränkten/verbotenen Tätigkeit und dem Eintritt schädlicher Umwelteinwirkungen herleiten. Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf § 1 Abs. 1 LImSchG. Danach gilt das Gesetz u. a. für das Verhalten von Personen, soweit dadurch schädliche Umwelteinwirkungen verursacht werden können. Auch der Begriff des Verursachens setzt nicht voraus, dass das Verhalten bereits aus sich heraus eine schädliche Umwelteinwirkung bildet. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG damit die Möglichkeit zu übermäßig weitreichenden Beschränkungen bietet, denn diese müssen im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen.
248Auch ein systematischer Vergleich mit § 49 Abs. 1 BImSchG legt eine solche Auslegung nicht nahe. Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten, die eines besonderen Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche bedürfen, u. a. bestimmte ortsveränderliche Anlagen nicht oder nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen, soweit die Anlagen geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen, die mit dem besonderen Schutzbedürfnis dieser Gebiete nicht vereinbar sind, und die Luftverunreinigungen und Geräusche durch Auflagen nicht verhindert werden können. Die anlagenbezogene Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sieht damit bereits ihrem Wortlaut nach vor, dass die Anlage als solche geeignet sein muss, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Eine solche Formulierung findet sich demgegenüber im Wortlaut des § 5 Abs. 1 LImSchG nicht.
249(3.2.) Der Alkoholkonsum auf dem Brüsseler Platz stellt sich auch als abstrakte Gefahr für das Entstehen unzumutbaren Lärms dar.
250Der Erlass einer Verordnung auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 LImSchG setzt voraus, dass die beschränkte oder verbotene Tätigkeit eine abstrakte Gefahr im Hinblick auf das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen bildet. Als ordnungsbehördliche Verordnung bezweckt sie die Abwehr von Gefahren, die von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen.
251Vgl. Himmelmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung NW, Stand: Juni 2019, § 5 LImSchG NRW Ziff. 2; zum LImSchG NRW allgemein LT-Drs. 7/4040, S. 15; zu § 49 BImSchG: Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 49 Rn. 1; Thiel, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Werkstand: 101. EL Juni 2023, § 49 BImSchG Rn. 1.
252Der mit dem Erlass einer Verordnung bezweckte Schutz solcher ordnungsrechtlichen Belange erfordert die Prognose, dass das betroffene Verhalten (hier das Verursachen schädlicher Umwelteinwirkungen) in hinreichender Weise die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzgüter begründet.
253Vgl. für Art. 297 EGStGB BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 6 C 28.13 -, juris Rn. 12; Himmelmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung NW, Stand: Juni 2019, § 5 LImSchG NRW Ziff. 2; für § 49 BImSchG Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 49 Rn. 1.
254Nach allgemeinem Verständnis unterscheidet sich die abstrakte Gefahr von der konkreten nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose bzw. die Betrachtungsweise. Während bei der konkreten Gefahr auf den zu beurteilenden konkreten Einzelfall abgestellt wird, ist eine abstrakte Gefahr gegeben, wenn aus bestimmten Handlungen oder Zuständen nach den Erfahrungen des täglichen Lebens oder nach den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im konkreten Einzelfall Schäden an dem geschützten Rechtsgut einzutreten pflegen und daher Anlass besteht, dieser Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz, zu begegnen. Wird ein schwerwiegender Schaden befürchtet, ist keine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vorauszusetzen, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit. In tatsächlicher Hinsicht verlangt auch die abstrakte Gefahr eine genügend abgesicherte Prognose, das heißt, es müssen bei der gebotenen generell-abstrakten Betrachtungsweise hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden für das jeweils geschützte Rechtsgut rechtfertigen.
255Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 -, juris Rn. 35, 41.
256Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne - „politisch“ geprägt oder mitgeprägt ist. Eine derart weitreichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nicht zu.
257Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 -, juris Rn. 35.
258Nach diesen Maßstäben bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der mit dem Verweilen verbundene Alkoholkonsum auf dem Brüsseler Platz - soweit er nicht den gastronomischen Angeboten zuzuordnen ist - eine abstrakte Gefahr im Hinblick auf das Entstehen unzumutbarer Geräuschimmissionen bildet. Davon, dass Alkoholkonsum mehr als nur unerheblich zu der Entstehung unzumutbaren Lärms auf dem Brüsseler Platz beiträgt, geht die Beklagte selbst aus und hat deshalb gegenüber der Betreiberin des nahegelegenen Kiosks bereits im Jahr 2013 eine Sperrzeitverlängerung angeordnet und ihr den Verkauf alkoholischer Getränke untersagt.
259Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2016 - 4 A 17/14 -, juris Rn. 6.
260Da das u. a. zu schützende Rechtsgut - die Gesundheit der Anwohner des Brüsseler Platzes - zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern zählt,
261vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 -, juris Rn. 102,
262genügt es, dass der genannte Alkoholkonsum aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung und der aktenkundigen Feststellungen zur Lage auf dem Brüsseler Platz in den letzten Jahren zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit jedenfalls für die wärmere Jahreshälfte zur Nachtzeit, und zwar insbesondere, aber nicht nur in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag und den Nächten vor gesetzlichen Feiertagen in Nordrhein-Westfalen zu unzumutbaren Geräuschimmissionen führt, die mit dem Gesundheitsschutz der Kläger unvereinbar sind.
263Vgl. etwa die bei Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 - 11 KN 187/12 -, juris Rn. 9 f., genannte Regelung, die solchen zeitlichen Umständen Rechnung trägt.
264Dass an diesen Tagen regelmäßig ein nicht unerheblicher Alkoholkonsum unmittelbar auf dem Brüsseler Platz stattfindet, ist nach Aktenlage nicht zweifelhaft. Es mag dabei nicht auszuschließen sein, dass auf dem Platz auch alkoholisierte Personen anwesend sind, deren Alkoholkonsum bereits vor Betreten des Platzes - entweder zu Hause oder im Rahmen gastronomischer Angebote - stattgefunden hat. Dass auf dem Platz eine erhebliche Menge Alkohol vor Ort konsumiert wird, belegen schon die Vielzahl der dort zurückgelassenen Glasflaschen und die vorgefundenen Glasscherben,
265vgl. die Bilder der Beklagten in den Verwaltungsvorgängen BA Ht. 8 Bl. 43 ff.,
266und die Anzahl der von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen, um einerseits den Verkauf von Alkohol in der unmittelbaren Nähe des Platzes zu regulieren sowie andererseits eine ordnungsgemäße Entsorgung der (Glas‑)Flaschen sicherzustellen. So zeigen die Versuche der Beklagten, durch freiwillige Absprachen mit den anliegenden Kiosken (…) sowie dem M.-Markt (…), den Verkauf von Alkohol ab 23:30 Uhr zu beschränken, dass auch aus ihrer Sicht der Alkoholkonsum vor Ort jedenfalls mitursächlich für die Lärmbelästigung auf dem Brüsseler Platz ist. Nichts anderes gilt für das auch in der aktuellen Handlungsanweisung für den Brüsseler Platz vorgesehene gezielte Ansprechen der Besucher durch die Vermittler, die Flaschen nicht als Spende an Flaschensammler abzustellen, sondern an die Verkaufsstellen zurückzubringen.
267Vgl. Handlungsanweisung Brüsseler Platz für den Zeitraum 31. März 2023 bis 28. Oktober 2023, S. 5.
268Zudem ist die Beauftragung einer Reinigungsfirma in diesen Nächten erforderlich, wobei angesichts der vorhandenen Glasscherben neben der maschinellen Reinigung des Platzes ein zusätzlicher Straßenreiniger eingesetzt wird.
269Schließlich hielt die Beklagte während der Corona-Pandemie zusätzlich zu einem Alkoholkonsumverbot auch die Anordnung eines Alkoholabgabeverbotes u. a. für die Kioske und den Einzelhandel am Brüsseler Platz deshalb für erforderlich, weil der Alkoholverkauf auf dem Brüsseler Platz wesentlicher Faktor für dessen Attraktivität sei und damit zur Erhöhung der Teilnehmerzahl und zu einer Verdichtung des Publikums führe. Er bringe auch mit sich, „dass die ‚Partygäste‘ die Lokalitäten über einen langen Zeitraum nicht verlassen, weil ihr Bedarf an Getränken ortsnah befriedigt wird, mit der Folge, dass die Personen über einen längeren Zeitraum den Aerosolen ausgesetzt sind.“
270Vgl. Begründung zur Änderung der Allgemeinverfügung vom 2. Oktober 2020 zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln vom 14. Juni 2021, S. 5.
271Unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles spricht alles dafür, dass eine wesentliche Mitursächlichkeit des Alkoholkonsums für das Entstehen der unzumutbaren, vom Brüsseler Platz ausgehenden und von Menschen verursachten Geräuschimmissionen bejaht werden kann.
272Es entspricht bereits der Lebenserfahrung, dass Alkoholkonsum ein enthemmtes Verhalten fördert. Dazu gehört auch eine Veränderung des Kommunikationsverhaltens, zu der die Steigerung der Kommunikationslautstärke ebenso wie lautes und schrilles Lachen, Johlen und Grölen sowie Rufen zählen.
273Vgl. ähnlich Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 ‑ 11 KN 187/12 -, juris Rn. 79.
274Ein solches, in Folge von Alkoholkonsum zu befürchtendes Verhalten nahm während der Corona-Pandemie auch die Beklagte zum Anlass, auf dem Platz ein Alkoholkonsumverbot anzuordnen, da das gesellige Zusammensein u. a. wegen „der steigenden Enthemmtheit und Unbedachtheit infolge Alkoholgenusses und auch wegen der Notwendigkeit, sehr laut zu sprechen und dichter aneinanderzurücken, wenn die Umgebungslautstärke wegen hoher Betriebsamkeit oder auch wegen Musik zunimmt, infektiologisch problematisch“ sei.
275Vgl. Begründung zur Änderung der Allgemeinverfügung vom 2. Oktober 2020 zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln vom 14. Juni 2021, S. 5.
276Darüber hinaus lassen aber auch die weiteren Erkenntnisse der Beklagten über die örtlichen Gegebenheiten auf dem Brüsseler Platz und die gehäuften Beschwerden der Anwohner den Schluss zu, dass der Alkoholkonsum auf dem Brüsseler Platz jedenfalls zu den genannten Zeiten typischerweise unzumutbare Geräuschimmissionen zur Folge hat. Ermöglicht die Ermächtigungsgrundlage des § 5 Abs. 1 LImSchG der zuständigen Ordnungsbehörde, den besonderen örtlichen Bedingungen in ihrem Zuständigkeitsbereich Rechnung zu tragen,
277vgl. LT-Drs. 7/4040, S. 17; Heusch, in: Schönenbroicher/Heusch, OBG NRW, § 27 Rn. 22,
278dürfen diese Aspekte im Rahmen der Prognose nach § 5 Abs. 1 lit. c) LImSchG gerade nicht außer Acht gelassen werden.
279Danach stellt sich die konkrete Situation nach Aktenlage für den Senat so dar, dass der Brüsseler Platz vor allem von jungen Menschen aufgesucht wird. Davon geht auch die Beklagte aus. Ihrer Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung betreffend den Einsatz von Vermittlern auf dem Brüsseler Platz für das Jahr 2018 kann entnommen werden, dass sich ihrer Auffassung nach das Publikum „überwiegend aus Studentinnen und Studenten, jungen Menschen aus der Kreativszene, Studierende[n] sowie Anwohnerinnen und Anwohner[n]“ zusammensetzt. Vor allem an den Wochenenden mit schönem Wetter entwickelt sich auf dem Platz eine öffentliche Feier,
280vgl. auch die Begründung zur Änderung der Allgemeinverfügung vom 2. Oktober 2020 zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln vom 14. Juni 2021, in der von „partyähnliche[n] Zustände[n] mit Hunderten von Personen“ bzw. einer „‚freien‘ Partyszene“ sowie einem „Hotspot“ die Rede ist,
281bei der alkoholbedingt das bereits beschriebene enthemmte Verhalten auftritt. Dies ergibt sich auch aus dem Gutachten der W. GmbH vom 29. September 2022 (dort S. 17 f.), wonach die Maximalpegel am 29. Juli 2022 und 30. Juli 2022 jeweils in der Zeit von 22 Uhr bis 0 Uhr durch schreiende Menschen verursacht worden sind. Das Gutachten (dort S. 2) weist zudem daraufhin, dass neben den üblichen Kommunikationsgeräuschen die Geräuschkulisse durch lautes Rufen und Lachen sowie vereinzelt durch Schreie und durch lautes Klirren von auf dem Boden liegenden Glasflaschen bestimmt war. Anhaltspunkte bieten insoweit auch die in den Einsatzdokumentationen und dem Anrufeinsatzerfassungssystem von der Beklagten vermerkten Vorkommnisse auf dem Brüsseler Platz, unter denen sich etwa für das Jahr 2022 häufig der Hinweis auf lärmende Personen und Gruppen, zum Teil auch in Verbindung mit Alkohol findet. Letztlich belegen auch die mit Schriftsätzen der Kläger vom 17. September 2018 sowie der Beklagten vom 12. September 2023 zur Gerichtsakte gereichten Anwohnerbeschwerden den vom Senat gewonnenen Eindruck.
282Dem Alkoholkonsum eines jeden auf dem Brüsseler Platz Anwesenden ist auch nicht deshalb die Mitursächlichkeit für die Geräuschimmissionen abzusprechen, weil er dafür nur eine mittelbare Ursache bildete und die Gefahrengrenze erst durch eine weitere Handlungen - das Lärmen - überschritten werde.
283Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 1 S 2272/97 -, juris Rn. 43.
284Es darf schon bezweifelt werden, dass dem lärmenden Verhalten ein gesonderter bewusster Entschluss zugrunde liegt; vielmehr dürfte dieses Verhalten bei der gebotenen wertenden Zurechnung seine Ursache allein in einem Übermaß konsumierten Alkohols finden.
285Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 - 11 KN 187/12 -, juris Rn. 80.
286Ungeachtet dessen genügt es, wenn bei einem Zusammenwirken verschiedener Faktoren zwischen dem verbotenen Handeln und der Gefahr eine - wie hier - naheliegende ursächliche Verknüpfung besteht.
287Vgl. für ein Taubenfütterungsverbot BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 1980 - 2 BvR 854/79 -, juris Rn. 6; Faßbender, NVwZ 2009, 563 (566); Winkelmüller/Misera, LKV 2010, 259 (262).
288(4.) Es ist auch nicht zu erkennen, dass dem Erlass einer solchen Verordnung die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung entgegenstünden. Ausweislich der zeichnerischen Darstellungen des Gebietsentwicklungsplans (heute: Regionalplan) für den Regierungsbezirk Köln, Teilabschnitt Region Köln vom 21. Mai 2001 (GV.NRW., Nr. 15 vom 21. Mai 2001, S. 196),
289vgl. https://www.bezreg-koeln.nrw.de/system/files/media/document/file/kommunales_planung_bauen_und_verkehr_regionalplanung_aktuell_teilabschnitt_koeln_zeichnerische_darstellung.pdf, S. 9,
290ist für den Bereich des Brüsseler Platzes ein Allgemeiner Siedlungsbereich festgesetzt. Mit den textlichen Festsetzungen für Allgemeine Siedlungsbereiche in Lit. B.2,
291vgl. https://www.bezreg-koeln.nrw.de/system/files/media/document/file/kommunales_planung_bauen_und_verkehr_regionalplanung_aktuell_teilabschnitt_koeln_textliche_darstellung.pdf, S. 14 ff.,
292wird ein durch eine ordnungsbehördliche Verordnung angeordnetes Alkoholkonsumverbot nicht kollidieren.
293(5.) Der Erlass eines - durch die Beklagte u. a. in zeitlicher und räumlicher Hinsicht zu konkretisierenden - Alkoholkonsumverbots ist im Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachten Grundrechte der Besucher des Platzes aus Art. 2 Abs. 1 GG auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich.
294Die Verordnung verfolgte mit dem Gesundheitsschutz der Anwohner - hier in Form der Nachtruhe - und dem Schutz ihres Eigentums legitime Zwecke.
295Ein Alkoholkonsumverbot wäre auch zur Erreichung dieses Zweckes geeignet. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.
296Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 BvL 1/20 -, juris Rn. 126.
297Es ist davon auszugehen, dass eine den Alkoholkonsum auf dem Platz begrenzende Verordnung - einschließlich ihrer Durchsetzung - zu einer deutlichen Reduzierung der vom Brüsseler Platz ausgehenden Geräuschimmissionen führen wird, indem die Anzahl der sich enthemmt verhaltenen Personen - ggf. auch zwangsweise - reduziert wird und der Brüsseler Platz für diejenigen an Attraktivität verliert, die diesen allein zum Zwecke einer öffentlichen Feier mit Alkohol aufsuchen.
298So etwa für die Göttinger Innenstadt, vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 - 11 KN 187/12 -, juris Rn. 79.
299Der Annahme einer Reduzierung der vom Platz ausgehenden Geräuschimmissionen steht nicht entgegen, dass - worauf auch das Gutachten der W. GmbH vom 29. September 2022 verweist - ein Teil der festgestellten Geräuschimmissionen von der am Brüsseler Platz gelegenen Außengastronomie ausgeht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Teil des Lärms, der im Bereich des Platzes außerhalb der gastronomischen Angebote entsteht, so gering wäre, dass er nicht ins Gewicht fiele. Dafür spricht schon der Umstand, dass unzumutbare Geräuschimmissionen auch noch nach Betriebsschluss der außengastronomischen Angebote um 24 Uhr bei den Messungen im Juli 2022 festgestellt werden konnten.
300Die Eignung ist einem solchen Verbot auch nicht deshalb von vornherein abzusprechen, weil es womöglich auch mit ihm nicht gelingen wird, die nächtlichen Ruhestörungen nachhaltig zu beenden, das heißt ein freiwilliges Verlassen oder Meiden des Platzes durch die Besucher zu erreichen. Denn der Erfolg des Verbots wird ganz maßgeblich davon abhängen, dass die Beklagte stetig und nachhaltig das Verbot durchsetzen wird.
301Vgl. VG Freiburg, Urteil vom 10. Oktober 2018 - 4 K 805/16 -, juris Rn. 41.
302Eine fehlende Eignung des in Rede stehenden Verbots ergibt sich auch nicht aus der Befürchtung der Beklagten, dass durch diese örtlich begrenzte Maßnahme das Problem auf einen anderen Bereich des Stadtgebietes verlagert würde.
303Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 2020 - 10 NE 20.2437 -, juris Rn. 25.
304Auch ein solcher Umstand entbindet die Beklagte nicht, eine Beschränkung der Tätigkeiten auf dem Platz ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Zum einen werden erst der Erlass einer solchen Verordnung und deren konsequente Vollziehung zeigen, ob es zu der von der Beklagten befürchteten Verlagerung in gleichfalls schützenswerte Bereiche tatsächlich kommt. Zum anderen hat sie in diesem Fall die Möglichkeit, ihre Maßnahmen zur Steuerung der Besucher etwa in Richtung weniger empfindlicher Bereiche, wie etwa zum PB., zu intensivieren oder auf eine solche Verlagerung ebenfalls mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen zu reagieren.
305Ein Alkoholkonsumverbot stellt sich auch als erforderlich dar. Ein milderes, aber gleich effektives Mittel zur gebotenen Reduzierung der vom Brüsseler Platz ausgehenden nächtlichen Geräuschimmissionen ist nicht ersichtlich. Deren Messungen im Juli 2022 haben gezeigt, dass die von der Beklagten im Rahmen des Modus Vivendi und im Anschluss an den Erörterungstermin in dem Verfahren 8 B 621/19 durchgeführten (milderen) Maßnahmen (insb. Einsatz des Ordnungsdienstes bzw. Beauftragung von Vermittlern, Veränderung der Beleuchtungszeiten der Kirche St. Michael, engmaschige Kontrollen des pünktlichen Endes der Außengastronomie, Absprachen zum Verkaufsverbot von Alkohol, Reinigung des Platzes gegen Mitternacht, um eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, Aufstellen eines Lärmmessgerätes, Verteilen von Handzetteln, die auf die Lärmproblematik hinweisen, Umgestaltung u. a. der Hochbeete des Platzes, Reduzierung der Sitzmöglichkeiten) bislang nicht den Effekt hatten, die Geräuschimmissionen z. B. auch an den Wochenenden auf ein für die Anwohner zumutbares Niveau zu senken. Ein Verweilverbot oder eine Teileinziehung des Platzes samt nächtlicher Absperrung (siehe dazu jeweils unten) dürften jedenfalls keine milderen Mittel darstellen, weil sie Tätigkeiten auf dem Platz zumindest nicht weniger stark einschränken.
306Schließlich kann ein Alkoholkonsumverbot auch angemessen ausgestaltet werden, sodass es die betroffenen Besucher des Platzes nicht unzumutbar in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG beschränkt. Ein zeitlich und örtlich begrenztes Alkoholkonsumverbot stellte sich lediglich als geringfügiger Eingriff in das Recht der Betroffenen zum Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit dar. Dabei steht einem Alkoholkonsumverbot nicht entgegen, dass ein solches Verbot auch sogenannte „stille Zecher“, die ruhig und unauffällig dem Alkohol in der Öffentlichkeit zusprechen, erfassen kann.
307Vgl. aber VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 1 S 2272/97 -, juris Rn. 39; OVG S.‑A., Urteil vom 17. März 2010 - 3 K 319/09 -, juris Rn. 56.
308Dies liegt bereits im Wesen eines verordnungsrechtlichen Verbotes bzw. dem Erfordernis des Vorliegens einer abstrakten Gefahr.
309Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 - 11 KN 187/12 -, juris Rn. 76; Faßbender, NVwZ 2009, 563 (567).
310Demgegenüber stehen diesem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG die gewichtigen, schutzwürdigen Interessen der Anwohner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegenüber, die überwiegen.
311Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 2012 - 11 KN 187/12 -, juris Rn. 93; zur Beschränkung der Benutzung u. a. von Lautsprechern so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. August 2021 - 1 S 1894/21 -, juris Rn. 152.
312Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht schließlich die Möglichkeit, im Einzelfall Ausnahmen vom Alkoholkonsumverbot zuzulassen.
313bb. Dem Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung stünde auch nicht - wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - § 29 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW entgegen. Danach dürfen ordnungsbehördliche Verordnungen nicht lediglich den Zweck haben, die den Ordnungsbehörden obliegende Aufsicht zu erleichtern. Angesichts des Vorliegens einer abstrakten Gefahr steht hier ersichtlich die Gefahrenabwehr im Vordergrund. Dass sie mittelbar der Beklagten die ordnungsbehördliche Aufsicht erleichtern wird, steht dem Erlass der Verordnung nicht entgegen.
314Vgl. Heusch, in: Schönenbroicher/Heusch, OBG NRW, § 29 Rn. 14; Faßbender, NVwZ 2009, 563 (566); siehe aber Hess. VGH, Urteil vom 10. April 2014 - 8 A 2421/11 -, juris Rn. 30.
315b. Sollte ein solches Alkoholkonsumverbot keine oder keine ausreichende Wirkung zeigen, um eine Lärmreduzierung auf dem Platz zu erreichen, wird die Beklagte stattdessen oder zusätzlich auch ein Verweilverbot auf der Grundlage von § 5 LImSchG zu erwägen haben.
316Nach obigen Maßstäben wird sie dabei zunächst zu ermitteln haben, ob die Umstände des Einzelfalles auf dem Brüsseler Platz bereits die Prognose erlauben, dass - etwa ab einer bestimmten Uhrzeit oder an bestimmten Wochentagen - das bloße Verweilen und Kommunizieren einer Person auf dem Brüsseler Platz nach den Erfahrungen des täglichen Lebens oder nach den Erkenntnissen fachkundiger Stellen regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zum Verursachen unzumutbarer Geräuschimmissionen, zum Beispiel durch Schreien, Grölen oder lautes Rufen, führt.
317Soweit ihre Erkenntnisse eine solche Prognose erlauben, berührte ein solches Verweilverbot - anders als die Beklagte dies zu bedenken gibt - auch nicht den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG. Freizügigkeit bedeutet das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnung zu nehmen. Hierzu gehört auch der freie Zug von Land zu Land, von Gemeinde zu Gemeinde und innerhalb einer Gemeinde. Der eigenständige Schrankenvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG, der Beschränkungen nur aus besonders gewichtigen Anlässen erlaubt, indiziert, dass Art. 11 Abs. 1 GG nur Verhaltensweisen erfasst, die sich als Fortbewegung im Sinne eines Ortswechsels qualifizieren lassen und dadurch eine über die insbesondere durch Art. 2 GG geschützte körperliche Bewegungsfreiheit hinausgehende Bedeutung für die räumlich gebundene Gestaltung des alltäglichen Lebenskreises haben.
318Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2008 - 1 BvR 1548/02 -, juris Rn. 25, m. w. N.
319Wird ein Betroffener lediglich daran gehindert, einen Gemeindeteil zur Freizeitgestaltung und zu alltäglichen Verrichtungen aufzusuchen, berührt dies den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG hingegen nicht.
320Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2008 - 1 BvR 1548/02 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 7. Dezember 2021 - 5 A 2000/20 -, juris Rn. 51.
321Nach diesen Maßstäben hinderte das in Rede stehende - zeitlich und örtlich begrenzte - Verweilverbot die Besucher des Brüsseler Platzes lediglich daran, diesen zur jederzeitigen Freizeitgestaltung aufzusuchen. Ihr Recht zum Ortswechsel aus Art. 11 Abs. 1 GG ist demgegenüber ersichtlich nicht tangiert.
322Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen müsste die Beklagte - gleichsam ihrer Abwägung mit Blick auf den Erlass eines Alkoholkonsumverbotes - mithin die allgemeine Handlungsfreiheit der Besucher des Platzes mit dem sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gesundheitsschutz der Kläger bzw. deren Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abwägen. Außerdem müsste sie die Verkehrs- und Erschließungsfunktion des Platzes sowie die Interessen der dort angesiedelten Gastronomie berücksichtigen.
323Schließlich stünde dem Erlass eines solchen Verweilverbotes auch die Regelung des § 24 Nr. 12 OBG NRW nicht entgegen, wonach § 34 Abs. 2 PolG NRW, der die Polizei zur Anordnung von Betretungs- oder Aufenthaltsverboten ermächtigt, für die Ordnungsbehörden nicht entsprechend gilt. Denn ein zeitlich beschränktes Verweilverbot für den Brüsseler Platz fiele schon nicht in den Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 PolG NRW. Zum einen dient es nicht dazu, in einem bestimmten örtlichen Bereich die Begehung einer Straftat zu verhindern.
324Vgl. Ogorek, in: BeckOK PolR NRW, 26. Ed., 15. Juli 2023, § 34 Rn. 32.
325Zum anderen ist das Aufenthaltsverbot eine freizügigkeitsrelevante Maßnahme,
326vgl. Ogorek, in: BeckOK PolR NRW, 26. Ed., 15. Juli 2023, § 34 Rn. 30,
327deren Schutzbereich jedoch hier - wie dargelegt - nicht eröffnet ist, zumal ein Verweilverbot als mit einem Betreten oder Überqueren des Platzes vereinbar ausgestaltet werden kann.
328c. Für den Fall, dass die Beklagte sich nicht in der Lage sieht, die bereits geltenden oder noch von ihr zu erlassenden rechtlichen Vorgaben zum Schutz der Anwohner vor unzumutbarem Lärm mit dem ihr zur Verfügung stehenden Personal auch zumindest soweit durchzusetzen, dass nachts keine regelmäßigen starken Lärmbelastungen für die Anwohner mehr auftreten, wenn die Beklagte ihren Beschäftigten die mit einer solchen Durchsetzung verbundenen Konfliktsituationen nicht zumuten will oder wenn sie den Erlass eines Verweilverbotes aufgrund ihrer damit gemachten Erfahrungen während der Corona-Pandemie von vorn herein als ungeeignet ansieht, um den Lärmbelastungen der Nachbarschaft zu begegnen (so ihre Darstellung im Schriftsatz vom 6. September 2023, S. 4), muss sie andere Maßnahmen ergreifen, mittels derer sie den Lärm mit geringerem Personalaufwand effektiv verringern kann. Dazu wird sie als ultima ratio eine Teileinziehung des Platzes ‑ unter Aussparung der Straße und Fußgängerwege sowie ggf. eines Zugangs zur Kirche St. Michael - nicht außer Betracht lassen dürfen. Um eine solche Teileinziehung umzusetzen, müsste die Beklagte einen ausreichend hohen Zaun oder eine ausreichend hohe und dichte Hecke, jeweils mit verschließbaren Toren, errichten und abends abschließen, wie dies bereits bei manchen innerstädtischen Parks oder Friedhöfen praktiziert wird. Auf diese Weise könnte sie die Flächen, auf denen Menschenansammlungen entstehen können, deutlich reduzieren und mit geringerem Personaleinsatz effektiver kontrollieren.
329Nach den §§ 6 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StrWG NRW kann die zuständige Straßenbaubehörde - hier nach § 47 Abs. 1 StrWG NRW die Beklagte - durch Teileinziehung die Widmung einer öffentlichen Straße nachträglich auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise beschränken, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für eine solche Teileinziehung vorliegen. Nach § 2 Abs. 1 StrWG NRW gehören zu den öffentlichen Straßen im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr - wie hier der Brüsseler Platz - gewidmet sind. Auf dieser Grundlage wäre es der Beklagten möglich, durch einen zeitweiligen Ausschluss des Betretens des Platzes - ergänzt durch die oben angeführten Umsetzungsmaßnahmen - die Benutzung zeitlich zu beschränken.
330Vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 10. April 2014 - 8 A 2421/11 -, juris Rn. 35.
331Eine solche Beschränkung durch Teileinziehung kann nach § 7 Abs. 3 StrWG NRW durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt werden. Dazu ist erforderlich, dass das in § 7 Abs. 2 StrWG NRW angesprochene Verkehrsbedürfnis im Rahmen einer Abwägung hinter ein anderes öffentliches Interesse der Daseinsvor- oder ‑fürsorge ‑ hier mithin den Gesundheits- oder Eigentumsschutz ‑ zurücktreten muss.
332Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. August 1994 - 23 A 1518/92 -, juris Rn. 16; Hengst, in: Hengst/Majcherek, StrWG NRW, 11. EL September 2022, § 7 Nr. 3.2.
333Das Verkehrsbedürfnis setzt sich zusammen aus einer unbestimmten Vielzahl privater Verkehrsinteressen der gegenwärtigen und der künftigen oder potentiellen Benutzer einschließlich der privaten Verkehrsinteressen der Anlieger und einem öffentlichen Verkehrsinteresse im engeren Sinne, das sich aus einem Verkehrslenkungsinteresse des Trägers der Straßenbaulast in Bezug auf die Einbindung der Straße in das öffentliche Wegenetz ergibt.
334Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. August 1994 - 23 A 1518/92 -, juris Rn. 16.
335Nach diesen Maßstäben dürften bei einer Begrenzung der Teileinziehung auf die reine Platzfläche insbesondere Erschließungsinteressen der Kirchengemeinde St. Michael zu berücksichtigen sein. Diesen Interessen kann die Beklagte dadurch Rechnung tragen, dass sie der Kirchengemeinde auch außerhalb der von ihr bestimmten Öffnungszeiten des Platzes Zugang gewährt, indem sie dieser etwa einen Schlüssel aushändigt oder eine Zuwegung zur Kirche von vorn herein ausspart. Die Interessen der Außengastronomie, auf dem Brüsseler Platz weiterhin Gäste bewirten zu können, ließen sich dadurch berücksichtigen, dass etwaige Schließzeiten des Platzes mit denen der Außengastronomie abgestimmt werden oder auch insoweit Flächen ausgespart bleiben.
336IV. Die Kläger haben einen Anspruch auf Einschreiten der Beklagten, soweit durch die Geräuschimmissionen die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde überschritten ist.
337Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen ist den Klägern ein gebundener Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch oder Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG darauf zuzuerkennen, dass die Beklagte dafür Sorge trägt, dass Geräuschimmissionen oberhalb der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde unterbleiben.
338Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 - 7 C 33.87 -, juris Rn. 19; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 12. September 2007 - 7 A 10789/07 -, juris Rn. 32; OVG NRW, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 7 A 1016/09 -, juris Rn. 5.
339Nichts anderes ergibt sich, wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Straßenverkehrsrecht annimmt, dass der einzelne grundsätzlich nur einen - auf die ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf Schutz seiner Individualinteressen besitzt, auch wenn grundrechtsgefährdende oder billigerweise nicht mehr zuzumutende Verkehrslärmeinwirkungen zu befürchten sind,
340vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993 - 11 C 45.92 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005 - 8 A 2350/04 -, juris Rn. 30 f., jeweils m. w. N.,
341und für die Frage der Ermessensreduzierung auf Null die Besonderheiten des Einzelfalls maßgeblich sind.
342Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2018 - 8 A 1247/16 -, juris Rn. 32 f., m. w. N.
343Denn aufgrund der Besonderheiten dieses Einzelfalles ist jedenfalls von einer Ermessensreduzierung auf Null in Bezug auf das Entschließungsermessen auszugehen (dazu 1.). Hinsichtlich der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahme(n) verbleibt der Beklagten hingegen ein ausnutzbarer Ermessensspielraum (dazu 2.).
3441. Soweit die Geräuschimmissionen die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von 60 dB(A) während der lautesten Nachtstunde überschreiten, ist das Entschließungsermessen der Beklagten auf Null reduziert, weil nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist.
345Eine solche Reduzierung des Ermessens kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Sie setzt voraus, dass nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen offenkundig nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden können.
346Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 5 C 36.15 -, juris Rn. 31.
347Dies ist hier der Fall. Das nächtliche Geschehen auf dem Brüsseler Platz ist in der bisherigen Form und im bisherigen Ausmaß den Klägern als Nachbarn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich zumutbar. Die hier in Rede stehenden grundrechtlich - und nicht nur einfachrechtlich - geschützten Lärmschutzbelange der Kläger genießen unter dem Aspekt des Schutzes ihrer Gesundheit nach den konkreten Gegebenheiten einen hohen Stellenwert. Selbst die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle wird, was die Messungen der W. GmbH gezeigt haben, nicht nur geringfügig, sondern zum Teil ganz erheblich überschritten. Diese Überschreitungen erstrecken sich darüber hinaus über weite Teile des Jahres und dies seit schon mehr als einem Jahrzehnt. Sie stellen für die Kläger beträchtliche - wie dies die Kläger zu 1. und 2. im Termin zur mündlichen Verhandlung auch anschaulich dargelegt haben - Belastungen dar, die auf Dauer ihre Gesundheit schädigen, jedenfalls aber gefährden werden. Dieser intensiven Gefährdung eines hochwertigen Rechtsgutes steht lediglich ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gegenüber, der den jeweiligen Besucher des Platzes - mangels dauerhaften Aufenthaltes auf dem Platz - auch nur punktuell trifft, wohingegen die Kläger dem Geschehen mangels Ausweichmöglichkeiten - von kurzen Abwesenheitszeiten abgesehen - permanent ausgesetzt sind.
348Vgl. für ein Glasverbot VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3. August 2023 - 1 S 1718/22 -, juris Rn. 138.
349Maßgeblich kommt hinzu, dass die Beklagte - wie bereits ausführlich erörtert - durch ihr eigenes Verhalten sowie durch das Unterlassen ernsthafter, zielgerichteter Maßnahmen, die sie im Übrigen im Rahmen des Modus Vivendi selbst für sachgerecht gehalten hat, zum Schutz der Nachbarn einen eigenen Verursachungsbeitrag zur Verfestigung der Lärmbelastung der Kläger erbracht hat. Auch aus diesem Umstand ergibt sich eine Verantwortung der Beklagten, die die Verpflichtung zum Einschreiten begründet.
3502. Hinsichtlich der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahme(n) verbleibt der Beklagten hingegen ein ausnutzbarer Ermessensspielraum.
351Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 - 7 C 33.87 -, juris Rn. 19.
352Innerhalb dieses Rahmens wird es der Beklagten jedoch obliegen, zeitnah, mit einem dem Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter angemessenen Nachdruck, ein Gesamtkonzept ggf. unterschiedlicher Maßnahmen zu erstellen, welches der Komplexität und Dynamik des Geschehens auf dem Brüsseler Platz Rechnung trägt.
353Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 3. August 2023 - 1 S 1718/22 -, juris Rn. 143.
354Dazu wird auch gehören, das zunächst entwickelte Konzept zu evaluieren und ggf. an Veränderungen anzupassen. Aufgabe der Beklagten wird es als Teil dieses Prozesses ferner sein, die weitere Entwicklung unter Kontrolle zu behalten und bei Fortbestand der Beschwerdelage nötigenfalls die Belastung der Kläger durch die verbleibenden Geräuschimmissionen zu ermitteln, um die Wirksamkeit der von ihr ergriffenen Maßnahmen mit Blick auf die Wahrung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle zu überprüfen. Dies hat auf der Grundlage eines Beurteilungspegels, also des Mittelungspegels nebst Zuschlägen etwa für Impulshaltigkeit, für die lauteste Nachtstunde zu erfolgen.
355Vgl. Nr. 6.4 Abs. 3, Nr. 2.10 TA Lärm.
356Der Senat erachtet die Ermittlung der Lästigkeit der in Rede stehenden nächtlichen Geräusche auf der Grundlage eines solchen Mittelungspegels für sachgerecht, auch wenn dadurch aus dem allgemeinen Grundgeräusch - hier vor allem den Kommunikationsgeräuschen - herausragende Einzelgeräusche zum Teil nivelliert werden. Dies liegt in der Natur einer Mittelungsmethode,
357vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, juris Rn. 27,
358ist angesichts des Betrachtungszeitraums von einer Stunde jedoch deshalb unbedenklich, weil die hier in Rede stehenden Einzelimpulse in Form von Schreien, Rufen, Grölen oder Gläserklirren nicht derart atypisch sind, dass ihrer spezifischen Lästigkeit nicht durch die nach der TA Lärm zu vergebenden Zuschläge für Ton-, Informations- und Impulshaltigkeit Rechnung getragen werden könnte. Dementsprechend sieht auch Nr. 4 des Runderlasses Freizeitlärm die Orientierung an der TA Lärm vor und empfiehlt Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie die Anwendung von Mittelungspegeln nebst Zuschlägen.
359V. Die Beklagte ist ferner unterhalb der Grenze der Gesundheitsgefahr verpflichtet, ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden, ob und bejahendenfalls welche weiteren Maßnahmen sie zur weiteren Absenkung des Beurteilungspegels auf 45 dB(A) während der lautesten Nachtstunde ergreift.
360Hierzu bedarf es einerseits wiederum einer zutreffenden Bewertung der tatsächlichen Situation (einschließlich der Verursachungsbeiträge der Außengastronomie) und der verbleibenden Handlungsoptionen sowie einer fehlerfreien Gewichtung der widerstreitenden Interessen. Dabei wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass das Interesse der Besucher des Platzes nicht durch Art. 11 GG geschützt ist und dass der hier allein in Betracht kommende Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit seine Grenzen in den gesetzlichen Regelungen wie § 117 OWiG und § 9 Abs. 1 LImSchG findet. Andererseits wird sie wohl mit vertretbarer Begründung zu der Einschätzung gelangen können, dass unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten und der „urbanen“ Vorprägung eine nächtliche Lärmbelastung von regelmäßig 45 dB(A) zumutbar ist, wovon im Übrigen auch die Kläger ausweislich der Präzisierung ihres Klageantrags im Berufungsverfahrens ausgehen. Mit fehlerfreier Begründung kann den Klägern auch weiterhin eine gewisse Lärmbelastung zumutbar sein. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die ohnehin vorhandene Vorbelastung insbesondere durch Verkehrsgeräusche, die - unter Berücksichtigung der oben bereits wiedergegebenen Messergebnisse von Februar und Juli 2022 - eine Reduzierung der Gesamtbelastung auf 45 dB(A) während der gesamten Nachtzeit ausgeschlossen erscheinen lassen dürfte. Ferner wird eine Ermessensausübung der Beklagten, bei der diese sich etwa an Nr. 4.4.2 lit. d) und e) der Freizeitlärmrichtlinie orientiert und entscheidet, dass die Kläger aus Anlass bestimmter Veranstaltungen Überschreitungen des regelmäßig zulässigen Lärmpegels an einer begrenzten Anzahl von Tagen im Jahr hinzunehmen haben, nicht zu beanstanden sein. Auch insoweit wird es jedoch Aufgabe der Beklagten sein, die Anzahl der Überschreitungen zu bestimmen und die weitere tatsächliche Entwicklung auf und um den Brüsseler Platz unter Kontrolle zu halten sowie und das Geschehen zu überwachen. Sollte trotz weitergehender Maßnahmen mit erneuten Beschwerden bzw. Gerichtsverfahren zu rechnen sein, dürfte es sich auch anbieten, die Maßnahmen und das Geschehen weiterhin zu dokumentieren.
361Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
362Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
363Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Insbesondere sind die Auslegung des abstrakten Gefahrenbegriffs sowie die Anwendung des landesrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht revisibel.
364Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 6 BN 1.12 -, juris Rn. 13, 15.